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Spiralen, Sterne, Strahlen, Glanzlichter, Zickzacklinien –
GEREDE
wie, radikales Gerede, fortschrittliches Gerede, liberales Gerede, Zukunftsgerede, ernstes Gerede, intuitives Gerede,
wie, von Roget, von Thesaurus, zu,
schreien, brüllen, rufen, bellen, poltern, hallorufen, hurraschreien, gellen, bellen, heulen, schrillen, kreischen, quieken, jaulen, zirpen, quäken, winseln, schreien, piepen, pfeifen, kläffen, lautbrüllen, die Stimme erheben, die Stimme anschwellen lassen, ausrufen, aufschreien, losbrüllen, ausschreien, die Luft zerreißen, mit aller Stimmkraft brüllen,
wie, in einer radikalen Partei in einer radikalen Partei in einer radikalen Partei,
wie,
von,
Tom Mooney
Bewährungsfrist in Gefängnissen
Stalin
Sterilisation der Ungeeigneten, ungeeignet wofür
Kulaken
Gastonia
Homosexualität
Regierung durch Kommissionen
Syndikalismus
Haiti, Lage in
Nicaragua, Lage in
China, Lage in
Oberschlesien, Lage in
Liberia, Land der edlen Freien, Lage in
Homosexualität
Todesstrafe
Geburtenreglung
Goldstandard
Drüsen
Sacco und Vanzetti
Ramsay MacDonald
Senatoren, Lage in
A. F. of L.
A. F. von Matty Woll
soziale Gleichheit
Rassengleichheit
was ist Gleichheit
Homosexualität
Majorität Kommunistische Partei keine Chance ohne Bill Foster
aber wenn Bill Haywood am Leben geblieben wäre
Homosexualität, Lage in, Vorurteile gegen, warum nicht
Tom Mooney
Zoll, nieder mit dem Zoll
Stahlindustrie, Lage in
keine Lage da
Homosexualität
Rand school
soziale Krankheiten – wieso sozial
Mazedonische Irredenta wo liegt Mazedonien
Mexico irredento
die J.A.B. der A.I.C.P. & die C.O.S.
die I. L. D.
die L. I. D.
die A. A. A. A.
nicht die A. A. A. keineswegs
die T. U. L.
die L. I. P. A.
die N. A. A. C. P.
die American Civil Liberties Junion
die Theatre Guild
Clarence Darrow
Freud
Adler
Jung
Bertrand Russell
John Devey
AI Smith
Sam Gompers
die Einheitsfront
die Llano Colony
Mooney und Billings
aber keineswegs Billings und Mooney
Lage
GEREDE
wie,
zu,
schreien, brüllen, bellen, blöken, blaffen, lautgeben, belfern, jappen, knurren, jaulen, grunzen, brummen, kollern, wiehern, i-an, mauen, miauen, schnurren, katermauzen, bläken, muhen, krächzen, krähen, bullern, kakeln, gackern, gurgeln, summen, zischen, schnattern
wie,
GEREDE
mit,
all die verschiedenen Sorten, Arten und Klassen von Personen, die an der Reformierung der Welt interessiert sind, sei es aus lebhaftem Moralgefühl, strengem Fanatismus, wegen des hervorragenden Vergnügens des Unfugstiftens, der Aufrechterhaltung wöchentlicher Gehälter, des allen zu reichen Frauen gemeinsamen Bedürfnisses, gelernte Revolutionäre brav und artig an ihrem Dinnertisch zu sehen,
wirklich, alle diese Jünger der Justiz
wie,
Redakteure von umstürzlerischen Zeitschriften
kommunistische Agitatoren gegen Bürgschaft entlassen
Statistiker
Vorsitzende von Textilarbeiter-Gewerkschaften
Lektoren von Columbia
Mitglieder der Lucy Stone Liga
sozialistische Reporter von republikanischen Zeitungen
Bankiersfrauen, die sich an ihren Männern rächen, indem sie Bürgschaft für Kommunisten leisten und ihnen Champagner geben, wo sie eigentlich Haferbrei brauchen, sie brauchen beide Haferbrei, sowohl die Bankiersgatten wie die Kommunisten, aber die Bankiersfrauen, die Bankiersfrauen, die lustigen Bankiersfrauen, die sollen verdammt sein, wenn sie Haferbrei kochen um des Glaubens willen – es ist viel schöner, trala, trala, wenn die Butler den Champagner den hungernden Bolschewisten einschenken wieder und wieder
Antichambristen für Rumänien, für Nord-Dakota, Volkslied, Navajos, Vegetarismus, Singvögel, und die Ausbildung von schlauen kleinen Judenjungs in Bildhauerei, damit sie später etwas davon haben, trala, beim Modellieren von Herrenanzügen
Ausländer (1) mit Bärten (2) mit Bärten
all diese blankpolierten weltverbessernden Seelen und alle voll, nicht wie auf einer literarischen Gesellschaft in Greenwich Village von Gin, sondern voll von
GEREDE.

 

Das Gerede dieses Abends, gelegentlich einer von Radikalen und Fortschrittsfreunden dicht bevölkerten Abendgesellschaft, kam in zitternden Wellen zu Ann zurück, als sie in ihrem Doppelbett neben Russell lag. (Sie hätte gern ein Zimmer für sich, aber er fand, es wäre so »so viel lustiger«.) Sie empfand es nicht als Töne, sondern als flammende Figuren hinter ihren geschlossenen Augenlidern.

Trotz ihrer jahrelangen Betätigung in der »Sozialarbeit« hatte sie nur wenige nahe Freunde. Aber Russell war ein Beau Brummel des Liberalismus. Er mußte viele Stimmen hören. Er war unglücklich, wenn er nicht zu jeder öffentlichen Angelegenheit eingeladen wurde. Er fühlte sich elend, wenn er nicht von jeder Berühmtheit – seiner Welt – anerkannt wurde.

Denn es gibt ebenso viele Arten von Berühmtheiten, wie es Berufe gibt. Nur wenige Menschen sind universell berühmt; 1932 zum Beispiel gab es in der ganzen Welt nur Colonel Lindbergh, George Bernard Shaw, den Prinzen von Wales, den Kaiser, Freud, Einstein, Hitler, Mussolini, Ghandi, Hindenburg, Greta Garbo, Stalin, Henry Ford und vor allem Al Capone; und von diesen vierzehn werden 1935 fünf vergessen sein. Aber es gibt Ingenieure, die unter Ingenieuren berühmt sind; es gibt Doktoren, deren Rekordzeit im Herausreißen von Wurmfortsätzen den Medizinmännern in Kamschatka und in Paris bekannt ist; es gibt chemische Reiniger, deren Erscheinen auf dem Podium bei Reichskongressen der Wäschereifachleute die Gläubigen veranlaßt, zu hysterischer Begrüßung von den Sitzen zu springen; es gibt Schriftsteller, deren Namen ein Jahr nach ihrem Tode noch Bücherrezensenten vertraut sind. So sind in Reformkreisen der Mann, der der Vor-Abstimmung in Nebraska zum Erfolg verholfen hat, und die Frau, die ein Jahr lang Richterin am Jugendgericht in Miami war, buchstäblich Dutzenden von Leuten bekannt, und es juckte Russell, sich mit solchen Maestri zu zeigen. Er nahm an Banketten teil. Er stellte Redner vor. Er unterzeichnete an den Kongreß gerichtete Gesuche um Abschaffung von Armut und Sünde. Es beglückte ihn, daß er einer von den siebzig Ehrenvizepräsidenten von Vereinigungen war, die die Aufhebung der Sonntagsruhe-Gesetze oder die Entlassung aller wohlgesinnten, wegen Verprügelns von Polizisten eingesperrten Aufrührer aus dem Gefängnis verlangten. Und ganz abgesehen von diesen weihevolleren Beschäftigungen, machte es ihm einfach Spaß, auszugehen.

Ann war immer gern ausgegangen – in Theater und Konzerte, zu friedlichen Stunden an Dr. Wormsers Kamin. Aber Russell sehnte sich nach Gerede und Lebhaftigkeit und stimmgewaltiger Lösung des Unlösbaren. Keine Betrunkenheit – keine haltlose Bohemewirtschaft. Auf seinen Gesellschaften hatte man keinen Gin nötig. Diese Leute verschafften sich genügenden Schwung aus der Schlechtigkeit begüterter russischer Kulaken und der Tugend begüterter Farmer aus Dakota.

 

An solch einem Abend geistiger Zerstreuung sah Ann Pearl McKaig wieder, diese magere und ernsthafte, eierstirnige junge Frau, die ihr einstmals im Point Royal College Vorwürfe darüber gemacht hatte, daß sie zu sehr nach Beliebtheit hasche. (Jetzt kam es Ann seltsam vor, daß die unsichere, naive Ann Vickers jener Tage jemals, selbst von Pearl, für allzu sanft und beeinflußbar hatte gehalten werden können!) Pearl war als Fürsorgerin nach New York gekommen; sie war Propagandistin für Konsumvereine gewesen; nach dem Krieg Propagandistin für Mazedonien; dann war sie ganz ins Tiefe gesprungen und eine richtige Kommunistin geworden. Sie machte organisatorische Arbeit für die Trade Union Unity League, die kommunistische Konkurrenz der American Federation of Labor; sie stieg auf alles, von der Seifenkiste bis zur Kanzel einer Kirchenhalle in Kansas City, um Kommunismus zu predigen; sie schrieb für den Daily Worker Artikel, in denen sie erklärte, alle Sozialisten und Liberalen seien Geheimagenten von J. Pierpont Morgan; und sie trug, ausnahmslos, ein braunes Wollkostüm, Baumwollstrümpfe, Haferlschuhe und eine Windjacke aus Gemslederimitation. Für Pearl waren Abendkleider, Kirchen, James Branch Cabell, Fleischgenuß, das Halten von Dienstboten, Walter Pater, Herbert Hoover, Clarence Darrow, Lackschuhe, Zigarren, Wein, Angelngehen, Joseph Hergesheimer, das Ritz-Hotel, Kabinen erster Klasse auf Dampfern, Oswald Garrison Villard, Anlagen in Stahlaktien, Trotzki, der Prinz von Wales, der Papst, die New York Times, Evening Post, Sun, und Herald Tribune, Heywood Brown, seidene Unterwäsche, Zigarettenspitzen aus anderem Material als Papier, Japan, Wohltätigkeitsgesellschaften, Zoten, Diamanten, Aucassain und Nicolette, Harvard, Polo, William Randolph Hearst, Einheitssteuern, Ramsay MacDonald, Golf, Weihnachten, Velasquez, Rouge, Tolstoi, Badesalz, Peter Kropotkin, Avagadobirnen, die Saturday Evening Post, Bankiers, Rechtsanwälte, Doktoren, das Liegen in der Sonne (es sei denn zweckbewußt und in Gegenwart anderer Nacktkulturler aller drei Geschlechter) Evelyn Waugh, Polen, H. G. Wells, Norman Thomas, Roy Howard, Batisttaschentücher, Aufstehen nach sechs Uhr morgens, Pullmanwagen, die New Republic, Anglokatholiken, Baptisten von den Drei Samen im Geiste, Christian Scientisten, das Redbook, der Cosmopolitan, der New Yorker, H. L. Mencken, John D. Rockefeller, erste, zweite und dritte Ausgabe, Will Rogers, alle Autos außer Ford und altgekauften Chevrolets, Dean Kirchwey, die Vogue, die Chicago Tribune, Kardinal Hayes, Jane Addams, die Nationale Vereinigung zur Hebung der Farbigen Rasse, Palm Beach, Roulette, Gin, Trüffeln, Schlafröcke außer solchen, die aussahen wie Pferdedecken, Taxis und Dr. Ann Vickers – für Pearl war all dies in gleichem Maße bourjuy, lasterhaft, individualistisch, altmodisch und schlechthin verräterisch gegen die Arbeiterklasse und die U.S.S.R.

Sie sprach zu Ann mit der kalten Ruhe einer Äbtissin: »Versuchst du immer noch, das kapitalistische System durch Reformen auszuflicken? Ich glaube, du verdienst eure dunkelsten Strafzellen für politische Gefangene.«

»Aber sicher!« sagte Ann mit der stürmischen Idiotie, die chemisch reine Seelen wie Pearl in menschlichen Wesen auslösen.

 

Während ihrer Flitterwochen hatte Ann Russell vorgeschlagen, sie sollten sich, was sie sich mit ihrem zusammengelegten Einkommen leisten konnten, ein Häuschen in einem Vorort mieten, um ein Heim zu haben anstatt eines Nistplatzes mit den anderen Krähen von Manhattan.

»Aber nein, ich glaube, da hast du unrecht, Liebling!« widersprach Russell. »Wir würden den geistigen Kontakt verlieren, den man in der Stadt hat. Das ist für uns so wichtig. Überleg dir mal, an einem Abend bei Maurice Steinblatt kann man alle Leute treffen und sich genau informieren über Neger-Schnitter, die auf Anteil arbeiten, und über die Liparischen Inseln und den Skandal mit den Auslandsanleihen. O nein! Die Leute in den Vororten sind alle nichts weiter als Bridgespieler!«

Nie in ihrem Leben hatte Ann Bridge gespielt.

Eine Sekunde lang überlegte sie sich illoyalerweise, ob Bridge nicht ganz beruhigend wäre, wenn man sich einen Tag lang damit abgequält hat, jungen Frauen einzureden, das klösterliche Grau eines Mustergefängnisses wäre erfreulicher als Speakeasies.

 

Sie hatten eine Wohnung in einem alten, beinahe prähistorischen Kasten, weil sie geräumig und billig war; das Haus war 1895 gebaut worden, und seine Außenfront strotzte von Minaretts und maurischen Rundbögen. Die Wohnung lag über einer Verlängerung der Sixth-Avenue-Hochbahn, und diese störte im Verein mit Gemüsekarren, Autos, Lastwagen und Milchkarren Ann die ganze Nacht immer wieder im Schlaf; sie fuhr hoch mit dem Gefühl, es jaulten Leoparden vor dem rohrgeflochtenen Kraal ihres Dschungellagers. Sie hatten Schwaben. Die Wohnung roch nach feuchten Wänden und Kokosläufern.

Aber das Wohnzimmer war zehn Meter lang und fünf Meter hoch, es eignete sich geradezu hervorragend für radikale, und sogar für liberale Abendgesellschaften, zu denen wohl mehr Leute, aber weniger Stimmgewaltige kommen. Zusammen besaßen Russell und Ann ungefähr elfhundert Bücher, eingeteilt in Soziologie, Belletristik und Detektivgeschichten, und das sah sehr gelehrt aus. In dieser intellektuellen Solitude konnte man sich einbilden, daß keine Hochbahnzüge führen – bis ein Hochbahnzug kam.

Hier ließ sie Ozeane und Sturzseen und Brandungen von Gerede über sich ergehen, die sich alle so wenig voneinander unterschieden wie eine Welle von der anderen.

Die Wände des Wohnzimmers zeigten eine Tapete, die gepreßtes braunes Leder vorstellen sollte und mit Leisten aus Fichtenholz, die ein Optimist für Mahagoni halten konnte, in Felder eingeteilt war. Aber sie konnten sich keine neue leisten, vorläufig noch nicht, und Ann machte die Entdeckung, daß Russell diese Sixth-Avenue-Vornehmheit ganz schön fand.

Das Zimmer hatte in einer Ecke einen Alkoven, der nahezu ein abgetrennter Raum war. Als sie die Wohnung mieteten, hatte Ann bemerkt, wie er sehnsüchtig danach hinsah, dann hatte er ihr zugeredet »Das nimmst du als Arbeitszimmer, Herzchen.«

»Nein. Das nimmst du, Ignatz. Im Ernst, ich würde lieber im großen Raum arbeiten. Und außer Lesen tu ich ja zu Hause nicht viel.«

Mit etwas belustigter Zärtlichkeit sah sie ihm zu, wenn er Besuch da hineinführte – manchmal nannte er das Ding seine »Bude«, manchmal »Arbeitszimmer«, manchmal »Büro«, und sie war überzeugt davon, daß er es auch sein »Atelier« genannt hätte, wenn es nicht so klein gewesen wäre. An den wenigen Abenden, an denen er keinen Vorwand zum Ausgehen hatte und niemand beschwatzen konnte, sie zu besuchen, zog er sich in geheimnisvoller, aufgeregter, jungenhafter Weise dahin zurück, und sie sah ihm zu, wie er Marken in sein Album klebte. Er war passionierter Sammler. Er besaß ganze Stöße von ihr völlig unverständlichen Katalogen und Aufzeichnungen über Charkhari-Bildermarken, Dreiecksmarken, Strafportomarken, unperforierte Bögen, Luftpostmarken. Er sah durch ein Vergrößerungsglas, hopste in seinem Stuhl herum, kratzte sich hinter dem Ohr und schnalzte mit der Zunge, wenn er in Musterbögen Schätze entdeckte. Besuchern zeigte er sein Markenalbum, wie sein Bruder Henry, in Syracuse, das Kodakalbum mit den Bildern von Henry jr. im Alter von ein bis elf Jahren vorführte.

Im August, fünf Monate nach ihrer Verheiratung, und eine Woche nach den Sommerferien, die sie auf Russells Drängen auf einem Kongreß für Fortschrittliche Politik in einem Radikalenlager in den Adirondacks zugebracht hatten, bekam Ann aus New Rochelle folgenden Brief von Pat Bramble:

 

Liebe Annie:

Wie gefällt Dir das Verheiratetsein? Warum kommst du nicht mal zum Weekend zu mir heraus? Die Geschäfte gehen nicht allzu gut. Hier in der Stadt ist ein Grundstückmakler, Lester Pomeroy heißt er, ein richtiger Babbitt, einer von den großen dürren lustigen, freundlichen dusligen, der mir alle meine Kunden weggeschnappt hat. Er mag duslig sein, aber er weiß, wie man mit Leuten umgeht, die einen Fünfundsiebzigtausend-Dollar-Palast mit eingelassenem Goldfischteich für fünfunddreißigtausend Dollar haben wollen – sechshundert Dollar und eine Zigarre in bar. Er hat mein ganzes Geschäft an sich gerissen. Und deshalb habe ich ihn geheiratet. Besuch uns doch. Bring Russell mit, wenns nicht anders geht.

Viele Grüße
Pat

 

Sie fuhr hin. Russell nahm sie nicht mit.

Pat und der muntere Mr. Pomeroy hatten sich in einem konventionellen und höchst komfortablen Landhaus im imitierten Kolonialstil niedergelassen: Chintzmöbel, Ohrensessel, Damenschreibtisch, das Eineinhalbmeter-Bücherregal, Grammophon, bunt gekachelte Küche mit elektrischem Kühlschrank, ein kleiner Rasenplatz mit rundem Dahlienbeet, eine Garage für zwei Wagen. Pat hatte ein dünnes geblümtes Hauskleid an und strahlte vor geradezu idiotischer Zufriedenheit.

»Ach Ann«, jubilierte sie, »ich freu mich wie zwei Schneekönige! Mein Alter betet mich an. Er hält mich für eine Mischung aus Mrs. Browning und Mary Pickford. Wir wollen Kinder haben, wenn ich nicht zu alt dazu bin. Aber, ach Annie, es geht nicht nur um die süße Romantik. Es geht um die hundsgemeine gewöhnliche Ordinärheit, sich beschützt zu fühlen – ich meine, soweit es sich um Geld handelt; daß man nicht morgens früh aufzustehen braucht, jeden Morgen, und ins Büro rennen und sich den ganzen Tag mit einem Haufen ausgekochter Männer herumschlagen muß. Wenn ich Lust habe, kann ich wirklich im Bett liegen bleiben und mir vom Mädchen Frühstück bringen lassen! Und ich bin dahinter gekommen, daß ich all diese Jahre meine Sehnsucht nach einem Haus und neuen blanken Schüsseln und Gärten und Besenschränken für mich selber in das Geschäft mit Vorortsgrundstücken hineingelegt habe! Ich überleg mir manchmal, ob du in deine Gefangenenfürsorge nicht eine Menge verdrängte Sehnsucht nach Kindern hineinsteckst. Ich will dir mal das Haus zeigen. Als Verkäuferin würde ich es ungefähr auf Klasse E2 taxieren. Als Hausfrau taxiere ich es etwas höher als Windsor Castle. Aber ich will dir was sagen: ich liege nicht auf der faulen Haut. Ich kann sogar Mr. Pomeroy ein paar Tips über die eselhafte Rasse der Frauen geben und wie man ihnen was verkaufen muß. Letzten Dienstag hab ich selber ein Haus verkauft, und ich kriege die Provision! Aber es nicht mehr zu müssen – großartig! Komm, sieh dir die Bude an!«

Wenn Ann beim Anblick des Tischzeugs aus russischem Leinen, des Gas-Trockenapparates, der hübschen Bettdecken auch nicht ganz so sentimental wurde wie Pat, so empfand sie doch den Wunsch, auch selbst so etwas zu haben.

Sie saßen ganz gemütlich in Korbstühlen auf dem winzigen Rasenplatz. Ann dachte mit Bitterkeit daran, wie wohltuend es war, nicht Russells betriebsame intellektuelle Lautheiten mitanhören zu müssen.

Am Abend kamen Nachbarn zu Besuch, solide nette Leute, und es gab Bridge, Sandwiches und Bier.

Sie lag in ihrem sauberen, hellen Schlafzimmer und lauschte dem silberfarbenen Fluß des Schweigens. Das Gezirp der Insekten klang wie ein Orchester von Maultrommeln, aber das war nur die Begleitmusik zu der Stille.

Früher einmal hatte sie sich rechthaberisch über Leute aufgeregt, die vom Klang der Farben und vom Geruch der Sechsecke sprachen und davon, daß Flötentöne sich glatt und kühl anfühlten, aber in den letzten zwei Monaten hatte sie den Lärm der Stadt, das unaufhörliche quälende Geräusch in der Nacht deutlich gesehen; es erschien ihr als ein düsterer verkommener Hafen voll brennender Schiffe.

Als sie erwachte, war heller Sonnenschein, und die Rotkehlchen sangen; kein Ölgeruch von der Hochbahn verpestete die Luft.

»So werden Pride und ich wohnen«, sagte sie.


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