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Siebentes Kapitel

Das Palais-Royal im Jahre 1790. Die Emanzipation der Frauen. Der Jakobinerkeller

Die Gleichberechtigung der Frauen, ihr Anspruch auf Einfluß, auf politische Macht, wurde im Jahre 1790 von zwei sehr verschiedenen Männern vertreten; der eine war ein witziger Redner, ein kühner, romantischer Geist, der andere der ernsteste und berufenste der Zeit. Ich muß den Leser auf den großen Herd der Gärung zurückversetzen, wo alle beide ihr Wort sprachen.

Wir betreten den gleichen Ort, von dem die Revolution am 12. Juli ihren Ausgang nahm, das Palais-Royal, den Zirkus, der damals die Mitte des Gartens einnahm. Denken wir uns die erregte Menge, die lärmenden Gruppen, die Scharen von Frauen, die sich den Freiheiten der Natur gelobt haben, weg. Durchschreiten wir die engen, behinderten, dumpfen Galerien aus Holz; den dunklen Durchgang, in dem wir fünfzehn Stufen hinabsteigen – und wir sind mitten im Zirkus.

Man predigt! wer würde das erwartet haben, an diesem Ort, in dieser durchaus weltlichen, mit hübschen, zweideutigen Frauen untermischten Versammlung? Im ersten Augenblick könnte man an eine Erbauungsrede denken mitten unter den Mädchen. Doch nein, die Versammlung ist viel ernster, ich erkenne zahlreiche Vertreter der Wissenschaft, Akademiker, am Fuße der Rednertribüne steht Herr de Condorcet.

Ist der Redner wohl ein Priester? Dem Kleide nach ja: er hat eine schöne Gestalt von ungefähr vierzig Jahren, er spricht feurig, bisweilen trocken und dann wieder hastig, ohne jede Salbung, er sieht mutig, ein wenig schrullenhaft aus. Gleichgültig, ob er Prediger Dichter oder Prophet ist: es ist der Abbé Fauchet. Dieser heilige Paulus spricht zwischen zwei Theklas. Die eine verläßt ihn nie, sie folgt ihm wohl oder übel in den Klub, zum Altar – so groß ist ihr brennender Eifer; die andere Dame ist eine Holländerin, gutherzig und edlen Geistes, Frau Palm-Aelder, die Fürsprecherin der Frauen, die ihre Emanzipation verkündet.

Diese unbestimmten Bestrebungen nahmen feste, klare Form an in den gelehrten Abhandlungen des ausgezeichneten Sekretärs der Akademie der Wissenschaften. Condorcet formulierte am 3. Juli 1790 aufs bestimmteste die Forderung der »Zulassung der Frauen zum bürgerlichen Recht«. Auf Grund der Abfassung dieser Schrift kann der Freund Voltaires, der letzte Philosoph des achtzehnten Jahrhunderts, mit Recht zu den Vorläufern des Sozialismus gezählt werden.

Aber wenn man die Frauen in voller politischer Betätigung sehen will, muß man vom Palais Royal ein wenig weiter zur Rue Saint-Honoré gehen. Die glänzende Versammlung der Jakobiner in dieser Zeit, die eine Menge Adliger und alle Wissenschaftler unter die ihrigen zählt, tagt in der Kirche der alten Mönche und gewährt unter der Kirche, in einer Art Krypta, die übrigens gut erleuchtet ist, einer brüderlichen Vereinigung von Arbeitern Zuflucht, denen die Jakobiner in festgesetzten Stunden die Verfassung erklären. Wenn die Fragen des Lebensunterhaltes, der öffentlichen Gefahr verhandelt werden, kommen diese Arbeiter nicht allein. Die beunruhigten Frauen, die Familienmütter, von ihren häuslichen Bedrängnissen, von der Not ihrer Kinder getrieben, kommen mit ihren Gatten, unterrichten sich über die Lage, fragen nach den Übelständen, nach Mitteln zu ihrer Beseitigung. Mehrere Frauen, die keinen Mann haben, oder deren Männer zu dieser Stunde noch bei der Arbeit sind, kommen allein und nehmen allein an der Besprechung teil. Ein erster und rührender Beginn der Frauenvereine.

Wer litt mehr als sie unter der Revolution? Wem wurden die Monate, die Jahre länger? Sie waren von dieser Zeit an noch hitziger als die Männer. Marat ist sehr zufrieden mit ihnen (30. Dezember 1790); er findet Gefallen daran, die Energie dieser Frauen aus dem Volke in ihrem unterirdischen Gewölbe mit dem unfruchtbaren Geschwätz der Jakobinerversammlung, die über ihnen tagte, in Gegensatz zu bringen.


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