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Das Fischlein.

◡—◡◡—◡◡—◡

Ballade.

Vom Hofe, vom Dorf, von den Linden
Betrübt kommt ein Mägdlein gegangen;
Ihr Haar gibt sie preis allen Winden,
Und Thränen ihr netzen die Wangen.

Wo Fluß sich und Weiher vereinen,
Die Wiesen all' gehen zu Ende,
Da bleibt sie still steh'n um zu weinen,
Zu ringen die schneeigen Hände.

»Ihr Schwestern all', die ihr bewohnet
Den Switez da drunten im Grunde,
Wie schnöd meine Lieb' er belohnet,
Vernehmt der Verrathenen Kunde:

»Hab ganz mich dem Herren geweihet,
Der Treue mir einst hat geschworen –
Heut hat er die Fürstin gefreiet,
Und – Kryscha ist ewig verloren.

»Mag liebend er auch sie umfahen,
Mag kosen er auch mit der Schönen,
Doch mirsoll der Heuchler nicht nahen,
In meinem Herzleid mich zu höhnen.

»Was ist noch, ihr Schwestern, beschieden
Verrathener Lieb' hier auf Erden?
So nehmet mich hin denn in Frieden –
Doch was soll, mein Kind, aus dir werden?« –

Sie spricht es und weint; mit den Händen
Verhüllt sie der Aeugelein Gluten;
Und stürzt, ihre Qualen zu enden,
Vom Strand in die schäumenden Fluten. –

Vom Wald her, aus schimmerndem Schlosse
Der Kerzen viel tausend erglänzen;
Zur Hochzeit im jubelnden Trosse
Musik schallt zu fröhlichen Tänzen.

Doch wie es auch schallet und klinget,
Im Wald hört man Wimmern und Klagen:
Ein Diener, ein treuer, dort bringet
Ein Kindlein im Arme getragen.

Er lenket zum Wasser die Schritte,
Wo dichter die Weiden dort stehen,
Die Windung entlang in der Mitte,
Wo kaum noch der Fluß ist zu sehen.

Anhält er im Winkel beklommen,
Ausruft er mit kläglichem Weinen:
»Komm, Kryscha, o wolle doch kommen!
Wer sonst reicht die Brust deinem Kleinen?« –

– »Hier bin ich, im Strom, auf dem Grunde,« –
Antwortet ein Stimmchen ihm leise –
»Der Kies frißt an Aeuglein und Munde,
So kalt ist's, wie unter dem Eise.

»Auf Kies und Gestein muß ich liegen,
Fortreißen mich Wassergewalten;
Ich esse Korallen und Fliegen,
Ich trinke den Frühreif, den kalten.«

Der Diener noch einmal, beklommen,
Ausruft er mit kläglichem Weinen:
»Komm Kryscha, o wolle doch kommen,
Wer sonst reicht die Brust deinem Kleinen?«

Da leis die Krystallflut durchschlüpfet
Etwas und kommt näher gezogen:
Leicht trübt sich das Wasser: es hüpfet
Ein Fischlein hoch über den Wogen.

Wie flaches Gestein, wenn im Schwunge
Den Händen des Knaben entweicht es,
Also unser Fischlein: im Sprunge
Den Spiegel des Wassers bestreicht es.

Das Fischlein, ein goldig geflecktes,
Hat Flossen, goldschimmernd vor Allen,
Ein Kopf, wie ein Fingerhut, deckt es,
Mit Aeuglein, so blank, wie Korallen.

Die Schuppen abwirft's, die durchfeuchtet;
Mit Mägdeleinaugen es winket,
Goldhaar fließt vom Scheitel und leuchtet;
Ein Nacken, ein schwellender, blinket.

Milchäpflein der Busen, der frische,
Das Antlitz gleicht rosigem Hauche,
Der Gürtel den Flossen der Fische –
So schwimmt es zum Strand unterm Strauche.

So nimmt sie das Kind auf die Arme,
Nicht müd', an die Brust es zu schmiegen,
Die schimmernde, mütterlich warme:
»Mein Kind! Laß in Schlummer dich wiegen!«

Als so sie gestillet sein Weinen,
Im Korb an den Ast sie es hänget;
Und wieder die Glieder, die feinen,
Das Köpfchen, zusammen sie zwänget.

Ein Panzer sie wieder bedecket;
Seitwärts wieder Flossen sich schwingen.
Da plätschert es: wo sie sich strecket,
Aufwallen die Bläschen und springen.

Ob Spät- oder Frühroth erglommen,
Kaum gab ihr der Diener das Zeichen,
Im Switez die Maid kommt geschwommen,
Die Brust ihrem Kindlein zu reichen.

Was nahet einst Abends dem Grunde,
Kein Kindlein auf waldigen Strichen?
Vorüber ist längst seine Stunde –
Kein Diener kommt heute geschlichen.

Heut kann er nicht; heut an der Seite
Versteckt muß ein Weilchen er warten;
Der Herr, in der Gattin Geleite,
Lustwandelt zum Fluß aus dem Garten.

Umkehrt er drum, kauert zur Seiten
Im dichtesten Waldesgehege;
Er wartet umsonst: denn sie schreiten
Zurück nicht auf nämlichem Wege.

Aufsteht er zum Fernrohr zu winden
Die Hand, durch die Spalte zu schauen –
Nichts sieht er; den Tag nur entschwinden,
Die Dämmrung hernieder nur grauen!

Er harrt, bis die Sonne zur Rüste,
Anzündet die Nacht ihre Sterne;
Da nahet er wieder der Küste,
Und späht in die neblige Ferne.

Gotts Wunder! Von höllischen Mächten
Welch' Anblick wird nun ihm erschlossen:
Nur Gräben und Sand ihm zur Rechten,
Wo kaum noch das Flüßchen geflossen.

Gewänder nur liegen zur Seite,
Zerstreut und ein Spiel allen Winden:
Vom Herrn, in der Gattin Geleite,
Auch nicht eine Spur ist zu finden.

Gestein nur – dem Blick kaum er trauet –
Im Flußbett sich sieht er entfalten,
Gar wunderlich ist es erbauet,
So gleicht es – zwei Menschengestalten.

Erstaunt hat's der Diener gesehen,
Er kann sich vor Schrecken nicht fassen;
Ein, oder zwei Stündchen vergehen,
Eh' er hat vernehmen sich lassen:

»Komm, Kryscha, o wolle doch kommen!« –
»Komm, Kryscha!« So schallt's in die Runde.
Umschaut er umsonst sich beklommen:
Nichts zeiget sich, nichts gibt ihm Kunde.

Er starrt nach dem Graben, dem Steine,
Und trocknet den Schweiß von den Wangen,
Nickt dreimal, als ob er wol meine:
»Ich weiß, was hier vor sich gegangen!«

Dann nimmt auf den Arm er die Waise,
Hohnlacht er noch wild eine Weile,
Gebete dann murmelt er leise,
Und heimwärts er schreitet in Eile.



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