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Sechstes Kapitel

Die Jakobinischen Damen (1790)

An demselben 6. Oktober 1789, an dem Ludwig XVI., als er Versailles verließ, die Grundakte der Revolution, die Erklärung der Rechte, unterzeichnete, hatte er an den König von Spanien seine feierliche Verwahrung dagegen geschickt. Seitdem gab er dem Gedanken Raum, auf österreichisches Gebiet zu fliehen und mit bewaffneter Hand zurückzukehren. Dieser Plan, der von Breteuil, dem Manne Österreichs, dem Mann der Marie Antoinette empfohlen war, wurde vom Bischof von Pamiers aufs neue in Vorschlag gebracht, er ließ ihn vom König genehmigen und erlangte von ihm für Breteuil die Vollmacht, mit den fremden Mächten zu verhandeln; die Verhandlungen wurden fortgeführt von Herrn von Fersen, einem Schweden, der der Königin seit langen Jahren persönlich sehr nahe stand, der ihr sehr ergeben war, und den sie eigens von Schweden zurückkommen ließ.

Wie man auch die Dinge um das Jahr 1790 betrachtet, man sieht ein ungeheures Netz drinnen und draußen gegen die Revolution aufgespannt. Wenn sie nicht durch die Einigkeit eine starke Stoßkraft erlangt, muß sie untergehen. Nicht die uneigennützigen Verbrüderungen werden sie davor bewahren. Es bedarf eines Bandes von ganz anderer Stärke. Die Jakobiner braucht man, Bereinigungen, welche die Obrigkeit und ihre Geschäftsführer, welche die Machenschaften der Priester und der Adeligen überwachen. Diese Gesellschaften bilden sich von selbst in ganz Frankreich.

Ich lese in einer unveröffentlichten Akte aus Rouen, daß sich am 14. Juli 1790 drei Freunde der Verfassung (diesen Namen nahmen die Jakobiner damals an) im Hause einer Witwe, einer reichen und angesehenen Dame in der Stadt, zusammenfanden; sie leisten den Bürgereid in ihre Hand. Man glaubt Cato und Marcius beim Lukanus zu sehen:

Junguntur taciti contentique auspice Bruto.

Sie schicken stolz die Akte ihres Bundes an die Nationalversammlung, die zu gleicher Zeit die über die große Verbrüderung von Rouen empfing, bei der die Abgeordneten von sechzig Städten und einer halben Million Menschen erschienen.

Die drei Jakobiner sind ein Gefängnisprediger und zwei Wundärzte. Einer von ihnen hat seinen Bruder mitgebracht, einen königlichen Drucker in Rouen. Dazu kommen zwei Kinder, ein Neffe und eine Nichte der Dame und zwei Frauen, die vielleicht zu ihren Schützlingen oder zu ihrem Hause gehörten. Alle acht schwören in die Hand dieser Cornelia, die darauf für ihre Person allein den Eid leistet.

Es ist eine kleine, aber, scheint's, vollständige Gesellschaft. Die Dame, Witwe eines Kaufmanns oder Reeders, repräsentiert die großen Vermögen des Handelsstandes; der Drucker bedeutet die Industrie; die Ärzte sind die Vertreter der Intelligenz, des Talents, der Erfahrung; der Priester ist die Revolution selbst; er wird nicht lange mehr Priester bleiben: er verfaßt die Akte, schreibt sie ab und berichtet sie an die Nationalversammlung. Er ist der Leiter der Sache, wie die Dame ihr Mittelpunkt. Durch ihn wird diese Gesellschaft vollständig, obgleich man den Mann nicht dabei sieht, der die Haupttriebfeder bei allen ähnlichen Vereinigungen zu sein pflegt, den Advokaten, den Sachwalter. Als Geistlicher beim Gerichtshof und im Gefängnis, als Seelsorger der Gefangenen und Beichtvater der zum Tode Verurteilten, gestern vom Parlament abhängig, heute Jakobiner und sich als solchen der Nationalversammlung gegenüber bezeichnend, ist er durch seinen Mut und seine energische Tätigkeit drei Advokaten wert.

Man darf sich nicht darüber wundern, daß eine Dame im Mittelpunkt der kleinen Gesellschaft stand. Viele Frauen schlossen sich diesen Vereinigungen an, sehr ernste Frauen traten, mit der ganzen Glut ihrer weiblichen Herzen, in einer blinden, von Leidenschaft und Ideen verwirrten Begeisterung, mit ihrem Bekehrungseifer, mit allen Leidenschaften des Mittelalters in den Dienst des neuen Glaubens. Die, von der wir hier sprechen, hatte sich bei ernster Gelegenheit bewährt; sie war eine jüdische Dame, sah mit an, wie ihre ganze Familie übertrat und blieb Jüdin; sie verlor ihren Gatten, dann durch einen furchtbaren Unglücksfall ihr Kind; zum Ersatz, wie es schien, für alle diese Verluste wandte sie sich der Revolution zu. Reich und alleinstehend konnte sie, vermute ich, leicht von ihren Freunden dazu gebracht werden, das neue System zu unterstützen und ihr Vermögen im Erwerb nationaler Güter anzulegen.

Warum gründete diese kleine Gesellschaft ihren besonderen Bund? Weil ihnen Rouen in der Hauptsache allzu aristokratisch erschien, weil der große Bund der sechzig Städte, die sich vereinigten, mit seinen Häuptern, den Herren d'Estonteville, d'Herbouville, de Sévrac usw. dieser Bund mit seinen adeligen Mitgliedern, ihr nicht rein genug erschien; schließlich, weil sie sich den 6. Juli und nicht den 14. zum heiligen Tag der Einnahme der Bastille gemacht hatte. Denn am 14. feiern sie stolz für sich zu Hause, fern von den Profanen und Lauen, den heiligen Tag. Sie wollen sich nicht unter sie mengen; unter verschiedenen Gesichtspunkten bilden sie eine Elite, wie die Mehrzahl dieser Jakobiner, eine Aristokratie, sei es des Geldes oder des Talentes und der Energie, im natürlichen Wettbewerb mit der Aristokratie der Geburt.


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