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Neunzehnte Rune

Ilmarinen tritt in des Nordlands Stube, wirbt um die Tochter, es werden ihm gefahrvolle Arbeiten auferlegt 1–32. Durch den Rat der Nordlandsjungfrau besteht er diese Arbeiten glücklich und ackert zuerst ein Schlangenfeld, fängt zweitens den Bären Tuonis und den Wolf Manalas, drittens den furchtbaren Hecht aus dem Strom des Totenreiches 33–344. Des Nordlands Wirtin verlobt ihre Tochter dem Ilmarinen 345–498. Schlechtgelaunt kehrt Wäinämöinen aus dem Nordland heim und warnt jeden, mit einem jüngeren Mann zugleich auf die Freite zu gehen 499–518.

Selbst der Schmieder Ilmarinen,
Er, der ew'ge Hammerkünstler,
Drang nun hastig in die Stube,
Stürzte eilig in die Wohnung.

Honigtrank ward da gereichet,
Süßer Seim im Krug gegeben
In die Hände Ilmarinens;
Solche Worte sprach der Schmieder:
»Nimmer wird, solang ich lebe,
Nicht, solang das Mondlicht leuchtet, [10]
Diesen Trank mein Mund berühren,
Eh' mein Eigentum ich schaue;
Ist nicht fertig die Ersehnte,
Deretwegen lang ich wachte?«

Sprach die Wirtin von Pohjola,
Redet Worte solcher Weise:
»Große Müh' gibt die Ersehnte,
Mühe sie, um die man wachte;
Noch nicht ist der Fuß im Schuhe,
Und der zweite ist's noch wen'ger: [20]
Dann erst ist die Jungfrau fertig,
Um von dir gefreit zu werden,
Wenn das Schlangenfeld du ackerst,
Du das natternreiche pflügest,
Ohne daß die Pflugschar schreitet,
Ohne daß der Holzpflock bebet;
Hiisi har es einst gepflüget,
Lempo mit dem Roß durchfurchet,
Mit der kupferreichen Pflugschar,
Mit dem blitzend scharfen Eisen, [30]
In der Hälfte ließ mein Söhnlein
Ungeackert es einst liegen.«

Ilmarinen, er, der Schmieder,
Gehet in der Jungfrau Stube,
Redet selber diese Worte:
»Du, der Nacht und Dämmrung Tochter,
Denkest du noch jener Zeiten,
Als den Sampo ich geschmiedet,
Als den Deckel ich gehämmert,
Und du schwurest kräft'ge Eide [40]
Vor dem offenbaren Gotte,
Vor des Mächt'gen Angesichte,
Legtest ab ein groß Gelübde,
Mir, dem guten Mann zu folgen
Als Gefährtin für das Leben,
Als ein heißgeliebtes Hühnchen?
Nicht will dich die Mutter geben,
Mir die Tochter nicht gewähren,
Wenn ich nicht das Feld voll Schlangen,
Nicht das natternreiche pflüge.« [50]

Von der Braut wird ihm da Hilfe,
Solchen Rat gibt ihm die Jungfrau:
»O du Schmieder Ilmarinen,
Hämmerkünstler aller Zeiten!
Schmiede eine goldne Pflugschar,
Schmück' sie aus mit schönem Silber!
Wirst das Schlangenfeld dann ackern,
Wirst das natternreiche pflügen.«

Ilmarinen, er, der Schmieder,
Leget Gold drauf in die Esse, [60]
Läßt das Silber dort zerschmelzen,
Schmiedet daraus eine Pflugschar,
Schmiedet Schuhe sich aus Eisen,
Schmiedet Schienen aus dem Stahl sich,
Zieht sie dann an seine Füße
Und befestigt sie am Schienbein,
Legt sich an ein Hemd von Eisen,
Einen Gurt vom besten Stahle,
Große Handschuh', die aus Eisen,
Fäustlinge, so hart wie Steine, [70]
Holt sich nun ein Roß voll Feuer,
Schirrt das schöngewachsne Füllen,
Gehet um das Feld zu pflügen,
Um den Acker zu durchfurchen.

Häupter schaut er, die sich drehen,
Köpfe, die beständig zischen,
Redet Worte solcher Weise:
»Schlange du, von Gott geschaffne,
Wer erhob wohl deinen Rachen,
Wer entsandte dich und machte, [80]
Daß den Kopf du aufrecht haltest,
Du den Hals nach oben streckest;
Weiche fort nun aus dem Wege,
Gehe in die Stoppeln, Arge,
Schlüpfe du in dichtes Buschwerk,
Schwinge dich auf gras'ge Plätze!
Hebest du den Kopf von daher,
Wird dir Akko ihn zerbrechen,
Mit den stahlgespitzten Pfeilen,
Mit den eisenharten Schloßen.« [90]

Pflügt dann dieses Feld voll Schlangen,
Und durchfurcht das Land voll Nattern,
Hebt die Schlangen bei dem Pflügen,
Hebt die Vipern bei dem Ackern,
Spricht, als er zurückgekommen:
»Hab' gepflügt das Feld voll Schlangen,
Hab' durchfurcht das Land voll Nattern,
Umgewandt das vipernreiche,
Gibst du mir nun deine Tochter,
Überläßt mir die Geliebte?« [100]

Spricht die Wirtin von Pohjola,
Läßt sich solcherart vernehmen:
»Werd' dir dann die Tochter geben,
Dir die Jungfrau dann bescheren,
Wenn du Tuonis Bären bringest,
Wenn Manalas Wolf du zügelst
Aus dem Hain des Totenreiches,
Von den Grenzen von Manala;
Hundert gingen ihn zu zügeln,
Keiner ist zurückgekehret.« [110]

Selbst der Schmieder Ilmarinen
Geht nun in des Mädchens Stube,
Redet Worte solcher Weise:
»Ist ein Werk mir auferleget,
Zügeln soll den Wolf Manalas,
Ich den Bären Tuonis bringen
Aus dem Hain des Totenreiches,
Von den Grenzen von Manala.«

Von der Braut wird ihm da Hilfe,
Solchen Rat gibt ihm die Jungfrau: [120]
»O du Schmieder Ilmarinen,
Hämmerkünstler aller Zeiten!
Schmied' aus Stahl dir gute Zügel,
Mache Riemen du aus Eisen
Dir auf einem Stein im Wasser,
In der Brandung von drei Strömen,
Damit bringst den Bären Tuonis,
Zügelst du den Wolf Manalas.«

Ilmarinen drauf, der Schmieder,
Er, der ew'ge Hämmerkünstler, [130]
Schmieder sich von Stahl erst Zügel,
Machet Riemen dann aus Eisen
Sich auf einem Stein im Wasser,
In der Brandung von drei Strömen.

Geht die Tiere dann zu zügeln,
Redet selber diese Worte:
»Terhenetär, Nebeltochter,
Siebe mit dem Sieb den Nebel,
Streue nebelreichen Schatten,
Wo die wilden Tiere weilen, [140]
Daß sie mich nicht kommen hören,
Nicht vor mir die Flucht ergreifen!«

Zügelt dann des Wolfes Rachen,
Fesselt mit der Kett' den Bären
Von den Fluren von Tuoni,
Aus des blauen Haines Innerm,
Spricht, als er zurückgekommen:
»Gib mir, Alte, deine Tochter,
Hab' gebracht den Bär Tuonis,
Zügelte den Wolf Manalas.« [150]

Spricht die Wirtin von Pohjola,
Läßt sich solcherart vernehmen:
»Gebe dir erst dann das Entlein,
Rüste aus das blaue Vöglein,
Wenn den großen Hecht du fangest,
Du den fetten Fisch erhaschest
Aus dem Flusse von Tuoni,
Aus den Tiefen von Manala,
Ohne daß ein Garn du stellest,
Ohne daß ein Netz du ziehest; [160]
Hundert wollten ihn schon fangen,
Keiner ist zurückgekehret.«

Bangnis überkommt den Schmied da,
Er gerät in große Drangsal,
In des Mädchens Stube geht er,
Redet selber solche Worte:
»Ist ein Werk mir auferleget,
Größer ist's noch als das frühre:
Soll den großen Hecht nun fangen,
Ihn, den fetten Fisch, erhaschen [170]
Aus dem schwarzen Fluß Tuonis,
Aus den Tiefen von Manala
Ohne Garn und ohne Netze,
Ohne Werkzeug andrer Weise.«

Von der Braut wird ihm da Hilfe,
Solchen Rat gibt ihm die Jungfrau:
»O du Schmieder Ilmarinen,
Lasse deine Sorge fahren!
Schmiede einen Aar aus Feuer,
Einen großen Flammenvogel! [180]
Dieser wird den Hecht dir fangen,
Dir den fetten Fisch erhaschen
Aus dem schwarzen Fluß Tuonis,
Aus den Tiefen von Manala.«

Selbst der Schmieder Ilmarinen,
Er, der ew'ge Hämmerkünstler,
Schmiedet einen Aar aus Feuer,
Einen großen Flammenvogel,
Bildet Klauen ihm aus Eisen,
Macht aus hartem Stahl die Krallen, [190]
Nimmt zu Flügeln Bootesränder,
Hebt sich selber auf die Flügel,
Setzt sich auf des Vogels Rücken,
Auf des Adlers Bürzelknochen.

Dann ermahnt er so den Adler,
Unterweist den Flammenvogel;
»Adler du, mein lieber Vogel,
Fliege nun, wie ich dich heiße,
Nach dem schwarzen Fluß Tuonis,
Nach den Tiefen von Manala, [200]
Pack' den großen Hecht Tuonis,
Fange mir der Fische fettsten!«

Rasch entfliegt der schöne Adler,
Schwingt sich auf in schnellem Fluge,
Um den großen Hecht zu fangen,
Diesen Fisch mit grausen Zähnen,
Aus dem Flusse von Tuoni,
Aus den Tiefen von Manala,
Streift die Flut der eine Flügel,
Reicht der andre bis zum Himmel, [210]
In das Meer schlägt er die Krallen,
Wetzt den Schnabel an den Klippen.

Darauf gehet Ilmarinen,
Geht der Schmieder zu durchsuchen
Tuonis Fluß mit schwarzen Wogen,
Ihm zur Seite wacht der Adler.

Aus dem Wasser stieg ein Unhold,
Fest griff er nach Ilmarinen,
In den Nacken fuhr der Adler,
Drehte um den Kopf des Unholds, [220]
Stieß ihn nieder in die Tiefe,
Drängt' ihn in den Schmutz des Schlammes.

Schon erschien der Hecht Tuonis,
Kam der Wasserhund geschlichen,
War nicht von den kleinsten Hechten,
Nicht gehört' er zu den größten:
Zwei der Beile lang die Zunge,
Harkenstielen gleich die Zähne,
Wie drei Ströme breit der Rachen,
Sieben Boote breit der Rücken, [230]
Wollte nach dem Schmiede schnappen,
Ilmarinen gleich verschlingen.

Kam der Adler nun geschwinde,
Senkte sich der Lüfte Vogel,
Nicht gehört' er zu den kleinsten,
Keineswegs auch zu den größten:
Hundert Klafter maß sein Schnabel,
Wie sechs Ströme war der Rachen,
Sechs der Speere lang die Zunge,
Fünf der Sensen lang die Krallen; [240]
Spähet nach dem großen Hechte,
Nach dem flinken, fetten Fische,
Schießt herab nach diesem Fische,
Eilet zu dem großen Hechte.

Darauf drückt der Hechte größter,
Er, der flinke, fette Schwimmer,
Stark des Adlers große Krallen
In des klaren Wassers Tiefe,
In die Höhe strebt der Adler,
Hebt sich in die freien Lüfte, [250]
Rühret auf des Schlammes Schwärze
Auf des Wassers klarem Spiegel.

Fliegt ein Weilchen, hält dann inne,
Will es noch einmal versuchen,
Schlägt die eine seiner Klauen
In des Ungeheuers Schulter,
In des Wasserhundes Seite,
Schlägt die andre seiner Klauen
In den Berg von hartem Stahle,
In den Fels von festem Eisen, [260]
Von dem Steine prallt die Klaue,
Gleitet ab vom Eisenfelsen,
In die Tiefe taucht der Hecht schon,
Zieht sich in des Wassers Gründe,
Reißt sich aus des Adlers Fängen,
Aus des Riesenvogels Krallen,
Spuren hat er an den Seiten,
Starke Spalten an den Schultern.

Darauf stürzt mit Eisenklauen
Noch einmal der Aar von oben, [270]
Flammen strahlen seine Flügel,
Feuer funkelt aus den Augen,
Packt den Hecht mit seinen Klauen,
Packt den Wasserhund gewaltig,
Holt den Schuppenhecht zur Höhe,
Rafft das Ungetüm des Wassers
Aus der Fluten großer Tiefe
An des Wassers klaren Spiegel.

So erhascht der starke Adler
Bei dem dritten Male endlich [280]
Tuonis Hecht, der Fische schlimmsten,
Ihn, den flinken, fetten Schwimmer,
Aus dem Fluß des Totenreiches,
Aus den Tiefen von Manala,
Nicht erkannte man das Wasser
Vor des großen Hechtes Schuppen,
Nicht konnt' man die Luft erkennen
Vor des großen Adlers Federn.

Trug der Aar mit Eisenklauen
Nun den Hecht, den schuppenreichen, [290]
In der Eiche hohe Zweige,
In der Föhre breite Krone,
Machte sich daran zu kosten,
Schlitzte auf den Bauch des Hechtes,
Rupfte durch die Brust des Fisches,
Trennte ab den Kopf vom Rumpfe.

Sprach der Schmieder Ilmarinen:
»Adler, du verruchter Bursche,
Was bist du denn für ein Vogel,
Was bist du denn für ein Flattrer, [300]
Daß vom Fang du hast gekostet,
Aufgeschlitzt den Bauch des Hechtes,
Ganz zerrauft die Brust des Fisches,
Durchgebissen ihn am Kopfe!«

Doch der Aar mit Eisenklauen
Eilte hitzig nur noch weiter,
Hob sich höher in die Lüfte,
An den Rand der langen Wolke,
Wolken bebten, Lüfte brausten,
Schief geriet des Himmels Decke, [310]
Akkos Bogen sprang in Stücke
Und des Mondes Hörner brachen.

Selber trug nun Ilmarinen,
Trug der Schmied den Kopf des Fisches
Als Geschenk zur Schwiegermutter,
Redet Worte solcher Weise:
»Dieser wird für immer dienen
Als ein Stuhl in Nordlands Stube.«

Sprach dann Worte solcher Weise,
Ließ auf diese Art sich hören: [320]
»Hab' das Schlangenfeld gepflüget,
Hab' das Natternland durchfurchet,
Zügelte den Wolf Manalas,
Fesselte Tuonis Bären,
Fing den Hecht, den schuppenreichen,
Ihn, den flinken, fetten Schwimmer,
Aus dem Fluß des Totenreiches,
Aus den Tiefen von Manala;
Wirst die Tochter du mir geben,
Mir die Jungfrau nun bescheren?« [330]

Sprach die Wirtin von Pohjola:
»Schlecht hast du daran gehandelt,
Daß den Kopf du abgetrennet,
Aufgeschlitzt den Bauch des Hechtes,
Durchgerupft die Brust des Fisches
Und von seinem Fleisch gekostet.«

Selbst der Schmieder Ilmarinen
Gab zur Antwort solche Worte:
»Nie erlangt man ohne Schaden
Beute, sei's vom besten Orte, [340]
Habe sie aus Tuonis Flusse,
Aus Manala sie geholet;
Ist nun fertig die Ersehnte,
Deretwegen lang ich wachte?«

Sprach die Wirtin von Pohjola,
Redet selber diese Worte:
»Fertig ist nunmehr die Jungfrau,
Deretwegen lang du wachtest,
Gebe dir mein liebes Entlein,
Rüste aus das feine Vöglein, [350]
Für den Schmieder Ilmarinen
Als Gefährtin für das Leben,
Als Genossin seiner Tage,
Als ein heißgeliebtes Hühnchen.«

Auf dem Boden saß ein Knabe,
Von dem Boden sang er also:
»Schon erschien in diesen Stuben,
Kam in unser Schloß ein Vogel,
Flog von Osten her ein Adler,
Durch die Lüfte her ein Habicht, [360]
Mit dem Flügel an den Wolken,
An den Wogen mit dem andern,
Kehrt die Fluten mit dem Schweife,
Mit dem Kopf reicht er zum Himmel;
Blicket um sich in die Runde,
Fliegt ein Weilchen, hält dann inne,
Flieget auf das Schloß der Männer,
Klopfet mit dem großen Schnabel;
Eisern ist das Dach der Männer,
Kann nicht in das Innre dringen. [370]

»Blicket um sich in die Runde,
Fliegt ein Weilchen, hält dann inne,
Flieget auf das Schloß der Weiber,
Klopfet mit dem großen Schnabel;
Kupfern ist das Dach der Weiber,
Kann nicht in das Innre dringen.

»Blicket um sich in die Runde,
Fliegt ein Weilchen, hält dann inne,
Flieget auf das Schloß der Mädchen,
Klopfet mit dem großen Schnabel; [380]
Leinen ist das Dach der Mädchen,
Kann bald in des Innre dringen.

»Flieget auf des Schlosses Rauchfang,
Läßt herab sich zu der Decke,
Rückt den Laden sacht beiseite,
Setzt sich auf des Schlosses Fenster,
Auf die Wände grünbefiedert,
Hundertfedrig auf die Balken.

»Schauet auf die Schöngelockte,
Blicket auf die Zopfgeschmückte, [390]
Auf die beste von den Jungfraun,
Auf der Schönen allerschönste,
Auf der Perlengleichen hellste,
Auf der Blüh'nden schimmerzartste.

»Mit den Klaun packt sie der Adler,
Greift sie rasch der Habichtsvogel,
Er entführt des Schwarmes Beste,
Sie, die zierlichste der Enten,
Sie, die glänzendste und weichste,
Sie, die weißeste und frischste, [400]
Sie entführt der Lüfte Vogel,
Hält sie mit den langen Klauen,
Die ihr Köpfchen hoch emporträgt,
Die am lieblichsten von Wuchs ist
Und die feinsten Bürzelfedern
Und den allersanftsten Flaum hat.«

Sprach die Wirtin von Pohjola,
Redet Worte solcher Weise:
»Woher wußtest du, o Gastfreund,
Hörtest du, o goldner Apfel, [410]
Daß die Jungfrau hier emporwuchs,
Daß ihr Flachshaar sie umwehte?
Glänzte wohl des Mädchens Silber,
Ward gerühmt das Gold des Mädchens,
Schien von uns zu euch die Sonne,
Leuchtete der Mond der Ferne?«

Sprach der Knabe von dem Boden,
Schwatzte so der junge Sprößling:
»Daher wußte es der Gastfreund,
Fand den Weg des Glückes Maulwurf [420]
Nach dem Haus der Weitberühmten,
Nach dem Hof der schönen Jungfrau:
Guten Ruf genoß der Vater,
Der das große Schiff entsandte,
Bessern Ruf noch hatt' die Mutter,
Die das dicke Brot gebacken,
Weizenbrot zurechtgeknetet,
Um die Gäste zu bewirten.

»Also wußte es der Gastfreund,
So erfuhr's der ferne Fremdling, [430]
Daß die Jungfrau aufgewachsen,
Daß das Mädchen groß geworden:
Kam einst auf den Hof gegangen,
Zu der Kammer hingeschritten,
In des Morgens erster Frühe,
Zu der Zeit der ersten Dämmrung,
Wirbelnd stieg der Ruß in Streifen,
Dick erhob sich Rauchgewölke
Aus dem Haus der schönen Jungfrau,
Aus dem Hof der Schlankgewachsnen, [440]
Selber mahlte da die Jungfrau,
Schwang die Kurbel an der Mühle,
Gleich dem Kuckuck singt die Kurbel,
Entengleich die Seitenlöcher,
Heimchengleich ertönt das Mehlsieb,
Perlengleich die Steine klingen.

»Ging dann noch zum zweiten Male,
Wandelt' an dem Rand des Feldes,
Auf der Wiese war die Jungfrau,
Regt' sich auf dem Blumenanger, [450]
Färbte rot in Eisentöpfen,
Kocht' in Kesseln gelbe Farbe.

»Ging nun noch zum dritten Male
Zu der schönen Jungfrau Fenster,
Hörte dort die Jungfrau weben,
Hört den Weberkamm sich rühren,
Hört das Schifflein munter schlüpfen
Gleich dem Hermelin durch Steine,
Hört des Kammes Zähne lärmen
Gleich dem Spechte in dem Baume, [460]
Hört den Weberbaum sich wenden
Gleich dem Eichhorn in den Zweigen.«

Sprach die Wirtin von Pohjola,
Redet selber diese Worte:
»Sieh da, sieh, mein liebes Mädchen!
Habe ich nicht stets gesprochen:
Singe du nicht in dem Tanne,
Lärme nicht in Talesgründen,
Wölbe nicht so sehr den Nacken,
Zeige nicht so sehr die Arme, [470]
Nicht des jungen Busens Anmut,
Nicht die Stattlichkeit des Wuchses!

»Mahnte dich den ganzen Herbst lang,
Warnte dich den ganzen Sommer,
Sprach dir zu auch schon im Frühjahr,
Schon zur Zeit des zweiten Säens:
Laß du ein Versteck uns bauen,
Kleine Fenster daran zimmern,
Wo die Jungfrau weben könne
Und die Schäfte dort bewegen, [480]
Ungehört vom Suomivolke,
Von den Freiern aus Suomi.«

Sang der Knabe von dem Boden,
Der zwei Wochen alte schwatzte:
»Ist gar leicht ein Pferd zu bergen,
In dem Haus das schöngeschweifte,
Schwer ist's eine Jungfrau bergen,
Im Versteck die langgelockte;
Tue du ein Schloß von Steinen
In die Mitte selbst des Meeres, [490]
Halte dort dein liebes Mädchen
Und erziehe dort dein Hühnchen,
Nicht verborgen bleibt das Mädchen,
Und nicht wächst's zu seiner Höhe,
Ohne daß die Freier kämen,
Große Freier und Bewerber,
Hohe Helme auf den Köpfen,
Stahlbeschlagen ihre Rosse.«

Selbst der alte Wäinämöinen
Tiefen Hauptes, trüben Sinnes, [500]
Wanderte den Weg nach Hause,
Redet Worte solcher Weise:
»Weh' mir abgelebtem Manne,
Der ich dieses nicht gemerket,
Daß in junger Zeit man freien,
Eine Frau sich suchen müsse!
Alles muß fürwahr den reuen,
Welchen frühe Heirat reuet,
Daß als Jüngling er schon Kinder,
Jung schon eine Wirtschaft hatte.« [510]

So verbot es Wäinämöinen,
Nicht erlaubt's der Freund der Wogen,
Daß ein Alter noch aufs Freien
Einer schönen Jungfrau sinne,
Er verbot im Trotz zu schwimmen,
Um die Wette hinzurudern,
Um ein Mädchen so zu werben
Und den Jüngern zu bekämpfen.


Anmerkungen

Vers 137. Terhenetär: die Göttin der Nebel und Dünste. Sie streut die Nebel durch ein Sieb auf die Erde. Ein Zauberlied führt den Ursprung der Fieber darauf zurück.

40 ff. Davon hatte das Epos nichts berichtet, das vielmehr X 441 ff. eine ganz andere Lesart brachte.

311. Ukkos Bogen: der Regenbogen.

481. Suomi: Finnland.


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