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Neunundvierzigste Rune

Ilmarinen schmiedet einen neuen Mond und eine neue Sonne, kann sie jedoch nicht zum Leuchten bringen 1–74. Wäinämöinen erfährt durch das Los, daß Mond und Sonne sich im Berge des Nordlands befinden, geht nach dem Nordland und haut das ganze Volk dort nieder 75–230. Er geht um Mond und Sonne aus dem Berge zu holen, kann aber nicht hineingelangen 231–278. Er kehrt heim, um sich dort die Gerätschaften schmieden zu lassen, um den Berg zu öffnen. Als Ilmarinen sie schmiedet, befürchtet des Nordlands Wirtin, daß es ihr schlimm gehen könnte, und läßt Mond und Sonne aus dem Berge 279–362. Als Wäinämöinen sie wieder am Himmel erblickt, begrüßt er sie und wünscht, daß sie immer schön emporsteigen und den Ländern Wohlfahrt bringen mögen 363–422.

Noch nicht wollt' die Sonne scheinen,
Nicht das Gold des Mondes leuchten
In den Stuben von Wäinölä,
Auf den Fluren Kalewalas;
Frost geriet an alle Saaten,
An die Herden schlechtes Leben,
An die Vögel fremdes Wesen,
Langeweile an die Menschen,
Da das Sonnenlicht nicht strahlte,
Nicht des Mondes Schein erglänzte. [10]

Kannte wohl der Hecht die Gruben,
Kannt' der Aar der Vögel Bahnen,
Und der Wind der Schiffe Zeiten;
Unbewußt blieb es den Menschen,
Wann der Morgen wieder graute,
Wann die Nacht sich niedersenkte
Auf die nebelreiche Spitze,
Auf das dunstumwobne Eiland.

Es berieten sich die Jungen
Und die Altern überlegten, [20]
Wie man ohne Mond wohl leben,
Ohne Sonne bleiben sollte
In den kargen Länderstrecken,
Auf des Nordens armem Boden.

Es berieten sich die Jungfraun,
Mägdlein suchten einen Ausweg,
Gingen zu des Schmiedes Esse,
Sprachen Worte solcher Weise:
»Hebe, Schmied, dich von dem Lager
An der Wand, am Feuerherde, [30]
Schmiede einen neuen Mond uns,
Eine neue runde Sonne!
Schlimm ist's ohne Schein des Mondes,
Unbehaglich ohne Sonne.«

Hob der Schmied sich von dem Lager
An der Wand, am Feuerherde,
Einen neuen Mond zu schmieden,
Eine neue Sonnenscheibe;
Bildet einen Mond von Gold dann,
Formt aus Silber eine Sonne. [40]

Kam der alte Wäinämöinen,
Setzte sich an seiner Türe,
Redet Worte solcher Weise:
»Schmieder du, mein lieber Bruder,
Was denn klopfst du in der Schmiede,
Hämmerst du nun immerwährend?«

Sprach der Schmieder Ilmarinen
Selber Worte dieser Weise:
»Bilde einen Mond aus Gold nun,
Aus dem Silber eine Sonne, [50]
An den Himmel sie zu tragen,
Über sechs bestirnte Decken.«

Sprach der alte Wäinämöinen
Selber darauf diese Worte:
»O du Schmieder Ilmarinen,
Machest dir vergebne Mühe!
Nicht erglänzt das Gold als Mondlicht,
Nimmer strahlt die Silbersonne.«

Bildet einen Mond der Schmieder,
Hämmert auch die Sonne fertig, [60]
Hebet eifrig sie nach oben,
Trägt sie sorgsam in die Höhe,
Trägt den Mond zum Tannenwipfel,
In die Fichtenkron' die Sonne;
Schweiß entströmte da dem Kopfe,
Feuchtigkeit der Stirn des Trägers,
So beschwerlich war die Arbeit,
So voll Mühe war das Heben.

Hatte schon den Mond erhoben,
Hatte hingesetzt die Sonne, [70]
Hing der Mond im Tannenwipfel,
In der Fichtenkron' die Sonne;
Doch der Mond will nicht erglänzen,
Und die Sonne will nicht strahlen.

Sprach der alte Wäinämöinen
Selber Worte solcher Weise:
»Zeit ist's nun das Los zu fragen
Und die Zeichen zu erforschen,
Wo die Sonne hingeraten,
Wohin uns der Mond entkommen.« [80]

Selbst der alte Wäinämöinen,
Dieser ew'ge Zaubersprecher,
Schneidet Späne von der Erle,
Leget sorglich sie in Ordnung,
Geht die Lose dann zu wenden,
Mit den Fingern sie zu kehren,
Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
»Von dem Schöpfer heisch' ich Kunde,
Fordre zuverläss'ge Antwort: [90]
Wahrhaft sprich, des Schöpfers Zeichen,
Rede zu mir, Los Jumalas,
Wohin ist die Sonn' geraten,
Wohin ist der Mond gefallen,
Da man nicht im Gang der Zeiten
Beide an dem Himmel schauet?

»Sprich, o Los, du nach der Wahrheit,
Sprich nicht nach dem Sinn des Mannes,
Bringe hierher wahre Worte
Und erricht' ein festes Bündnis! [100]
Sollte mich das Los belügen,
Werde ich's nach unten werfen,
Werd' ich's in das Feuer schütten,
Daß das Zeichen dort verbrenne.«

Bracht' das Los nun wahre Worte,
Gab der Männer Zeichen Antwort,
Sagte, daß die Sonn' geraten,
Daß der Mond hinabgesunken
In den Steinberg von Pohjola,
In des Kupferberges Innres. [110]

Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet Worte solcher Weise:
»Wenn ich nach Pohjola gehe,
Zu dem Pfad der Nordlandsöhne,
Mache ich den Mond erglänzen
Und das Gold der Sonne strahlen.«

Eilig geht er, zieht von dannen
Nach dem nimmerhellen Nordland,
Schreitet einen Tag, den zweiten,
Endlich an dem dritten Tage [120]
Kommt des Nordens Tor zum Vorschein,
Sind die Steineshügel sichtbar.

Ruft sogleich mit starker Stimme
An dem Flusse von Pohjola:
»Bringet hierher einen Nachen,
Daß den Fluß ich übersetze!«

Da sein Rufen man nicht höret,
Nicht das Boot zu ihm gebracht wird,
Sammelt Holz er einen Haufen,
Zweige einer dürren Tanne, [130]
Macht ein Feuer an dem Ufer,
Daß ein starker Rauch sich hebet;
Zu dem Himmel steigt das Feuer
Und der Rauch dringt in die Lüfte.

Louhi, sie, des Nordlands Wirtin,
Kommt von ungefähr ans Fenster,
Schauet auf des Sundes Mündung,
Redet Worte solcher Weise:
»Was für Feuer ist's, das dort brennt,
An der Mündung dieses Sundes? [140]
Ist zu klein für Kriegesfeuer,
Ist zu groß als Netzzugflamme.«

Selbst der Sohn des Pohjaländers
Stürzet eilends zu dem Hofe,
Um zu schauen, um zu hören,
Um genau sich umzusehen:
»An des Flusses anderm Ufer
Ist ein stolzer Held, der schreitet.«

Rief der alte Wäinämöinen
Darauf noch zum andern Male: [150]
»Bring ein Boot, o Sohn des Nordens,
Bring das Boot dem Wäinämöinen!«

Also sprach der Sohn des Nordens,
Redet selber diese Worte:
»Nicht sind müßig hier die Boote,
Brauch' die Finger du zum Rudern,
Deine Hand als Steuerruder
Durch den Fluß im Land des Nordens!«

Dacht' der alte Wäinämöinen,
Dachte nach und überlegte: [160]
»Nicht wird als ein Mann der gelten,
Der sich von dem Wege wendet.«
Ging als Hecht dann in die Fluten,
Als ein Schnäpel in das Wasser,
Schwimmet durch den Sund geschwinde,
Eilends zieht er durch die Strecke,
Macht dann einen Schritt, den zweiten,
Schreitet auf des Nordlands Ufer.

Sprachen so des Nordens Söhne,
Redet so der schlimme Haufen: [170]
»Komm nur nach dem Hof Pohjolas!«
Nach dem Hof Pohjolas ging er.

Sprachen so des Nordens Söhne,
Redete der schlimme Haufen:
»Komm nur in Pohjolas Stube!«
Nach Pohjolas Stube ging er;
Setzt den Fuß nun in das Vorhaus,
An den Türgriff seine Hände,
Dringet darauf in die Stube,
Schreitet unter die Bedachung. [180]

Trinken Honigtrank dort Männer,
Schlürfen von dem süßen Seime,
Haben Schwerter in dem Gürtel,
Haben Waffen dort die Helden
Zu dem Untergange Wäinös,
Zu dem Tod des Wogenfreundes.

Fragen also den Gekommnen,
Sprechen Worte solcher Weise:
»Was wirst, schlechter Mann, du sagen,
Was, o Schwimmheld, du verkünden?« [190]

Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet Worte solcher Weise:
»Sage Wunder von dem Monde,
Seltsam Wesen von der Sonne;
Wohin floh von uns die Sonne,
Wohin ist der Mond verschwunden?«

Sprechen so des Nordens Söhne,
Redet so der schlimme Haufen:
»Dahin floh von euch die Sonne,
Floh die Sonne, schwand der Mond euch, [200]
In den Stein mir buntem Busen,
In den eisenfesten Felsen;
Kommen dorther nicht in Freiheit,
Können nicht erlöset werden.«

Spricht der alte Wäinämöinen,
Selber Worte solcher Weise:
»Kommt der Mond nicht aus dem Steine,
Aus dem Felsen nicht die Sonne,
Wollen an den Kampf wir gehen,
Mit dem Schwerte wir beginnen!« [210]

Zieht das Schwert, enthüllt das Eisen,
Reißet aus der Scheid' das wilde,
An der Spitze scheint das Mondlicht,
An dem Griffe glänzt die Sonne,
Auf dem Rücken steht ein Rößlein,
An dem Knopfe miaut ein Kätzchen.

Maßen darauf ihre Schwerter,
Prüften eilends ihre Klingen;
Nur ein kleines Stückchen länger
War das Schwert des alten Wäinö, [220]
Um des Gerstenkornes Dicke,
Um die Breite eines Strohhalms.

Gingen auf den Hof nach außen,
Auf die flachgebahnten Fluren;
Hieb der alte Wäinämöinen
Darauf einmal, daß es blitzte,
Einmal hieb er, hieb das zweite,
Schälte da gleich Rübenwurzeln,
Schlug da ab gleich Flachses Köpfen
Vieler Nordlandssöhne Köpfe. [230]

Ging der alte Wäinämöinen
Darauf um den Mond zu sehen,
Um die Sonne sich zu holen
Aus dem Stein mit buntem Busen,
Aus dem stahlgefüllten Berge,
Aus dem eisenfesten Felsen.

War ein wenig nur gegangen,
Eine kleine Streck' geschritten,
Sieht da eine grüne Insel,
Darauf eine schöne Birke, [240]
Einen Steinblock an der Birke,
Unterm Steinblock einen Felsen,
Neun der Türen an dem Felsen,
Hundert Riegel an den Türen.

Sieht da einen Spalt im Steine,
Einen schwachen Streif am Felsen;
Zieht das Schwert aus seiner Scheide,
Kratzt ein Zeichen auf den Stein hin
Mit des Schwertes Feuerklinge,
Mit dem flammenreichen Eisen: [250]
Auseinander sprang der Stein da,
Spaltete sich in drei Stücke.

Wäinämöinen alt und wahrhaft
Schaute in des Steines Spalten,
Trinken Bier dort viele Schlangen,
Würze schlürfen ein die Nattern
In des bunten Steines Innerm,
In dem Schoß des leberfarbnen.

Sprach der alte Wäinämöinen
Selber Worte solcher Weise: [260]
»Deshalb hat die arme Wirtin
Gar so wenig Bier erhalten,
Da die Schlangen Bier hier trinken,
Nattern von dem Malztrank schlürfen!«

Schneidet ab der Schlangen Köpfe,
Bricht der bösen Nattern Nacken,
Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
»Mögen nie im Lauf der Zeiten,
Niemals mehr von diesem Tage [270]
Schlangen unser Süßbier trinken,
Nattern unsern Malztrank schlürfen!«

Sucht der alte Wäinämöinen,
Dieser ew'ge Zaubersprecher,
Mit der Faust die Tür zu rütteln,
Mit der Worte Kraft die Riegel;
Händen weichen nicht die Türen,
Worten folgen nicht die Riegel.

Sprach der alte Wäinämöinen
Selber Worte solcher Weise: [280]
»Weib nur ist der Waffenlose,
Schwächling ist der Beilberaubte.«
Ging sofort nun in die Heimat,
Tiefen Hauptes, trüber Laune,
Daß den Mond er nicht erhalten,
Nicht die Sonne schon ergriffen.

Sprach der muntre Lemminkäinen:
»O du alter Wäinämöinen!
Weshalb nahmst du mich nicht mit dir
Zum Genossen beim Beschwören, [290]
Schon gesprengt wär'n alle Schlösser,
Schon zerbrochen alle Riegel,
Losgemacht der Mond zu glänzen,
Sonne auferweckt zu strahlen.«

Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet selber diese Worte:
»Worte brechen nicht die Riegel,
Zauber sprenget nicht die Schlösser,
Fäuste können sie nicht rühren,
Nicht der Ellenbogen wenden.« [300]

Ging nun nach des Schmiedes Esse,
Redet Worte solcher Weise:
»O du Schmieder Ilmarinen!
Schmied' dreizackig mir die Hacke,
Schmiede mir ein Dutzend Bohrer,
Einen starken Bund von Schlüsseln,
Daß den Mond ich aus dem Steine,
Aus dem Fels die Sonne hole.«

Selbst der Schmieder Ilmarinen,
Dieser ew'ge Hämmerkünstler, [310]
Hämmert was der Mann verlangte,
Hämmert ihm ein Dutzend Bohrer,
Hämmert einen Bund von Schlüsseln,
Auch ein gutes Bündel Speere,
Nicht zu große, nicht zu kleine,
Hämmert sie von Mittelgröße.

Louhi, sie, Pohjolas Wirtin,
Nordlands zähnearme Alte,
Schafft aus Federn sich zwei Flügel,
Hebt sich flatternd in die Lüfte; [320]
Fliegt erst in des Hauses Nähe,
Schwingt sich ferner dann und ferner,
Durch das weite Meer Pohjolas,
Zu der Esse Ilmarinens.

Öffnet da der Schmied sein Fenster,
Denkt, ein Sturmwind sei's der nahet;
War kein Sturmwind der ihm nahte,
War ein Habicht grau von Farbe.

Spricht der Schmieder Ilmarinen
Worte nun auf solche Weise: [330]
»Was wohl suchst du, Waldes Vogel,
Weshalb sitzst du an dem Fenster?«

Fing der Vogel an zu sprechen,
Also redete der Habicht:
»O du Schmieder Ilmarinen,
Der du immerwährend hämmerst,
Bist fürwahr ein rechter Meister,
Bist ein echter Hämmerkünstler!«

Sprach der Schmieder Ilmarinen,
Redet selber diese Worte: [340]
»Das ist wohl kein großes Wunder,
Wenn ich bin ein guter Schmieder,
Da den Himmel ich geschmiedet,
Ich der Lüfte Dach gehämmert.«

Fing der Vogel an zu sprechen,
Also redete der Habicht:
»Was wohl formst du jetzt, o Schmieder,
Waffenschmied, was ist dein Werk nun?«

Gab der Schmieder Ilmarinen
Diese Worte ihm zur Antwort: [350]
»Schmiede einen starken Halsring
Für die Alte von Pohjola,
Daß sie angeheftet werde
An dem Saum des festen Berges.«

Louhi, sie, Pohjolas Wirtin,
Nordlands zähnearme Alte,
Sah die Unglücksstunde nahen,
Unheil ihrem Haupte drohen,
Eilends floh sie durch die Lüfte,
Rettete sich nach Pohjola. [360]

Läßt den Mond nun aus dem Steine,
Läßt die Sonne aus dem Felsen,
Selbst verwandelt sie das Ausseh'n,
Schafft sich um in eine Taube;
Flatternd kommt sie angeflogen
Zu der Esse Ilmarinens,
Fliegt als Vogel zu der Türe,
Fliegt als Taube zu der Schwelle.

Spricht der Schmieder Ilmarinen
Selber Worte dieser Weise: [370]
»Weshalb kommst du hergeflogen,
Kommst du, Taube, zu der Schwelle?«

Antwort gibt ihm von der Türe,
Von der Schwelle ihm die Taube:
»Deshalb bin ich an der Schwelle,
Um die Kunde dir zu bringen,
Schon entstieg der Mond dem Steine,
Kam die Sonne aus dem Felsen.«

Selbst der Schmieder Ilmarinen
Geht hinaus um nachzuschauen, [380]
Schreitet zu der Tür der Esse,
Schauet scharf empor zum Himmel,
Sieht das Mondlicht wieder glänzen,
Sieht der Sonne Licht erstrahlen.

Geht alsbald zu Wäinämöinen,
Redet Worte solcher Weise:
»O du alter Wäinämöinen,
Zaubersprecher aller Zeiten!
Komm den Mond nun anzuschauen,
Komm die Sonne zu betrachten, [390]
Sind fürwahr schon an dem Himmel,
An den altgewohnten Plätzen.«

Wäinämöinen alt und wahrhaft
Schreitet auf den Hof nun selber,
Hebt sogleich sein Haupt zur Höhe,
Wendet seinen Blick zum Himmel,
Oben steht der Mond wie früher,
Freigeworden ist die Sonne.

Fängt der alte Wäinämöinen
Selber darauf an zu sprechen, [400]
Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
»Heil dir, Mond, erglänzend wieder
Zeigst du uns die schönen Wangen,
Heil dir, Goldne, strahlend wieder
Hebst du dich empor, o Sonne!

»Frei bist, Goldmond, du des Felsens,
Frei des Steins du, schöne Sonne,
Kehrtet gleich dem goldnen Kuckuck,
Gleich der sanften Silbertaube [410]
Zu den wohlvertrauten Stätten,
Fandet die gewohnten Bahnen.

»Steig, o Sonne, jeden Morgen,
Ewig fort von diesem Tage;
Bring uns täglich Glückesgrüße,
Daß sich unsre Habe häufe,
Beute unsern Fingern nahe,
Glück der Spitze unsrer Angeln!

»Wandle deine Bahn im Segen,
Deinen Weg in hoher Wonne, [420]
Schließ in Schönheit deinen Bogen,
Ruh' am Abend in der Freude.«


Anmerkungen

Vers 1 ff. Die Erzählung von der Befreiung der Sonne und des Mondes wird auf ein christliches Lied zurückgeführt; dieses beginnt (ich übersetze nach der Zusammenstellung aus verschiedenen Varianten bei Ohrt, Kalevala, II, 179) folgendermaßen:

Ehmals lebte man auf Erden
Ohne Mond und ohne Sonne,
Tappte sich am Weg mit Händen,
Tastet' sich am Pfad mit Fingern,
Konnt' bei Fackellicht nur pflügen
Und beim Feuerschein nur säen.
Gottes Sohn, der eingeborne,
Christ, der weiße Sohn der Sonne,
Er ging aus den Mond zu finden,
Wanderte die Sonn' zu suchen.

Er kommt ins Nordland, schläfert dessen böse Bewohner ein und trägt Sonne und Mond von dannen. Er wird verfolgt, rettet sich aber, indem er, wie der Knabe im Märchen, allerlei Zauberdinge hinter sich wirft, und kommt heim.

Gottes Sohn, der eingeborne,
Heftete die schöne Sonne,
Setzt sie niedrig in die Zweige:
Nicht auf alle scheint die Sonne,
Sonne scheint nur auf die Reichen,
Auf die Reichen, auf die Feinen,
Nicht auf arme Bettlersleute.
Gottes Sohn, der eingeborne,
Setzt sie hoch nun in die Zweige:
Gleich auf alle scheint die Sonne,
Auf die Klugen, auf die Reichen
Und aufs arme Volk desgleichen.

49 ff. Die Geschichte von der Neuschmiedung und Befestigung der Himmelslichter hat Stucken, Astralmythen, S. 215 Anm., mit einer japanischen Sage zusammengestellt (vgl. hierzu Eisler, Weltenmantel und Himmelszelt, München 1910, II 584 ff.).

77 ff. »Als Wahrsagemittel diente ein Werkzeug in Form eines Siebs, dessen Boden in mehrere Scheiben geteilt war. In den verschiedenen Scheiben wurden die besonderen Gegenstände, Orte oder Fragen bezeichnet, über die man Auskunft erhalten wollte. So trug eine Scheibe das Zeichen des Windes, eine andre das des Wassers, eine dritte das des Waldes, eine vierte das des Zauberers usw. Man legte sodann einen leichten Span (aus Erlenholz) in die Mitte des Rundes und setzte im gleichen Augenblick, in dem man die Frage stellte, das Werkzeug in Bewegung. Die Antwort des Schicksals erteilte die Scheibe, auf der der Span sich niederließ.« (Anm. d. Ausgabe von 1887.) Ein anderes Verfahren beschreibt Neovius (vgl. Ohrt, Kalevala II. 213 f).

127 ff. »Wo die Niederlassungen selten sind und die Menschen in großen Entfernungen voneinander leben – wie z.B. in Lappland –, pflegt man noch heute an dem einen Ufer ein Feuer zu entzünden, um den Bewohnern des anderen zu bedeuten, eilig herüberzukommen.« (Anm. d. Ausg. v. 1887.)

142. Das Feuer, das die Fischer entzünden um Fische in das Netz zu locken.

248. Ein magisches Zeichen.


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