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16

Er hatte seine Familie nicht davon verständigt, daß er kam. Der Kutscher des Hotelwagens am Bahnhof von Black Thread, der in der Schule jahrelang neben ihm gesessen hatte, erwartete ihn nicht, er sah den Stadtmenschen an und brummte: »Zum Hotel, Herr? Ihr Gepäck?« Dabei legte er einen Respekt an den Tag, den er dem alten Myron Weagle sicher nicht erwiesen hätte.

Sein Gepäck schickte er zum Hotel, er selbst aber ging zu Fuß, jedes kleine Gebäude einzeln begrüßend – die Anstreicherwerkstatt, die früher einmal eine Kapelle gewesen war, das Lagerhaus mit den landwirtschaftlichen Maschinen, Lambkins Drogerie, das vornehme hellenistische Wohnhaus des alten Mr. Doane. »Da hab ich Herbert Lambkin bei der Schneeballschlacht geschlagen!« freute er sich, »und da – ja wirklich, weiß Gott, es ist dasselbe alte Schild – da ist das Schild vom Kolonialwarenladen, das wir Allerheiligen geklaut und Prof. White an die Lokustür gehängt haben!«

Er hatte immer gehört, wenn man in seinen Geburtsort zurückkehre, sehe alles in geradezu lächerlicher Weise kleiner und armseliger aus, als man es in Erinnerung habe. Er konnte das nicht finden; alles sah überaus bedeutsam und hervorragend aus. Welche großstädtische Drogerie hatte eine so schöne Schaufensterdekoration aus Seifen, Tennisschuhen, Wärmflaschen, Augensalben und Gurkengläsern wie die Lambkins? Und das da war ja eine sehr interessante Verbesserung: der zerfallene alte Trödelladen war niedergerissen und von einem schönen neuen Kartoffelmagazin aus galvanisiertem Eisenblech ersetzt worden! Er kam um die Ecke und sah das American House. Es war mindestens so hoch wie das Westward, so sehr überragten die Erinnerungen die sichtbaren Mauern. Den Balkon dort oben hatte er gefegt, diese Spiegelglasscheibe hatte er geputzt, das Fliegennetz an der durchbrochenen Tür dort hatte er festgemacht, und aus diesem schrägen Souterrain-Eingang hatte er Gepäck herausgeholt. Und da war ja auch ein anderer Myron Weagle, ein sich unbeholfen bewegender junger Bursche mit breiter Brust, der den Bürgersteig mit, ja tatsächlich, mit derselben verbeulten grünen Gießkanne sprengte!

Im Nu war er nicht mehr der Mr. Weagle vom Westward, sondern der hinter den Ohren noch nicht ganz trockene Myron von vor dreizehn Jahren. Er konnte es nicht lassen, er mußte seinen Stadtmenschenspaß mit dem Jungen treiben.

»Hallo, Captain!« (Aber konnte er es wirklich so gut wie J. Hector Warlock?) »Wie ist das, kann ich n Zimmer für heute nacht kriegen?«

»Klar, Boss, kommen Sie rein, und wir werden Sie zu Ihrer Zufriedenheit bedienen. In was reisen Sie?«

»Fährte und Entdeckung.«

»Die Gesellschaft kenn ich nicht. Eine neue?«

»Ja, und wahrscheinlich auch schon pleite.«

»Tatsächlich? Na, das ist Pech. Kommen Sie rein und tragen Sie sich ein.«

Bescheiden ging Myron hinter diesem selbstsicheren jungen Hotelmann zum Büro und betrachtete strahlend die abgenutzten Lederschaukelstühle, die großen Messingspucknäpfe (die nicht so gut poliert waren, wie er es gemacht hatte!) Hinter dem Pult saß in Hemdsärmeln, an einem Zahnstocher saugend und damit beschäftigt, auf seinen Gummihosenträgern eine Melodie zu spielen, sein Vater.

»Der Herr wünscht ein Zimmer«, sagte der Junge.

»Da sind Sie an die richtige Stelle gekommen, Bruder. Tragen Sie Ihr Inkognito ein«, sagte der alte Tom, wie er es seit dreizehn Jahren fünfzigmal in der Woche zu sagen gewohnt war. Tom drehte das Fremdenbuch mit dem gewohnten Schwung herum. Die einzige moderne Verbesserung bestand darin, daß die unsaubere Feder nicht mehr in einer Kartoffel, sondern in einem Gläschen mit Schrot steckte.

»Das ist mal wirklich ein Gasthof«, dachte Myron voll strahlender Freude. »Da muß man nicht irgendein elegantes Kärtchen ausfüllen, während der Empfangsherr mit seiner Gardenie nach einem zielt!«

Der alte Geruch nach Tomatensuppe und Seife und Strohmatten und Schweinebraten war um ihn, nicht mehr der Duft des Westward nach Marmor und Puder und Pelzmänteln. Er seufzte zufrieden auf, während er sich in das Buch eintrug.

Der alte Mann hatte sich Myrons Gesicht nicht angesehen. Das interessierte ihn nicht. Er hatte schon allzu viele Gäste gesehen, er war jetzt sechzig Jahre alt und sehr grau, und der Apfelgeist war nicht mehr derselbe wie in seiner Jugendzeit, bei weitem nicht! Er las uninteressiert Myrons Unterschrift, während das Buch noch verkehrt lag. Dann sah er noch einmal hin, riß den Mund auf und schrie: »Na, da soll mich doch auf ewige und alkohollose Zeiten der Teufel holen! Myron! Mensch, Junge, sone Überraschung hab ich ja noch nie in meinem Leben gehabt! Komm gleich mit und sag deiner Ma guten Tag. Aber hör mal, du bist ja so fein in Schale wie ein jüdischer Hosenverkäufer! Na, vielleicht ist doch wahr, was alle erzählen – daß du was geleistet hast und ganze sechzig Dollar in der Woche verdienst.«

 

Seine Mutter, die gerade einen Braten mit Fett begoß, trug eine Schürze, die dasselbe befleckte Kleidungsstück sein konnte, das sie vor dreizehn Jahren angehabt hatte, und es vielleicht auch wirklich war. Sie richtete sich auf, blickte durch ihre verbogene goldgeränderte Brille, als wäre sie erschrocken, und rief aus: »Ja, mein Junge, ist irgendwas passiert?«

»Nein! Nein! Mutter! Ich bin bloß ein bißchen auf Ferien hergekommen!«

»Ach!« Sie küßte ihn und schob ihn etwas von sich ab, um ihn besser ansehen zu können, aber in all ihre unverminderte Zärtlichkeit mischte sich auch eine ländliche Ehrfurcht vor diesem Mann da, der fast nicht so sehr ihr Sohn war wie ein großer erfolgreicher Mann aus der Großstadt.

Er empfand, daß er sie, zusammen mit seinem Heimatsort, verloren hatte, ganz verloren bis auf ihre niemals zweifelnde Liebe. Er spürte etwas von der Tragödie der sich unterwerfenden Generation, insbesondere von der Tragödie einer Frau, wie seiner Mutter, die, gerade weil sie ganz darin aufgegangen war, ihre Männer, den alten Tom und Ora und ihn selbst, zu lenken und zu leiten, damit sie nicht allzusehr auf Abwege gerieten, und weil sie niemals mehr von ihnen erwartet hatte als ein sehr bescheidenes Maß von Anständigkeit, in Demut erstarrte, wenn einer sich als durchschnittlich tüchtig und selbständig erwies. Wäre er nach Hause gekommen, ohne etwas geleistet und erreicht zu haben, so hätte ihm ihre mütterliche Zutraulichkeit erhalten bleiben können!

Die Frauen, die dienen, ohne zu wissen, daß sie dienen, und ohne jemals darüber zu klagen!

So kam es, daß er, während er gesprächig und zärtlich war, überlegte: »Ich habe noch nie etwas für sie getan. Ora hat recht! Ich war so sehr damit beschäftigt, einen feinen Hotelmenschen aus mir zu machen, daß ich ganz vergessen habe, ein Mensch zu sein. Aber ich will etwas für sie tun, etwas Schönes!«

Der alte Tom litt nicht an verlegener Demut vor seinem Sohn. »Na, mein Junge, jetzt, wo du da bist, zieh dir mal lieber gleich die Jacke aus und hilf uns ein bißchen. Du müßtest jetzt eigentlich schon was vom Hotelbetrieb verstehen. Ich überlege mir gerade, wie man das Büro ein bißchen schmucker herrichten kann. Die Gäste werden in der letzten Zeit so verflucht wählerisch. Vielleicht kannst du mir's frisch anstreichen.«

»Nein, was ist das für eine Idee!« Myrons Mutter machte ihrer Empörung Luft. »Er wird so was absolut nicht machen! Anstreichen! Er kommt müde nach seiner ganzen schweren Arbeit in dem großen, riesigen New-Yorker Hotel nach Haus, um sich auszuruhen, und dann willst du, daß er sich abarbeitet wie ein Nigger! Du kannst dich was schämen! Willst du nicht raufgehen und dich ein bißchen niederlegen, Myron?«

»Nein, ich möcht mich in dem alten Laden umsehen. Ich hab's doch schön gehabt hier!« sagte Myron. »Ich möcht jetzt mal in die alte Bar!«

Das war für Tom ein herrlicher Vorwand, ein Schlückchen zu genehmigen.

Als sie durch den Waschraum zur Bar gingen, bemerkte Myron, daß über dem gußeisernen Waschtisch noch immer an dünnem Kettchen ein Kamm und eine schon ganz weich gewordene Bürste zur allgemeinen Benutzung hingen.

Hinter dem Schanktisch fanden sie Jock MrCreedy, der ein großes Gebrüll erhob: »Na, da soll mich doch der Geier holen! Da kommt ja der großmächtige Charley Delmonico zurück in seine alte Bruchbude! Laß dir die Hand drücken, Junge! Ist mir eine große Ehre!«

»Na, na, ganz so gefährlich ist das nicht. Er hat sich ja ganz gut rausgemacht, aber das war ja auch gelacht! Ich hab ihm doch alles beigebracht, was er weiß«, bemerkte Tom.

»Das ist richtig«, sagte Myron. »Übrigens wartet doch eine Minute. Ich hab was für euch draußen in meinem Koffer.«

Er brachte die beiden Flaschen alten Whisky herein.

Jock McCreedy kostete, verdrehte die Augen, hielt die Hand in die Höhe und murmelte: »Ich kann dir sagen, Myron, das entschädigt einen für alle Schmerzen und Anfechtungen einer sündigen Welt, wie man so schön sagt!«

Aber Tom knurrte: »Na ja, scheint ja ganz guter Fusel zu sein, aber besonders stark ist er nicht. Ich hab's gern, wenn mir mein Magen rauftelegraphiert, daß er was Kräftigeres gekriegt hat als verdünntes Brunnenwasser!«

Jock betrachtete ihn voll frommen Entsetzens.

Myron mußte denken, daß seine Mutter wohl in ihrer tragischen Schüchternheit schöner für ihn war als jemals, daß aber Mark Elphinstone oder Jock McCreedy geistig mehr von einem Vater für ihn hatten als Tom Weagle; Alex Monlux oder Luciano mehr von einem Bruder als Ora; und sein schmuckloses, sonnenloses Büro im Westward mehr von Heimat als Black Thread Center.

Während Tom langsam seine fachmännischen Ansichten über »abgelagerten Whisky«, »Apfelgeist« und »weißen Korn« zum besten gab, dachte Myron daran, daß er eigentlich recht viel für das Vorrecht bezahlt hatte, daran mitarbeiten zu dürfen, daß aus dem Durcheinander von Handel und Gewerbe ein klares, leistungsfähiges, menschliches System geschaffen werde. Seine bequemen Angestellten mochten ihn nicht, sie hielten ihn für hochmütig und pedantisch. Seine alten Freunde – ja, wie er jetzt sah, vielleicht sogar sein Vater – hatten das Gefühl, er sei ein harter und geldgieriger Streber, der nichts mehr von den schönen Gefühlen seiner Jugendzeit hätte. Die »Intellektuellen« wie Ora waren überzeugt, daß er ein vulgärer Philister sei, weil er ausgezeichnete Badezimmer und Speisen lieferte (die die Menschen brauchten) und nicht scheußliche Bilder oder Romane (die sie nicht brauchten). Für seine alten Freunde war er zu aufgeblasen und intellektuell. Für die Intellektuellen war er ein zu niedrig stehender Hausierer. Und für die Hausierer war er allzu skrupelhaft und fanatisch, wenn es sich um exakte Finanzberichte und unverlogene Propaganda handelte.

»Na schön, die können mich alle am Mond besuchen. Ich werde ja wohl auch so weiterleben«, dachte er und entzückte Jock McCreedy, indem er einen Golden Fizz verlangte – ein Getränk, in dessen Mixen Jock allen Barmännern in Paris, Kokomo, Shanghai und North Brantree überlegen zu sein glaubte.

 

Während der zwei Monate, die er in Black Thread verbrachte, während er über die Hügel wanderte, in der Sonne lag und in klaren Bächen schwamm, während er die Bekanntschaft mit alten Freunden auffrischte – oder, richtiger, während er zum erstenmal Muße genug hatte, mit ihnen allen bekannt zu werden – war er nicht untätig.

»Mutter – Vater – ich hab eine Idee«, sagte er einmal ganz unvermittelt beim Abendessen, »ich hab eine Idee.«

»Gib bloß acht, daß sie dich nicht beißt«, sagte Tom.

»Sei still! … Was ist es denn, mein Herz?« fragte seine Mutter.

»Wenn ich sie ausführen soll, muß ich freie Hand haben und darf mir nicht dreingeredet werden. Ich hab nicht viel Zeit hier. Jetzt hört mal zu. Die kommende Sache im Reisen und im Hotelverkehr wird das Automobilfahren sein. Noch fünf oder zehn Jahre, und für ein Hotel, wie das hier, an einer der Durchgangsstraßen von New York nach den Berkshires und Kanada werden die Automobilisten wichtiger sein als die Geschäftsreisenden. Aber für die muß man eine Garage haben, nicht so feste Speisezeiten, das europäische statt des amerikanischen Systems, und ein im ganzen besser eingerichtetes Haus.«

»Quatsch!« erklärte sein Vater mit Autorität. »Daraus wird nie was Ordentliches werden, aus dem Automobilfahren. Erst vor ein paar Tagen hab ich davon gelesen, daß die Leute die Nase so voll haben von Pannen und Benzingestank, daß sie wieder auf die Pferde zurückkommen. Im Jahr 1916 oder so wird man kaum ein Automobil sehen.«

»Ja? Na, da irrst du dich eben. Ich sag dir jetzt, was mein Plan ist, Vater. Nimm ihn an oder verzichte darauf, aber streit nicht! Du mußt das Lokal hier besitzen, nicht bloß Pächter sein. Ich werde es für dich kaufen und renovieren und eine Garage bauen, finanzieren werde ich alles durch die Hotelgründungsgesellschaft in New York, und dann werd ich es an einen tüchtigen Kleinstadthotelier verpachten. Auch wenn wir die Hypothekenkosten einkalkulieren, kannst du, wenn meine Zahlen richtig sind, damit rechnen, daß vierzehn- bis fünfzehnhundert Dollar im Jahr reiner Gewinn bleiben, von denen man leben kann, und dann könnt ihr beide euch ein Häuschen hier mieten und braucht nichts anderes mehr zu tun als zu faulenzen. Ich finde, Ma, nach deinen vielen Arbeitsjahren hast du dir das verdient!«

»Oh, es wäre wunderbar, jeden Morgen bis sieben Uhr im Bett liegen bleiben zu können«, seufzte Mrs. Weagle auf.

 

Sein Vater stritt natürlich und bestand darauf, daß er ein paar Tage (was nichts anderes bedeutete, als eine entsprechende Anzahl von Gläschen) dazu brauchte, sich mit einem rätselhaften Etwas zu beschäftigen, das er als »sich's überlegen« bezeichnete. Aber das Kopfnicken und Lächeln seiner Mutter hatte Myron genügt. Myron schob täglich ein bis zwei Stunden erholsamer Tätigkeit zwischen die ziemlich anstrengenden Zeiten ein, in denen er sich dem Müßiggang widmete, und entwickelte damit in zwei Monaten mehr Aktivität, als im American House seit den letzten vierundzwanzig Jahren an den Tag gelegt worden war.

Er stellte die geschickte kleine Tochter des Reverend Snibbs, die eben mit der Handelsschule in Bridgeport fertig geworden war, als Stenotypistin an. Das allein, so sagte Tom, bewies, daß Myron lauter blödsinnige Ideen im Kopf hatte; er, Tom, war sein ganzes Leben lang bei der Leitung des ganzen Hotels damit ausgekommen, daß er alle notwendigen Briefe selbst mit der Hand geschrieben hatte! Was! In einem einzigen Brief hatte er einmal ganze vier neue Kommoden bestellt!

Myron diktierte einige fünfzig Briefe an Leute im ganzen Land, die inseriert hatten, daß sie sich für die Pachtung eines Landhotels interessierten. Während Daisy Snibbs die Briefe schrieb und im American House zum erstenmal ein schnelleres Tippen zu hören war als das eines Reisenden, der sich mit zwei Fingern auf einer Portable Berichte abquälte, flitzte Myron nach New York, suchte die Leute von der Hotelgründungsgesellschaft auf und kam mit einem von ihm selbst und Mark Elphinstone unterzeichneten Vertrag zurück, auf Grund dessen die Finanzierung sichergestellt war.

Mark hatte nichts anders zu sagen gehabt als: »Sie sind wieder da? Ja, verflucht noch einmal, Myron, ich hab Ihnen doch gesagt, Sie sollen wegbleiben und in der Sonne faulenzen, und wenn Ihnen dabei Ihre verdammte Haut in Stücken vom Leib gebrannt wird! Unterschreiben? Was? Gut, gut, langweilen Sie mich nicht mit den Einzelheiten. Dazu hab ich bezahlte Leute wie Sie!«

Dann stellte sich heraus, daß ein stiller, ziemlich schäbiger kleiner Anwalt aus Torrington, den Myron als Gast des Hotels Zum Adler kennen gelernt hatte, bereits eine Option auf Gebäude und Grundstück des American House und auf das Grundstück mit dem alten Mietsstall dahinter genommen hatte – und zwar auf Veranlassung Myrons, der mit einer Geschwindigkeit, die seiner Mutter Kopfschmerzen machte und den Erfolg hatte, daß sein Vater ein, zwei Tage nahezu höflich war, von der Option Gebrauch machte und die beiden »Parzellen« kaufte. Augenblicklich waren Arbeiter damit beschäftigt, den Stall in eine Garage zu verwandeln, Stände herauszureißen, einen Zementboden zu verlegen, Werkbank und Luftpumpe aufzustellen. Andere Männer arbeiteten hinter dem American House an einem Anbau mit zwanzig Zimmern und fünf Badezimmern, der sich über den Hinterhof und das kleine Seitengäßchen erstreckte und für Lieferungen und für die Garagenversorgung eine eigene Lastwageneinfahrt zum Souterrain bekam. Andere Arbeiter machten aus fünf Fremdenzimmern Badezimmer, so daß das American House schließlich im ganzen neunundvierzig Fremden- und vierzehn Badezimmer bekam. Eine energische kleine Dame aus einem Hartforder Warenhaus betrachtete mit Mißfallen die Spucknäpfe und die ehrlichen, abgeschabten alten Ledersessel in der Halle, die nicht weniger ehrlichen eisernen Bettstellen und geraden Stühle in den Zimmern und warf sie zu Toms Trauer so gut wie ausnahmslos hinaus. Dann machte sie, nach Toms Ansicht, das Büro zu einem Irrenhaus; an die Stelle der geraden, respektablen Stuhlreihen an den Wänden setzte sie ein scheußliches Durcheinander von Korbstühlen mit Cretonnekissen und Ledersesseln, mit denen man nicht schaukeln konnte, und zwar alles in ganz verschiedenen Gruppen, so daß von einer geometrischen Anordnung im Raum keine Rede sein konnte. Sie verbannte das gewaltige Pult und ersetzte es bloß durch eine kleine Nische in einer Ecke, und sie versteckte das Schlüsselbrett. In die Fremdenzimmer schleppte sie noch mehr scheußliche Korbstühle ein und als Betten gestrichene Holzsachen ohne alle eisernen Schmuckschnörkel. Am fürchterlichsten aber entstellte sie den Speisesaal. Sie entfernte die langen, soliden, schönen Tafeln und brachte kleine Einzeltische herein – mit roten Platten noch dazu! – auf die, wie sie anordnete, keine üppigen dicken Baumwolltischtücher kommen durften, sondern nur kleine zierliche Deckchen; und die Wände ließ sie schreiend kanariengelb streichen.

Als Ora kurz vor Fertigstellung der Arbeiten nach Black Thread kam, stöhnte er: »Na, Myron, du kannst stolz darauf sein, daß du so elegante städtische Verbesserungen in unser Landnest gebracht hast! Früher war das Hotel ganz einfach ein ehrliches Land-Wirtshaus, das nichts anderes vortäuschen wollte, und jetzt hast du eine recht hübsche viertklassige Imitation von einer Großstadt-Teestube daraus gemacht, wie sie von unseren besten, ach so kultivierten alten Jungfern geleitet werden! Wenn es überhaupt noch ein paar Leute gibt wie J. Hector Warlock, na, denen würde es ja eine Riesenfreude machen, in gestrichenen Korbstühlen zu sitzen und ihren Appetit mit Sahnenkäse-Sandwiches stillen!«

»So wollen die Automobilisten es haben. Und es ist gemütlich und freundlich. Jetzt sieht es nicht mehr aus wie in einem alten Gummischuh!« schnauzte Myron.

Er war diesmal so verärgert, daß er Ora nicht mehr als fünfzig Dollar lieh. Einige Tage – na, einige Stunden – dachte er darüber nach, ob seine neue Wonne wirklich prätentiös und talmihaft wäre. Na, verflucht noch einmal, wenn der Laden so originellen Geistern wie Ora nicht gefiel, brauchten sie ihn ja nicht anzusehen!

Und J. Hector Warlock? Wo war er? Ein prächtiger alter Bursche!

J. Hector war seit Jahren von niemand gesehen worden. Jock McCreedy hatte unklare Gerüchte gehört, er wäre nach dem Westen gegangen und hätte als Goldgräber Geld gemacht.

»Ich weiß wirklich nicht«, dachte Myron voll Unbehagen, »ob es J. Hector Spaß machen würde, sich zum Pokerspielen die Jacke auszuziehen und auf so einem Stuhl von Miss Bombazine zu sitzen. Na, jedenfalls würde es Mrs. J. Hector gefallen, und im Automobilzeitalter wird es bei den Touren und den Absteigelokalen und bei allem auf die Frauen von den einzelnen J. Hectors ankommen, und – – Ach, der Teufel soll doch Ora und seine verfluchte Überlegenheit holen! Er versteht sich wirklich auf sein Handwerk. Es ist ihm gelungen, mir den ganzen Spaß an der Sache zu nehmen!«

 

Der Umbau des Hotels war beendet und es wurde (wenn auch erst einige Monate, nachdem Myrons Urlaub vorüber war) für eine Summe verpachtet, die so groß war, daß Myrons Eltern die Steuern, die Hypothekenzinsen und die Kursverluste tragen konnten und dreizehnhundert Dollar im Jahr übrig behielten, die es ihnen ermöglichten, ein Leben kultivierten Nichtstuns zu führen. Mrs. Weagle las ein ganzes Buch von E. A. Poe von Anfang bis zu Ende durch!

Und bei all seiner Arbeit mit dem Hotelumbau widmete sich Myron der Aufgabe, zu faulenzen.


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