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Ich habe mich leicht überreden lassen, nach langen Jahren wieder einmal eine kleine Auswahl aus meinen vielzuvielen Zeitungsaufsätzen den getreuesten Lesern vorzulegen. Und ich bin eigentlich neugierig darauf, ob sich wieder Feuilletonisten finden werden, die so bescheiden von ihrem Berufe denken, dass ihr Spruch lautet: »Viel zu ernst für Feuilletons!« Dieselben Urteilsbeamten haben ja über meine grossen sprachkritischen Werke das Schlagwort ausgegeben: »Viel zu heiter für Philosophie!«
In meinem Hochmut hat mich diese zwiefache Verurteilung immer gefreut. Ich bin nach meinem Glauben ein Schriftsteller, der etwas zu sagen hat; und ich habe es wohl endlich gelernt, einfach in meiner persönlichen Sprache zu sagen, was ich etwa zu sagen habe, einerlei ob es sich um die höchsten Fragen der Erkenntniskritik oder ob es sich um die nächsten Fragen der Religion, der Schule, des Rechts oder der Literatur handelt. »Ich kann es nicht anders geben, als es mir gewachsen ist.« Ich finde es komisch, ernsthaft nach berühmten Mustern zu schreiben. Meine eigene Nase, ob sie gefällt oder nicht, will ich im Gesichte behalten. Ich habe es wirklich nicht gelernt, das eine Mal die Dunkelheit der Sache durch einen schwerfälligen Stil künstlich noch mehr zu verdunkeln, das andere Mal durch künstliche Leichtigkeit der Gedankenfurcht des Publikums entgegenzukommen.
Vielleicht werden einige besonders freundliche Leseraugen bemerken, dass ich das eine wie das andere Mal nicht nur in der Darstellung der gleiche Schriftsteller bin, sondern auch in der Absicht: unhaltbare Begriffe zu kritisieren, Wortleichen zu sezieren. Wahrscheinlich interessieren mich aber die sogenannten Zeitfragen weniger als meine sprachkritischen Ideen; wahrscheinlich habe ich darum über diese dicke Folianten geschrieben, über jene nur kleine Feuilletons. Kleine Parerga. Ich könnte hier Schopenhauers Vorwort zu seinen »Parerga und Paralipomena« ausschreiben; ich tu' es nicht, weil ich nur von wenigen meiner eigenen Aufsätze so stolz reden möchte, weil es also nicht ganz ehrlich wäre.
Die Feuilletons dieser Auswahl sind im Laufe der letzten zwanzig Jahre zumeist im »Berliner Tageblatt«, einzelne im »Simplicissimus«, im »März«, in der »Zeit« zum ersten Male erschienen; die wenigsten, Aufsätze sind hier unverändert abgedruckt; man meint immer etwas bessern zu können und manche Ausführung war im Buche möglich, die in der Zeitung durch Raum und Zeit verboten war. Nur zwei Aufsätze haben wesentliche Erweiterungen erfahren: der über Christian Wolff und der über Heinrich Heine.
Der über Heine entstand, als nach Ablauf einer runden Zahl von Jahren ein Jubiläum den alten törichten Kampf um Heine wieder heraufbeschwor; nichts war mir im Grunde gleichgültiger als der tobende Männerkampf um Heines Denkmal, heutzutage, wo bald jeder Bürgermeister und jeder Landrat irgendwo sein Denkmälchen stehen haben wird. Nun aber waren mir die Aeusserungen der Heine-Enthusiasten oft zu offiziös, zu rosenrot und zu feierlich dem genialen Schlingel gegenüber; und endlich durfte gegenüber dem widerwärtigen und eigentlich dummen Pamphlet von Bartels »Heinrich Heine – Auch ein Denkmal« nicht geschwiegen werden. So war dieses bewusst nüchterne Bekenntnis damals entstanden. Ich habe ausser Notizen über die Mouche auch einige Blätter über die Nachwirkung Heines hinzugefügt, weil die Unwahrheit, Heinrich Heine sei längst überwunden, sei tot für das gegenwärtige Geschlecht, von Parteiliteraten alle Tage nachgesprochen wird. Ich habe besonders auf die Stellung Gottfried Kellers zu Heine hingewiesen, weil just in diesem Falle der Einfluss des Juden Heine auf den Arier Keller emphatisch geleugnet worden ist. Es wird Herrn Bartels nichts übrig bleiben als den Nachweis zu führen, dass auch Gottfried Keller ein Jude war. Das ist sehr leicht nach seiner bewährten Methode, nach welcher er sogar den Teutonen Kürnberger zu einem Juden machte, kindisch leicht.
Mit ebenso wissenschaftlicher Gründlichkeit könnte ich von jedem anderen Stücke den Anlass erzählen; aber ein Vorwort soll ja nicht so gründlich sein wie ein Feuilleton.
Und nicht so ernst wie Aufsätze, die fast alle dazu beitragen möchten, irgendeiner geistigen Not Abhilfe zu schaffen.
Meersburg, im September 1913.
F. M.