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Seit Wochen sind die Lerchen wieder da, aber es fiel noch keiner von ihnen ein, singend in die Luft zu steigen; höchstens stümperte, wenn die Sonne die grauen Wolkenklumpen zur Seite schob, eine etwas im Sitzen.
Jetzt aber steigt eine in die Höhe und singt so gut, als hätte sie nicht ein halbes Jahr lang Pause gemacht, und andere machen es ihr nach, und überall über den braunen Schollen und grünen Flächen singt und klingt es.
Nun geht es nicht anders, nun muß die Sonne scheinen, und wenn der Wind auch von Nordwest noch so viel schwarze und graue und weiße Wolken dahintreibt, daß die grüne Saat, die im Sonnenschein leuchtet, alle Augenblicke winterlich dunkel daliegt. Aber schließlich sind die Wolken alle fort, und nun kann die Sonne den Acker nach Gefallen erwärmen. Wie das gleich überall kriecht und krabbelt, flirrt und schwirrt, summt und brummt! Die ganze Luft blitzt von silbernen Pünktchen, und über jeder Scholle funkelt und schimmert es von hastigen Tierchen. Um den blühenden Weidenbusch, der wie eine helle Flamme aussieht, brummen die Hummeln, und da ist auch schon ein Pfauenauge, das sich auf dem Granitfindling sonnt, und über die lustiggrüne Saat taumelt ein fröhlichgelber Zitronenfalter.
Die Sonne nimmt immer mehr an Kraft zu und tut Wunder über Wunder. Alle die Huflattichblüten, die bisher mürrisch ihre Köpfe hängen ließen, recken und strecken sich, und überall leuchten jetzt aus den fetten Schollen der Sonne ihre winzigen Abbilder entgegen, und sofort summst und brummst es am Boden von blanken Erdbienen. Die Schachtelhalme, die gestern ihre sonderbaren Ähren noch ängstlich verschlossen hielten, öffnen sie jetzt, an den zwerghaften Ästchen des Ackerehrenpreises springen blaßblaue Blütchen auf, und neben ihnen leuchten des Hungerblümchens winzige Blütchen. Aber nicht nur oben auf dem Acker, auch in ihm weckt die Sonne das schlafende Leben und lockt das, was sich vor der Kälte in der Tiefe barg, höher. Langsam wandern die Regenwürmer der Sonne entgegen, und ihnen nach folgt der Maulwurf, die Rasennarbe des Raines aufbrechend, und quiekend, fauchend und schnaufend balgen sich die Männchen und die Weibchen. Die Feldmäuse, die der Regen und der Wind in ihren Löchern hielt, wo sie zu Hunderten die Seuche dahinraffte, huschen aus dem Gestrüpp des Grabens in den Klee und aus dem Klee in das Gestrüpp und freuen sich, daß die böse Zeit endlich ein Ende hat.
Tief unter der Erde ist noch jemand, der sich darüber freut, daß die langweilige Zeit vorbei ist. Solange der Frost herrschte, war ihm alles, was da oben vorging, gleichgültig; denn er schlief Tag und Nacht, ohne aufzuwachen und so leise atmend, als wäre kaum Leben in ihm. Als dann aber im März die Sonne so heiß gegen den Acker schien, daß ihre Wärme bis tief in die Erde drang, da erwachte der Schläfer, grunzte und brummte, schüttelte sich, kratzte sich gehörig, putzte sich das Fell, strich sich den Bart, gähnte herzhaft des öfteren, überlegte lange und begab sich dann in seine Vorratskammer.
Er hatte sich im Spätsommer und Frühherbst gut versorgt. Hier liegen die großen Bohnen, da die Pferdebohnen, dort die Erbsen, daneben der Weizen, der Hafer, die Gerste, der Roggen, und dort sind geschrotete Zuckerrüben und Möhren, Klee- und Luzerne- und Esparsettewurzeln und noch andere gute Dinge, alles in allem wohl hundert Pfund. Das heißt, soviel waren es Ende Oktober; inzwischen ist es etwas weniger geworden. Im November gab es noch zwei warme Wochen, Ende Januar auch eine und im Februar sogar anderthalb; solange man schläft, meldet sich der Magen nicht, aber wacht man auf, dann wird er munter und gibt nicht eher Ruhe, als bis er seinen Willen hat. Und so schmolz der Vorrat tüchtig zusammen, aber es ist doch noch so viel da, daß er reicht, und wenn es bis tief in den Mai hinein in einem Strich frieren sollte.
Deshalb tut sich der alter Hamster nicht den geringsten Zwang an, langte sich eine Bohne nach der anderen und knabbert sie auf, enthülst eine gute Portion Getreidekörner und beendigt sein Mahl mit einigen Stücken Wurzelwerk; dann kratzt er sich den Schurrbart zurecht, kämmt sich das Haar und steigt in sein Ausgangsrohr hinein, das er gehörig mit Erde und Spreu verrammelt hat, damit Regen- und Tauwasser ihm nicht in die Schlafkammer und in die Keller laufen konnten. Er scharrt und buddelt und müht sich ab, verschnauft ab und zu, scharrt weiter, und jetzt bleibt er geraume Zeit mäuschenstill sitzen. Dann aber stößt er den letzten Rest Erde, der in dem Rohre steckt, hinaus.
Hm, die Luft ist, wenn auch noch ein wenig frisch, sehr angenehm und entschieden reiner als da unten in der Höhle, wo sie mit der Zeit mehr als muffig war. Und ganz still ist es ringsumher, bloß daß es dicht über der Erde krabbelt und brummt und hoch über dem Felde zwitschert und singt. Der Boden rührt sich nicht unter dem Tritte eines Menschen oder dem Rollen eines Wagens, und nirgendswo ertönt Gebell, und auch kein grober Schatten fällt auf die Saat. Und die ist wirklich gut gewachsen seit dem Februar, als man hier zum letzten Male umhertrippelte und das Glück hatte, daß einem eine recht fette Maus gerade in die gelben Zähne lief, eine höchst angenehme Abwechslung in der etwas einseitigen Winterbeköstigung.
Freilich nahm der Februarspaziergang fast ein trübes Ende. Da kam einer von diesen elenden Hunden, die den ganzen Tag blaffen und winseln, in der Wasserfurche entlang geschnüffelt. Es war ein wahrer Segen, daß es bloß einer von den jungen war, ein ganz dummer und ungeschickter Köter, der da glaubte, ein alter Hamster von vier Jahren sei so leicht abzumurksen wie eine junge Maus. Mit einem Freudengeheul stürzte er auf ihn los, aber schnell sprang er zurück, denn der Hamster hatten einen Satz gemacht und ihn so angeschnarcht, daß ihm eine Weile ganz ängstlich zu Sinne wurde. So sprang er dann bellend und winselnd um den Hamster herum, was diesem durchaus nicht paßte, denn er mußte sich fortwährend um sich selbst drehen und sich viel mehr Bewegung machen, als ihm angenehm war. Das wurde ihm schließlich zu dumm, und als der alberne Hund ihm wieder bis dicht vor die Zähne sprang, fuhr er empor und faßte ihn, und faßte ihn gut, denn er biß sich ihm in der Nase fest, und erst als der Hund sich wie wahnsinnig im Kreise umherdrehte und jaulte, daß man es über die ganze Feldmark hören konnte, ließ der Hamster los und flog in den Schlehenbusch, während der Hund, den Schwanz zwischen den Beinen, heulend den Koppelweg entlang fegte.
Heute aber ist die Luft rein, denkt der Hamster, und spaziert in den Klee. So eine frische Kleewurzel ist entschieden besser als die überjährigen in dem Keller, und das Beste dabei ist die Sonne. Er schüttelt sich vor Wonne und bleibt mit geschlossenen Augen sitzen, tief atmend und ab und zu dumpf schnarchend und murrend. Aber dann kratzt er sich langsam und bedächtig, denn die Sonne macht auch die zwickenden Gäste munter, die in seinem bunte Balge wohnen. Mitten in dieser Beschäftigung fährt er zusammen und reckt sich steil auf; hier in der Nähe ist irgend etwas nicht richtig! Haha, ach so! Da flattert ein Vogel alle Augenblicke empor und fällt piepsend wieder herab. Das wollen wir uns einmal aus der Nähe besehen! Hurtig trippelt der Hamster dahin. Die Lerche, die sich am Leitungsdraht den Flügel zerbrach, flattert ängstlich auf, wie der bunte Bursche ihr näher rückt, und er muß mehr als einmal tüchtig rennen und oft vergeblich springen, aber dann quietscht sie auf, und er hat sie, und seelenvergnügt eilt er mit seiner Beute unter den runden Weißdornbusch, daß die Feldspatzen mit Wutgezeter von dannen stieben.
So eine Lerche ist entschieden etwas Feines! Das steht fest. Maikäfer sind aber auch ein gutes Essen. Das ist eine alte Erfahrung. Dieser hier, den der Arbeiter, der gestern den Graben auswarf, an die Luft beförderte, und der nun in dem dürren Grase herumkrabbelt, kommt dem Hamster gerade recht. Schade, daß nicht mehr davon da sind. Nun, Drahtwürmer schmecken schließlich auch, aber der fette Engerling, der da hilflos auf der Erde liegt, noch viel besser. Nun aber ist es wohl Zeit, einmal die junge Saat zu kosten, die so dicht und hoch steht, daß es eine wahre Freude ist. Sie schmeckt ausgezeichnet, wenn auch etwas grün und fade. Der Löwenzahn dagegen, der ist herzhafter, und so ein junges Sauerampferblatt, das ist erst recht etwas Feines. Die Knollenwurzeln des Schachtelhalmes dagegen, die beim Grabenauswerfen zutage kamen, sind nicht zu genießen, wogegen die dürren Mehlfäßchen und Hagebutten, die der Sturm in das Gras warf, ganz hervorragend sind, wie denn auch lufttrockne Schlehen nicht zu verachten sind. Im Herbste gab es hier sogar noch Nüsse, jetzt leider nicht mehr. Doch, eine ist da noch. Das ist wirklich schön.
Was wollen Sie, Herr Zaunkönig, he? Glauben Sie, daß das Ihr Busch ist? Oder haben Sie es immer noch nicht vergessen, wer Ihnen im Sommer die Eier austrank? Ach so, Sie meinen nicht mich, sondern das, was da über den Weg kommt? Nun heißt es aber ausrücken! Furchtbar eilig trippelt der Hamster in der Richtung nach seinem Baue hin, aber die beiden Jungen haben ihn schon spitz und rennen hinter ihm drein. »Ein Meerschweinchen, ein wildes Meerschweinchen!« rufen sie entzückt, denn sie sind aus der Stadt und kennen wohl den Ameisenigel, den Irbis und den Wickelbären, aber einen Hamster haben sie lebendig noch nicht gesehen. Der eine läuft rechts, der andere läuft links, und so schneiden sie dem armen Hamster den Paß ab. Der ist so satt, daß er nicht mehr laufen mag, und so bleibt er sitzen: »Ach, es ist ganz zahm,« ruft der eine Junge, »es macht schon hübsch,« und er nähert sich ihm, grunzt freundlich und hält ihm ein Kleeblatt hin. »Verfluchtiges Biest,« ruft er und springt zurück, denn wütend schnarchend fuhr der Hamster auf ihn los. Der andere Junge lacht und ruft »Feigling!« und greift fest zu. »Gemeines Luder!« schreit er dann und zieht schnell seine Hand zurück, denn beinahe hätte ihn der Hamster gebissen. Sie halten Kriegsrat. Dann zieht der eine die Jacke aus, und während der andere mit einem jungen Zweige den Hamster ärgert, wirft er die Jacke über ihn und sich darauf. »Ich hab'n, ich hab'n,« schreit er. »Nun hol' ihn 'raus und fass' ihn ans Nackenfell.« Das tut der andere auch, aber kreidebleich zieht er die Hand unter der Jacke hervor, steckt den Daumen in den Mund, tanzt von einem Beine auf das andere und heult dabei, daß ihm die blanken Tränen über das Gesicht laufen. Bestürzt springt sein Bruder auf. »Zeig' mal her,« ruft er ängstlich und läßt sich den Daumen weisen. Schöne Bescherung, der Nagel ist glatt durchbissen, und das Blut läuft nur so heraus. Behutsam nimmt er seine Jacke mit dem Stöckchen auf, aber das Ungetüm ist verschwunden. Ganz begossen ziehen die beiden Jungen ab und erzählen zu Hause eine Mordsgeschichte von einem Tiere, so groß wie ein mittlerer Hund, mit Zähnen, ungelogen, so lang, daß das brummte, wahrhaftig, wie ein Bär. Und der Vater schüttelt den Kopf und blättert den ganzen Brehm durch und meint: »Wenn es kein Dachs war, dann ist es wohl ein Vielfraß gewesen.«
Der Hamster ist wütend nach Hause gegangen. Der Sonnenschein kommt ihm gar nicht mehr so hell und die Saat lange nicht mehr so grün vor wie vorher. Gleich beim ersten Ausgange und auf vollen Magen ein solches Abenteuer, das geht ihm wider den Strich, denn er liebt die Ruhe, und jede, auch die kleinste Aufregung ist ihm verhaßt. Wenn nur erst der Roggen so hoch wäre, daß er einem über den Rücken zusammenschlägt, das wäre gut. Es scheint wirklich ratsam zu sein, sich bei Tage nicht mehr sehen zu lassen. Aber die Nacht hat auch ihre Gefahren, und wer ein einziges Mal den Griff der Eule gefühlt hat, der verzichtet gern auf eine Wiederholung. Freilich, wenn eine Eule so dumm ist, daß sie sich an einem alten Hamster vergreift, und faßt ihn dabei noch ganz hinten, dann braucht sie sich nicht zu wundern, daß sie fortan die Mäuse nur mit einem Fuße greifen muß, weil der andere für immer steif blieb, denn wo des Hamsters Zähne hinfassen, da krachen die Knochen. Das hat auch das Hermelin im Oktober erfahren müssen, als es den Dickkopf anfiel und ihm die Zähne in die Schlagader setzen wollte. Er aber zog den Kopf ein, und so faßte es vorbei, und es gab eine wilde Balgerei, daß der Turmfalke erstaunt in der Luft hängen blieb, und als das Wiesel abzog, schleppte es das Hinterteil auf der Erde hin, und zwei Tage später kamen die Totengräber und rodeten es ein.
Ach ja, das Leben ist nicht so einfach, und am besten ist es, man bleibt zu Hause, so lange wenigstens, bis das Feld Deckung genug bietet. Wie schön ist es im Mai, wenn der Roggen wie eine Mauer bollwerkt und überall Nester mit Eiern und fette Raupen und dicke Käfer und junge Mäuse sitzen, zart und süß, und späterhin, wenn die Halme die Köpfe hängen lassen, und wenn die Bohnen so dicht stehen, daß die Sonne sich Mühe geben muß, will sie bis auf den Boden reichen, und wenn die Gerste erst Körner und der Hafer Milch hat, wenn der Roggen anreift und die Bohnen mehlig werden, dann ist doch die allerschönste Zeit. Dann ist der Tisch überall gedeckt, dann trägt jeder Halm Brot und jeder Stengel Zukost, und wo man hinsieht, sitzt ein knuspriger Grashüpfer oder eine saftige Heuschrecke, und junge Lerchen sind in Hülle und Fülle da. Mürrisch kriecht der Hamster in sein Ausgangsrohr, denn seine Fluchtröhre hat er noch nicht geöffnet. Er schüttelt sein Lager auf, ordnet die Grasblätter, dreht sich achtmal darin umher, rollt sich zusammen und will seinen Ärger verschlafen. Da ist ihm so, als wenn es hinter ihm raschelte. Sollte da irgend ein Eindringling bei seinen Vorräten sein? Ärgerlich schlüpft er in seine Vorratskammer hinein, sich so dick machend, daß er den Ausgang versperrt. Das fehlte noch gerade! Während er draußen Ärger und Unruhe hatte, sitzt hier eine Maus und frißt sich in aller Seelenruhe satt. Jetzt freilich fährt sie in voller Angst hin und her, denn das Schnarchen des Hamsters erschreckt sie zu sehr, und fährt so lange hin und her, bis sie nicht mehr kann und am ganzen Leibe zitternd sitzen bleibt. Und da fährt der Eigentümer zu, und mit schrillem Piepsen gibt sie ihr Leben auf. Ärger zehrt, auch beim Hamster, und so frißt er die Maus auf, stopft sein Ausgangsrohr wieder notdürftig zu und verschläft die nächsten Tage, denn der Wind hat sich gedreht und bringt neuen Frost aus dem Osten. Und so schläft er, bis ihn der Hunger weckt, und schläft wieder und frißt sich abermals kugelrund und treibt das so lange, bis der östliche Wind samt dem Froste verschwunden und die Luft wieder weich und lau über dem Felde steht.
Jetzt ist es entschieden schon besser draußen als beim letzten Male. Wenn der Roggen wächst, dann wächst er auch gründlich, und der Klee schränkt sich schon. Das Feld ist nicht mehr so kahl, der Rain nicht mehr so fahl, das Gras im Graben ist nicht mehr so mager, und die Böschung ist fett von allerlei Kräutern. Der Tag war heiß, und der Abend ist warm, der Gundermann duftet, die Taubnessel blüht, es ist so herrlich auf der Welt, daß sogar ein alter Hamster sich nach Gesellschaft sehnt. Sonst liegt ihm nicht viel daran. Wo zwei Hamster sind, wollen zwei satt werden; ist nur einer da, behält er alles für sich. Was ruschelt denn dort in der Saat, was krabbelt denn hier in dem Klee? Was knabbert so heimlich und knuspert so verstohlen?
Eine Maus ist es nicht und keine Wühlratte. Wie geht der Wind? Der Hamster richtet sich auf und schnuppert, und dann schleicht er sich im Bogen nach links und schnuppert wieder, und dann wird er schneller, trippelt eiliger, und dann ist er bei dem Hamsterweibchen und wird zärtlich, und sie wird grob, und er wird zärtlicher, und sie wird immer gröber, und er wird immer zudringlicher, und wie ihr alle Grobheit nichts hilft, da rennt sie davon, und er eilt ihr nach, durch die grüne Saat, über den Klee, den Weg entlang, in den Graben hinein, daß das Käuzchen auf dem Grenzstein verwundert knixt und macht, daß es fortkommt, denn die beiden Liebesleute jagen ihm alle Mäuse fort.
Oder sind es drei? Ja, es sind drei, denn aus der Wasserfurche tauchte noch ein Hamster auf und ladet sich zu dem lustigen Spiele ein. Das paßt dem alten Hamster aber gar nicht, und fauchend richtet er sich auf und erwartet den Nebenbuhler. Aber der hat Mut und bleibt hochaufgerichtet stehen, denn es ist auch ein altes Männchen. Und da fällt es dem ersteren auch ein, daß er das Weibchen gar nicht mehr hört, und eilig trippelt er auf dessen Spur weiter, und hinter ihm her schnauft das andere. Da ist das Weibchen! Es verspeist gerade eine junge Maus. Zwei Anbeter auf einmal, das ist einer zu viel. Wer ist wohl der Beste? Der zuerst da war, das ist ein Hamster, wie sie alle sind, jeder Fleck am rechten Orte. Der andere aber ist kohlschwarz von oben bis unten, und nur seine Kehle leuchtet silbern. Aber es wird sich schon von selber herausstellen, wer der Beste ist, denn jetzt haben sie es mit der Wut bekommen, sie schnarchen beträchtlich, murren erheblich, fauchen sich giftig an, springen gegeneinander an, fassen sich und wälzen sich in wildem Wirbel, daß das Käuzchen herbeifliegt, auf dem Wegweiser fußt und Lärm über die beiden Krakeeler schlägt, die sich hier so ungesittet benehmen.
Aber der Kampf ist jetzt auch zu Ende; zerbissen und zerkratzt weicht das schwarze Männchen und schlüpft in seiner Bestürzung mit dem Winde die Wasserfurche entlang und rennt gerade der Füchsin in den Rachen, in dem schon zwölf Mäuse und zwei Junghasen baumeln. Das bunte Männchen aber hetzt sein Weibchen so lange im Kreise umher, bis es einsieht, daß alles Sträuben auf die Dauer doch keinen Zweck hat.
Am anderem Abend murkst das Männchen wieder allein im Felde umher. Wo das Weibchen von gestern nacht ist, das weiß er nicht; es ist ihm auch ganz gleichgültig. Das erste Wort hat der Magen, und will das Herz sein Recht, nun; Weibchen gibt es hier genug, alte und junge, gefällige und spröde, und ist es nicht das eine, so ist es ein anders. Freilich gibt es auch Männchen genug, jährige, die sofort ausrücken, wenn der alte Hamster auftaucht, überjährige, die nur langsam das Feld räumen, dreijährige, die es auf eine kurze Rauferei ankommen lassen, und ganz alte, mit denen es eine ganz gehörige Kratzbalgerei gibt, ehe sie Reißaus nehmen, wenn es nicht umgekehrt ausgeht, was auch vorkommt. Da ist besonders ein ganz starkes Männchen, oben rein gelb, wie reifer Roggen, und unten silbergrau, wie das Blatt der Bohne; als das alte Männchen mit dem um ein hübsches junges Weibchen aneinander geriet, setzte es tüchtige Püffe und gehörige Schmisse, und das blonde Männchen behauptete den Platz und behielt das Weibchen. Dafür jagte das andere Männchen dann einem Junghamster ein altes Weibchen ab und kam so auch zu seinem Rechte.
Schließlich nahm diese aufregende Zeit ein Ende, und der Hamster war froh, daß es so war; die Rückenknochen standen ihm durch die Haut, sein Balg war zerzaust, seine Lippen zerbissen, seine Nase zerschunden, es war Zeit, daß er daran dachte, sich wieder herauszufüttern. Und das besorgte er auf das gründlichste.
Der Ärger zehrt, die Liebe aber noch mehr; der Ärger macht hungrig, die Liebe mager, und so strich er im Felde umher und füllte sein Ränzlein und setzte Speck an, bis ihm die Haut wieder stramm saß und sein Balg wieder glatt und blank wurde bis auf eine Schramme über der Nase, die ihm die Zähne des blonden Männchens rissen. Denn von Tag zu Tag läßt es sich besser leben; es gibt schon junge Wurzeln und frische Erbsen, wo man kratzt, sitzen Käfer, wo man schnüffelt, springen Heuhüpfer, die Lerchen haben Eier und die Mäuse Junge, die fetten, die saftigen Tage sind da! Pirscht auch der Fuchs die Koppelwege entlang, schleicht auch der Steinmarder den Rain hinauf, huscht auch der Iltis in der Wasserfurche, sie reißen nur die jüngeren Hamster, den alten bekommen sie nicht, denn wenn es irgend geht, hält er sich in dichter Deckung, und auch vor dem Habicht, der Weihe und dem Kauze weiß er sich zu wahren.
Der Rand des Ährenfeldes wird bunt, Tremse, Rade und Rittersporn blühen, die Sommergerste reift, der Roggen läßt die Ähren hängen, die Kartoffeln schmücken sich mit lichten Blumen; der alte Hamster denkt an den langen Winter. Jede reife Ähre hülst er sorgfältig aus und stopft mit den Körnern die Backentaschen voll, daß sie ihm weit vom Kopfe abstehen; dann trippelt er zum Bau, stürzt sich kopfüber in das Fallrohr und leert in der Vorratskammer seine Backentaschen aus. Die halbe Nacht ist er damit im Gange, und schon am Nachmittage schleicht er im Halmdickicht umher, sucht sich die reifen Halme aus, beißt sie ab und beraubt sie der Frucht; überall zeugen kleine Spreuhäufchen von seiner emsigen Tätigkeit. Aber dann kommt noch einmal die Unruhe über ihn, die ihn im Frühling packte, und er setzt hinter den Weibchen her und balgt sich mit den Männchen und wird wieder ruppig und struppig wie im Frühling. Aber er wird dieses Mal schneller wieder rund und glatt als damals, denn reicher ist sein Tisch gedeckt, und er braucht keine weiten Wege mehr zu machen, um Magen und Backentaschen vollzustopfen und wenn es jetzt auch überall von Junghamstern wimmelt, denn es ist schon der zweite trockene Sommer, und vielerlei Arten von Mäusen in Unmassen sind da, es trägt ja jeder Halm eine Ähre, jeder Bohnenstengel viele Schoten, und so gibt es Nahrung und Vorrat genug für alle. Der Bauer ist freilich anderer Ansicht; er füttert seine Katzen schon lange nicht mehr und gibt seinen Hunden nur halb satt, damit sie mausen gehen, und wo seine Söhne und der Knecht einen Hamsterbau finden, da stellen sie Schnappschlingen und legen Ratteneisen oder graben alte Töpfe davor ein, in die die jungen, dummen Hamster hineinfallen, und sie werfen Giftzweige in die Furchen, und mancher Hamster erliegt ihm.
Den alten Hamster bekommen sie aber nicht, denn er hat seinen Bau in der Mitte des großen Viehbohnenschlages, die so dicht stehen, daß kaum ein Feldhuhn zwischen den Stengeln durchschlüpfen kann. Sechs Fuß tief im harten Mergel liegt die Schlafhöhle; in regnerischen Zeiten, wenn der Boden weich war, grub der Hamster; jetzt ist der Boden dort wie Stein. Geräumig und sauber ist die Schlafhöhle und weich mit alten, zernagten Grasblättern gepolstert, und um sie her liegen vier große Vorratskammern, die über hundert Pfund Frucht fassen können. Eng sind die Eingänge zu ihnen, und ist der Hamster einmal in Gefahr, ausgegraben zu werden, so zieht er sich dahin zurück und verklüftet sich, bis die Luft wieder rein ist. Vorläufig hat es damit noch keine Not, denn erst muß die Gerst fort und der Roggen, und dann fällt der Weizen und der Hafer, und zuletzt kommen die Bohnen an die Reihe, und dann hat der Bauer so viel zu tun, daß er an die Hamster kaum mehr denkt. Nur von den Hunden und Katzen droht dem Hamster jetzt Gefahr, aber am Tage, wenn die Hunde im Felde herumschnüffeln, steckt der Alte im dichtesten Ährenfelde, und die Katzen scheuen den Nachttau und halten sich mehr auf den Wegen. Eine begegnete ihm morgens früh, als er mit strotzend gefüllten Maultaschen nach seinem Bohnenstücke wollte, und sie verlegte ihm den Weg. Schnell richtete er sich auf die Keulen, schnarchte gefährlich, fuhr mit den Vorderpfoten an seinen Kopfseiten entlang und entleerte seine Backentaschen, und als die Katze näherkam, sprang er so wütend gegen sie an, daß sie entsetzt zurückfuhr, denn es war erst eine halbwüchsige, und da schlüpfte er schnell zwischen den Weizen und verschwand, ehe sie sich von ihrem Schrecken erholt hatte.
Es nimmt aber alles einmal ein Ende, auch die stille Zeit, und es kommt der Tag, da die Sense nicht nur in der Frühe im Klee klingt, sondern den ganzen Tag im Gange ist. Wo die Gerste stand, glitzert die Stoppel, und der Bauer geht darüber und zeigt dem Kleinknecht die mit Spreu bedeckten Erdflecke, die die Hamsterbaue kenntlich machen, und der Knecht steckt Zweige daneben. Nachmittags fährt er die Wassertonne über das Feld, und wo ein Hamsterbau ist, da wird der Kran aufgedreht, und das Wasser pladdert in das Fallrohr, und ein pudelnasser Hamster oder eine Alte mit ihren Jungen kommen herausgestürzt und werden von den Hunden so langgezogen, daß kein Platz mehr für das Leben bleibt. Die Knechte freuen sich: gutes Hamsterjahr, gutes Groschenjahr, denn für jeden alten Hamster gibt es zehn Pfennig vom Bauer und für einen jungen die Hälfte, und den ganzen Sonntag sind sie mit dem Spaten und den Hunden auf der Stoppel. Heinrich, der Großknecht, versteht sich auf die Kunst; er nimmt zwei lange Enden dicken Drahtes mit, und die führt er in die Röhren, damit der diese beim Graben immer wieder findet, denn oft gehen sie im Bogen oder im Winkel, wenn der Boden steinig oder die Mergelschicht zu hart ist. Das Geschäft lohnt sich allmählich; aus der Stadt kommen Teckel- und Terrierzüchter, helfen im Schweiße ihres Angesichts graben, und hinterher gibt es ein hübsches Trinkgeld von den Hundebesitzern, die froh sind, auf so bequeme Art ihre Hunde arbeiten lassen zu können. Außerdem findet sich noch ein Naturforscher ein, der von den toten Hamstern das Ungeziefer absucht und den Knechten erzählt, daß auf dem Hamster eine Milbe schmarotze, auf der wieder eine andere Milbe lebe, und er ist sehr vergnügt, daß er den sekundären Parasiten findet, und gibt dem Großknecht zwei und den anderen eine Mark; und die danken schön und grinsen und denken von den Stadtleuten danach noch geringer als vorher.
Der Bauer ist kein Freund von neuen Moden, aber nachdem der Roggen und der Weizen herunter ist, sieht er ein, daß er mit Fallen, Spaten und Wasserfaß die Hamster nicht los wird, zumal die lange Trockenheit den Mergel so hartgebacken hat, daß er kaum mit der Spitzhacke zu brechen ist. So liest er denn dreimal langsam und bedächtig in der landwirtschaftlichen Zeitung den Aufsatz über Hamstervernichtung mit Schwefelkohlenstoff, holt sich mehrere Kannen von dem giftigen Zeug und geht mit seinen Leuten los. Alle alten Lumpen, die aufzutreiben sind, werden mitgenommen. Wo ein Hamsterbau ist, wird ein Lappen getränkt, mit einem dicken Draht tief in den Bau geschoben, dann wird ins Ausgangs- und Fallrohr Erde geschüttet und festgestampft, und es geht zum nächsten Bau, wo ebenso gearbeitet wird, und als siebenhundert Baue mit der Mordluft gefüllt sind, sagt der Bauer: »Dat hett battet! Nu sünd wi dat Untüg los!«
Das stimmte zum Teil; viele Hundert Hamster erstickten unter der Erde und faulen dort. Als die Bohnen eingefahren waren, goß es so abscheulich, daß die Knechte, die auch sonst Arbeit genug hatten, keine Lust mehr hatten, Hamster auszurotten, und als besseres Wetter wurde, hatte der Regen die Erdflecke und die Fährten der Hamsterbaue so verwischt, daß mancher übersehen wurde, und darunter auch der alte Hamster, der sechs Fuß tief unter der Erde bei seinen Vorräten liegt und schläft, bis daß die Lerchen wieder singen und der Huflattich blüht.