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Die Switez-Maid.

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Ballade.

Wer ist der Knabe, stattlich zu schauen?
Wer ist die Maid ihm zur Seiten?
Dort an des Switez Ufern, des blauen,
Langsam im Mondlicht sie schreiten.

Blumen zum Kranz dem Mägdelein gibt er,
Beeren im Korb ihm die Kleine;
Sicher ist er: ihr Einziggeliebter,
Sicher ist sie: ganz die Seine.

Unter dem Lärchbaum seh'n auf der Halde
Sie sich bei Sternengeflimmer:
Er ist – der Jäger drüben vom Walde,
Sie ist – erforscht ward es nimmer.

Nie, wo sie herkam und hinging, vernommen,
Nie ihre Spur ward gefunden:
Stets ist, wie Froschkraut im Sumpf, sie gekommen,
Stets wie ein Irrlicht, verschwunden.

»Sage mir, Schöne, habe die Gnade –
Wozu Geheimniß betrieben? –
Sag' mir, auf denen du kamest die Pfade,
Wo ist das Haus deiner Lieben?

»Schwand doch der Sommer, welkten die Blätter,
Stürmt's doch und regnet im Lande –
Soll deiner Ankunft, trotzend dem Wetter,
Immer ich harren am Strande?

»Willst, wie ein Spuk, durch Wälder du eilen
Immer, gleich flüchtigem Rehe?
Nimmer bei dem, der liebt dich, verweilen?
Bleib', o Geliebte, nicht gehe!

»Fern nicht mein Hüttchen steht dort, das enge,
Mitten im Hasel-Reviere:
Milch und auch Früchte hab' ich in Menge,
Vorrath an Wild und Gethiere!« –

– »Halt, o Verwegner! Männer im Scherze
Schmeicheln, wie Nachtigallschlagen;
Doch, wie ein Füchslein, schlau ist ihr Herze –
Ließ ich vom Vater mir sagen.

»Mehr muß, als eurer Glut ich kann trauen,
Fürchten ich euer Bethören:
Könnt' ich auf deine Treue wol bauen,
Wollt' ich dein Flehen erhören?« –

Knieet der Knabe, wühlt sich im Sande,
Schwört bei der Hölle Gewalten,
Schwört bei des Mondes Strahlengewande –
Doch, wird den Schwur er auch halten?

– »Halt' ihn, o Jäger! Rath laß dir geben!
Wer nicht hält, was er geschworen,
Weh' ihm, ach, wehe! – hier schon im Leben
Geht ihm die Seele verloren!« –

Sprach's, auf der Halde länger nicht weilend,
Schmückt mit dem Kranz sich die Kleine,
Grüßt noch den Jäger fern, und enteilend,
Schwand, wie gewohnt, sie im Haine.

Jäger will folgen, zögert und stehet,
Kann ja den Flüchtling nicht fassen;
Jäh, wie ein Windhauch, ist sie verwehet –
Er bleibt allein und verlassen.

Er bleibt allein – in Wildnissen mitten
Schwankt ihm der Fuß, und Morästen.
Rings ist es still – nur unter den Schritten
Raschelt's von welkenden Aesten.

Irrenden Schrittes wankt er am Raine,
Irrenden Blickes er spähet.
Wild nur der Sturmwind braust durch die Haine,
Wogt nur die Flut und sich blähet.

Bläht sich und woget – wallt es im Schlunde –
– Anblick, o nimmer gesehen –
Sieht aus des Switez silbernem Grunde
Hold eine Maid er erstehen.

Bleich sind die Wangen, feucht, wie die Rosen
Morgens, sinkt Thau drauf hernieder.
Hüllen, so leicht, wie Nebel, umkosen
Wehend die göttlichen Glieder.

»Lieblicher Knabe, stattlich zu schauen,« –
Lockt ihn das Mägdlein zur Seiten –
»Was an des Switez Ufern, des blauen,
Hast du bei Mondlicht zu schreiten?

»Was um die Wilde klagst du, die Spröde,
Die dich verlockt auf die Haide,
Sie, die verließ im Sehnen dich schnöde,
Gar dich verspottet im Leide?

»Lieber laß kosen uns miteinander,
Ende dein Seufzen und Klagen,
Komme doch, komme! Tanzen selbander
Wir, von Krystallen getragen.

»Oder willst, wie ein Schwälbchen, du munter
Streifen sie nur mit den Schwingen?
Oder willst, wie ein Fischlein, hinunter
Tagelang plätschernd, du dringen?

»Aber zur Nacht in silbernem Bette,
Unter des Spiegels Gezelten,
Bieten dir Wasserlilien die Stätte,
Träumst du von göttlichen Welten!« –

Schimmert die Schwanenbrust aus dem Kleide
Schweigend zu Boden er starret …
Schwebenden Schrittes nähern sich Beide:
»Komm, die Geliebte dein harret!«

Bald, wie ein Regenbogen im Kreise,
Blinkt's, wenn die Luft sie durcheilet;
Bald wieder Tropfen, silberne, leise
Sprüht's, wenn die Flut sie zertheilet.

Hineilt der Jäger, steht dann und säumet,
Möcht' ihr wol folgen, der Süßen –
Doch eine Woge flutet und schäumet
Leise vom Strand ihm zu Füßen.

Also verlockt sie, neckisch ohn' Ende,
Ihn, bis sein Herz sie berückte,
Wie die Geliebte, wenn sie die Hände
Heimlich des Liebenden drückte.

Jäh hat der Jäger Liebchen vergessen,
Heiligen Schwur, der Verstockte!
Jäh in's Verderben eilt er, vermessen,
Folgt er dem Reiz, der ihn lockte.

Eilet und spähet, spähet und eilet,
Bis in den Wogen sie ruhten –
Fern von des Ufers Bucht schon er weilet,
Kos't schon inmitten der Fluten.

Drückt in den Seinen schneeige Hände,
Sieht schon die Aeuglein erglänzen,
Reicht schon den Rosenlippen die Spende,
Schwebt schon in munteren Tänzen –

Da weht ein Lüftchen; Nebel entschwindet,
Täuscht ihn mit trügendem Scheine;
Jäger verwundert spähet und – findet
Vor sich – die Maid aus dem Haine.

»Wo blieb dein Schwur, der Rath, dir gegeben?
Wer nicht hält, was er geschworen,
Weh' ihm, ach wehe! – hier schon im Leben
Geht ihm die Seele verloren!

»Dir nicht geziemt es, in Tiefen zu dringen,
Plätschernd in silbernen Fluten;
Jäh deinen Leib wird Erde verschlingen,
Löschen im Blick dir die Gluten.

»Doch deine Seele, dort unter'm Stamme
Soll ein Jahrtausend sie fühlen
Ewig die Qualen höllischer Flamme,
Nichts soll sie löschen, dich kühlen!«

Jäger vernimmt es, schwanket zum Raine,
Irrenden Blickes er spähet;
Wild nur der Sturmwind braust durch die Haine,
Wogt nur die Flut und sich blähet.

Bläht sich und woget – wallt es im Schlunde,
Strudel im Strome sich drehen,
Oeffnen sich weit, bis – jählings im Grunde
Jüngling und Mägdlein vergehen.

Tosen die Fluten, schäumen die Wogen
Heut noch im dämmernden Scheine:
Kommen zwei nichtige Schatten gezogen –
Jüngling und Maid im Vereine.

Er unter'm Lärchbaum klagt' auf der Halde,
Sie tanzt im Flutengeflimmer.
Er ist – der Jäger drüben vom Walde,
Sie ist – erforscht' ward es nimmer.



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