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Der Spielmann.

Ballade.

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(Nach einem Volksliede.)

Wer ist der Bettler? Seht, wie der graue
Bart ihm erglänzt bis zum Passe;
Knaben ihn führen, zwei, von der Aue
Langsam dahin durch die Gasse.

Anstimmt die Leier er, um zu singen;
Sie auf dem Dudelsack pfeifen;
Lass ich den Alten näher mir bringen,
Hier auf den hüg'ligen Streifen.

»Alter, beim Spiel hier wolle du weilen:
Zusaat begehn wir im Feste;
Was Gott gegeben, wollen wir theilen,
Herberg' im Dorf ist für Gäste!«

Hört es der Alte, naht, und sich neigend,
Setzt er sich nieder am Raine;
Seitwärts die Knaben setzen sich, schweigend,
Lauschen dem frohen Vereine.

Trommeln erdröhnen, Pfeifen ertönen,
Feuer rings flackern auf's Beste;
Zechen die Alten, tanzen die Schönen –
Zusaat begehn sie im Feste.

Trommeln und Pfeifen nimmer ertönen,
Alle verlassen die Flammen;
Schaaren die Alten sich und die Schönen
Rings um den Spielmann zusammen.

»Spielmann willkommen! Sehen dich gerne,
Kamst ja zu festlichem Tage;
Herführt dich heute Gott wol von ferne;
Rast dir und Wärme behage!«

Führt man zum Feuer ihn und zu Tische,
Speisen ihm, liebliche, winken:
»Ist dir gefällig Fleisch, oder Fische?
Meth auch ein Glas kannst du trinken!

»Dudelsack sehn wir, Leier euch tragen;
Laßt sie zu Dritt uns erschallen;
Wollen euch Kober füllen, und Magen,
Dankbar uns zeigen euch Allen!«

– »Still! Wenn ihr wollet, bald soll es klingen!«
Ruft er und klatscht in die Hände;
»Aber was soll ich, Kinder, euch singen?« –
– »Wähle du selbst uns die Spende!« –

Aber zur Hand den Becher erst nimmt er;
Meth soll, erwärmend, ihn laben;
Blinzelnd die Leier prüft noch und stimmt er,
Singt dann – einstimmen die Knaben:

– »Folgend dem Niemen weit durch die Lande,
Streif' ich hinan und hernieder
Wiesen und Wälder, Dörfchen am Strande,
Singe dem Volk meine Lieder.

»Alle, mir lauschend, um mich sich schaaren,
Keiner doch wird mich verstehen;
Keiner wird meinen Kummer erfahren,
Weiter muß, weiter ich gehen.

» Die mich versteht, würd' weinen und klagen,
Würd' auch wol weinen mich sehen,
Würd' in die weißen Hände sich schlagen, –
Weiter nicht braucht' ich zu gehen.« –

Schweigt er, daß, eh' das Spiel er beendet,
Flüchtig die Flur er beschaue,
Seitwärts die starren Blicke gewendet; –
Fern da wer steht auf der Aue?

Steht da ein Mägdlein: Kränze gewunden
Hat, und gelöst sie auf's Neue;
Vor ihr der Jüngling, treu ihr verbunden,
Annimmt als Pfand sie der Treue!

Frieden der Seel' ihr ruht auf den Wangen;
Erdwärts die Blicke sich senken;
Freude verräth sie nimmer, noch Bangen:
Eins nur erfüllt all' ihr Denken.

Leis, wie des Halmes Büschel erbeben,
Mag auch kein Lüftchen sich regen,
So ihres Busens Hüllen sich heben,
Mag auch kein Ach! ihn bewegen.

Zieht sie ein Zweiglein, welk schon am Saume,
Fremd hier zu Land, aus der Hülle;
Prüft es, wirft's fort, murrt leis wie im Traume,
Als ob mit Zorn sie's erfülle.

Wendet das Haupt sie, eilt von der Stelle,
Blickt dann empor wie zum Beten;
Thränen im Auge glänzen ihr, helle,
Rosen in's Antlitz ihr treten.

Spielmann, noch schweigend, anklingt nur leise;
Sie nur, als woll's sie verschlingen,
Anstarrt das Falkenauge, das greise,
Als woll' in's Herz es ihr dringen.

Wieder zur Hand den Becher erst nimmt er;
Meth soll, erwärmend, ihn laben;
Blinzelnd die Leier prüft noch und stimmt er,
Singt dann – einstimmen die Knaben:

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◡—◡—◡——◡

»Wem schlingst du das Brautkränzelein
Aus Lilien, Thymian und Rosen?
Ach! Glücklich muß der Jüngling sein,
Schlingst du ihm das Brautkränzelein!

Dem Liebsten wol für süßes Kosen?
Du weinst, wirst roth – gesteh's nur ein,
Ihm schlingst du das Brautkränzelein
Aus Lilien, Thymian und Rosen!

Schlingst auch nur ihm das Kränzelein
Aus Lilien, Thymian und Rosen,
Harrt doch in Lieb' ein Andrer dein,
Schlingst Jenem auch das Kränzelein!

Dem Andern lass' die Thrän' allein,
Das Wangenroth der Losen,
Schlingst Jenem auch das Kränzelein
Aus Lilien, Thymian und Rosen!« –

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Da erschallt Lärmen; fragende Worte
Wirr in der Schaar sind erklungen:
»Sang man dies Lied doch schon hier am Orte,
Wann ward, wer hat es gesungen?« –

Mahnet des Alten Hand sie, zu schweigen:
»Kinder, o hört meine Worte;
Der es ersonnen – will ich euch zeigen –
Stammt vielleicht hier aus dem Orte.

»Als in die Fremde zog ich vor Jahren,
Königsberg mir zu beschauen,
Kam auf dem Floß ein Hirt auch gefahren,
Stammt hier aus Litthauens Gauen.

»Stets war er traurig über die Maßen,
Niemand den Grund hat vernommen;
Endlich die Seinen hat er verlassen,
Heim ist er nimmer gekommen.

»Oft, wenn erhellte Frühroth, das hehre,
Oder der Vollmond die Lande,
Sah ich ihn einsam irren am Meere,
Oder auch waten im Sande.

»Fels unter Felsen, Qualen den Klüften
Mocht' er in Nacht und in Grauen,
– Feind allen Menschen – Seufzer den Lüften,
Thränen den Fluten vertrauen.

»Trat ich einst zu ihm. Traurig er schaute,
Floh aber nicht, wie vor Zeiten;
Sagt' ich ihm gar nichts, stimmte die Laute,
Sang, und griff voll in die Saiten.

»Weint' er viel Thränen, nickt' mit dem Haupt mir,
Daß er am Spiele sich weide;
Drückte die Hand mir – ich ihm – und – glaubt mir –
Bitterlich weinten wir Beide.

»Bald wir bekannt einander uns waren,
Freunde sogar schon nach Wochen;
Er immer schwieg, wie gewohnt er seit Jahren,
Ich auch hab' wenig gesprochen.

»Dann, als der lange Gram an ihm zehrte,
Kaum er sich konnte noch regen,
Hatt' ich, als Diener und als Gefährte,
Ihn in der Krankheit zu pflegen.

»Vor meinen Augen welken ihn sah ich;
Rief an sein Bett mich der Stille:«
– »Bald meinem End' – ich fühle das – nah' ich:
Gott will's – geschehe sein Wille!

»Nutzlos die Jugend ließ ich verrinnen –
Dies nur gefehlt ich hier habe –
Doch ohne Kummer geh' ich von hinnen:
Lebend schon lag ich im Grabe.

»Seit dieser Fels mit wilden Verstecken
Barg mich vor menschlichen Blicken,
Fragt' ich nichts nach der Welt, nach Geschicken,
Mocht' ich Erinn'rung nur wecken.

»Du, der getreu mir blieb bis zum Grabe« –
Sprach's, und mir drückt' er die Hände –
»Da, zu belohnen dich, ich nichts habe,
Nimm, was als Dank ich dir spende:

»Kennst ja das Liedchen, das ich gesungen
Oft, wenn ich weinte vor Grimme;
All' seine Worte sind dir erklungen,
Weißt, wie ich's sang, auch die Stimme.

»Nimm dieser Flechte schimmernde Haare,
Nimm auch dies Zweiglein Cypressen;
Lerne das Liedchen – jenes verwahre:
Alles ist's, was ich besessen.

»Geh', wo des Niemen Wogen dort rauschen,
Sie, die ich nie mehr erblicke,
Triffst du vielleicht; dem Lied wird sie lauschen,
Hören des Zweigleins Geschicke,

»Führen in's Haus dich, danken dem Greise …
Sag'« … – Schon das Aug' ist gebrochen;
– »Heilige Jungfrau!« … lispelt er leise,
Doch hat nur halb er's gesprochen.

»Schon im Verscheiden, zuckend vor Schmerze,
Sprechen noch will er – vergebens –
Zeigt nach der Gegend er, auf sein Herze,
Gleichwie zur Zeit seines Lebens.« –

Abbricht der Spielmann, späht in der Menge,
Preis gibt den Zweig er den Winden;
Doch schon ist nimmer in dem Gedränge
Sie, die er suchet, zu finden.

Fern nur Gewänder steht er noch wehen,
Tücher, um's Antlitz gewunden;
Fern mit dem Jüngling sieht er sie gehen –
Schon sind im Dorf sie verschwunden.

Flugs zu dem Alten Alle sie laufen,
Eifrig »Was war das?« zu fragen;
Nichts aber wußt' er … wußt' er's, dem Haufen
Mocht' er vielleicht es nicht sagen.



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