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36

Der junge Luke Weagle, damals, 1933, sechzehn Jahre alt, hatte im Osten und in Milwaukee niemals einen Wagen fahren dürfen. Auf den sich schnurgerade durch das Gelände ziehenden Straßen in Kansas wurde er zu einem Teufel von Fahrer, und so hatte er Gelegenheit, die Touristenlager in Augenschein zu nehmen. Er sprach mit seinem Vater.

»Du, Pappa, hör mal.«

»M–hm.«

»Du weißt doch, du redest immer über die verflixten alten englischen Gasthöfe und daß die eigentlich das Richtige waren, so eine Sache ohne jeden Schwindel?«

»Ja.«

»Also, warum sind die Touristenlager nicht genau so? Man kriegt dort ausgezeichnete Betten und recht gutes Essen, und sie geben gar nicht an.«

»Na, ich denke doch, daß sie was Ähnliches sind.«

»Warum machen wir nicht eines? Weißt du, Pappa, ich geh jede Wette ein, du könntst das besser machen als irgendwer sonst!«

»Ich dachte, wir hätten hier unsere Arbeit!«

»Ach, das da! Ach verflixt! Das hast du ja geschafft! Das geht ja schon ganz von selber! Du verdienst Geld damit, nicht?«

»O ja.«

»Na, dann wird's dich wohl nicht mehr sehr interessieren, und du wirst was Neues anfangen wollen!«

»Vielleicht, Luke, aber wie wär's, wenn ich wieder nach dem Osten geh und Direktor in einem großen Hotel in New York werde?«

»Ach, die Leute da im Osten, die wollen alles so geleckt haben! Herrjeh, Pappa, ich würd es fürchterlich finden, zu den aufgeblasenen Affen in Westehester zurückzugehen! Mir gefällt's hier, wo man Platz zum Bewegen hat! Hör mal, Pappa, willst du nicht mit mir rausfahren und dir Kit Carson Park ansehen? Das ist ein Touristenlager, nur hundert Meilen von hier im Westen. Du, das ist blendend dort!«

» Nur hundert Meilen? Vergiß nicht, daß ich ein altmodischer Mensch aus dem Osten bin. Willst du fahren?«

»Klar, versteht sich!«

Und Kit Carson Park, wohin der unerschrockene Wildwestmann Luke Weagle ihn in drei Stunden brachte, gab in der Tat einem Hotelmenschen von Beruf Gelegenheit, das Neueste, was es gab, zu studieren. Es war ausschließlich und ohne alle Vorwände für die Bedürfnisse einer Million Touristen da, von beschäftigungslosen Arbeitern in ihren aus dritter Hand gekauften Fords, an deren Karosserien außen Vogelkäfige und Radioapparate angehängt waren, bis zu Villenbesitzern aus Santa Barbara in Cadillac-Limousinen, die selbstverständlich das Reisen mit der Eisenbahn aufgegeben hatten und dreihundert, vierhundert, sechshundert Meilen im Tag von Minnesota und Illinois und Ohio und Pennsylvania nach Kalifornien oder Oregon im Automobil fuhren. Kit Carson Park hatte achtzig Häuschen, jedes mit einer Brause und einem Schutzdach für einen Wagen, einen Gemeinschaftsladen für Lebensmittel und Automobilzubehörteile, ein Gemeinschaftsrestaurant und einen Tanzsaal. Die Häuschen waren sauber, das Gras war frisch, und weißgetünchte Steine säumten die Wege ein.

»Na, was hältst du davon?« fragte Luke, als sie nach Hause fuhren.

»Ich weiß nicht«, brummte Myron … Väter müssen recht oft brummen, denn sonst hätten sie gar keine Chancen in der klaräugigen Welt der Kinder.

»Nein, ganz ernsthaft, Pappa, was denkst du.«

»Also, ich will dir's sagen. Es ist ganz gut gemacht. Aber es ist zu hart. Diese weiß getünchten Steine. Zu nüchtern. Es bietet Automobilisten ganz bestimmt ein ausgezeichnetes Nachtquartier – wahrscheinlich besser als bei mir im Commercial. Aber es ist ausgesprochen häßlich. Nicht nur, daß kein Tourist, der müde ist, Lust kriegen könnte, ein oder zwei Tage dazubleiben, die ganze Anlage macht es ihm einfach unmöglich. Ich weiß. Es ist ja eine ganz neue Sache. Schön. Der Automobilist kann um fünf Uhr früh losfahren, ohne daß er sich mit gewundenen Stadtstraßen aufhalten muß. Ja. Gut. Aber ich möchte etwas haben, was für den schnellen Fahrer – wie du einer bist – genau so gut ist wie das da, das aber auch eine Aussicht hat oder Landschaft oder wie du's nennen willst, und wo ein Teil der Touristen unter Umständen auch ein paar Tage bleiben würde.«

Seine Stimme wurde stark und zuversichtlich. Luciano Mora war verloren, und Alec und Mark Elphinstone gleichfalls, aber jetzt hatte er wieder einen treuen Freund, der ihn ernst nahm – seinen Sohn.

»Ich seh nicht ein, Junge, warum wir nicht alles bieten könnten, was Kit Carson Park hat: niedrige Preise; nette, saubere Hütten; keine verdammten Schönheitssalons; bequemes Parken am Abend, wenn man müde ist, und bequeme Ausfahrt am nächsten Morgen. Aber auch noch mehr: viel besseres Essen – nicht bloß belegte Brote und Apfelkuchen; Tagesspezialitäten auf der Speisekarte; etwas zu tun für die Leute, was sie dazu locken könnte, ein paar Tage zu bleiben; Tennisplätze, eine Bibliothek, eine große Terrasse mit Korbstühlen, wo sie gern sitzen würden, und so was wie eine Aussicht, nicht nur die langweilige Prärie. Na, ich werd mir die Sache überlegen.«

Zehn Meilen vor Lemuel rief Myron: »He, hallo! Ich möcht gern die nächste Seitenstraße links reinfahren!«

»Klar, gemacht, Pappa. Wohin soll's gehen?«

»Du wirst schon sehen.«

Als sie noch keine hundert Meter auf der Seitenstraße gefahren waren, stiegen sie aus und kletterten im Sonnenuntergang über die Dünen der Prärie zu einem kleinen Plateau hinauf; obgleich es nur fünfundzwanzig Meter höher lag als die Ebene, konnten sie zwanzig Meilen weit ins Land sehen, und direkt unter ihnen plätscherte ein Bächlein, an dessen Ufern Baumwollstauden und Weiden wuchsen.

»Ganz hübsch hier, findest du nicht?« sagte Myron.

»Herrje, wirklich wahr, Pappa!« antwortete Luke.

»Badegelegenheit da unten. Dort rechts Golfplatz. Zentralgebäude, Läden, Tanzsaal und alles, mit Zimmern für einspännige Automobilisten, die kein Häuschen wollen, gleich hier. Und jetzt, wo es mit der Prohibition aus sein wird: wenn unser Staat hier naß wird, werden wir die besten Weine haben. Und die besten Fleischpasteten im Staate Kansas. Ich kann Kit Carson Park als Touristenlager totmachen – wir beide können es, wenn wir zusammenarbeiten.«

»Und ob wir können, Pappa! Warum kaufst du nicht das Land hier?«

»Ich hab es gekauft. Gestern«, sagte Myron.


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