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Neuntes Kapitel

Die Salons. Madame de Condorcet

Beinahe den Tuilerien gegenüber, auf dem anderen Ufer, angesichts des Pavillons der Flora und des royalistischen Salons der Madame de Lamballe, steht die Münze. Hier befand sich ein anderer Salon, der des Herrn de Condorcet, den ein Zeitgenosse die Wiege der Republik nennt.

Dieser europäische Salon des berühmten Sekretärs der Akademie der Wissenschaften sah in der Tat von allen Himmelsrichtungen her den republikanischen Gedanken der Zeit sich verdichten. Dort geriet er in Gärung, dort nahm er Form und Gestalt an, dort fand er seine Formeln. Was den tätigen Anstoß und den zündenden Gedanken betrifft, so gehörte er, wie wir gesehen haben, seit dem Jahre 1789 Camille Desmoulins. Im Juni 1791 haben ihn Bonneville und die Cordeliers zum erstenmal hinausgerufen.

Der letzte der Philosophen des großen achtzehnten Jahrhunderts, der alle überlebte, um ihre Theorien auf den Kampfplatz des Lebens geschleudert zu sehen, war Herr de Condorcet, Sekretär der Akademie der Wissenschaften, der Nachfolger d'Alemberts, der letzte, mit dem Voltaire im Briefwechsel stand, der Freund Turgots [ * ] Turgot war von 1774-1776 Finanzminister. Er stand in hohem Ansehen wegen seiner volkswirtschaftlichen Schriften, die er als Intendant in Limoges verfaßt hatte. Sein Standpunkt war der physiokratische, der des » laissez faire«. Das französische Bürgertum erwartete viel von seinem Ministerium. Tatsächlich arbeitete er ein Reformprogramm aus, das zunächst eine Art Selbstverwaltung der Provinzen und für später eine Repräsentativregierung des ganzen Reiches vorsah. Danach wären die besitzenden Klassen zur Bildung eines Parlamentes bestimmt gewesen. Seit Turgots Zeiten wurden die Fragen der Verfassung und der Volksvertretung im ganzen gebildeten Frankreich aktuell. – Die praktischen Erfolge von Turgots Ministerium waren gering. Ein kleiner Ansatz zur Befreiung des Handels und der Gewerbe wurde gemacht. Als er versuchte, den Grundsatz größerer Sparsamkeit bei Hofe einzuführen, kam er über die Intrigen derer, die es anging, zu Fall. R. K. . Sein Salon war der natürliche Mittelpunkt des denkenden Europa. Jede Nation und jede Wissenschaft war hier vertreten. Alle die vornehmen Fremden kamen, nachdem sie die Theorien von Frankreich übernommen hatten, hierher, um den Weg zu ihrer Verwirklichung zu suchen und zu besprechen. Da war der Amerikaner Thomas Payne, der Engländer Williams, der Schotte Macintosh, der Genfer Dumont, der Deutsche Anacharsis Clootz [ * ] Anacharsis Clootz war ein preußischer Baron, aber trotzdem ein begeisterter Anhänger der Revolution. Seine besondere Idee war die »Republik der Menschheit«. – Er wirkte später für den Anschluß Belgiens an das revolutionäre Frankreich. Auch war er einer der eifrigsten Förderer der antichristlichen Propaganda. Auf sein Betreiben vor allem ist es zurückzuführen, daß der Bischof von Paris seine kirchlichen Funktionen niederlegte (s. Einl.). Das wurde in der Folge sein Verderben. Robespierre, der ihn früher unterstützt hatte, trat nun aus religiösem Haß gegen ihn auf und bezichtigte ihn des Verrats, weil er für zwei »verdächtige« Bankiers eingetreten war, Clootz wurde daraufhin aus dem Jakobinerklub ausgeschlossen. Bald danach verhaftete man ihn, weil er sich nach einer Dame erkundigt hatte, die auf der Verdächtigenliste stand. Er wurde mit den Anhängern Héberts, mit deutschen Agenten und einigen Kommunisten zusammen vor das Revolutionstribunal gestellt (man nannte das Verfahren, gegen Leute, die wegen der verschiedensten Vergehungen angeklagt waren, zusammen zu verhandeln, ein »Amalgam«.) Der Prozeß wurde nur pro forma betrieben und dauerte drei Tage. Am 24. März 1793 wurden sämtliche Angeklagte hingerichtet. R. K. , dieser letztere ohne jedes innere Verhältnis zu einem solchen Salon. Aber im Jahre 1791 kamen alle dahin, alle waren da im bunten Gemisch. In einer Ecke saß unentwegt der tätige Freund, der Arzt Cabanis, kränklich und melancholisch, der die zärtliche, tiefe Neigung, die er für Mirabeau gehegt, auf dieses Haus übertragen hatte.

Mitten unter diesen berühmten Denkern schwebte die edle, jungfräuliche Gestalt der Madame de Condorcet, die Raphael zum Urbild der Metaphysik gewählt hätte. Sie war ganz Licht, alles schien hell und rein zu werden unter ihrem Blick. Sie war Stiftsfräulein gewesen und schien noch weniger verheiratete Dame als vornehmes Fräulein zu sein. Sie war damals siebenundzwanzig Jahre alt (zweiundzwanzig Jahre jünger als ihr Gatte). Sie hatte gerade ihre »Briefe über die Sympathie« geschrieben, ein feines und zartes Buch, in dem man unter dem Schleier äußerster Zurückhaltung dennoch oft die Melancholie eines jungen Herzens spürt, dem etwas versagt geblieben war [ * ] Das rührende kleine Buch ist vor der Revolution geschrieben und nachher, im Jahre 1798, veröffentlicht worden. Es hat Teil an den Umwälzungen der Zeit. Die Briefe sind an Cabanis gerichtet, den Schwager der liebenswürdigen Verfasserin, ihren untröstlichen Freund, den Vertrauten ihres verwundeten Herzens. Sie sind vollendet in jenem fahlen Elysée d'Auteuil, das so voll von Klagen und geliebten Schatten ist. Diese Briefe reden mit leiser Stimme, nur gedämpft klingen die Saiten an. Bei einer so großen Zurückhaltung unterscheidet man unter den Anspielungen nicht immer, was der erste Kummer des jungen Mädchens, was die Klagen der Witwe sind. Richtet sie sich an Condorcet oder an Cabanis, jene zarte, bewegte Stelle, die beinahe verräterisch geworden wäre, wenn sie nicht plötzlich wieder zurückhaltend verliefe: »Der Heiland und der Führer unseres Glückes ...« . Man hat umsonst die Vermutung ausgesprochen, daß sie ruhmsüchtig Ehrung und Gunst des Hofes erstrebte, und daß ihr Ärger über die enttäuschte Erwartung sie der Revolution in die Arme getrieben hätte. Nichts lag einem solchen Charakter ferner.

Weniger unwahrscheinlich ist, was man ebenfalls behauptet hat: sie habe Condorcet vor der Heirat erklärt, daß ihr Herz nicht mehr frei sei; sie liebte, und zwar hoffnungslos. Der Weise nahm dieses Geständnis mit väterlicher Güte auf und achtete es. Zwei volle Jahre lebten sie nach derselben Überlieferung lediglich in geistiger Gemeinschaft. Erst im Jahre 1789, an jenem bedeutsamen Julitage, sah Madame de Condorcet, wie groß die Leidenschaft in jenem äußerlich kalten Manne war; sie begann, den großen Bürger zu lieben, die zärtliche, tiefe Seele, die wie sein eigenes Glück so auch die Hoffnung auf das Glück der Menschheit in sich barg. Sie fand ihn jung von der ewigen Jugend jenes großen Gedankens, jenes schönen Wunsches. Das einzige Kind, das sie besaßen, wurde neun Monate nach der Einnahme der Bastille, im April 1790, geboren.

Condorcet war damals neunundvierzig Jahre alt und wurde tatsächlich durch diese großen Ereignisse wieder jung; er begann ein neues Leben, das dritte. Er hatte das des Mathematikers mit d'Alembert gelebt, das des Kritikers mit Voltaire, und nun schiffte er sich ein auf den Ozean des politischen Lebens. Er hatte den Fortschritt geträumt, jetzt hieß es, ihn zu schaffen, oder wenigstens sich ihm zu opfern. Sein ganzes Leben bedeutete ein bemerkenswertes Bündnis zwischen zwei selten vereinigten Fähigkeiten: einer starken Vernunft und einem unendlichen Glauben an die Zukunft. Fest selbst gegen Voltaire, als er ihn ungerecht fand, Freund der Volkswirtschaftler, ohne verblendet gegen sie zu sein, blieb er sogar der Gironde gegenüber unabhängig. Man liest noch mit Bewunderung seine Verteidigungsrede für Paris gegen das Vorurteil der Provinzen, das heißt der Gironde.

Dieser große Geist war immer gegenwärtig, aufgeweckt, Herr seiner selbst. Seine Türe stand immer offen, an welcher abstrakten Arbeit er auch sein mochte. Auch im Salon, unter einer Menge Menschen, blieb er immer der Denker; es gab für ihn keine Ablenkung. Er sprach wenig, hörte alles, nutzte alles; niemals hat er etwas vergessen. Jeder Spezialist, der ihn ausfragte, erkannte ihn als den größeren Spezialisten auf dem Gebiete, das ihn beschäftigte. Die Frauen waren erstaunt, erschreckt, als sie sahen, daß er sogar die Geschichte ihrer Moden kannte, und zwar sehr weit zurück und bis in die kleinste Einzelheit. Er erschien sehr kalt, er schüttete nie sein Herz aus. Seine Freunde erkannten seine Freundschaft nur durch den brennenden Eifer, den er daran wandte, ihnen Dienste zu erweisen. »Er ist ein Vulkan unter dem Schnee,« sagte d'Alembert. Als junger Mensch, erzählt man, hatte er geliebt, und da er keine Hoffnung hatte, so war er einen Augenblick lang dem Selbstmord nahe. Dann war er alt und sehr reif, doch im Grunde nicht weniger glühend, und liebte seine Sophie mit einer verhaltenen, ungeheuern Liebe, mit jener Leidenschaft, die um so tiefer ist, je später sie kommt, tiefer als das Leben selbst und unergründlich.

Eine herrliche Zeit! Und wie waren diese Frauen würdig, geliebt zu sein, würdig, durch den Mann mit dem Ideal selbst, mit dem Vaterland und der Tugend eins zu werden. Wer erinnert sich nicht noch des düsteren Frühstücks, wo die Freunde Camille Desmoulins ihn zum letzten Male baten, seinen »vieux Cordelier« zurückzuhalten und seinen Forderungen eines »Komitees der Milde« [ * ] Camille Desmoulins gehörte zur Partei Dantons, die man damals schon die »Partei der Müden« nannte, und begann im Dezember 1793 in seinem »Vieux Cordelier« für größere Milde in der Verfolgung der Gegner der Revolution einzutreten. Dies geschah zwar zunächst im Einverständnis mit Robespierre, wurde aber gleichwohl die Ursache zu Desmoulins, Dantons und seiner ganzen Partei Untergang. Aus dem Vorschlage für ein »Komitee der Milde« wurde unter dem Drängen und Hetzen der Royalisten und Girondisten, die sich hinter Danton bargen, in den folgenden Nummern des »Vieux Cordelier« ein scharfer Angriff gegen die revolutionäre Regierung überhaupt. Danton, Desmoulins und andere wurden verhaftet und nach kurzem Prozeß – es war wiederum ein »Amalgam« – im April 1794 guillotiniert. (Vgl. auch das fünfundzwanzigste Kapitel des Buches.) –

Cordeliers nannte man ursprünglich die Franziskanermönche. Der Klub der Cordeliers wurde 1790 von Danton gestiftet. Er hatte seinen Sitz im Franziskanerkloster in Paris und war der Sammelpunkt der radikal-revolutionären Elemente im Bürgertum, während die Jakobiner gemäßigter waren. Die Cordeliers sympathisierten mit der Volksrevolution. Sie errangen unter Dantons Führung bald einen großen Einfluß auf den Gang der Dinge, traten in enge Beziehungen zu den Jakobinern und wußten diese, die oft zauderten, bei wichtigen Anlässen zum Handeln zu drängen. R. K.
zu vertagen? Seine Lucile, die vergaß, daß sie Gattin und Mutter war, schlang ihre Arme um seinen Hals und rief: »Laßt ihn! laßt ihn! Er soll seiner Bestimmung folgen!«

So haben sie ruhmvoll Ehe und Liebe geheiligt, sie richteten die ermattete Stirn des Mannes im Angesicht des Todes auf, flößten ihm noch Leben ein und errangen ihm die Unsterblichkeit.

Auch sie werden immer unsterblich sein. Immer werden die Männer der Zukunft es bedauern, daß sie diese heldenmütigen, reizenden Frauen nicht mehr gekannt haben. Sie leben in uns fort, in den edelsten Träumen des Herzens, als Urbild einer ewigen Liebe, nach der wir uns sehnen.

Wie ein Schatten lag jene tragische Bestimmung des Opfers auf den Zügen und im Ausdruck Condorcets. Mit einer zaghaften Haltung (wie die des Weisen zu sein pflegt, der immer einsam ist mitten unter Menschen) verband er eine gewisse Traurigkeit, Geduld und Entsagung. Die obere Hälfte des Gesichtes war schön. Die Augen, edel und sanft, voll von ernstem Idealismus, schienen in die letzten Gründe der Zukunft zu blicken, seine breite Stirn aber, hinter der sich jede Wissenschaft barg, ein ungeheures Magazin, schien ein vollständiges Archiv der Vergangenheit zu sein.

Der Mann war, das muß gesagt werden, eher umfassend als stark. Man erkannte es an seinem Munde, der ein wenig weich und schwach, ein wenig zurückfallend war. Die Universalität, die den Geist sich auf alle Gegenstände zersplittern läßt, ist eine Ursache der Entnervung. Man bedenke, daß er sein Leben im achtzehnten Jahrhundert verbracht hatte und daß dessen Gewicht ihm anhing. Er hatte dessen Wortstreite sämtlich miterlebt, alle seine wichtigen und unwichtigen Geschehnisse. Und er trug verhängnisvoll an seinen Widersprüchen. Neffe eines völlig jesuitischen Bischofs, teilweise sogar von ihm erzogen, dankte er auch vieles der Fürsprache Larochefoucaulds. Wiewohl arm, war er adelig, trug einen Titel, war Marquis de Condorcet. Geburt, Stellung, Beziehungen, viele Umstände banden ihn an das alte Regime. Sein Haus, sein Salon, seine Frau verkörperten den gleichen Widerspruch.

Madame de Condorcet, geborene Grouchy, die zuerst Stiftsfräulein, dann begeisterte Schülerin Rousseaus und der Revolution gewesen war und ihre halbkirchliche Stellung aufgegeben hatte, um einem Salon vorzustehen, welcher der Mittelpunkt der Freidenker war, sah aus wie eine vornehme Nonne und Jüngerin der Philosophie.

Die Krisis vom Juni 1791 mußte auf Condorcet entscheidend wirken, sie rief ihn auf, sich zu erklären. Er mußte wählen zwischen seinen Beziehungen und seinen Ahnen einerseits und seinen Ideen andererseits. Interessen dagegen waren für einen solchen Mann nicht vorhanden. Das einzige vielleicht, für das er empfänglich gewesen wäre, bestand darin, daß, wenn die Republik jeden Adel von Geburt erniedrigte und stattdessen die von Natur überlegenen Geister erhöhte, seine Sophie Königin geworden wäre.

Herr de Larochefoucauld, sein vertrauter Freund, gab die Hoffnung nicht auf, seinen Republikanismus wie denjenigen Lafayettes unwirksam zu machen. Er glaubte, mit dem bescheidenen Weisen, dem sanften, fast ängstlichen Manne, den überdies seine Familie früher unterstützt hatte, leichtes Spiel zu haben. Man ging soweit, zu behaupten und in der Öffentlichkeit die Meinung zu verbreiten, daß Condorcet die royalistischen Ideen Sieyès teile. Man stellte ihn auf diese Weise bloß und suchte ihn gleichzeitig mit der Aussicht auf die Ernennung zum Hofmeister des Dauphin in Versuchung zu führen.

Diese Gerüchte bestimmten ihn wahrscheinlich, sich früher zu erklären, als er es sonst getan hätte. Am 1. Juli ließ er durch den »Bouche-de-fer« verkünden, daß er im sozialen Verein über die Republik sprechen würde. Er wartete bis zum 12. und tat es dann nur mit einer gewissen Zurückhaltung. In einer scharfsinnigen Rede widerlegte er mehrere der gewöhnlichen Einwendungen, die man gegen die Republik erhebt, fügte aber gleichwohl diese Worte hinzu, die großes Erstaunen hervorriefen: »Wenn dennoch das Volk sich vorbehält, einen Konvent zu wählen, der erklären soll, ob man den Thron erhalten will, wenn das Erbrecht für eine kleine Zahl von Jahren zwischen zwei Konventen fortbesteht, so ist in diesem Falle das Königtum im wesentlichen den Rechten der Bürger nicht entgegen.« Er spielte auf das umlaufende Gerücht an, daß man ihn zum Hofmeister des Dauphin ernennen wolle, und sagte, daß er ihn »in diesem Falle« besonders lehren wolle, auf den Thron verzichten zu können.

Diese scheinbare Unentschiedenheit gefiel den Republikanern nicht sehr und kränkte die Royalisten. Diese wurden noch viel mehr verletzt, als man in Paris eine geistreich-spöttische Flugschrift verbreitete, die von seiner ernsten Hand geschrieben war. Condorcet war darin wahrscheinlich das Echo und der Schriftführer der jungen Gesellschaft, die seinen Salon besuchte. Die Flugschrift war ein »Brief eines jungen Mechanikers«, der sich für eine mäßige Summe verpflichtete, einen ausgezeichneten konstitutionellen König herzustellen. »Dieser König,« sagte er, »würde wunderbar die Funktionen des Königtums erfüllen; er würde sich zu den Zeremonien begeben, würde nach allem Herkommen Sitzung abhalten, zur Messe gehen und mittels einer gewissen Vorrichtung die Liste der von der Mehrheit bezeichneten Minister aus den Händen des Präsidenten der Nationalversammlung entgegennehmen. Mein König würde der Freiheit nicht gefährlich sein; überdies wäre er bei sorgfältiger Ausbesserung unsterblich, was noch schöner ist, als erblich zu sein. Man könnte ihn sogar, ohne ungerecht zu sein, für unverletzlich erklären und, ohne abgeschmackt zu sein, ihn unfehlbar nennen.«

Bemerkenswert ist, daß dieser reife und ernste Mann, der sich mit einem Scherz auf die Wogen der Revolution wagte, sich keineswegs die Möglichkeiten verhehlte, auf die er zutrieb. Voll Vertrauen auf die ferne Zukunft der Menschheit, traute er weniger der Gegenwart, bildete sich keine falsche Vorstellung von der Lage und sah sehr wohl die Gefahren. Er fürchtete sie, nicht für sich selbst (er gab gern sein Leben hin), aber für die angebetete Frau, für das junge Kind, das sein Leben dem heiligen Julitage verdankte. Seit mehreren Monaten hatte er heimlich nach einem Hafenort gesucht, von dem aus er, wenn nötig, seine Familie entfliehen lassen konnte, und hatte sich für Saint-Valery entschieden.

Alles wurde vertagt, und allmählich rückte das Ereignis näher. Condorcet selbst führte es herbei; dieser so vorsichtige Mann wurde kühn in der Zeit der Schreckensherrschaft. Er redigierte den Verfassungsentwurf von 1792, er griff die Verfassung von 1793 heftig an und sah sich dann gezwungen, eine Zuflucht gegen die Verbannung zu suchen.


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