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19

Er verhehlte sich nicht, daß es wahrscheinlich nichts anderes als Sentimentalität von ihm war, auf diesem einsamen Spaziergang die Stelle zu suchen, wo er neben Effie May im Gras gelegen hatte, aber dieses Fleckchen barg etwas heiter Heiliges für ihn; er ließ sich, die Hände über die Knie gespannt, nieder und träumte, während er, ohne etwas zu sehen, hinblickte über das Tal mit den saftigen Wiesen, den Ulmengehölzen und den stillen alten gelben Häusern mit ihren roten Scheunen.

»Sie ist noch jung. Sie weiß nicht viel. Aber wie wird sie an der Welt da draußen wachsen! Und ich, was werde ich tun? In zehn, zwölf Jahren bin ich vielleicht Marks Nachfolger, wenn Carlos Jaynes mir nicht die Gurgel abschneidet und den Alten davon überzeugt, daß ich ein Kleinstadtbuchhalter bin. Aber selbst dann – – Es wäre eine mechanische Tätigkeit. Der alte Mark hat den Konzern geschaffen, und sein Nachfolger würde ihn nur fortführen. Ich möchte etwas ganz Neues machen.«

Und in dieser Stunde begann er – mit Aufzeichnungen auf den Rückseiten von Visitenkarten, die später in ein hübsches Notizbuch mit Seehundledereinband und Goldecken unter dem Namen »Notizen für Hotelprojekte« übertragen wurden – in dieser Stunde begann er etwas, das genau genommen »Notizbuch eines Dichters« genannt werden müßte: die Gedanken, Themen, Visionen, Beobachtungen, Bestrebungen, die er eines Tages zu schreiben begehrte, nicht bloß mit Worten, sondern in Stahl und Ziegel und gegossenen Fußböden und allerbester Bettwäsche.

Aus dem Notizbuch eines Dichters

Luxuriösestes Sanatorium der Welt, nicht mehr als hundertundfünfzig Kilometer von New York, Freiheiten eines Hotels, aber gute Ärzte, elektr. Install., Bäder usw., aber absolute Ruhe, Tennis & Golf, aber so weit vom Hotel, daß kein Lärm, nach zehn Uhr abends keine Musik, kein Tanz, aber vielleicht nachts Kino? Große Einzelbalkone, wo man den ganzen Tag ruhen kann, besonders reichhaltige moderne Bibliothek, auserlesen gutes Essen, aber einfach, wie Täubchen auf Toast, frische Gem. & Kurmilch, irrsinnige Preise, aber entsprechende Leistung. Anm.: für Manicure usw. sorgen – Schönheitssalon, mein Gott, ist das eine Bezeichnung! – alte Damen haben viel Zeit für Haarbehandlung, Massage usw. während Erholung. Muß stinkfein & exklusiv sein. Wahrscheinlich würden mich alle Gäste ankotzen, muß aber Spaß machen, es zu bauen.

Myrons Notizbuch war zu einem Viertel voll geschrieben, ehe er ganz dahinter gekommen war, was er eigentlich tun wollte – abgesehen davon, daß er vorhatte, Effie May Lambkin auf der Stelle zu heiraten. In einem Augenblick frommer Erregung hatte er die Eingebung.

Er war Hotelier, professioneller Gastwirt. Gut. Dann wollte er also den einzig möglichen Vollkommenen Gasthof bauen, besitzen und ohne jede Einmischung anderer führen!

Er wollte ihn schaffen, wie Ora (so glaubte er) das Vollkommene Gedicht zu schaffen wünschte. Und da in der Stadt ein modernes Hotel eine Kombination sein muß von Gasthof, Restaurant, ganzen Gäßchen mit Geschäften, Zimmern, die weniger Schlafräume sind als Büros für Geschäftsleute auf Reisen und Zusammenkunftsstätten für Kongresse, öffentliche Bankette und Hochzeiten, darum hatte er den Wunsch, seinen Vollkommenen Gasthof auf dem Lande zu erbauen, ganz für sich gelegen, völlig geweiht jenen guten Dingen, die weder durch Elektrizität noch durch Benzinmotore verdrängt werden können – vollkommenes Essen, vollkommener Wein und vollkommene Schlafzimmer.

Die besten Gedanken der besten amerikanischen und europäischen Hoteliers verwerten. Darin nicht eine rasche und sichere Methode zum Geldverdienen sehen, auch nicht die mehr oder weniger gleichgültige Ausführung der Idee: »Ich denke, hier in der Gegend könnten wir noch ein Hotel brauchen«, sondern eine sorgfältig geplante, durchgedachte, reiflich mit allem Für und Wider überlegte Idee, schön wie ein Epos und voll Leben wie ein Wettschwimmen.

»Ich werde es tun!« gelobte sich Myron.

Er saß bis zur Morgendämmerung in seinem schäbigen Zimmerchen im American House, und um diese Zeit hatte er acht Seiten seines hübschen neuen Dichternotizbuches (allerdings kam er selbst nie auf den Gedanken, es so zu nennen) mit Plänen für den Vollkommenen Gasthof gefüllt (und ebensowenig nannte er seine Visionen so, für ihn war es einfach »Das beste Kurhotel, das man bauen kann«). Aus seiner Erfahrung, seinen Gesprächen, aus dem, was er gelesen hatte, suchte er alles zusammen, was zu vermeiden war, insbesondere die gleich großen Schrecken nachlässiger »Bedienung« und zudringlich aufmerksamer Bedienung, und alles, was zu erstreben war, darunter auch – denn Luciano Mora bemängelte immer wieder, daß die amerikanischen Gasthöfe nichts von einem Aufenthalt im Freien zu wissen schienen – eine von Weinranken überdachte Tee- und Lunchterrasse mit Aussicht auf das Meer, einen See oder ein Gebirgstal.

 

Dem Küchenfachmann Myron imponierte die Vorzüglichkeit und Originalität des von Effie May gelieferten Picknickmahles außerordentlich. Es gab Schinken- und Käsebrote, harte Eier in Butterbrotpapier, Kokosnußtorte, die ziemlich zerdrückt war, und Kaffee in einer Thermosflasche.

Sie waren fünf Kilometer vor die Ortschaft hinausgewandert zur Ulmenhöhe am Ufer des Nekobee-Sees. Da standen dicht beieinander Fichten, kleine Birkengehölze und auch einige Ulmen, dazwischen leuchteten Weideflächen und Wiesen auf, durch das klare Wasser des Sees, dessen Ufer nicht sumpfig waren, schimmerte der Sandgrund herauf, ringsum erhoben sich bewaldete Hügel und lagen ausgedehnte Gehöfte. An dem einen Ende standen einige winzige Sommerhäuschen in der Nähe des Dörfchens East Black Rock, das einen Kramladen und zwei Kirchen hatte, aber im großen ganzen war der Nekobee-See in jenen Tagen vor der Zeit der Automobilkarawanen noch nicht entdeckt worden.

»Aber das ist es ja!« rief Myron plötzlich aus, als sie, voll harter Eier und Behagens, auf einem heißen Felsen oberhalb des Sees lagen und Effie May (es war im Jahre des Heils 1911) ausgiebig hustend und voll Wonne das Bewußtsein zu sündigen kostend, eine Zigarette rauchte.

»Was soll was sein?« fragte Effie May.

»Da hab ich grade die richtige Stelle für mein Kurhotel. Schöne Hügel, ein reizender klarer See, sehr still, nur fünf Kilometer vom Bahnhof in der Stadt und nicht ganz zweihundert von New York.«

»Haben Sie Pläne für ein Kurhotel?«

»Ja, sozusagen.« Bescheiden erzählte Myron von seinem Epos. »Ich möchte eines Tages das beste Sommerhotel in Amerika bauen – richtig in der Natur, ziemlich einfach, aber trotzdem ebenso gutes Futter und Bedienung und Zimmer wie im Plaza. Wissen Sie – ach, man müßte sich wirklich Mühe geben, sich die Sache sehr genau ausdenken, von den Fehlern der anderen profitieren und etwas wirklich Großartiges daraus machen. Meinen Sie nicht, daß das nett wäre?«

»O ja, ich glaube, das würde sehr, sehr nett sein. Das wäre – das wäre wunnerbar!« sagte Effie May.

So war, da die Dame seine Rüstung, seine Lanze und überhaupt Sinn und Zweck der ganzen Unternehmung gebilligt hatte, der Ritter bereit, ohne jeden Zweifel an seiner Fähigkeit zur Erlangung des Heiligen Grales auszuziehen.

 

Schon die wenigen Häuschen, die an den Ufern des Nekobee-Sees gebaut worden waren, hatten die Bodenpreise in die Höhe getrieben, und als Myron ein halbes Jahr später, nachdem er alles wohl etliche hundert Male überdacht hatte, das an den See grenzende Ulmenhügel-Grundstück kaufte, mußte er für hundert Morgen zehntausend Dollar bezahlen – zweitausend bar und dann jedes Jahr weitere zweitausend. Schon bevor er alles getilgt hatte, kostete jeder Morgen des Grundstückes zweihundert Dollar.

Aus dem Notizbuch eines Dichters

Arkadengänge in Ausdehnung von 6-8 Blocks mitten in NY, wie es in Mailand geben soll (Galerie) nur Fußgängerverkehr, keine Fahrzeuge, leichte Kaffeetische, Theater, Luxusläden, Treffpunkt für Mittag- und Cocktailstunde, im Winter geheizt, Pflaster Marmor, 2-3 Stock hoch, sehr hübsch. Richtung N.S., Mitte langer Gebäudereihen. Blumen. Auch Springbrunnen?

T. J. Dingle war erst anfangs der Dreißig, bekleidete aber schon den Posten des Präsidenten bei der Black Thread National Bank. Sein Großvater, ein Farmer und Tabakspflanzer aus dem Connecticuttal, hatte die erste große Meierei in der Nähe Black Threads gegründet und die öffentliche Bibliothek gestiftet. Sein Vater, gleichfalls Präsident der First National, aber nun seit einem Jahr tot, war ein aufrechter alter Herr mit grauem Schnurrbart gewesen; in Myrons Erinnerungen nahm er einen besonderen Platz ein, denn er war der erste, den Myron jemals zum Vergnügen hatte reiten sehen – ein General auf seinem hohen Braunen. Niemals, soweit man zurückdenken konnte, hatte es einen Dingle gegeben, der einen Kinnbart trug, der eine Hypothek verfallen ließ, wenn es noch vermeidbar war, der auch nur im Verdacht gestanden hätte, mittels kunstvoll berechneter »Prüfungsgebühren« mehr als den gesetzlichen Zinssatz zu nehmen, oder überhaupt einen jener interessanten Züge aufwies, durch die sich Landbankiers in der Romanliteratur und manchmal auch im wirklichen Leben auszeichnen.

T. J. Dingle selbst war ein schlanker, energischer, aber verhaltener Mensch mit einem gut geschnittenen Gesicht, das keine Spur von Fett und nichts Schlaffes hatte. Er war der Landedelmann von Black Thread, und Myron wußte noch gut, wie sehr es der jungen Julia geschmeichelt hatte, wenn Ted Dingle gelegentlich an der Versammlung ihrer Verehrer auf der Seitenveranda teilnahm.

Und wenn die Lambkins (außer Effie May) dazu geneigt hätten, Myrons Erklärung Glauben zu schenken, daß er nicht mehr als ein kleines Rädchen in der Elphinstone-Maschinerie sei – wozu es zweifellos gekommen wäre, sobald sie sich einmal an seinen Anblick gewöhnt hatten – so hätte die neue Freundschaft zwischen Myron und T. J. Dingle dafür gesorgt, daß sie ihren Respekt nicht verloren.

Als Myron am dritten Tage seines Aufenthalts in die Bank ging, um einen Scheck einzukassieren, bestand Dingle darauf, daß er zu ihm ins Privatkontor komme, schlug sich ein wenig mit Bemerkungen über das Wetter herum und lud ihn dann ganz plötzlich zum Dinner ein – sein Haus war das einzige in Black Thread, das Wert darauf legte, daß die Hauptmahlzeit am Abend eingenommen werde.

Myron sah, daß das grauenhafte alte grünbraune Haus der Dingles mit der hohen Kuppel jetzt nahezu erträglich aussah, weil man es weiß gestrichen und die Schnörkel und Arabesken oberhalb der Veranda entfernt hatte; die düsteren Räume bekamen jetzt mehr Licht und waren angefüllt mit Büchern und Blumen. Dingles junge Frau, die aus New Haven stammte, hatte eine Vorliebe für muntere bunte Hauskleider, das Klavierspielen und die Zubereitung von Hummergerichten – lauter ausgezeichnete Gewohnheiten. Als Myron bei ihnen war, in dem ersten Haus Black Threads, in dem er sich wohl fühlte, merkte er, daß T. J. Dingle sowohl der schlaueste wie der kultivierteste Mensch war, den er, seitdem er von zu Hause weggegangen war, kennenlernte – vielleicht mit Ausnahme des hochnäsigen Carlos Jaynes vom Elphinstone-Konzern, der es zuwege brachte, die Leitung der Lunchräume und seine Abneigung gegen Myron mit einer Bewunderung für Brahms und El Greco zu vereinen.

Es kam Myron etwas sonderbar vor, daß die beiden Menschen, mit denen er sich in seinem Heimatsort anfreundete, weder seiner eigenen Familie angehörten noch Herbert Lambkin oder einer der vergnügten Rowdies waren, mit denen er sich früher einmal am Mietsstall herumgetrieben hatte, sondern zwei Fremde, die kleine Effie May und der erhabene Ted Dingle, die er zwar oft gesehen, aber eigentlich nicht gekannt hatte.

Und es kam so, daß Myron und Effie May, während das Haus Lambkin in eine sich stets steigernde salbungsvolle Aufregung geriet, mindestens einen Abend in der Woche bei den Dingles verbrachten und damit eine gesellschaftliche Anerkennung und Basis fanden, ohne die ihre schüchterne Neigung zueinander vielleicht nicht zur Ehe geführt hätte.

 

Er hielt niemals um sie an. Es ist überhaupt zweifelhaft, ob schon jemals ein Mensch, außerhalb von Romanen, wirklich »angehalten« hat. Sie kamen ganz einfach zur Erkenntnis, daß sie einander gern hatten und einander interessierten, und daß sie voraussichtlich heiraten würden.

Sie gingen am Fluß spazieren in jenem letzten Schimmer eines Frühsommernachmittags, wenn die Bäume dastehen wie Pyramiden aus grünem Licht und die Welt behaglich dahindöst.

Er nahm ihre Hand an seine Brust, streichelte sie und sagte zitternd: »Ich glaube – es sieht so aus – es sieht so aus, als ob wir heiraten würden. Heiraten wir doch in vierzehn Tagen und fahren wir nach Kanada oder nach Maine oder irgendwohin, bevor ich wieder zur Arbeit zurück muß … Wir werden ein hübsches Appartement im Westward haben, und Mark wird unser Badezimmer neu einrichten müssen, mit Marmorfußboden und bunten Kacheln und einer Brause außer der Wanne.«

»Ein Appartement? Das find ich geradezu aufregend. Das wäre – ach, in so einem großen New-Yorker Hotel – das wär einfach wunnerbar!« sagte Effie May.

 

So mußte Myron sich rasch Gehrock, gestreifte Hosen und Plastronkrawatte aus New York kommen lassen; überdies hatte Luciano Mora die Aufgabe, ihm einen Zylinder von der richtigen Größe zu besorgen – es war sein erster Zylinder, und er trug ihn im ersten Jahr viermal bei Theaterbesuchen, im zweiten Jahr zweimal und später überhaupt nicht mehr.

Sie wurden in der Presbyterianerkirche getraut, mit einem ganzen Aufgebot (zu Myrons sanfter Verwunderung) von Brautjungfern und Blumenmädchen; Ora fungierte als Brautführer und T. J. Dingle, Luciano Mora und Herbert Lambkin als Zeugen.

Julia kostete es mit vieler Wonne aus, zu weinen und der ganzen Welt mitzuteilen, daß sie der »armen kleinen Effens« Mutter sein müsse; niemals liebte Myron Effie so sehr wie in dem Augenblick, in dem er sie Julia zuzischen hörte: »Laß um Gottes willen das Muttergeklucke sein und such mir meine verdammten Strumpfbänder!«

Und für Myron war es einfach grauenhaft. Ein wilder Haß gegen alle, die an der Trauung teilnahmen, erfüllte ihn; ausgenommen davon waren lediglich Effie May, seine Mutter, Luciano, Dingle und Ora. Anfangs hatte er auch Ora gehaßt, denn der hatte ihm am Tag vorher mitgeteilt, durch den Umbau sei das American House aus einem ehrlichen Gasthof zu einem scheußlichen Knalladen gemacht worden. Aber am Morgen dieses Tages hatte sich Ora, der Myron, während sie auf das Kommen der Braut warteten, nicht von der Seite wich, wieder völlig rehabilitiert, indem er ein Fläschchen Korn aus der Tasche zog, Myron einen Schluck aufnötigte und dazu brummte: »Also, ich hätt es nie für möglich gehalten, daß aus der Familie etwas kommen kann, mit dem was anzufangen ist – Herrgott, ist der Herby ein Besen! – aber deine Effie May ist ein süßes Ding; hübsch wie Lillian Russell, und ein munteres Kind. Meine Glückwünsche. Und den verfluchten Ring hab ich auch wirklich nicht vergessen! So, da kommen sie! Na, na! Kopf hoch! Nimm rasch noch einen!«

Myron fand, daß der Geistliche, als Effie May und er vor ihm standen, ziemlich heftig schnupperte, aber er überstand es und hörte auf, ein Junggeselle zu sein. Als er ihr jetzt die Hand drückte und murmelte: »Meine Frau!« begann er die zweite Hälfte seines Lebens.

»Autsch!« sagte sie und lachte, und ihm war heiß wie einer Katze auf dem Herd.

Notiz in der Hotel Era:

Der große Myron S. Weagle, seit geraumer Zeit eine der rechten Hände des Hotel gewaltigen Mark Elphinstone im Westward Ho! im Großen Nest, früher Leiter der Tippecanoe Lodge, Fla., unter den jüngeren Hoteliers berühmt für seine großzügige Gastfreundschaft und Tischrednerkunst, hat sich vom Klang fröhlicher Hochzeitsglocken betören lassen; die Glückliche ist Miss E. Laski aus Thread Mill Center, Massachusetts, und das glückliche junge Paar verbringt jetzt seine Flitterwochen auf der Goldinsel Bermuda.

Schimmernd weiße Klippen, Brecher mit weißen Schaumköpfen, tiefe Wasser, von fleckenlosem Grün in reines Blau übergehend, weiß, rosa und gelb getünchte Häuser inmitten dunkler Zedern-, Palmen- und Bananengärten, das Knarren einer alten Kutsche, deren farbiger Rosselenker sich Zeit läßt, weil es ja doch gar nicht darauf ankommt, wohin sie fahren und ob sie überhaupt jemals hinkommen – Bermuda im Spätsommer, es sind die Flitterwochen Myrons und Effie Mays, und sie beide entdecken ihr erstes fremdes Land.

Daß in den Läden Korallen und Perlmutter und direkt aus London gekommene Stoffe verkauft wurden, daß die Polizisten mit englischem Akzent sprachen und die Postboten komische Hüte trugen, daß man in einem Oleander- und Rosengarten speiste – das alles zusammen war ein Märchen, das ihnen über die tragischen Flitterwochenentdeckungen hinweghalf: sie lachte fast immer, wenn er sich an nicht tropfenden Teekannen und zusammenklappbaren Kofferständern begeisterte; sie aß gern Schokolade im Bett, was zur Folge hatte, daß sie häßliche braune Flecken auf die Kissen machte und nachher an höchst unzarten Verdauungsstörungen litt; er produzierte fürchterliche Geräusche im Badezimmer und trug lange Baumwollwäsche statt der eleganten neuaufkommenden »sportlichen« Wäsche; und sie beide verstanden nicht genug von der Liebe, um ihr Liebesleben mit Anmut zu erfüllen.

Aber sie tat seinem Herzen wohl damit, daß sie in ihm eine Autorität für alles sah. Er war in Florida und Missouri gewesen, und so nahm sie voll Zufriedenheit an, er wisse ganz genau Bescheid über Klippen, Gezeiten, Tiefseefischerei, Kletterpflanzen, Stecheisen, die genaue Biologie der Koralle Anthozoa, die Palmenabarten, die Verfassung der einzelnen britischen Kolonien, das gesellschaftliche Leben des Gouverneurs von Bermuda und die Ertragsfähigkeit der Bananenpflanzen.

Und er sagte ihr auch alles, zu ihrer beiderseitigen Befriedigung.

Damals standen noch nicht viele von den großen Hotels, die später Bermuda, gleich nach Paris, zu dem angenehmsten Vorort New Yorks machten, aber sie wohnten in einem blitzsauberen, in Rosa und Blau gehaltenen Gasthof zwischen dem Harrington-Sund und der offenen See, und der Aufenthalt unter den Kokosbäumen nach dem Dinner oder zur Teezeit, zu der es so köstliche Dinge gab wie mit Butter gestrichene heiße englische Weizenküchelchen und Marmelade in Steinkrügen, waren so erfreulich und wohltuend, daß Myrons Idee vom Vollkommenen Gasthof sich regte und wuchs und gedieh – zweifellos um so besser deshalb, weil er es nie gewagt hatte, sie Oras Spott preiszugeben.

Er würde natürlich viele Jahre brauchen, um das notwendige Geld zusammenzukriegen, und, selbstverständlich, um genug Wissen zu sammeln, aber er wollte diese richtige und schöne Sache schaffen, und das würde die Rechtfertigung seines Lebens sein. So kehrten sie, ein wenig bedauernd vom Bootsdeck des Dampfers längs des leuchtenden Kielwassers auf die schimmernden Klippen Bermudas zurückblickend, nach New York und zur Arbeit zurück.


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