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Den Freunden.

(Mit der Ballade: »Das mag ich leiden.«)

Horch! Eins! zwei, drei … schon schlägt die zwölfte Stunde.
Schweigen erfüllt mich mit Schauern;
Im Kloster hör' ich bellen nur die Hunde,
Sturm nur umheulen die Mauern.

Tief in den Leuchter brennt das Licht hernieder,
Bald wird es dämpfen die Flammen …
Noch einmal flackern sie und löschen wieder,
Glimmen und fallen zusammen.

Mich graust! – Und doch die Stunde, heut voll Schrecken,
Himmlisch strahlt' einst mir ihr Schimmer,
Erinnerungen, süße, könnt' ich wecken!
Fort … sie entschwanden für immer.

Kaum Glück und Tröstung fand ich wo im Buche,
Müde schon leg' ich's bei Seite,
In sel'gem Sinnen dann mein Heil ich suche,
Bis zum Erwachen ich schreite.

Manchmal mich holde Truggebilde blenden,
Liebchen, die Freunde, die alten …
Aufspring' ich, spähend … Ach, an allen Wänden
Schuf nur mein Schatten Gestalten.

Zur Feder lieber greif' ich, doch im Sinnen,
Wirrt sich der Geist mir ohn' Ende –
Und will den Freunden ich ein Lied beginnen,
Weiß ich nicht, ob ich's vollende.

So mag entschwundnen Lenzes süß Gedenken,
Winterlich Lied, dich durchziehen!
In Schreck und Wonnen soll es euch versenken:
Spuk ja besingt's und – Marieen.

Wer mit dem Pinsel Ruhm sich will erringen,
Male getreu ihre Züge;
Wer sich als Sänger will unsterblich singen –
Stoff gibt sie ihm zur Genüge.

Ich, ob ich all' das auch im Herzen trage,
Suche nicht Ruhm, nur noch – Frieden,
Zur Kurzweil lieber sing' ich euch und sage,
Was einst mit ihr mir beschieden.

Das Wort, verrathend zarte Herzenstriebe,
Suchte Marie zu vermeiden:
Sagt' ihr auch Einer hundertmal: Ich liebe!
Sagte sie kaum: Mag dich leiden!

Drum einst in Ruta, da in nächt'ger Weile
Alle zur Ruhe schon gingen,
Zur guten Nacht anhob ich, ihr in Eile
Diese Ballade zu singen:

Kowno, 27. Dec. 1821.



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