Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Elftes Kapitel

Frauenvereine. Olympe de Gouges. Rose Lacombe

Da sich die Jakobiner »Freunde der Verfassung« nannten, so gab sich der Verein, der unter ihrem Versammlungsort zusammenkam, den Namen »Brüderliche Vereinigung der Patrioten beiderlei Geschlechts zur Verteidigung der Verfassung«. Er hatte im Mai 1791 eine starke Festigkeit bewiesen. Bei einer wichtigen Gelegenheit, wo er gegen die Beschlüsse der konstituierenden Versammlung protestierte, berief er sich auf dreitausend Mitglieder. Um diese Zeit trat ihm ein berühmtes Mitglied bei, Madame Roland, die damals nach Paris unterwegs war.

Wir kennen unglücklicherweise die Geschichte der Frauenvereine schlecht. In den zufälligen Nachrichten der Zeitungen, in Biographien usw. findet man hier und da geringe Spuren.

Mehrere dieser Vereine wurden um 1790 und 1791 von der hervorragenden Stegreifdichterin aus dem Süden, Olympe de Gouges, gegründet, die, wie Lope de Vega, jeden Tag ein Trauerspiel diktierte. Sie war sehr ungebildet, man hat sogar behauptet, daß sie weder lesen noch schreiben konnte. Sie war in Montauban geboren (1755), ihre Mutter war Putzwarentrödlerin, ihr Vater Kaufmann oder, wie andere behaupten, Schriftsteller. Von vielen wurde sie für ein uneheliches Kind Ludwigs XV. gehalten. Diese unglückliche Frau, die voller edler Ideen war, wurde das Spielzeug und das Opfer ihrer nervösen Reizbarkeit. Sie hat das Recht der Frauen durch ein richtiges und großes Wort begründet: »Sie haben wohl ein Recht auf die Tribüne, denn sie haben ja auch ein Recht auf das Schafott.«

Revolutionärin im Juli 1789, wurde sie Royalistin am 6.Oktober, als sie den König gefangen in Paris sah. Republikanerin im Juni 1791 unter dem Eindruck der Flucht und des Verrates Ludwigs XVI., wandte sie sich ihm wieder zu, als man ihm den Prozeß machte. Man verspottete ihre Inkonsequenz, da trug sie in ihrem südlichen Ungestüm den Spöttern Pistolenduelle an.

Die Partei Lafayettes trug vor allem zu ihrem Sturz bei, indem sie sie an die Spitze eines antirevolutionären Festes setzte. Man ließ sie in mehr als einer Angelegenheit, die ihr schwacher Kopf nicht verstand, handeln und schreiben. Mercier und ihre anderen Freunde rieten ihr vergebens, sich zurückzuhalten, immer war sie tätig und rechnete dabei auf die Reinheit ihrer Absichten; sie erklärte diese öffentlich in einer sehr vornehmen Flugschrift: »Der Stolz der Unschuld«. Ihr Mitleid brachte ihr den Tod. Als sie den König vor dem Richterstuhl des Konvents sah, bot sie sich an, ihn zu verteidigen, obgleich sie aufrichtige Republikanerin war. Dem Angebot wurde nicht stattgegeben. Aber nun war sie verloren.

Die in der Öffentlichkeit stehenden Frauen wagen, wenn sie den Parteien Trotz bieten, viel mehr als die Männer. Es war ein häßlicher Machiavellismus dieser Zeit, die Hand auf diejenigen zu legen, deren Heldenmut die Begeisterung entflammen konnte, sie durch Beschimpfungen lächerlich zu machen, welche die Brutalität gern dem schwachen Geschlecht zufügt. Eines Tages wurde Olympe in einer Gruppe Menschen ergriffen und beim Kopf gepackt, ein roher Patron preßte den Kopf unter den Arm und riß ihr die Mütze ab; ihre Haare öffnen sich, armselige graue Haare, obgleich sie nur achtunddreißig Jahre alt war; Talent und Leidenschaft hatten sie verzehrt. »Wer will den Kopf der Olympe für fünfzehn Sous?« rief der Barbar. Sie antwortete sanft, ohne aus der Fassung zu geraten: »Lieber Freund, lieber Freund, ich gebe dreißig.« Man lacht, und sie entschlüpft.

Nicht für lange. Vor das revolutionäre Gericht geführt, mußte sie zu ihrem bitteren Kummer erleben, wie ihr Sohn sie mit Verachtung verleugnete. Da versagte ihre Kraft. Durch einen traurigen Rückschlag der Natur, dem auch die Unerschrockensten nicht immer entgehen, erschlaffte sie, Tränen benetzten sie, sie wurde wieder Weib und schwach, sie zitterte und hatte Angst vor dem Tode. Man sagte ihr, daß die schwangeren Frauen einen Aufschub der Hinrichtung erlangt hätten. Da wollte sie es auch werden, erzählt man. Ein Freund soll ihr weinend den traurigen Dienst erwiesen haben, dessen Nutzlosigkeit man vorhersah. Die Hebammen und die Chirurgen, die vom Gerichtshof befragt wurden, waren grausam genug, zu erklären, daß, wenn überhaupt eine Schwangerschaft vorläge, sie zu neu sei, als daß man sie feststellen könnte.

Sie fand all ihren Mut vor dem Schafott wieder und starb, indem sie dem Vaterlande ihre Rache und ihr Andenken empfahl.

Die Frauenvereine, die sich im Jahre 1793 von Grund aus verändert hatten, besaßen damals großen Einfluß. Die »revolutionären Frauen« hatten um diese Zeit als Haupt und Anführerin ein beredtes, kühnes Mädchen, das in der Nacht vom 31. Mai bei der Generalversammlung im bischöflichen Palast, wo der Untergang der Girondisten beschlossen wurde, aufs heftigste ins Zeug ging und die Wut der Männer um vieles übertraf. Damals war ihr Geliebter der junge Leclerc aus Lyon, ein Schüler Châliers, glaube ich, der eng verbunden war mit Jacques Roux, dem Tribun der Rue Saint-Martin, dessen Predigten gewisse kommunistische Ideen verbreiteten. Leclerc, Roux und andere gaben nach dem Tode Marats eine Zeitung heraus »Der Schatten Marats«, deren Richtung sehr wenig mit Marat zu tun hatte. [ * ] Chalier aus Lyon, ein Freund Marats, war zuerst Priester, dann mystischer Kommunist. Er war der Abgott der Armen in Lyon und der Hauptbetreiber der blutigen Unruhen gegen die Girondisten. Lyon geriet eine Zeitlang völlig unter seinen Einfluß. Als die Gironde sich wieder erholt hatte, wurde er im Jahre 1793 hingerichtet, – Leclerc war Chaliers eifrigster Anhänger, ging nach seinem Tode nach Paris, setzte dort die kommunistische Propaganda fort, wurde schließlich in den Prozeß der Hebertisten verwickelt und mit diesen hingerichtet. – Jacques Roux, der Führer der Kommunisten in Paris, ist einer der interessantesten Männer der Volksrevolution. Auch er war Priester gewesen, schloß sich aber sofort der Revolution an, lebte mit 200 Franken Rente und einem Hunde in einem düsteren Hause im Zentrum der Stadt und predigte in den Arbeiterquartieren den Kommunismus, Bald spielte er eine große Rolle im Klub der Cordeliers, bis Robespierre es für richtig hielt, ihn zu vernichten. Roux hielt nämlich im Konvent eine feurige Rede gegen die Agioteure und Lebensmittelspekulanten und griff die Verfassung an. Robespierre setzte daraufhin seinen Ausschluß bei den Cordeliers durch, womit Roux sich als reif für die Guillotine betrachten durfte. Seine Beliebtheit beim Volke hielt ihn zwar zunächst noch. Weder die Beschuldigung, der Urheber der Krawalle gegen die Seifenhändler gewesen zu sein (Ende Juni 1793), noch die Verdächtigung, er habe eine für die Cordeliers bestimmte Assignatennote unterschlagen – das war übrigens völlig aus der Luft gegriffen! – untergrub sein Ansehen. Im Gegenteil: seine treuesten Anhänger – die Sektion der Gravilliers – machten ihn zum Präsidenten. Nun klagte ihn die Kommune des Attentates auf die Souveränität des Volkes an. Das wirkte. Das Kriminalpolizeigericht, dem Roux zuerst vorgeführt wurde, verwies wegen der Schwere der Klage die Sache vor das Revolutionstribunal. Roux wartete das Urteil, das nur auf Tod lauten konnte, nicht ab, sondern brachte sich während der Verhandlung drei Stiche bei. Man schaffte ihn ins Lazarett, unterwegs erstach er sich zum vierten Male, diesmal tödlich. Mit seinem Tode ging die kommunistische Bewegung innerhalb der Revolution zu Ende. R. K.

Diese kühnen Neuerer, die von Robespierre und den Jakobinern glühend gehaßt wurden, machten die letzteren zu Feinden der Frauenvereine, wo ihre Neuerungen gut aufgenommen wurden.

Andererseits zürnten die Fischweiber oder »die Damen der Halle«, die zum großen Teil royalistisch gesinnt und alle durch die Abnahme ihres Handels sehr gereizt waren, den Frauenvereinen, die sie sehr zu Unrecht dafür verantwortlich machten. Da sie stärker und besser ernährt waren als diese Frauen (arme Arbeiterinnen), so prügelten sie sie oft. Manchmal überfielen sie einen dieser Vereine unter den Beinhäusern von Saint-Eustache und trieben seine Mitglieder unter Schlägen in die Flucht.

Andererseits fanden es die Republikanerinnen schlimm, daß die Fischweiber versäumten, die Nationalkokarde zu tragen, die jedermann dem Gesetz entsprechend trug. Im Oktober 1793, zur Zeit des Endes der Girondisten, zogen sie, in Männerkleidung und bewaffnet, in die Hallen und belästigten die Fischweiber. Diese fielen über sie her und vollzogen, zu großer Belustigung der Männer, mit ihren groben Händen an ihrem Körper eine sehr unanständige Korrektur. Paris sprach von nichts anderem. Der Konvent urteilte, aber zu ungunsten der Opfer; er verbot den Frauen, Versammlungen abzuhalten. Diese große soziale Frage wurde so durch einen Zufall im Keime erstickt.

Was wurde aus Rose Lacombe? Eine merkwürdige Geschichte! Diese hitzige Frau hatte, wie die meisten Terroristen der Zeit, ihren Tag der Schwäche und der Menschlichkeit, der die Ursache für ihren Untergang werden mußte. Sie stellte sich sehr bloß, als sie versuchte, einen Verdächtigen zu retten. Das ist der tragische Moment vom März 1794. Sie bat um einen Paß, als sei sie Schauspielerin und nach Dünkirchen engagiert worden.

Im Juni 1794 finden wir sie an den Gefängnistüren wieder, wo sie den Gefangenen Wein, Zucker, Pfefferkuchen usw. usw. verkauft, ein einträgliches Geschäft, das durch die Nachsicht der Gefangenenwärter zu jedem Preis zu verkaufen erlaubte. Man hätte die wilde Bacchantin von 1793 nicht wiedererkannt. Sie war eine auf ihren Vorteil bedachte Händlerin geworden und übrigens zahm und höflich.


 << zurück weiter >>