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Neunzehntes Kapitel

1

Sie erwartete das Kind. Jeden Morgen war ihr übel, fröstelte sie, kam sie sich beschmutzt vor und war überzeugt, daß sie nie wieder hübsch würde; in jeder Abenddämmerung hatte sie Angst. Sie kam sich nicht erhaben vor, sondern unordentlich und verwildert. Die täglich wiederkehrenden Übelkeiten wurden zu endloser Langeweile. Bald fiel es ihr schwer, sich zu bewegen, sie tobte, daß sie, die schlank und leichtfüßig gewesen war, sich auf einen Stock stützen und die herzlichen Bemerkungen des Straßenklatsches anhören mußte. Schmutzige Blicke umgaben sie. Jede Ehefrau ließ fallen: »Jetzt, wo Sie Mutter werden, meine Liebe, werden Sie mit allen den Ideen fertig werden, die Sie immer haben, und sich eingewöhnen.« Sie merkte, daß sie nolens volens in die Gemeinschaft der Hausfrauen aufgenommen wurde; sobald das Baby als Geisel da war, würde sie niemals entfliehen; bald würde sie Kaffee trinken, schaukeln und über Windeln reden.

»Ich könnte sie bekämpfen. Ich bin daran gewöhnt. Aber dieses Aufgenommenwerden, dieses Selbstverständlich-genommen-werden, das kann ich nicht aushalten, und ich muß es aushalten!«

Abwechselnd verachtete sie sich selbst, weil sie die freundlichen Frauen nicht zu schätzen wußte, und verachtete diese wegen ihrer Ratschläge: düstere Andeutungen über die Schmerzen, die sie bei den Wehen leiden würde, Einzelheiten über Babyhygiene, die auf langer Erfahrung und völligem Mißverstehen beruhten, abergläubische Vorsichtsmaßregeln hinsichtlich der Dinge, die sie in vorgeburtlicher Sorge für die Seele des Kindes essen und lesen und ansehen müßte, und immer ekelhaft süßliches Kindergeschwätz. Frau Champ Perry kam geschäftig und brachte ihr »Ben Hur« als Vorbeugungsmittel gegen Unsittlichkeit des Kindes. Die Witwe Bogart erschien mit albernem Geplapper: »Und wie geht's unserem reizenden kleinen Mutzie heute? Ja ja, es ist ja, wie man immer sagt: die gute Hoffnung macht das Mädelchen so hübsch, grad' wie eine Madonna. Sagen Sie –« ihr Flüstern bekam einen Anstrich von Lüsternheit, »spüren Sie schon, wie das kleine Wutzelchen sich rührt, das Liebespfand? Ich weiß noch mit Cy, natürlich, er war so groß –«

»Ich sehe nicht hübsch aus, Frau Bogart. Mein Teint ist zum Teufel, die Haare fallen mir aus, ich sehe aus wie ein Kartoffelsack, und es ist kein Liebespfand, und ich glaub' nicht an Mutterliebe, und die ganze Sache ist ein verdammt ekelhafter biologischer Prozeß«, versetzte Carola.

Dann kam das Kind zur Welt, ohne besondere Schwierigkeiten; ein Junge mit geradem Rücken und starken Beinen. Am ersten Tag haßte sie ihn wegen der vielen Schmerzen und hoffnungslosen Ängste, die er verursacht hatte; sie ärgerte sich über seine Häßlichkeit. Dann liebte sie ihn mit all der Zärtlichkeit und Triebhaftigkeit, über die sie gehöhnt hatte. Sie bewunderte die Vollkommenheit der Miniaturhändchen ebenso lärmend wie Kennicott; die Vertrauensseligkeit, mit der das Kind sich an sie wandte, überwältigte sie; ihre Leidenschaftlichkeit wuchs mit jeder unpoetischen und unangenehmen Handreichung, die sie ihm zu machen hatte. Er wurde Hugh genannt, nach ihrem Vater.

Hugh entwickelte sich zu einem mageren, gesunden Kind mit großem Kopf und schlichtem, feinen, hellbraunen Haar. Er war nachdenklich und phlegmatisch – ein Kennicott.

Zwei Jahre lang existierte nichts anderes. Sie hörte, wie die zynischen Ehefrauen prophezeit hatten, nicht auf, »sich über die ganze Welt und die Kinder anderer Leute aufzuregen, sobald sie für ihr eigenes kämpfen mußte«. Die Roheit dieser Bereitschaft, andere Kinder zu opfern, damit das eigene zuviel haben könne, war für sie etwas Unmögliches.

Hugh war ihr Lebensgrund, das Versprechen auf Vervollkommnung in der Zukunft, Altar der Anbetung – und amüsantes Spielzeug. »Ich dachte, ich würde eine dilettantische Mutter sein, aber ich bin ebenso entsetzlich natürlich wie Frau Bogart«, prahlte sie.

Zwei Jahre lang gehörte Carola zur Stadt; war sie ebenso eine Unserer Jungen Mütter wie Frau McGanum. Ihr Widerspruchsgeist schien tot zu sein; sie zeigte keine Fluchtwünsche; ihr Denken konzentrierte sich auf Hugh. Während sie das rosige Gewebe seines Ohrs bewunderte, jubelte sie: »Neben ihm komme ich mir vor wie ein altes Weib, das eine Haut wie Schmirgelpapier hat, und ich freu' mich darüber! Er ist vollkommen. Er soll alles haben. Er soll nicht immer hier in Gopher Prairie bleiben … Was wäre eigentlich am besten, Harvard oder Yale oder Oxford?«

2

Ihr Kreis wurde auf glänzende Weise erweitert durch Herrn und Frau Whittier N. Smail – Kennicotts Onkel Whittier und Tante Bessie.

Der echte Hauptstraßler definiert einen Verwandten als Menschen, in dessen Haus man uneingeladen geht, um so lange zu bleiben, wie man Lust hat. Wenn man hört, daß Lym Cass auf seiner Reise nach dem Osten die ganze Zeit in Oyster Centre »zu Besuch« war, so heißt das nicht, daß er dieses Dorf dem übrigen Neuengland vorzieht, sondern daß er Verwandte dort hat. Es heißt nicht, daß er seit vielen Jahren mit den Verwandten korrespondiert, auch nicht, daß diese jemals den Wunsch verraten hätten, etwas von ihm zu sehen. Aber »man kann doch nicht erwarten, daß ein Mensch hergeht und sein gutes Geld in einem Bostoner Hotel ausgibt, wenn seine eigenen Vettern dritten Grades im gleichen Staat leben, nicht?«

Als die Smails ihre Molkerei in Nord-Dacota verkauft hatten, besuchten sie Herrn Smails Schwester, Kennicotts Mutter, am Lac-qui-Meurt, dann kamen sie nach Gopher Prairie, um ihren Neffen aufzusuchen. Sie erschienen unangemeldet, noch bevor das Kind auf die Welt gekommen war, hielten es für selbstverständlich, daß sie willkommen waren, und begannen sofort darüber zu klagen, daß ihr Zimmer nach Norden ging.

Onkel Whittier und Tante Bessie hielten es für ihr gutes Recht als Verwandte, Carola auszulachen, und für ihre Pflicht als Christen, ihr zu verstehen zu geben, wie lächerlich ihre »Ideen« seien. Sie hatten etwas gegen das Essen einzuwenden, gegen Oscarinas Unfreundlichkeit, gegen den Wind, gegen den Regen und gegen die Ungehörigkeit von Carolas Umstandskleidern. Sie waren stark und ausdauernd; sie konnten eine ganze Stunde, ohne eine Pause eintreten zu lassen, danach forschen, was für ein Einkommen ihr Vater gehabt habe, wie es um ihren Glauben bestellt sei und warum sie nicht die Galoschen angelegt hätte, als sie über die Straße ging. Sie hatten ein großes, reiches Talent für langweilige Diskussionen, und ihr Beispiel entwickelte in Kennicott eine Neigung zur gleichen Form liebevollen Nörgelns.

Die Smails »hielten nichts von dem ganzen Unsinn mit privaten und eigenen Angelegenheiten«. Als Carola einen Brief von ihrer Schwester auf dem Tisch liegengelassen hatte, mußte sie zu ihrem Erstaunen von Onkel Whittier hören: »Deine Schwester sagt, ihrem Mann geht's sehr gut. Du müßtest sie öfter besuchen. Ich hab' Will gefragt, und er sagt, du besuchst sie nicht sehr oft. Wirklich! Du solltest sie öfter besuchen!«

Es war reine Liebe.

Carola entdeckte, daß es etwas gibt, was noch unangenehmer ist als vernünftiger Haß: fordernde Liebe.

Sie glaubte in der Anwesenheit der Smails angenehm dumm und normalisiert zu sein, aber diese rochen die Ketzerin, saßen in vorgebeugtem Entzücken da und suchten ihr ihre albernen Vorstellungen zu entlocken, um sich darüber belustigen zu können. Sie waren wie der Pöbel, der an Sonntagnachmittagen die Affen im Zoo anstarrt, die Finger durch das Gitter steckt, Gesichter schneidet und über den Unwillen dieser würdevolleren Rasse kichert.

Mit einem großmäuligen, überlegenen Dorflächeln fragte Onkel Whittier: »Was ist das, Carrie, was man mir erzählt: du meinst, Gopher Prairie müßte ganz niedergerissen und neu aufgebaut werden? Ich weiß nicht, wo die Leute diese neumodischen Ideen herkriegen. 'ne Menge Farmer in Dacota haben sie jetzt auch. Über Genossenschaftssachen. Bilden sich ein, daß sie 'n Laden besser führen können als 'n Kaufmann! Hu!«

»Whit und ich haben keine Genossenschaften gebraucht, wie wir noch unsere Farm gehabt haben!« triumphierte Tante Bessie. »Carrie, sag' mal deiner alten Tante: gehst du am Sonntag mal in die Kirche? Du gehst manchmal? Aber du solltest jeden Sonntag gehen! Wenn du so alt sein wirst wie ich, dann wirst du schon lernen, daß Gott, ganz egal, was obergescheite Leute auch von sich glauben, daß Gott eine ganze Menge mehr weiß als die, und dann wirst du's einsehen und froh sein, wenn du in die Kirche gehen und deinem Pastor zuhören kannst!«

Mit wechselnder Geduld wartete Carola auf den köstlichen Tag, da die beiden von ihrer Abreise sprechen würden. Nach drei Wochen bemerkte Onkel Whittier: »Uns gefällt Gopher Prairie recht gut. Ich glaub', wir werden vielleicht dableiben. Wir haben schon immer drüber nachgedacht, was wir anfangen sollen, jetzt wo wir die Molkerei und die Farmen verkauft haben. Deshalb hab' ich jetzt auch mal mit Ole Jenson über sein Lebensmittelgeschäft geredet, ich werd' ihn wohl auskaufen und 'ne Zeitlang Laden halten.«

Er tat es.

Carola rebellierte. Kennicott beruhigte sie: »Ach, wir werden sie nicht viel sehen. Sie werden ja ihr eigenes Haus haben.«

Sie beschloß, so eiskalt zu sein, daß die beiden sich fernhalten würden. Doch sie hatte kein Talent für absichtliches Grobsein. Die Smails fanden ein Haus, aber Carola war nie sicher davor, daß sie plötzlich erschienen und herzlich riefen: »Wir haben gemeint, wir könnten heute abend rüberschauen und dir 'n bißchen Gesellschaft leisten. Nanu, du hast ja die Vorhänge noch immer nicht gewaschen!«

Tante Bessie war eine Brücke, über welche die älteren Frauen, Ratschläge bringend, in Carolas Insel der Zurückgezogenheit eindrangen. Tante Bessie redete der guten Witwe Bogart zu: »Springen Sie recht oft zu Carrie hinüber. Heutzutage verstehen die jungen Leute nicht so das Wirtschaften wie wir.«

Frau Bogart zeigte sich durchaus bereit, die Zusatzverwandte zu spielen.

Carola dachte an Grobheiten zu ihrem Schutz, als Kennicotts Mutter kam und zwei Monate bei Bruder Whittier blieb. Carola hatte Frau Kennicott gern. Sie konnte ihre Grobheiten nicht loswerden.

Sie fühlte sich befangen.

Sie war von der Stadt vergewaltigt worden. Sie war Tante Bessies Nichte, sie hatte Mutter zu sein. Man erwartete von ihr, fast erwartete sie es selbst, daß sie in alle Ewigkeit dasäße und von Kindern, Köchinnen, Stickstichen und Kartoffelpreisen spräche oder darüber diskutierte, ob den einzelnen Ehegatten Spinat schmecke oder nicht.

In der Lustigen Siebzehn fand sie eine Zuflucht. Mit einemmal begriff sie, daß sie sicher sein konnte, dort mit den jungen Frauen über Frau Bogart zu lachen; sie sah in Juanita Haydocks Klatsch jetzt nicht mehr etwas Vulgäres, sondern Fröhlichkeit und bedeutende Analyse.

Ihr Leben hatte sich geändert, schon bevor Hugh erschien. Sie wartete auf die nächste Bridgepartie der Lustigen Siebzehn und auf das Flüstern mit ihren lieben Freundinnen Maud Dyer und Juanita und Frau McGanum.

Sie gehörte der Stadt an. Die Philosophie und die Fehden der Stadt beherrschten sie.

3

Als Vater sah Kennicott sich bewogen, die erste Kindergesundheitswoche Gopher Prairies ins Leben zu rufen. Carola half ihm Babies wiegen und ihnen in den Hals sehen, sie schrieb stummen deutschen und skandinavischen Müttern die Diät für Kinder auf.

Die Aristokratie Gopher Prairies, sogar die Frauen der ärztlichen Rivalen beteiligten sich, und einige Tage herrschte Gemeinschaftsgeist und großer Aufschwung. Aber die Macht der Liebe fand ein Ende, als der Preis für das prächtigste Baby nicht deinen Eltern, sondern Bea und Miles Bjornstam zugesprochen wurde! Die guten Ehefrauen starrten Olaf Bjornstam, seine blauen Augen, sein honigfarbenes Haar, seinen tadellosen Rücken an und bemerkten: »Na, Frau Kennicott, vielleicht ist das Schwedenbalg ja wirklich so gesund, wie Ihr Mann meint, aber ich muß Ihnen schon sagen, daß es mir fürchterlich ist, an die Zukunft zu denken, die einen Jungen erwarten muß, der ein Dienstmädchen zur Mutter und einen schrecklichen gottlosen Sozialisten zum Pa hat!«

Sie raste, aber der Zug der allgemeinen Achtbarkeit war so heftig, Tante Bessie mit ihren schwatzhaften Besuchen so hartnäckig, daß sie verlegen war, als sie Hugh mitnahm, um ihn mit Olaf spielen zu lassen. Sie haßte sich selbst, weil sie hoffte, daß niemand sie zu Bjornstams Häuschen gehen sähe. Sie haßte sich und die gleichgültige Grausamkeit der Stadt, als sie sah, daß Bea beiden Kindern die gleiche strahlende Hingabe widmete; als sie sah, wie still und ernst Miles die Kleinen betrachtete.

Er hatte Geld gespart, hatte Elders Hobelwerkstatt verlassen und auf einem leeren Grundstücke in der Nähe seines Häuschens eine Molkerei eröffnet. Er war stolz auf seine drei Kühe und sechzig Hühner und stand des Nachts immer auf, um nach ihnen zu sehen.

»Bevor Sie sich nur umdrehen können, werd' ich ein großer Farmer sein! Ich sag' Ihnen, der kleine Olaf da wird mit den Haydockkindern in ein College im Osten gehen. Äh – 'ne Menge Leute kommen jetzt her und schwatzen mit Bea und mir. Ja! Einmal ist Ma Bogart gekommen! Sie war – Mir hat die alte Dame ausgezeichnet gefallen. Und der Vorarbeiter von der Mühle kommt immer her. O ja, wir haben 'ne Menge Freunde. Klar!

4

Obgleich die Stadt sich für Carola nicht mehr zu ändern schien als die Felder und Wiesen, die sie umgaben, war in diesen drei Jahren ein ständiges Hin und Her. Die Bewohner der Prärie ziehen immer westwärts. Vielleicht ist es das Erbe alter Wanderungen – vielleicht aber finden sie in ihrem Geist nur so kleine Erlebnisse, daß es sie treibt, sie zu suchen, indem sie ihre Umgebung wechseln. Die Städte bleiben unverändert, doch die einzelnen Gesichter wechseln wie die Jahrgänge in einer Schule. Der Juwelier Gopher Prairies verkauft, aus keinem ersichtlichen Grund, und zieht nach Alberta oder in den Staat Washington, um einen Laden zu eröffnen, der seinem früheren gleicht wie ein Ei dem anderen, in einer Stadt, die der früheren Stadt völlig gleich ist. Es gibt, von den Akademikern und den Wohlhabenden abgesehen, wenig Beständigkeit im Wohnen und im Beruf, Man wird Farmer, Kaufmann, Stadtpolizist, Monteur, Restaurantbesitzer, Postmeister, Versicherungsagent und wieder Farmer, und die Gemeinschaft leidet mit mehr oder weniger Geduld unter dem Mangel an Kenntnis, den man bei jedem dieser Experimente zeigt.

Der Kaufmann Ole Jenson und der Fleischer Dahl wanderten nach Süd-Dakota und Idaho aus. Luke und Frau Dawson steckten tausend Acker Prärieland in der zauberhaften tragbaren Gestalt eines kleinen Scheckbuchs in die Tasche und gingen nach Pasadena: eine kleine Villa, Sonnenschein und »Cafeterias«, Chet Dashaway verkaufte sein Möbel- und Leichenbestattungs-Geschäft und wanderte nach Los Angeles, wo, wie der »Unverzagte« berichtete, »unser guter Freund Chester einen schönen Posten in einer Land- und Heimstättenagentur angenommen hat, und er und seine Frau in den reizenden Gesellschaftskreisen der Königin unter den Städten des Südwestlandes sich derselben Beliebtheit erfreuen, die sie auch in unserer Gesellschaft genossen haben«.

Rita Simons heiratete Terry Gould und machte Juanita Haydock Konkurrenz als munterste der Jungverheirateten. Doch auch Juanita erwarb Verdienste. Harrys Vater starb, Harry wurde Seniorchef des Bon Ton-Ladens, und Juanita zeigte sich unangenehmer, boshafter und klatschhafter denn je. Sie kaufte sich ein Abendkleid, in dem sie der Lustigen Siebzehn zur allgemeinen Verwunderung ihre Schlüsselbeine zeigte, und sprach davon, nach Minneapolis überzusiedeln.

Carola sprach Kennicott von der Wahrscheinlichkeit, daß Montana und Oregon bessere Gelegenheiten für einen Arzt böten. Sie wußte, daß er mit Gopher Prairie zufrieden war, aber es gab ihr so etwas wie Hoffnung, wenn sie sich in Gedanken damit beschäftigen konnte, auf dem Bahnhof Fahrpläne zu studieren und mit unruhigem Zeigefinger über Karten zu fahren.

Dem gleichgültigen Beobachter jedoch erschien sie nicht unzufrieden, erschien sie nicht als anormale und betrübende Verräterin am Glauben der Hauptstraße.

Seitdem sie das Kind hatte, nahm sie Gopher Prairie und das braune Haus ernst und betrachtete sie als natürliche Stätten des Wohnens. Sie machte Kennicott Freude, indem sie in ebenso beschaulicher Reife wie Frau Clark und Frau Elder freundlich war, und als sie oft genug über den neuen Cadillac der Elders gesprochen hatte, oder über den Posten, den der älteste Sohn Clarks jetzt im Kontor der Mühle bekleidete, wurden ihr die Themen wichtig.

Da neun Zehntel ihres Gefühlslebens auf Hugh konzentriert waren, kritisierte sie nicht Läden, Straßen, Bekannte … in diesen ein oder zwei Jahren. Sie lief in Onkel Whittiers Laden, um ein Paket Maisflocken zu holen, sie hörte zerstreut zu, wenn Onkel Whittier Martin Mahoney anklagte, er habe behauptet, daß am letzten Dienstag Süd- und nicht Südwestwind gewesen sei, sie ging zurück durch Straßen, die weder Überraschungen noch erschreckend fremde Gesichter zeigten. Ihre Gedanken beschäftigten sich unterwegs mit Hughs Zahnen, sie dachte nicht daran, daß dieser Laden, diese langweiligen Häuserblocks der Hintergrund ihres ganzen Lebens waren. Sie tat ihre Arbeit und triumphierte, wenn sie den Clarks beim Bridge fünfhundert Points abgewann.

5

Das bedeutsamste Ereignis in den zwei Jahren nach Hughs Geburt war Vida Sherwins Abgang von der Hochschule und ihre Heirat. Carola war Trauzeugin, und da die Hochzeit in der Anglikanerkirche stattfand, erschienen alle Damen in neuen Glacépumps und langen weißen Glacéhandschuhen und sahen fein aus.

Seit Jahren war Carola Vidas kleine Schwester gewesen, ohne auch nur zu ahnen, in welchem Maße Vida sie liebte und haßte, in welch seltsamer Gefühlsverwirrung Vida an sie gebunden war.


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