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Siebenunddreißigste Rune

Lange weint Ilmarinen nach seinem Weibe, schmiedet sich dann aus Gold und Silber eine Frau, die er nach großer Mühe endlich zustande und zum Leben bringt 1–162. Er ruht in der Nacht an der Seite der goldenen Braut, findet aber, als er am Morgen erwacht, die Seite, die er dem goldenen Bilde zugewandt hatte, gar kalt 163–196. Er will die goldene Braut dem Wäinämöinen überlassen, dieser will aber nichts von ihr wissen, sondern gibt ihm den Rat, sie zu andern Dingen zu verschmieden oder in ein anderes Land zu golddürstenden Freiern zu führen 197–250.

Ilmarinen weint, der Schmieder,
Alle Abende dem Weib nach,
Schlaflos weint er alle Nächte,
Ohne Speise alle Tage,
Klagt schon in der Morgenfrühe,
Seufzet bei des Tages Anbruch,
Weil die junge Frau gestorben,
Weil die Schöne hingesunken;
Nimmer schwingt in seiner Hand er
Mit dem Kupferschaft den Hammer, [10]
Nicht zu hören ist das Hämmern
In dem Gange eines Monats.

Spricht der Schmieder Ilmarinen:
»Wehe mir, dem armen Knaben,
Weiß nicht, wie zu sein und leben;
Sitze nachts ich oder liege,
Bitter sind die langen Nächte,
Nicht der Pein die Kraft gewachsen.

»Sehnsuchtschmerzlich ist mein Abend,
Wehmutschwer ist mir der Morgen, [20]
Doch noch düstrer sind die Nächte,
Trauervoller mein Erwachen,
Hab' nicht Sehnsucht ob des Abends,
Hab' nicht Wehmut ob des Morgens,
Kummer nicht ob andrer Zeiten:
Sehnsucht hab' ich nach der Schönen,
Wehmut hab' ich nach der Lieben,
Kummer um die Schwarzgelockte.

»Oftmals hat zu diesen Zeiten,
In den qualerfüllten Stunden, [30]
In den mitternächt'gen Träumen
Schon umsonst die Faust gegriffen,
Ist die Hand umsonst geglitten
Tastend hin nach beiden Seiten.«

Weiblos lebte nun der Schmieder,
Alterte so ohne Gattin;
Weinte zwei, ja drei der Monde,
Aber in dem vierten Monat
Sammelt Gold er aus dem Meere,
Silber hebt er aus den Wogen; [40]
Stapelt Holz in großen Haufen,
Dreißig volle Schlittenfuder,
Brennt das Holz dann ganz zu Kohlen
Tut die Kohlen in die Esse.

Nimmt darauf von seinem Golde,
Nimmt ein Stück von seinem Silber,
Gleich an Größe einem Herbstlamm
Oder einem Winterhasen,
Stößt das Gold dann in die Gluten,
Steckt das Silber in die Esse, [50]
Stellet Knechte hin zum Blasen,
Tagelöhner an den Blasbalg.

Eifrig blasen da die Knechte,
Drücken rasch die Tagelöhner,
Ohne Handschuh' an den Händen,
Ohne Mützen auf den Köpfen;
Selbst der Schmieder Ilmarinen
Schürt das Kohlenfeuer fleißig,
Will aus Gold sich ein Gebilde,
Eine Braut aus Silber schaffen. [60]

Gut nicht blasen seine Knechte,
Kraftlos drücken sie den Blasbalg,
Selbst der Schmieder Ilmarinen
Fängt nun an recht frisch zu blasen;
Einmal bläst er, bläst das zweite,
Darauf bei dem dritten Male
Schaut er auf der Esse Boden,
Untern Rand des Blasebalges,
Was wohl aus der Esse käme,
Was sich aus dem Feuer drängte. [70]

Kommt ein Schaf da aus der Esse,
Dringt hervor dicht vor dem Blasbalg,
Haare hat's von Gold, von Kupfer,
Hat auch Haare, die von Silber;
Alle andern freun sich drüber,
Doch nicht freut sich Ilmarinen.

Spricht der Schmieder Ilmarinen:
»Solche mag der Wolf sich wünschen!
Wünsch' aus Gold mir eine Gattin,
Eine Ehefrau aus Silber.« [80]

Stößt der Schmieder Ilmarinen
Drauf das Schaf zurück ins Feuer,
Füget noch hinzu vom Golde,
Mehret noch des Silbers Masse,
Stellt die Knechte hin zum Blasbalg,
Läßt die Tagelöhner blasen.

Eifrig blasen da die Knechte,
Drücken rasch die Tagelöhner,
Ohne Handschuh' an den Händen,
Ohne Mützen auf den Köpfen; [90]
Selbst der Schmieder Ilmarinen
Schürt das Kohlenfeuer fleißig,
Will aus Gold sich ein Gebilde,
Eine Braut aus Silber schaffen.

Gut nicht blasen seine Knechte,
Kraftlos drücken sie den Blasbalg,
Selbst der Schmieder Ilmarinen
Fängt nun an recht frisch zu blasen;
Einmal bläst er, bläst das zweite,
Darauf bei dem dritten Male [100]
Schaut er auf der Esse Boden,
Untern Rand des Blasebalges,
Was wohl aus der Esse käme,
Was sich aus dem Feuer drängte.

Kommt ein Füllen aus der Esse,
Dringt hervor dicht vor dem Blasbalg,
Goldenmähnig, silberköpfig,
Seine Hufe ganz aus Kupfer,
Alle andern freun sich drüber,
Doch nicht freut sich Ilmarinen. [110]

Spricht der Schmieder Ilmarinen:
»Solche mag der Wolf sich wünschen!
Wünsch' aus Gold mir eine Gattin,
Eine Ehefrau aus Silber.«

Stößt der Schmieder Ilmarinen
In das Feuer rasch das Füllen,
Füget noch hinzu vom Golde,
Mehret noch des Silbers Masse,
Stellt die Knechte hin zum Blasbalg,
Läßt die Tagelöhner blasen. [120]

Eifrig blasen da die Knechte,
Drücken rasch die Tagelöhner,
Ohne Handschuh' an den Händen,
Ohne Mützen auf den Köpfen;
Selbst der Schmieder Ilmarinen
Schürt das Kohlenfeuer fleißig,
Will aus Gold sich ein Gebilde,
Eine Braut aus Silber schaffen.

Gut nicht blasen seine Knechte,
Kraftlos drücken sie den Blasbalg, [130]
Selbst der Schmieder Ilmarinen
Fängt nun an recht frisch zu blasen;
Einmal bläst er, bläst das zweite,
Darauf bei dem dritten Male
Schaut er auf der Esse Boden,
Untern Rand des Blasebalges,
Was wohl aus der Esse käme,
Was sich aus dem Feuer drängte.

Kommt ein Mädchen aus der Esse,
Goldblond steht es vor dem Blasbalg, [140]
Silberhäuptig, goldenlockig,
Wunderschön am ganzen Leibe;
Furcht ergreift drob alle andern,
Keine Furcht kennt Ilmarinen.

Darauf hämmert Ilmarinen,
Er, der Schmieder, das Gebilde,
Hämmert Nächte ohn' zu ruhen,
Tage lang ohn' anzuhalten;
Füße formt er so der Jungfrau,
Formt ihr Füße, bildet Hände, [150]
Doch nicht taugt der Fuß zum Gehen,
Nicht die Arme zum Umschlingen.

Schmiedet Ohren wohl der Jungfrau,
Doch sie können nichts vernehmen;
Meisterhaft schafft er den Mund ihr,
Schön den Mund, die Augen lebhaft,
Doch der Mund ist ohne Worte,
Ohne Anmut ist das Auge.

Spricht der Schmieder Ilmarinen:
»Wäre eine schöne Jungfrau, [160]
Wenn sie Wortes Kraft auch hätte,
Ein Gemüt und eine Stimme.«

Legt darauf die goldne Jungfrau
Auf das weiche Federlager,
Auf die sanften Ruhekissen,
Auf das Bett von zarter Seide.

Darauf heizt Schmied Ilmarinen
Seine Badstub' reich an Dämpfen,
Schaffet Seife hin zum Bade,
Bindet zweigereiche Besen, [170]
Schaffet Wasser drei der Eimer,
Daß der Buchfink sich nun bade,
Daß der Dompfaff nun sich wasche,
Von des Goldes Schlacken ledig.

Zur Genüge hat der Schmieder,
Hat nach Herzenslust gebadet,
Streckt sich an der Jungfrau Seite
Auf das weiche Federbette,
Mit dem Baldachin aus Stahle,
Welchen Eisensäulen tragen. [180]

Darauf häuft Schmied Ilmarinen
Gleich schon in der Nächte erster
Eine große Zahl von Decken,
Rüstet eine Menge Tücher,
Zwei, ja drei der Bärenfelle,
Fünf, ja sechs der wollnen Decken,
Um bei seiner Ehehälfte,
Bei dem goldnen Bild zu schlafen.

Warm genug war eine Seite,
Die die Decke gut verhüllte; [190]
Die der Jungfrau zugewandte,
Die am Goldgebilde ruhte,
Diese Seite war voll Kälte,
War vor lauter Frost erstarret,
Drohte gar zu Eis zu werden
Und zu Stein sich zu verhärten.

Sprach der Schmieder Ilmarinen:
»Tauget nicht für mich die Jungfrau;
Will sie nach Wäinölä führen,
Wäinämöinen übergeben; [200]
Als Gefährtin für sein Leben,
Als ein Hühnchen ihm im Arme.«

Führt die Jungfrau nach Wäinölä;
Redet, als er hingekommen,
Spricht da Worte solcher Weise:
»O du alter Wäinämöinen,
Sieh, ich bringe dir ein Mädchen,
Eine Jungfrau schön von Aussehn,
Nicht zu breit macht sie den Mund auf,
Nicht zu regsam sind die Kiefer.« [210]

Wäinämöinen alt und wahrhaft
Blicket hin auf das Gebilde,
Richtet auf das Gold die Augen,
Redet Worte solcher Weise:
»Weshalb brachtest du mir dieses,
Dieses goldne Ungeheuer?«

Sprach der Schmieder Ilmarinen:
»Weshalb anders, als zum Besten:
Dir als Gattin für dein Leben,
Als ein Hühnchen dir im Arme.« [220]

Sprach der alte Wäinämöinen:
»O du Schmied, mein lieber Bruder!
Wirf die Jungfrau in das Feuer,
Schmied' draus allerlei Geräte,
Oder führe sie nach Rußland,
Dein Gebilde zu den Deutschen,
Daß um sie die Reichen ringen,
Kampf um sie die Großen führen;
Nimmer ziemt es meinem Stamme,
Niemals auch geziemt's mir selber, [230]
Eine goldne Braut zu freien,
Um die silberne zu werben.«

Drauf verbietet Wäinämöinen,
Untersagt der Freund der Wogen
Dem Geschlechte, das emporsteigt,
Dem erwachsenden Geschlechte,
Vor dem Golde sich zu neigen,
Vor dem Silber schwach zu werden;
Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören: [240]
»Wollet nicht, ihr armen Söhne,
Nicht ihr Helden, die ihr wachset,
Ob ihr reich seid an Besitze,
Ob der Güter ihr entratet,
Wollet nie, solang ihr lebet,
Nie, solang das Mondlicht glänzet,
Eine goldne Jungfrau freien,
Eine Silberbraut euch werben!
Eisig ist der Glanz des Goldes,
Frost nur hauchet aus das Silber.« [250]


Anmerkungen

Vers 39 f. Er kaufte es von den Handelsschiffen, meint die finnische Anmerkung, wogegen Léouzon le Duc an Seeräuberei denkt.


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