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Die Heimkehr des Vaters.

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Ballade.

Geht, Kinder, Alle an die Säule treten
Wollt vor der Stadt auf dem Raine,
Auf euern Knieen unter'm Kreuze beten,
Gläubigen Sinns im Vereine.

»Nicht kommt Liebvater, ob ich treu in Zähren
Tag und Nacht harre mit Schrecken,
Austraten Ströme, Wölf' im Wald und Bären,
Räuber ihm drohn an den Ecken!«

Die Kinder Alle an die Säule treten
Drauß vor der Stadt auf dem Raine,
Aus ihren Knieen unter'm Kreuz sie beten,
Gläubigen Sinns im Vereine.

Den Staub sie küssen: Sei gebenedeiet,
Vater und Geist sammt dem Sohne!
Dreieinigkeit, dein Name sei geweihet –
Ewig auf heiligem Throne!

Manch Ave, Credo, Paternoster sendet
Aufwärts die Schaar auf den Knieen,
Als Rosenkranz und Zehngebot beendet,
Büchlein hervor Alle ziehen.

Und Litaneien ihr, der ewig Reinen,
Bruder, der Aeltere singet:
»Schütz' unsern Vater!« stimmen ein die Kleinen,
»Du, die da Hilfe nur bringet!«

Da rasselt's fernher, wie von nah'nden Wagen,
Kaum daß den Klang sie vernommen,
Die Kinder schreien im Entgegenjagen:
»Vater, lieb Vater wird kommen!«

Der Kaufmann sieht sie, freudetrunken naht er,
Fliegt fast vom Wagen hernieder;
»Ha! Sehntet ihr euch auch nach euerm Vater?
Sehn wir auch Alle uns wieder?

»Sind Mutter, Tante wohl? Im Haus sie Alle?
Mitbring' im Korb ich Rosinen!« –
Bald der, bald Jener ruft mit Jubelschalle,
Freude verklärt ihre Mienen.

»Fahrt ihr nur vorwärts!« heißt er den Genossen,
»Ich geh' zur Stadt mit den Kleinen!« –
Er geht, da – ist von Räubern er umschlossen:
Zwölf ihn umringen, den Einen,

Mit langen Bärten, Blicken, wild verschmitzten,
Blutig-besudelten Kitteln;
– Im Gürtel Dolche, blanke Säbel blitzten, –
Fäuste sie schwangen mit Knitteln.

Die Kinder schreien, die der Vater bebend
Birgt unterm Mantel in Falten:
Bleich mit den Dienern er, die Hand erhebend,
Fleht zu den wilden Gestalten:

»Die Wagen nehmt, und was wir auf dem Leibe,
Und nur laßt froh uns vereinen,
Den Gatten raubet nicht so jungem Weibe,
Macht nicht zu Waisen die Kleinen!«

Nicht hört der Schwarm sie. Einer, spannt vom Wagen
Schon und entführet die Pferde;
»Geld« rufen Andre. Mit dem Säbel schlagen
Dritte die Diener zur Erde.

Da, »Halt!« ertönt es von des Führers Munde,
Stob auseinander die Bande,
Vater und Kinder sind befreit zur Stunde:
»Furchtlos zieht weiter im Lande!«

Ihm dankt der Kaufmann: »Dank nicht will ich haben,
Doch laß vom Räuber dir sagen,
Wär' das Gebet nicht deiner frommen Knaben,
Ich hätt' auf's Haupt dich zerschlagen.

»Nur durch die Kinder du dem Tod entgingest,
Sie nur das Leben dir schenken;
Bevor noch ihnen deinen Dank du spendest,
Hör' mich und woll' es bedenken:

»Ich und die Meinen hatten kaum vernommen,
Daß vor der Stadt hier am Raine
Ein Kaufmann werde heut vorüberkommen,
Lauerten wir dort im Haine.

»Da seh' die Hände ich zu ihrem Gotte
Kinder im Dickicht erheben –
Ich hör' es – anfangs lach' ich auf und spotte,
Mitleid dann macht mich erbeben.

»Ich hör's – die Keule mir entsinkt – mir eilet
Heimwärts der Geist, denn ich habe
Daheim ein Weibchen, und daheim mir weilet
Lieblich, wie dieser, ein Knabe.

»Mich ruft's zum Walde. Kinder, wollet treten
Oft vor der Stadt auf dem Raine
Zur Säule, knie'n, für meine Seele beten,
Beten für mich im Vereine!« –



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