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Das mag ich leiden!

Ballade.

Maryla, sieh! dort wo der Wald zu Ende,
Rechts von dem Weidengehege, –
Nach links sich breitet lieblich Thalgelände,
Vornan der Bach mit dem Stege, –

Ein altes Kirchlein steht, drin horsten Eulen;
Glocken im Stuhl dicht daneben;
Himbeergesträuch umwuchert seine Säulen,
Drunter sich Gräber erheben.

Bewohnen Teufel es? Verdammte Seelen? …
Niemand wird Nachts ohne Zagen, –
Die ältsten Leute selbst es nicht verhehlen, –
Je zu betreten es wagen.

Kaum hat die Schleier Mitternacht gewoben,
Aufspringt das Kirchlein mit Schallen,
Im Dickicht rauscht's; vom morschen Stuhle droben
Glocken von selbst hört man hallen.

Manchmal auch bleiche Flämmchen rings sich zeigen,
Donner auf Donner dann krachen;
Von selbst aus Gräbern morsche Särge steigen,
Spuk hört man schwirren und lachen.

Am Weg hier ohne Kopf liegt eine Leiche,
Da rollt ein Kopf in die Runde:
Den Mund, die Augen öffnend, speit der bleiche
Flammen aus Augen und Munde.

Dort läuft ein Wolf; kaum willst du ihn verjagen,
Schwebt, wie ein Aar, er auf Schwingen;
Eh', vor Entsetzen du ein Kreuz geschlagen,
Ha! ha! den Wolf siehst du springen.

All das mit Grauen Nachts sieht jeder Wandrer,
Flucht, daß den Weg er beschritten:
Des Einen Deichsel bricht, umwirft ein Andrer,
Lahm wird das Pferd einem Dritten.

Ich, ob Andreas warnte mich, der Alte,
Oft auch mit mahnenden Worten,
Weil ich der Teufel lach', von Spuk nichts halte,
Ritt oft und ging an den Orten.

Einst auf der Ruta-Brücke, nächt'ger Weile,
Stehn mir die Pferde vorm Wagen;
Mag sie der Führer noch so sehr zur Eile
Treiben mit Rufen und Schlagen:

Sie stehn – bis jählings mir von dannen sausen,
Brechend die Deichsel, die beiden;
»Auf freiem Felde Nachts allein zu hausen,« –
Ausruf' ich – » Das mag ich leiden

Kaum rief ich's, seh' ich ein Gespenst voll Bangen
Vor mir die Fluten durchschwimmen:
Weiß sind die Kleider, weiß, wie Schnee, die Wangen,
Flammen die Schläfen umglimmen.

Will ich entfliehn – zu Boden muß ich fallen,
Sträubt sich das Haar mir vor Zagen;
»Gelobt sei Jesus Christ!« nur kann ich lallen;
Hör' ich's »In Ewigkeit!« sagen.

»Mensch, wer du seist auch, nimm des Dankes Spende,
Du hast erlöst mich hienieden;
Sei Glück dir bis zum fernen Lebensende,
Frieden dir ewig beschieden!

»Sieh! Meine Seele, schon ein Raub des Bösen,
Bald wird am Himmel sich weiden!
Vom Fegefeuer konnte mich erlösen
Nur das Wort: » Das mag ich leiden

»Bis kräht der Hahn, die Sternlein all' verglommen
Droben am Himmel, erzählen
Will meine Mähr ich dir – zu Nutz und Frommen:
Stoff magst daraus du dir wählen.

»Als in der Welt ich lebt', der ich entstammte,
Hieß ich Maryla vor Zeiten;
Mein Vater war, der Erste hier im Amte,
Mächtig und wacker im Streiten.

»Sein höchster Wunsch war meine Hochzeitsfeier;
Jung war ich, reich meine Habe;
Von allen Seiten lockt' herbei mir Freier
Schönheit und glänzende Gabe.

»Ob meinem Stolz auch schmeichelt' ihre Menge, –
Daß ich so Vielen gefalle –
Doch, neigten sie vor mir sich im Gedränge –
Alle verachtet' ich, Alle.

»Auch Joseph kam, ein Jüngling noch an Jahren,
Schüchtern, doch willig zum Guten;
In Liebes worten zwar noch unerfahren,
Fühlt er doch heiß ihre Gluten.

»Hinschwand der Aermste fast vor meinen Augen,
Nächte durchweint' er und Tage:
Aus seinen Schmerzen konnte Lust ich saugen,
Lachen der jammernden Klage.

»Sprach er: Ich gehe! weinend, rief ich: Gehe!
Ging er, und – dort in dem Grabe
Am Flüßchen ruht – er starb vor Liebeswehe –
Den ich verschmähte, der Knabe.

»Seitdem bot keine Freude mir das Leben:
Reue nicht kann es versüßen;
Was todt ist, kann kein Mittel wiedergeben,
Zeit mir nicht blieb, es zu büßen.

»Einst als zur Nacht ich mit den Eltern plaudre,
Kracht es, wir schrecken zusammen:
Joseph erscheint als Geist mir, daß ich schaudre,
Gleichwie vor höllischen Flammen.

»Er packt, erstickt mich mit des Rauches Säulen,
Schleppt mich zur Höll' an die Pforte,
Wo unter Zähneklappern ich und Heulen
Höre die grausigen Worte:

»– Du weißt, das Weib – so hat's dem Herrn gefallen –
Stellt' Er dem Manne zur Seite,
Daß es versüße ihm das Erdenwallen,
Wonnen, nicht Schmerz ihm bereite.

»Und doch, als hättest du ein Herz von Steine,
Worte der Liebe erflehte
Von dir noch keine Menschenseele; keine
Rührte dich je durch Gebete.

»Vom Fegefeuer lange, lange Jahre,
Grausame, Nichts soll dich scheiden,
Bis daß ein Mann auf Erden offenbare
Dir das Wort: Das mag ich leiden!

»Dich bat einst Joseph, nur dies Wort zu sagen,
Thränen oft mocht's ihm erwecken:
Jetzt flehe du, mit Thränen nicht und Klagen –
Sondern mit Spuk und mit Schrecken!« –

»Er sprach's und zog mich nach des Schreckens Stätten –
Jahre heut hundert verliefen –
Bei Tag gefoltert, Nachts befreit von Ketten,
Fleh' ich aus höllischen Tiefen.

»Im Kirchlein Nachts auf Joseph's Grab zu bleiben,
Grausig für Himmel und Erde,
Bin ich verdammt, mit Wandrern Spuk zu treiben,
Wechselnd so Kleid, wie Geberde.

Wandrern und Reitern brech' ich Hals und Beine,
Führ' sie in Sümpf' und in Heiden;
Mir flucht ein Jeder, schmäht, wenn ich erscheine,
Du nur riefst: Das mag ich leiden!

»Dafür soll fallen dir des Schicksals Schleier,
Sollst du die Zukunft erspähen:
Auch du siehst einst eine Marie als Freier,
Aber …
« Die Hähne schon krähen.

Sie winkt nur, und ihr Auge blinkt vor Wonne –
Zart, wie ein Hauch, so vergeht sie;
Bleich, wie ein Wölkchen vor der Morgensonne,
Treibt es der Zephyr, verweht sie.

Heil steht mein Wagen auf der Wiese mitten,
Auf! … Doch eh' ich ihn betreten,
Für alle Fegefeuerseelen bitten
Muß und' drei Ave's ich beten.



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