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»Wir leben in einem religiösen Zeitalter, wenn wir es auch noch kaum bemerken.« So hat in einem Aufsatze über »Religion« jüngst Hermann Bahr gesagt, der immer anregend ist, auch wenn er sich in diesem Jahre just mit der trotzigen Stirnlocke der Parsifalanbetung vorwagte, wie er sich einst mit der koketten Stirnlocke der »Moderne« schmückte. Unsere Zeit ist religiöser, gottsucherischer, als all die Künstler und Gelehrten und hinter ihnen her die Geniesser von Kunst und Wissenschaft glauben, die ganz behaglich ausserhalb jeder Kirche wohnen und keine Ahnung davon haben, wie wenig sauwohl es den armen Teufeln ist, die keinen oder nur einen ganz kleinen Anteil an Kunst, Wissenschaft und Lebensgenuss zu eigen haben, denen der Zusammenhang mit ihrer ererbten Kirche verloren gegangen ist, und die nun mit weit aufgerissenen Augen die Wahrheit suchen, irgend etwas suchen, verzweifelt suchen, was nach ihrer Meinung hinter den alten Worten des Glauben stecken müsse. Sie wollen es ja nicht hören, dass es meist Worte sind, hinter denen gar nichts steckt. Sie wissen nichts von einer Kritik der Sprache.
In der Statistik der religiösen Bekenntnisse werden diese unzähligen Sucher, diese Eigenbrödler nicht gezählt. Die Statistik des Glaubens wird von der Polizei aufgenommen; die Polizei aber hat zwar ein sehr intimes Verhältnis zu den Kirchen, hat jedoch gar kein Verhältnis zu der Religiosität der Menschen. Die Rubrik »Religion« im Meldezettel soll klipp und klar mit einem einzigen Schlagworte ausgefüllt werden; wer nur etwa »konfessionslos« hineinschreiben wollte, wäre der Gefahr ausgesetzt, von einem ordentlichen Beamten sanft oder unsanft angefahren zu werden. Nun stelle man sich die Lage eines statistischen Zählers vor, der verpflichtet wäre, das wirkliche und ehrliche Bekenntnis jedes Staatsbürgers in die Rubrik eintragen zu müssen, die doch nur für ein einziges armes Wörtchen Raum hat; nicht nur die Gottsucher ausserhalb einer Kirche müssten ganze Abhandlungen eintragen, auch Millionen von gläubigen Seelen hätten dem Bekenntnisse zu ihrer Kirche hinzuzufügen, dass sie in diesem oder jenem Punkte anders denken, als die offizielle Glaubenslehre vorschreibt.
So ist es nicht nur heute, so war es eigentlich immer. Immer lebten im Raum und in der Zeit Menschen nebeneinander, die mit ihrer Herzensneigung an den Idealen der verschiedensten Jahrhunderte hingen; alle Weltanschauungen der Jahrhunderte von Moses bis auf den letzten Modernisten haben ihre Vertreter nebeneinander unter uns. Und was schlimmer ist: die Ideale und Vorstellungen vieler Jahrhunderte raufen auch oft in den Gedanken des Einzelnen. Besonders die Gegensätze haben eine Neigung, einander in liebevoller Rauflust zu berühren.
So geschah es vor mehr als anderthalb Jahrtausenden, zur Zeit des höchst weltlichen römischen Kaisertums, dass die sogenannte Theosophie im Abendlande zum ersten Male von sich reden machte, da wundersüchtige Neuplatoniker, weil die Religion der alten Griechen abgewirtschaftet hatte, einen noch tolleren Wunderglauben aus dem Orient herüberschleppten und ein ganzes System der Theurgie oder der Wunderwirkerei ergrübelten. Und wieder im sechzehnten Jahrhundert, als die mittelalterliche Herrschaft der Kirche (die inzwischen sehr viel Neuplatonismus in ihre Dogmen aufgenommen hatte) zusammenbrach, wimmelte es in Frankreich, in Italien und in Deutschland von Theosophen, die Gott oder den Teufel, je nachdem, in der weissen oder in der schwarzen Magie suchten. Am Ende des achtzehnten Jahrhunderts, als die materialistischen Lehren der Enzyklopädisten Europa von Paris bis Petersburg beherrschten und die neue Kritik des Denkens, die Philosophie von Hume und Kant, doch nur einer kleinen Minderheit zugänglich blieb, war zwar der Name Theosophie weniger geläufig, aber Magier und Geisterseher trieben überall ihr Spiel mit gottsuchenden Leuten, betrogene Betrüger oder Betrüger schlechtweg.
Seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts treffen die Theosophen Anstalt, sich wieder in einer neuen Welt mit allem Komfort der Neuzeit einzurichten. Der Materialismus ist zu den breiten Massen gelangt und hat dort auch noch die letzten Reste des moralischen Deismus mit wissenschaftlichen oder scheinwissenschaftlichen Waffen angegriffen; der Materialismus führt das grosse Wort in Vereinen und Zeitungen, wenn auch die Bezeichnung Materialismus gern vermieden wird. Die wundersüchtigen Gottsucher waren klug genug, ebenfalls in Vereinen zusammenzutreten, ebenfalls Zeitschriften zu gründen und die Verkehrsmittel unserer Zeit dazu zu benutzen, ihre Beziehungen in einem weitmaschigen Netze von Amerika bis Indien auszudehnen. Ich könnte nicht sagen, wo sich die Zentrale dieses Netzes augenblicklich befindet, ob die Antikreuzspinne, die Nutzniesserin des Netzes, gerade in Amerika oder in England ihren Sitz hat; die Organisation ist nicht straff und die Leitung wechselt; auch haben diese Spinnen den gleichen Charakter wie andere: sie fallen einander an und fressen einander auf.
Durch die Ankündigungen der Buchhändler sind nun die Namen Theosophie und Theosoph bekannt geworden, allgemeiner bekannt als die Lehre, welche klüglich immer noch für eine Geheimlehre ausgegeben wird, trotzdem man sie in dicken und dünnen Büchern allerorten nachlesen kann.
Was zunächst den Namen betrifft, so verrät er wirklich gar nichts von der Geheimlehre. Es ist ein reiner Zufall der Wortgeschichte, dass wir unter Theolog einen Mann verstehen, der die Geschichte und die Anschauungen seiner offiziellen Kirche fleissig durchstudiert hat, unter Theosoph aber einen Menschen (es gibt viele Frauen unter den Theosophen), der oder die ausserhalb jeder Kirche mit Gott auf du und du steht, auf Grund eines so vertrauten Verhältnisses die Welt zu verbessern imstande und auch herzlich gern bereit ist, endlich aber die Wundergeschichten der alten Kirchen nur verwirft, um den würdigsten und besten Theosophen neue, auserlesene Wunder zu versprechen. Man könnte es beinahe witzig nennen, dass der Zufall der Wortgeschichte die Bezeichnungen so verteilt hat, wie es geschehen ist; denn Theolog heisst eigentlich »wer von Gott redet«, Theosoph »wer von Gott was weiss«; die Theosophen wissen schrecklich viel von ihrem persönlichen Bekannten, von dem lieben Gott, den sie dann wieder, sobald sie sich auf das philosophische Pferd gesetzt haben, ein bisschen ableugnen, nicht ganz, aber so ungefähr zu drei Vierteln. Man könnte die Theosophen leicht damit aufziehen, dass sie sich häufig Theosophisten nennen, Theo-Sophisten; aber es ist das nur ein englischer Sprachgebrauch, der in schlechte Uebersetzungen theosophischer Bücher aus England herübergekommen ist; in Wahrheit wäre ein solcher Scherz ein schweres Unrecht gegen – die Sophisten, die doch einst Kerls von ganz anderem Schlage waren, die Logik und die Wissenschaft ihrer Zeit ganz anders am Schnürchen hatten.
Die Geheimlehre der Theosophen ist also kein Geheimnis mehr. Sie ist viel älter, als man gewöhnlich annimmt. Wir wissen nur zu wenig von der Zeit, die den etwas mehr als anderthalb Jahrtausenden ihres historischen Bestandes vorausging. Es ist aber merkwürdig, dass der Wunderknäuel, der den Kern der Lehre bildet, in all der Zeit nach seinen wesentlichen Teilen unverändert geblieben ist, trotzdem die Theosophie jedesmal bei ihrem Erstarken die jeweilige Sprache der gerade anerkannten Wissenschaft nachzusprechen liebte. So ist freilich jede Periode der Theosophie von jeder anderen in der sprachlichen Darstellung verschieden, weil jedesmal nach der Wissenschaft oder nach der Scholastik der Zeit hinübergeschielt wird. Die Theosophie der Neuplatoniker benutzte den Wortschatz der platonischen Ideenlehre, die Renaissance schwelgte in den Träumereien der Astrologie und Alchimie, die Zeit des Cagliostro warf mit den grossen Redensarten der allgemeinen Menschenverbrüderung um sich; die heutigen Theosophen verzichten weder auf die sogenannte Ideenlehre, noch auf Alchimie, noch auf die Menschenverbrüderung, haben aber ihrem Arsenal den Wunderglauben eines entarteten Buddhismus hinzugefügt, der sich von den Lehren seines Stifters ebenso gründlich unterscheidet, wie andere Konfessionen von ihren ersten gemütlichen Anfängen. Weil nun die ersten Theosophen ihre geheime Weisheit schon aus dem Orient geholt hatten, darum passt dieser neue angebliche Buddhismus gar nicht so übel zu dem ältesten Trödel der Theosophie.
Die Einführung in die Geheimlehre ist vortrefflich dazu geeignet, die unzähligen Gottsucher unserer Zeit einzufangen, die von ihren Kirchen unbefriedigt sind, etwas von wissenschaftlicher Kritik läuten gehört haben, aber durch Mängel ihrer erworbenen Bildung oder ihres angeborenen Kopfes verhindert sind, zu den Quellen einer klaren Weltanschauung hinabzusteigen. Mit einer unwissenden Belesenheit werden die grössten Namen zitiert, die schwierigsten Worte gewälzt. Die bestehenden Religionen werden abgeurteilt, Gebräuche und Gebete werden für überflüssig erklärt, alle Greuel des Religionshasses werden abgeschafft und der Grundsatz der religiösen Freiheit wird verkündet. Unklare schreibwütige Schreiber wenden sich an unklare lesewütige Leser mit dem Abhub unverstandener Begriffe.
Aber auch in den einleitenden Darlegungen geht es nirgends ohne Zweideutigkeiten ab. Die Theosophie sei keine neue Religion, sondern eine alte Wissenschaft von Gott; nur dass das ganze Treiben auf den Versuch einer Religionsstiftung hinausläuft, hoffentlich auf einen Versuch mit untauglichen Mitteln. Ob der Theosoph an Gott glaube? »Das hängt davon ab.« Es soll nämlich davon abhängen, ob man eine »esoterische Etymologie« des Wortes annehme oder nicht; wo Begriffe fehlen, da stellt sich immer zur richtigen Zeit das gefällige Wort »esoterisch« ein. Ob die Theosophie mit dem Spiritismus Aehnlichkeit habe? Diese Frage zu beantworten fiel der Frau Blavatsky (deren »Schlüssel zur Theosophie« ich hauptsächlich benutze) ganz besonders schwer, weil sie doch in jüngeren Jahren selbst eine eifrige und bis zu ihrer Entlarvung, wie erzählt wird, erfolgreiche Spiritistin gewesen war; sie half sich so, dass sie zwischen dem Spiritismus und ihrem um zwei Silben längeren Spiritualismus einen unfassbaren Gegensatz zurechtklügelte und endlich die Entscheidung fällte: »Die übersinnlichen Erscheinungen sind nicht abzulehnen, ausgenommen in den Fällen des beabsichtigten Betruges.« In den Fällen eines unbeabsichtigten Betruges hat man also nach wie vor an die Geistererscheinungen zu glauben. Zweideutig ist auch, was über das Bekenntnis zum Buddhismus gesagt wird. Die abstrusesten Glaubensvorstellungen der Buddhisten werden herübergenommen, halbverstandene Bezeichnungen aus Indien werden wie bare Münze dem ungeduldigen Schüler auf den Tisch gezählt, aber der Buddhismus als Lehre wird doch (wieder mit einer esoterischen Etymologie) ein wenig beiseite geschoben, damit Frau Blavatsky als Religionsstifterin nicht im Schatten stehe; nicht alle Theosophen seien Buddhisten, »ebensowenig wie alle Musiker sich zu Wagner bekennen«.
So weit wäre die Theosophie eine minderwertige Abart der vielen Bestrebungen gegen den Kirchenglauben und würde unter sehnsüchtigen Menschen ungefähr ebenso wirken können wie die nüchterne Predigt der heutigen Monisten unter den sehnsuchtslosen Materialisten. Dann hätte aber die Theosophie ihre Verbindung mit der alten Magie aufgegeben, und das will sie ja nicht. Mit einer bemerkenswerten Geschicklichkeit wird die Frage der Zauberei immer wieder zurückgeschoben und die letzte Aufklärung denen versprochen, die nach langer Vorbereitung und Prüfung ausersehen sein würden, im Beisein unbekannter Meister die letzten Schleier des Geheimnisses zu lüften. Man glaubt den Grosskophta Cagliostro in eigener Person zu vernehmen. Niemals werden Zauberkünste für naturwidrig oder unmöglich erklärt, höchstens an einer unfreiwillig lustigen Stelle für »sehr gefährlich«. Man weiss mit der Polizei sich trefflich abzufinden.
Der Untergrund, auf welchem die esoterische Moral und die esoterische Wundertäterei dieser Theosophie aufgebaut sind, ist der indische Glaube an eine periodische Wiedergeburt, der an sich unserem abendländischen Denken völlig widerstrebt. Mit einer beneidenswerten Phantasie und einem noch beneidenswerteren Mangel an Logik, mit Hilfe eines ganzen Lexikons indischer Ausdrücke (die denn auch von Frau Blavatsky selbst in einem Fremdwörterbuch oder einem theosophischen Glossarium für die Armen am Geiste übersetzt worden sind) wird auf diesem Untergrund der Wiedergeburt ein System von Geisterseherei aufgebaut: es gibt drei verschiedene Arten von Schlaf, die entkörperten Geister können einige Tage nach dem Tode noch mit lebenden Geistern verkehren usw.
Die bedeutendsten und geistreichsten Vertreter der modernen Psychologie wissen kaum mehr etwas über die Seele des lebenden Menschen auszusagen; die Theosophen wissen Bescheid über die Leiden und Freuden der Seele nach dem Tode. Unsere bescheidenen Philosophen fürchten oder behaupten doch, dass das menschliche Ich als ein klarer Begriff nicht mehr zu halten sei; die Theosophen zerspalten dieses Ich in allerlei niedere und höhere Geister und begleiten diese Geister von ihren Schreibtischen aus durch alle Himmel und Höllen.
Diese Theosophie wäre aber nicht der Versuch einer neuen Religionsstiftung, wenn sie nicht auch Oberpriester kennen würde (man nennt sie vorsichtig: Weise oder Meister), welche dem Weltgeiste näher stehen als andere Menschen und darum alle Geheimnisse erkennen, die den gewöhnlichen Adepten der Theosophie ewiglich verhüllt bleiben. Solche weise Meister können sich nach ihrem Tode durch ihre Wunderkraft mit den Verfassern theosophischer Lehrbücher in Verbindung setzen und ihnen ihre Werke diktieren; das wäre freilich eine bequeme Art der Schriftstellerei, wenn Frau Blavatsky nicht ausdrücklich und zur Wahrung ihrer schriftstellerischen Eigenart weislich hinzufügte: »Mit einigen verhält es sich so. Es sind ganze Absätze von ihnen wörtlich diktiert, aber in den meisten Fällen inspirieren sie nur die Ideen und überlassen die Einkleidung den Schriftstellern.« Man sieht, Frau Blavatsky hat aus den Lehren der christlichen Kirchenväter über die verschiedenen Grade der Inspiration viel gelernt.
Frau Helena Petrowna Blavatsky, die nach einem interessanten Leben und nach der Gründung ihrer theosophischen Gesellschaft vor mehr als zwanzig Jahren, angebetet von ihren Anhängern, gestorben ist, hat also für sich allein etwas unternommen, was andere Religionsstifter niemals im Sinne gehabt hatten: sie hat ihren Verehrern nicht nur einen neuen Glauben geschenkt, sondern gleich ein Priestertum dazu, das doch sonst erst lange Zeit nach dem Stifter aufzutreten pflegte. Für die erste Frau, die sich neben die Religionsstifter zu stellen wagte, eine ganz erkleckliche Leistung.
Frau Blavatsky (1831–1891), die Tochter eines russischen Generals deutschen Namens, war von Kindheit an mindestens »hysterisch«, von Hause aus in dem Glauben bestärkt, sie wäre überall von Spirits umgeben. Noch nicht zwölf Jahre alt, schrieb sie »unter dem Diktat einer Verstorbenen« allerlei Zeug nieder; nachher stellte sich's heraus, dass dieser Spirit noch lebte. Ihr abenteuerhaftes Leben, ihre Beziehungen zu Männern und Frauen gehen mich nichts an; nur dass die interessantesten ihrer Abenteuer (ihre ersten Reisen nach Indien, ihre Teilnahme an der Schlacht von Mentana unter Garibaldi) sicherlich ihre Erfindungen waren. Sie konnte lügen, dass die Balken sich bogen. In Kairo soll die dreissigjährige Blavatsky zum ersten Male bei einem spiritistischen Trick entlarvt worden sein. Fünf Jahre später ist sie in Amerika bereits eine »wissenschaftliche« Spiritistin und Schriftstellerin, schreibt nach dem Diktat alter indischer »Meister«, gründet einen Wunderklub, treibt ethische Menschenverbrüderung und findet für alles (mit Hilfe eines Lexikons, das Mr. Olcott, Journalist und Oberst, nachschlägt) den Namen: Theosophische Gesellschaft. Damit ist H. P. Blavatsky eine gemachte Frau. Ihre Bücher, besonders die »Entschleierte Isis«, werden von den Mitgliedern der Gesellschaft gekauft; waren diese Schriften doch von toten indischen Meistern, den Mahatmas, inspiriert. Sie übersiedelte nach Indien (sie fuhr diesmal wirklich hin), verkehrte mit den Hindus als Russin, mit den Engländern als Amerikanerin; aber in Indien und später in Paris gab es in den spiritistischen Kreisen selbst furchtbare Skandale, deren Mittelpunkt jedesmal Frau Blavatsky bildete. In Indien verriet eine französische Freundin die Geheimnisse ihrer spiritistischen Apparate und gab sehr kompromittierende Briefe heraus. In Frankreich war es ein russischer Freund, der eine Beichte der Frau Blavatsky vor die Oeffentlichkeit brachte. Die Stifterin der Theosophischen Gesellschaft verlor deshalb durchaus nicht allen Anhang. Auch nach ihrem Tode nicht, da ihr Gewerbe Nachfolgerinnen und Erben fand. Sie selbst hörte bis zu ihrem Ende nicht auf, unermüdlich, trotz schwerer Körperleiden, die »Sache« in Büchern und Aufsätzen zu verteidigen.
Von Zeit zu Zeit muss immer wieder einmal, so lästig auch das Studium dieser abstrusen Bücher sein mag, auf den Wirrwarr in den Köpfen solcher Weltverbesserer hingewiesen werden; denn wer weiss heute noch, dass Kant, der Gegner aller Schwärmerei, die Theosophie schon vor hundertzwanzig Jahren abgetan hat? Er stellte die Theosophie ganz richtig mit Zauberei und Abgötterei zusammen und nannte ihre Begriffe »vernunftverwirrend«.
Für den Historiker und für den Poeten ist die Beschäftigung mit den Theosophen alter Zeit reizvoller als eine Versenkung in die theosophischen Schriften unserer Tage. Henrik Ibsen hat in seinem (trotz eines hindurchgehenden Risses) gewaltigen Drama »Kaiser und Galiläer« den Theosophen Maximos glaubhaft als einen betrogenen Betrüger dargestellt. Es ist vielleicht nur ein Zufall; aber da der gekrönte Theosoph Julianus stirbt, verhüllt Maximos sein Antlitz und sagt nur ein einziges Wort: »Betrogen!«