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Die Flucht.

Ballade.

—◡—◡—◡—◡

Heim nicht kehrte, der zum Streite
Heut vor'm Jahre zog in's Weite …
Schad' um dich wär's, junge Maid –
Sprach der Fürst, und schritt zur Freit.

Fürst am Hofe schwelgt beim Schmause –
Mägdlein weint in stiller Clause;
Ihre hellen
Aeuglein schwellen
Heut, wie zwei getrübte Quellen;
Ihrer Wangen
Glut vergangen
Ist, wie Mond im neuen Lichte –
Kraft und Anmuth gehn zu nichte.

Mutter härmt sich drob, verborgen;
Fürst die Trauung läßt besorgen.

Hochzeitsgäste nahn dem Hause;
»Führt mich nicht zum Traualtare –
Tragt mich lieber auf der Bahre
Nach des Friedhofs stiller Clause …
Lebt er nicht, muß ich verderben;
Mutter, wirst vor Gram du sterben!«

Priester will zum Beichtstuhl schreiten –
»Tochter, laß dich vorbereiten!«

Naht die Muhme mit Geflüster:
»Vorbereiten?
Albernheiten!
Fort mit Priester! Fort mit Küster!
Glaub' der Muhme du, der Alten,
Denn die Muhm' ist viel gescheidter:
Lattig hat sie, Farrenkräuter,
Und du hast des Liebsten Gaben –
Zauberkräfte sollst du haben:
Schling' zur Schlange flugs sein Haar,
Schmelz' in Eins der Ringlein Paar,
Saug' am Finger Blut dir, klar; –
Fluchen wir dem Schlangen-Haar,
Blasen durch der Ringlein Paar,
Führt er dich zum Traualtar!« –

Geht sie weiter;
Und der Reiter
Ihr Beschwören
Muß erhören:

Schon entsteigt er kaltem Schrein –
Fürchtest dich nicht, Mägdelein?

Still im Hof ist's, wach im Schlosse
Nur das Fräulein –; schallt vom Dache
Mitternacht –; stumm ist die Wache;
Lauscht das Fräulein – Hufschlag? Rosse? –
Nur die Doggen heulen heiser –
Leiser immer, immer leiser.

Horch! Da knarrt das Hofthor – wandern
Leise hört sie's durch die Hallen;
Oeffnen, eine nach der Andern,
Sich drei Thüren ohne Schallen:
Eintritt, ganz in Weiß, ein Reiter,
Schleicht bis an ihr Bett sich weiter.

Zeit verfliegt im süßen Bunde –
Wieh'rt ein Rößlein – Zeiger knarren –
Eulenruf! – Horch! Hufe scharren –
»Leb' denn wohl! Schon schlug die Stunde!
Oder steig' mit auf das Roß,
Bin ich ewig dein Genoß!«

Rastlos weiter
Sprengt der Reiter
Durch Gebüsch und Mondenschein –
Fürchtest dich nicht, Mägdelein?
Windschnell trägt das Roß durch Felder
Sie dahin, und stumme Wälder;
Still ist's; aufgescheucht im Traume,
Krächzt die Krähe nur vom Baume;
Nur vom Lager leuchten ferne
Grimmen Wolfes Augensterne.

»Auf! Galopp! Mein Roß, Galopp!
Tief der Mond in Wolken sinkt;
Auf! bevor er wieder blinkt,
Gilt's noch Felsen zehn, hop! hop!
Flüsse zehn – neun Höhn hinan;
Noch ein Stündchen, kräht der Hahn!«

– »Wohin führst du mich?« – »Zum Hause,
Fern nach Mendogs lichten Auen;
Tags den Weg kann Jeder schauen,
Nachts nur dunkel ist der grause!« –
– »Hast ein Schloß du?« – »Schloß und Kammern,
Doch die Thür ist ohne Klammern!« –

– »Liebster, nicht das Rößlein sporne,
Kaum noch halt' ich mich im Bügel« –
– »Halte dich am Sattel vorne,
Mit der Rechten fass' die Zügel. –
– Doch was hast du in dem Tüchlein?« –
– »Ach, den »Hausaltar«, mein Büchlein!«

– »Zeit nicht ist zum Aufenthalte:
Gähnt ein Schlund doch vor dem Pferde;
Man verfolgt uns – Hufschlag schallte –
Schnell! Das Büchlein wirf zur Erde!« –

Von der Last befreit, der Reiter
Sprengt im Flug' zehn Klaftern weiter.

Sprenget ohne Pfad im Rohre;
Rings ist's öd – Irrlichter glänzen
Sieht er vor sich, folgt den Tänzen
Ueber Gräber hin und Moore;
Folgt den Spuren durch die Auen:
Führer ihm in Nacht und Grauen
Sind die Flämmchen nur, die blauen.

– »Welch ein Weg! Sei auf der Hut hier,
Wo kein Mensch ist, kein Gehege!« –
– »Sank der Muth dir? – Weg ist gut hier:
Denn wer flieht, geht krumme Wege.
Keine Spur uns führt zum Schlosse,
Dem zu Fuß naht kein Genosse:
Denn der Reiche kommt zu Wagen,
Und der Arme wird getragen!

»Auf! Galopp! Mein Roß, Galopp!
Frühroth flammt im Osten bald;
Noch ein Stündchen, heißt es: halt!
Eh' die Morgenglocke schallt,
Gilt's noch Felsen zwei, hop! hop!
Flüsse zwei – zwei Höhn hinan;
Bald zum Zweiten kräht der Hahn!« –

– »Liebster, halt das Roß im Zaume!
Sieh! Es scheut sich, springt zur Seite,
Dicht vorbei an Fels und Baume!
Ach! wenn ich heruntergleite!« –

– »Was für Taschen hast du hängen,
Liebchen, da, und was für Schnüre?« –

– »Schatz, zu heiligen Gesängen
Rosenkränz' am Skapuliere!« –

– »Fort damit! An Abgrunds Rande
Schwankt der Renner, wie geblendet;
Wie er bebt, sich seitwärts wendet!
Liebchen, fort mit all' dem Tande!« –

Von der Furcht befreit, der Reiter
Sprengt im Flug' fünf Meilen weiter:
»Ist das nicht die Kirchhofs-Mauer?« –
»Meinem Schloß dient sie zum Schutze.« –

»Doch die Kreuz' und Grabesschauer?« –
– »Kreuze? Thürme sind's zum Trutze …
Nur die Mauer noch, die Schwelle,
Sind auf ewig wir zur Stelle!

»Halt, mein Roß! Halt an, mein Roß!
Brachst durch Fels und Strom dir Bahn,
Kamst noch, eh' gekräht der Hahn,
Und erbebst hier, mein Genoß? …
Ach, ich weiß, warum – dich reut's:
Dir, wie mir, schafft Weh' – das Kreuz

– »Liebster, warum willst du halten?
Daß mich eisig Thau bespüle? …
Hüll' mich in des Mantels Falten,
Daß mich Morgenwind nicht kühle!« –

– »Liebchen, fühl' an meine Stirne,
Laß sie ruhn in deinen Armen:
Mir ein Feuer flammt im Hirne,
Steine könnten dran erwärmen …
Doch was trägst von Stahl am Bande?« –
– »Schatz, ein Kreuz aus Mutterhänden!« –
– »Pfeilspitz und mit scharfen Enden? …
Wang' und Stirn mir stehn im Brande –
Fort mir mit dem eh'rnen Tande!« –

Fiel das Kreuz, versank im Schlunde;
Reiter preßt die Maid zusammen,
Roß fast menschlich Hohn lacht; Flammen
Sprühn aus Reiters Aug' und Munde;
Ueber Mauern wild sie springen –
Kräht der Hahn, die Glocken klingen:
Sind, eh' Frühmess' hat begonnen,
Reiter, Roß und Maid – zerronnen
Oede stehn auf Kirchhofs Fluren
Gräber rings mit Kreuzen, Steinen;
Stein und Kreuz nur fehlt dem Einen:
Dem – mit frisch zerwühlten Spuren.
Priester lang' am Grabe saß
Und – zwei Seelen Messe las.



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