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Der Vampyr.

(Aus »Dziady« II. Theil, Seite 23.)

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Stillsteht das Herz, schon ist die Brust erkaltet,
Das Auge trüb', die Lippe starr, die bleiche:
Noch auf der Welt, für sie nicht mehr gestaltet,
Was ist das? Ach! – eine Leiche.

Der Hoffnung Geist verleiht ihr wieder Leben;
Umstrahlt von der Erinnr'ung Sternenlichte,
Schau! ihrer Jugend Land zurückgegeben,
Späht sie nach trautem Gesichte.

Aufathmet neu die Brust, die schon erkaltet;
Das Auge glüht, die Lippe bebt, die bleiche:
Neu auf der Welt, doch für sie nicht gestaltet,
Wie? Ist ein Vampyr die Leiche?

Wer nah' dem Kirchhof wohnt, kann nicht verhehlen,
Daß sich der Vampyr läßt alljährlich wecken;
Abwälzt das Grab am Tag er aller Seelen,
Nahet, den Menschen ein Schrecken.

Erst bei des vierten Sonntags Frühgeläute
Heimkehrt, entkräftet von der Nacht, er wieder;
Mit blut'ger Brust, als sei durchbohrt sie heute,
Steigt in die Gruft er hernieder,

Der Vampyr, Nachtmensch – habt ihr nichts vernommen?
Noch Mancher lebt, der einst ihn mitbegraben:
In früher Jugend ist er umgekommen,
Selbst soll entleibt er sich haben.

Jetzt mag gewiß ihn ew'ge Strafe quälen;
Ausathmet Flammen er mit Klaggeflüster;
Ihn sah und hörte – ließ ich mir erzählen –
Jüngst noch ein alternder Küster.

Entstiegen war der Vampyr kaum der Erde,
Zum Morgenstern er seine Blicke wandte;
Mit kalten Lippen, jammernder Geberde,
Aufwärts die Klag' er entsandte:

»Verwünschter Geist, was fachst auf's Neu' du immer
Im Erdenpfuhl den Funken mir des Lebens?
Erloschen kaum, was, trügerischer Schimmer,
Strahlst du mir wieder vergebens?

»O, traurig Loos, und doch – ich hab's verschuldet:
Sie wiedersehn, erkennen – von ihr scheiden,
Alljährlich dulden, was ich einst erduldet,
Jährlich den Tod muß ich leiden!

»Im Volk muß irren ich, um dich zu suchen,
Fliehn das Asyl, das mich geschirmt seit Jahren –
Was kümmert's mich, daß mir die Menschen fluchen? –
Lebend schon hab' ich's erfahren.

»Als du mir nah', nicht dürft' ich mich dir zeigen,
Wie ein Verbrecher; hören deine Worte,
Alltäglich hören mußt' ich, und doch – schweigen,
Gleichwie, mein Grab, deine Pforte!

»Verlacht einst ward ich von der Jugend Schwarme:
Sie nannten Thorheit, Uebermuth mein Bangen;
Manch' Greis mich quälte, schloß mich in die Arme:
Rath sollt' ich, klugen, empfangen.

»Anhört' ich ihren Rath, gleichwie ihr Lachen,
Hätt' ich doch selbst mich besser kaum betragen:
Mich selbst würd' Uebermuth verdrießlich machen,
Lachen auch ich würd' der Klagen.

»Ein Andrer dacht', ich wolle dich nur kränken,
Und seinem Adelsstolze that ich wehe;
Doch that – des Anstands mocht' er wol gedenken, –
Er, als ob er's nicht verstehe.

»Ansprach ich ihn, zu stolz, ihn auszufragen –
Denn schweigen kann ich, wenn ich schweigen sehe –
Drum that, wollt' ungefragt er Antwort sagen,
Ich, als ob ich's nicht verstehe.

»Doch wer mir meine Sünde nicht vergeben,
Im Antlitz kaum den Hohn konnt' unterdrücken,
Und wer mir, lächelnd nur mit Widerstreben,
Mitleidig wandte den Rücken –

»Nur dem vermocht' ich nimmer zu verzeihen! …
Mit Klagen nimmer ich den Mund befleckte;
Verachtung nicht einmal ihm könnt' ich weihen,
Wenn er mein Lachen erweckte.

»Das fühl' ich heut, da fremder Welt erscheinen
Ich muß als Spukgestalt, die Nacht durchwandern:
Mit Teufelsbannen geißeln mich die Einen,
Scheu vor mir fliehet: die Andern.

»Mit Stolz und Mitleid quälen sie mich Alle,
Wenn höhnisch lachend nicht den Blick sie senken;
Warum muß ich, der ich zu Einer walle,
Schrecken sie All', oder kränken?

»Doch mag es sein! Ich geh' im alten Gleise:
Mitleid durch Spott, und Spott durch Mitleid büße! …
Nur du dem Vampyr gnädig dich erweise:
Liebchen, wie einst mich begrüße.

»Verzeih' mir, sieh mich an, gib gute Kunde,
Daß einmal noch ich ganz dir angehöre;
Vergang'ner Tage Traum dir eine Stunde
Glücklicher Gegenwart störe!

»Vielleicht, daß doch dein Blick, der sonnengleiche,
Sich nicht entsetzt vom Haupt des Todten wende,
Dein Ohr die Reden aus dem Todtenreiche
Höre geduldig zu Ende,

»Mir folgend, wenn die flüchtigen Gedanken,
Die Bilder längstvergang'ner Zeit durchirren,
Wie wenn des Schlinggewächses grüne Ranken
Alternd Gemäuer umschwirren.« …



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