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Sechsundzwanzigstes Kapitel

Die Hinrichtung der Frauen. Sollen Frauen hingerichtet werden?

Dieser Tod der Frauen war entsetzlich. Die einfache politische Überlegung hätte das Schafott für die Frauen ausschließen müssen. Das tötete die Republik.

Der erhabene, unerschrockene, ruhige Tod Charlotte Cordays war der Beginn einer Religion.

Der Tod der Dubarry, einer armen, alten, dicken Person, die vor Furcht eine gräßliche Gänsehaut bekam, die schon im voraus den Tod im Fleisch fühlte und sich aus allen Kräften sträubte, schrie, sich schleifen ließ, weckte alle Fibern eines selbstverständlichen Mitleids. Das Messer, erzählte man, drang nicht in ihren feisten Nacken. Alle schauderten bei dem Bericht.

Aber der fürchterlichste Schlag war die Hinrichtung Luciles; keine ließ so viel klagende Wut zurück, keine wurde bitterer gerächt.

Man merke wohl, daß eine Gesellschaft, die sich nicht um die Erziehung der Frauen kümmert und darin nicht Meisterin ist, als verloren gelten kann. Die vorbeugende Arznei ist hier um so nötiger, als die heilende tatsächlich unmöglich ist. Es gibt kein ernsthaftes Strafmittel gegen Frauen. Schon allein das Gefängnis ist eine schwierige Sache: » Quis custodiet ipsos custodes?« Sie verderben alles und zerbrechen alles; kein Riegel ist stark genug. Aber sie auf dem Schafott zur Schau zu stellen –... Großer Gott! Eine Regierung, die diese Dummheit macht, guillotiniert sich selbst. Die Natur, die über alle Gesetze die Liebe stellt und die Erhaltung der Art, hat gerade darum dies Geheimnis (das auf den ersten Blick absurd erscheint) in die Frauen gelegt: sie sind sehr verantwortlich und sie sind nicht strafbar. Während der ganzen Revolution sind sie zur Gewalttat geneigt, intrigant und sehr oft schuldiger als die Männer. Aber wenn man sie schlägt, schlägt man sich selbst. Wer sie straft, straft sich selbst. Was sie auch getan haben mögen und welchen Eindruck sie immer machen: sie stürzen die Gerechtigkeit, zerstören völlig deren Begriff, machen, daß man sie verneint und schmäht. Wenn sie jung sind, kann man sie nicht bestrafen. Warum? Weil sie jung sind, weil sie die Liebe, das Glück, die Fruchtbarkeit bedeuten. Wenn sie alt sind, kann man sie nicht bestrafen. Warum? Weil sie alt sind, das heißt: sie waren Mütter, sie sind geheiligt geblieben, und ihre grauen Haare gleichen denen der eigenen Mutter. Und wenn sie noch gar schwanger sind! Ach, da wagt die arme Gerechtigkeit nicht ein Wort mehr zu sagen; sie ist es, die sich wandeln, sich demütigen und, wenn nötig, selbst ungerecht werden muß. Hier ist eine Macht, die dem Gesetz trotzt; wenn das Gesetz hartnäckig bleibt, um so schlimmer! Dann schadet es sich ungemein, es erscheint fürchterlich, mutlos, als ein Feind Gottes.

Vielleicht werden die Frauen gegen all das Einspruch erheben; vielleicht werden sie fragen, ob es nicht sie für immer minderwertig machen heißt, wenn man ihnen das Schafott verweigert; sie werden sagen, daß sie handeln und die Folgen ihrer Taten tragen wollen. Und dennoch! Was soll man tun? Es ist nicht unsere Schuld, daß die Natur sie zwar nicht, wie man behauptet, schwach, aber anfällig macht und zeitweise krank; daß sie ebenso sehr der Natur unterworfen wie selbständige Menschen sind, daß sie abhängig sind vom Lauf der Gestirne und also durch ihre Ungleichmäßigkeit von manchen bedeutsamen Funktionen des politischen Lebens ausgeschlossen. Gleichwohl haben sie hier oft einen ungeheuern und bis heute meistens verhängnisvollen Einfluß. Es ist in unseren Revolutionen zutage getreten. In der Hauptsache sind die Frauen an ihrem Mißlingen schuld; ihre Ränke haben sie unterwühlt, und ihre (oft verdiente, politisch immer unkluge) Hinrichtung hat der Gegenrevolution vorzüglich genützt.

Eins müssen wir jedoch hervorheben. Wenn sie infolge ihres leidenschaftlichen Temperamentes in der Politik gefährlich sind, so sind sie andererseits vielleicht in der Verwaltung viel brauchbarer als der Mann. Ihre sitzende Lebensgewohnheit, die Sorgfalt, mit der sie alles erledigen, ihre natürliche Lust, auszugleichen, zu gefallen und zufrieden zu stellen, machen sie zu ausgezeichneten Subalternbeamten. Man kann das heute bei der Verwaltung der Post beobachten. Die Revolution, die alles erneuerte, hätte, als sie den Mann im Außendienst anstellte, die Frau sicher mit Erfolg im Bureaudienst verwendet. Ich finde eine Frau unter den Beamten des Ausschusses für die öffentliche Wohlfahrt. (Staatsarchiv, Handschriftliche Register der Komiteeprotokolle, 5. Juni 1793, Seite 79.)


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