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Tukaj
oder
die Freundschaftsproben.

Ballade.

—◡—◡—◡—◡

I.

»Laßt mich sterben – ohne Zagen!
Wollt erleichtern Euch die Mühe:
Wer da starb, ob spät ob frühe,
Den erwecken keine Klagen!
Herr von Gütern und von Vesten,
War berühmt durch Gold und Macht ich;
Meine Schlösser Tag und Nacht ich
Freunden offen hielt und Gästen. –
Mensch, die Macht ist leere Mythe,
Schlösser, Namen sind – ein Hauch nur;
Groß ist – nichts, die Größe – Rauch nur:
Seht! Ich sterb' in Jugendblüte! –
Rastlos ich nach Weisheit suchte,
Eilend über Land und Meere,
Fand in Büchern manche Lehre,
Die als Schatz ich eifrig buchte –
Mensch, die Wissenschaft ist Mythe,
Weisheit, Name sind – ein Hauch nur;
Groß ist – nichts, Verstand ist – Rauch nur:
Seht! Ich sterb' in Jugendblüte! –
Heil'gen Glauben nie verlacht' ich,
Herzensrein war meine Jugend,
Ich belohnte stets die Tugend,
Und den Kirchen Opfer bracht' ich –
Mensch, die Frömmigkeit ist – Mythe,
Glaube, heil'ger Nam' – ein Hauch nur;
Heilig – nichts, die Tugend – Rauch nur:
Seht! Ich sterb' in Jugendblüte!
Grausam, Schöpfer, ist dein Walten:
Werd' ich schon so früh begraben,
Wozu mußt' ich Diener haben?
Soll nicht Lohn die Treu' erhalten? –
Lieb' auch hast du mir gegeben,
Und der Freundschaft milde Sonne –
Tod vergiftet alle Wonne –
Lebt denn wohl für dieses Leben!«

So, von Diener Hand getragen,
Tukaj, unter lauten Klagen,
Abschied nimmt zu Aller Kummer,
Schließt das Aug' im ew'gen Schlummer.

Horch! Da dröhnt es über'm Dache,
Daß des Schlosses Mauern beben:
Einen greisen Fremdling schweben
Sieht man mitten im Gemache.

Haare grau die Schläfen decken,
Lang der Bart wallt zu den Knieen,
Furchen tief die Stirn durchziehen,
Und die Hand sich stützt am Stecken.

Tukaj von der Lagerstelle
Aufstehn heißt er, mit sich gehen;
Obre Säle, Wachen, Wälle,
Weit schon hinter sich sie sehen;
Gehn hinaus in Nacht und Regen,
Sehn des Mondes Silberwangen
Nebelschleier bald umfangen,
Bald die Wolkenschicht sich legen;
Gehn dahin durch tiefe Schluchten,
Wüstenei'n in Ried und Rohre,
Durch Hnelica's düstre Moore,
Koldyczewo's blaue Buchten.
Wo, von Wildniß rings umgeben,
Schwarz der Bodens fahl die Wipfel,
Kiesbedeckt bis an den Gipfel,
Sich Zarnowo's Höhn erheben,
Kniet auf einem Grab der Greise;
Blitzt sein Auge, glüht die Wange;
Dreimal pfeift und ruft er leise,
Zeigt hinab vom Bergeshange:

»Tukaj, auf dem Steg dich halte
Nach der Hütte dort im Schilfe:
Polel wohnt darin, der Alte,
Seine Weisheit bringt dir Hilfe.
Gott, der dich mit süßen Banden
Hat durch Wissenschaft und Tugend
Eng verknüpft den Erdenlanden,
Sterben läßt dich in der Jugend –
Doch nicht woll' in Furcht erbeben!
Mittel will ich dir bereiten:
Dienern, Freunden, Gattin leben
Jahre sollst du, Ewigkeiten.
Ich zuerst will Menschenblicke
Diese Mittel offenbaren,
Doch – so wollen's die Geschicke:
Zwei nur dürfen sie erfahren.
Wähle drum dir einen Zweiten,
Wenn, im Glauben und Vertrauen,
Du auf ihn zu allen Zeiten
Kannst, wie auf dich selber bauen.
Triffst du's – wirst du niemals sterben,
Fehlst du's – harret dein Verderben!« –

– »Alter, mit dem Sehermunde
Sprichst du nur in Dunkelheiten –
Gib mir deutlicher die Kunde!« –

– »Wähle du dir einen Zweiten!
Geh mit Kopf zu Rath und Herzen:
Leib und Seele gilt es eben,
Ist er treulos – Höllenschmerzen;
Ist er treu dir – ewig Leben …
Kannst du einem Diener trauen? …«

Tukaj wagt nichts drauf zu sagen:
Kann auf fremden Sinn man bauen?
Diener sind gar oft verschlagen …

– »Deinem Weibe, deinem Liebchen?« –
– »Ja …« – Da stockt er, starrt hernieder;
– »Ja …« – Schon stockt und starrt er wieder;
Zweifel seine Seele quälen:
– »Meinem Weibe, meinem Liebchen?« …
Ja, er glaubt es … Wieder Zagen
Fühlt er: »Doch mein Weib, mein Liebchen« …
Scham und Bangigkeit ihn quälen;
Wieder sinnt er, will schon wählen,
Und doch wagt er nichts zu sagen.

– »Stirb denn! Und du konntest wagen? …
Laß den wilden Wunsch in Frieden!

Traust du Niemand mehr hienieden,
Darf die Welt dich länger tragen?« –

Sinnt er. – »Kannst auf Niemand bauen?
Dienern, Gattin, Freund nicht trauen?« –

Sinnt er. Eh' er sich's versehen,
Schwärzen sich des Himmels Räume;
Donner rollen. Büsch' und Bäume,
Sumpf und Fels mit grellem Strahle,
Selbst der See, in Flammen stehen,
Und der Boden wankt im Thale.

Ehe Blitz und Donner enden –
War es Gottes-, Satans-Wille? –
Fand im Bett sich, in der Stille
Tukaj in der Seinen Händen.

Fern nur: »Du hast keinen Zweiten« –
Ruft's – »auf den du aller Zeiten
Kannst wie auf dich selber bauen,
Dem du kannst in Allem trauen!«

II.

»Ha! Ich hab' den Freund gefunden!«
Tukaj ruft, der todtengleiche;
Seine Stirn sich färbt, die bleiche,
Und im Aug' ihm blitzt Gesunden:
Tukaj, kaum dem Grab entrissen,
Rafft, zum Staunen der Doctoren,
Sich empor von seinem Kissen,
Geht umher wie neugeboren.
Den Tractat aus Ochsenfelle,
Drauf, von Höllenmacht getrieben,
Zaubersprüche Teufel schrieben,
Tukaj sieht, springt auf, erfaßt ihn,
Setzt sich dann, und liest mit Hast ihn:

»Wird der Mond im Viertel stehen,
Mußt zum Wald am Berg du gehen:
Einen Stein dort findest, eine
Weiße Wurzel unter'm Steine;
Fühlst du nahen Todes Grauen,
Laß den Leib in Stücke hauen,
Dort im Fluß die Wurzel quellen
Und darein die Glieder stellen;
Seele wird und Leibeshülle
Dir erstehn in Jugendfülle;
Dieses Mittels Zauber geben
Dir, so Tod, als ewig Leben!«

Folgt die Vorschrift, die genaue,
Wie man Kopf und Fuß zerhaue,
Wie man Wasser schöpf' im Flusse,
Wie viel Wurzel zu zerreiben;
Als Postscript enthält das Schreiben
Diese Clausel noch zum Schlusse:

»Wenn, den du gebraucht, der Zweite,
Daß die Salb' er dir bereite,
Doch, von uns in schwacher Stunde
Noch verführt, gibt Andern Kunde;
Wenn gesalbt dein Körper nimmer
Ward zur Zeit, die wir befahlen, –
Schwand der Wurzel Kraft für immer,
Harren dein der Hölle Qualen.
Willst du also doch es wagen,
Sei als Einverständnißzeichen
Es Mephisto übertragen,
Den Tractat zu überreichen.
So gewarnt vor unsern Ränken,
Wolle dich zur Zeit bedenken.
Manu properia. Gegeben
Sabbath früh. Im Erebus
Lucifer. (Und dicht daneben
Hadramelach – steht am Schluß).

Tukaj mocht' es nahe gehen:
Deß hat er sich nicht versehen;
Mit der Hand den Bart sich kraut er,
Reibt die Stirne, rümpft die Nase,
Prüft die Schrift mit seinem Glase,
Schnupft zweimal nach seiner Weise;
Mit dem Blick den Boden streifend
Bald, und bald zur Decke schweifend,
Wägt das Pergament er leise;
Wieder scheel hernieder schaut er,
Sinnt und liest, und sinnend wieder,
Knirscht er mit den Zähnen, brummet,
Seufzt und stöhnt und surrt und summet,
Haut die Faust zum Tisch hernieder,
Läuft umher, wie toll im Hirne;
Sinnend wieder bleibt er stehen,
Schwenkt die Hand: » So mag's geschehen
Läuft, die Hand fest an der Stirne,
Dann, als ob's das Leben gelte;
Wieder setzt er sich zum Sinnen, –
Niemand dieserhalb ihn schelte –:
Schlecht mit Teufeln ist beginnen!

Also denkt er: Ewig Leben,
Oder in des Teufels Krallen –
Doch kein Wörtchen läßt er fallen,
Nur die Lippen leis ihm beben.
Doch nicht Zeit ist mehr, zu schwanken;
Drum entfernt die Hausgenossen
Tukaj, der sich eingeschlossen
In die Werkstatt der Gedanken.
Lange den Tractat noch, lange,
Eh' daran das Siegel hängt er,
Ihn zu prüfen, mit der Zange
Ernster Ueberlegung zwängt er.
Bald im Tiegel des Vergleiches
Schmelzt er alle Aehnlichkeiten,
Bald das Messer, kühnen Streiches,
Senkt er in Verschiedenheiten;
Bringt all das, wie Wachs, zum Flusse,
Seiht draus ein Extract zum Schlusse,
Prüft von außen es und innen,
Bis er spricht nach langem Sinnen:

»Welches immer auch die Ränke,
Die, wie ich gehört, im Spiele,
Wen'ge seien's, oder Viele –
Dreifach nur ich mir sie denke:
Will man zum Verrath verleiten,
Muß vom Rath zur That man schreiten;
Will es nicht durch Geld gelingen,
Muß man es durch Schreck erzwingen:
Also kurz, daß ich zum Ende
Mich des Syllogismus wende,
Dreierlei nur dräut Verderben:
Vorwitz, Habgier, Furcht vor Sterben.
Wer nicht täuscht in den drei Lagen,
Harterprobt, mir mein Vertrauen,
Nur auf ihn kann ohne Zagen
Ich, wie auf mich selber bauen!« –

Tukaj, mit dem Schluß zufrieden,
Tinte sucht und Sand, danieden
Seine Sündenschrift zu schreiben;
Nicht zu eilig mag er's treiben:
Nächtlich Dunkel deckt den Himmel,
Und die Tinte – dichter Schimmel.
Kerzen drum vor allen Dingen
Läßt, und frische Tint' er bringen.
Schmerzt der Arm ihm, muß er reiben;
Härchen in der Feder sitzen:
Mit dem Spalt ist nicht zu schreiben,
Muß er wischen, muß er spitzen.
Lange grübelnd, bleibt er stehen,
Endlich schreibt er: Mag's geschehen!
Auch den Namen schnell geschrieben!
Doch ein Stündchen mag verstreichen,
Eh' er setzt das erste Zeichen:
Kopf und Feder wird zerrieben;
Weiter kann er nichts erreichen,
Nur ein T –, und dicht daneben
Noch vier kleine Punkte … schweben.

Doch, wie mocht' er wol erschrecken,
Als das g im Wort » geschehen«
Blähn er sich an allen Ecken
Sieht, und krümmen sich und drehen,
Dann erheben sich und schwellen,
Und wie Teig von Hefen quellen,
Bis sich's wölbt am untern Theile,
Wie ein Bäuchlein, gar nicht übel;
Oben wächst ein Kopf in Eile,
Dick, wie ein gewalt'ger Kübel,
Dran ein Hals, nach Wespenart;
So mit geisterhaftem Schritt,
Pferdefuß und Hahnentritt,
Adlernas' und Ziegenbart,
Flügeln, wie ein Mühlenrad,
Und mit stieren Blicken naht –
Mag ein Wort verrathen es –
Meister Mephistopheles.

Tukaj, selber noch nicht weiß er,
Ob ihn gehn, ob sitzen heiß' er …,
Hüpft herbei der kühne Springer,
Faßt ihn flugs am kleinen Finger;
In die Haut das Messer setzt er,
Und mit Blut die Feder netzt er,
Drückt die Feder in die Hand ihm.
Führt zum Schreiben sie gewandt ihm,
Bis er schreibt U-K-A-J
Kaum doch sieht er: TUKAJ stehen,
Teufel grinst … entschlüpft … hi! hi!
Jetzt versuch' ihm zu entgehen!



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