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Elftes Buch.
Liturgie.

Die jüdische Liturgie ist überaus reich und mannigfaltig. Fast jedes Jahrhundert hat seinen Beitrag dazu geliefert, und daher bilden die liturgischen Bücher mehrere dicke Bände. Aber der größere Theil jener Hymnen und Gebete wurden im Mittelalter verfaßt und sind nicht obligatorisch. Die allen Israeliten gemeinschaftlichen Gebete sind die, die dem Synedrium und den Zeiten Esra's zugeschrieben werden, und von diesen wollten wir hier eine Probe geben.

Die drei Zeiten des Gebetes.

Im Laufe des Tages, bei jedem Wechsel des Lichtes, soll der Gläubige sein Gebet an Gott richten.

Am Morgen begrüße der Gläubige die süße Morgenröthe mit diesen Worten: Dank, o Herr, daß du mich aus der Dunkelheit wieder zum Lichte geführt hast.

In der Mitte des Tages, wenn die Sonne mit ihren wärmsten Strahlen die Erde trifft, richte der Gläubige sein Gebet zum Himmel mit diesen Worten: Herr! du hast mir die Gnade gethan, mich die Sonne in ihrer größten Höhe schauen zu lassen; o, so erhalte mir deine Gnade auch, wann die Sonne untergeht.

Am Abend, wenn die Nacht mit ihrem Schleier die Erde bedeckt, drücke sich der Gläubige also aus: Herr, Herr! möge es dir gefallen, mich dem Lichte wieder zurückzugeben.

Rabb. S. 76 b.

 

Anerkennung Gottes und seines Gesetzes.

Wir erkennen an und werden immer anerkennen dein gewisses, untrügliches, gerechtes, unveränderliches, süßes, theures, kostbares, ehrwürdiges, furchtbares, vollkommenes Wort. – Wir erkennen dich an, o Ewiger, Gott, unser König, Hort Israels, Schild unseres Heils. – Er ist der Gott der Zeiten, ewig ist sein Name, ewig sein Thron, ewig sein Leben, ewig und kostbar seine Worte. – Dich anerkannten unsre Väter, wir anerkennen dich, dich werden unsere Kinder anerkennen, dich werden unsere Enkel anerkennen und alle Geschlechter Israels, deines Dieners, die Letzten wie die Ersten. – Zu allen Zeiten warst du die Hülfe unsrer Väter, du bist der Retter ihrer Nachkommen. – Dein Sitz thront hoch und deine Gesetze und Gerechtigkeit verbreiten sich über die ganze Erde. – Glücklich, wer deinen Vorschriften gehorcht und dein Gesetz sich in's Herz legt. – Du Beschützer deines Volkes, du König, groß und mächtig, es zu vertheidigen. – Du erster, du letzter, du einziger König, Befreier, Helfer und Retter.

(Ritual der täglichen Gebete.)

 

Wohlthaten Gottes.

Gelobt seist du, Ewiger, Gott unsrer Väter, Gott Abraham's, Isak's und Jacob's, großer, mächtiger und ehrfurchtbarer Gott, erhabener Gott. – Du übest gütiges Erbarmen, du Herr aller Dinge. – Du gedenkst der Frömmigkeit der Väter, du, durch deine große Güte und zum Ruhme deines Namens, führest den Erlöser ihren Kindern zu. – Gelobt seist du, Ewiger, Schild Abrahams. Ewig Allmächtiger, du giebst Leben den Todten, du bist groß im Helfen. Du schickest den süßen Thau, du bewegest die Winde und giebst Regen, du ernährest gütig alle Lebendigen, du Stütze den Fallenden, Hülfe den Kranken, Freiheit den Sclaven, du hältst Treue auch denen, die im Staube schlafen. – Wer dir gleich? wer dir ähnlich? Du König des Todes und des Lebens, König des Heils. – Du heilig, heilig dein Name und die Heiligen werden dich immer loben und sagen: gelobt der heilige Gott. – Du hast dem Menschen die Vernunft geschenkt, du lehrest den Menschen Einsicht; o so gewähre auch uns Erkenntniß, Verstand und Einsicht; gelobt Gott, der die Vernunft geschenkt hat.

Ebendas.

 

Größe Gottes.

Gott der Herr sei gelobt, gelobt von jeder Lippe. – Das Weltall ist voll seiner Größe und seiner Güte, die Weisheit und die Einsicht stehen bei ihm. – Seine Größe erhebt sich hoch über alle himmlischen Bewohner, seine ehrfurchtbare Majestät über die heiligsten Dinge. – Reinheit und Geradheit stehen vor seinem Throne, mit Barmherzigkeit und Milde ist seine Majestät umgeben. – O, wie schön sind die von Gott geschaffenen Lichter, gebildet mit weiser und bewundernswerther Meisterschaft. – Er begleitete sie mit Stärke und Macht, um als König über dem Erdkreise zu thronen. – Reich an Licht, strahlend von Glanz, erfreuen sie mit theuerm Lichte die Welt. – Froh zeigen sie sich, froh verbergen sie sich und erfüllen ehrfurchtsvoll den Willen ihres Herrn. – Sie geben Ehre und Ruhm seinem Namen, sind Gesänge und Hymnen auf seine Größe. – Er rief die Sonne und die Sonne strahlte von Licht; er bestimmte seine Gesetze dem Monde.

Alle himmlischen Heere geben ihm Lob, es geben ihm Ruhm alle die Engel.

Ebendas.

 

Die menschliche Seele.

Mein Gott! die Seele, die du mir gegeben hast, war rein; du hast sie geschaffen, hast sie gebildet, hast sie in mich gehaucht; du bewahrest sie mir jetzt; du wirst sie eines Tages nehmen, um sie in den zukünftigen Zeiten leben zu machen. Ich werfe mich vor dir nieder, Herr aller Dinge, Herr der Seelen, gelobt du, o Gott, der du die Seelen den tobten Körpern wiedergeben kannst.

Ebendas.

 

Nichtigkeit des Menschen.

O Herr aller Welten! Wir vergießen Thränen und Gebete vor dir, vertrauend, nicht auf unsre Verdienste, sondern auf deine unendliche Barmherzigkeit. O, was sind wir? was ist unser Leben, was vermögen unsre Verdienste, unsre Kraft, unsre Macht? Was können wir sagen, o Ewiger, Gott! Die Starken sind bei dir nichts; die Berühmtesten auf Erden sind, wie wenn sie nie gelebt hätten; die Weisen sind wie ohne Einsicht; die Klugen sind wie verstandlos; denn der größte Theil ihrer Werke und ihres Lebens sind vor dir Eitelkeiten.

Anrufung des göttlichen Beistandes.

Möge es dir gefallen, ewiger Gott, uns zu durchdringen mit deinem Gesetze, uns zu unterrichten von deinen Vorschriften, uns zu entfernen von den Sünden, von den Vergehungen, von den Prüfungen, von der Erniedrigung. Errette uns von der Herrschaft der bösen Leidenschaften, entferne uns von den Bösewichtern, rege unser Gemüth an zu den guten Gefühlen, zu den guten Werken; beuge unsern Sinn, dir zu dienen, mache, daß wir dir angenehm, angenehm Allen seien; übe Barmherzigkeit an uns: gelobt Gott, der Barmherzigkeit übt an Israel.

Ebendas.

 

Bußgebet.

Du reichest immer, o Ewiger, unser Gott, gütig die Hand den Sündern; deine Rechte ist immer geöffnet den Bußfertigen. Du unterweisest uns, vor dir alle unsre Sünden zu bekennen, um nachher unsre aufrichtige Buße anzunehmen, nicht anders als wie die angenehmsten Opfer; es ist dies ein Versprechen deines heiligen Wortes. – Ohne Ende sollten die Ganzopfer für unsere Sühne sein, ohne Zahl unsre Opfer. – Aber du weißt, daß wir elende Würmer sind, und darum ist deine Verzeihung leichter und bereiter.

(Rituale für den Versöhnungstag.)

 

Selbstverleugnung.

Mein Gott! bewahre meine Zunge vor dem Bösen, meine Lippen vor Betrug. Mache, daß meine Seele schweige vor dem, der ihr flucht, daß sie eifrig deinen Geboten nachgehe und sich demüthig vor Allen im Staube wälze. Lenke ab und zerstöre die Vorsätze derer, die das Böse gegen mich ersinnen und nimm gütig die Gebete meiner Seele auf.

(Tägliche Gebete.)

 

Dank für die täglichen Wohlthaten.

Wir bringen dir Huldigung, denn du bist der Ewige, unser Gott und Gott unsrer Väter; du verleihst uns das Leben, und unser Leben ist in deinen Händen; du verliehest uns unsre Seelen, und diese sind dir anvertraut. Jeden Tag thust du Wunder und wunderbare Wohlthaten, und jeden Augenblick genießen wir sie. – Für so viele Wohlthaten, danken wir dir Abends, Morgens und Mittags. – Guter Gott! Deine Milde hat keine Grenze. Gütiger Gott, deine Barmherzigkeit ist unendlich; auf dir allein beruht unser ganzes Vertrauen. – Für so viele Güter müssen alle Lebenden dir Huldigung darbringen, Alle in Wahrheit deinen Namen loben. – Gelobt der Ewige! sein Name ist der beste; ihm gebühren die Danksprüche.

Ebendas.

 

Verkündigung des Gesetzes.

Innerhalb der geheimnißvollen Wolke erschienest du, o Herr und offenbartest dich deinem von dir geheiligten Volke: du erschienest deinem Volke, umgeben von Finsternissen und Licht. – Die ganze Welt zitterte und die erschrockne Natur schwieg, als du, o unser himmlischer König, deinem Volke dich kundgabst auf dem Sinai, um es Gesetze und Tugenden zu lehren. – Aus der Mitte der Flammenwirbel erscholl deine Stimme und dein heiliges Wort – aus der Mitte der Blitze und Donner strahlte deine Majestät – wie geschrieben steht in dem heiligen Gesetze etc.

(Ritual für Neujahr.)

 

Die Erwählung Israels.

Unter allen Völkern hast du uns auserwählt, o Gott, Herr, hast uns geliebt, hast uns erkoren; du stelltest uns an die Spitze aller Nationen, uns heiligend durch deine Gesetze, durch deine Befehle; du unser König, hast uns dir genähert. Durch deinen heiligen Cultus und deinen heiligen und ehrwürdigen Namen wolltest du durch uns verkündigt sein.

Du lehrtest uns die Gesetze der Gerechtigkeit, die von dir geliebten Tugenden; du verliehest uns Gebräuche und Vorschriften der Wahrheit und der Billigkeit, die dem Menschen das Leben geben.

(Rituale für die Festtage.)

 

Gebet, um von Gott erleuchtet zu werden.

Du liebtest uns, o Gott, mit ewiger Liebe; du warst uns immer freigiebig an unerschöpflicher Barmherzigkeit. O unser Vater und König! bei deiner Liebe zu unsern Vätern, die auf dich allein vertrauten und von dir liebevoll unterwiesen wurden, bitten wir dich um gleiche Gunst, flehen wir dich, auch uns zu unterweisen. – O unser Vater! immer gütiger Vater, habe Mitleid mit uns. Mache, daß unsre Seele lerne, begreife, verstehe deine heiligen Vorschriften und mit Liebe sie ausführe. – Erleuchte unsre Augen in deinem Gesetze, schließe unser Herz an deine Milde, mache, daß unsre ganze Seele sei, dich zu lieben und deinen heiligen Namen zu verehren.

(Tägliche Gebete.)

 

Gebet um die Erlösung.

Laß erschallen die große Trompete, Verkündigerin unsrer Befreiung; erhebe das Panier der Erlösung den Zerstreuten auf der ganzen Oberfläche der Erde; gelobt Gott, der die Zerstreuten Israels zu sich versammelt. – Beschleunige den Triumph deiner Gesetze, deiner Rathschlüsse, herrsche du selbst mit deiner Gerechtigkeit und Milde; gelobt Gott, Freund der Milde und Gerechtigkeit. – Für die frommen und rechtschaffnen Menschen, für die Reste deines Volkes werde dein Mitleid rege; verleihe reichen Lohn allen denen, die auf deinen theuern Lohn vertrauen; verleihe auch uns ein gleiches Loos; gelobt Gott, Stütze und Hoffnung der Gerechten.

(Tägliche Gebete.)

 

Anrufung des Reiches Gottes.

Flöße ein, o Ewiger, unser Gott, flöße ein Ehrfurcht vor dir in das Herz aller Menschen, die dein Werk sind; breite aus die Furcht vor dir in der ganzen Schöpfung. Mache, daß alle Wesen dich anbeten, daß alle Geschöpfe vor dir sich niederwerfen; daß Alle zusammen eine einzige Gesellschaft bilden, bestrebt, aufrichtig deinen Willen zu vollführen. Denn dein ist das Reich, in deiner Rechten ist die Kraft und dein Name ehrfurchtbar in der ganzen Schöpfung.

(Gebet für Neujahr.)

 

Das Gericht Gottes.

Der entferntesten Thaten, der ältesten Werke erinnerst du dich, o Gott. – Die verborgensten Dinge, die undurchdringlichsten Geheimnisse kennst du. Die Vergessenheit besteht nicht vor deinem Throne, nichts ist dir verhohlen. Alles weißt du, was geschieht, was geschehen ist, du, der mit deinem Blicke bis zu den letzten Generationen, die geboren werden, hindurchdringst. – Du hast einen Tag der Erinnerung festgesetzt, an welchem jede Seele, jede Person geprüft wird, an welchem, alle Nationen, all die unzähligen Geschöpfe vor Gericht gerufen werden. – Es ist dieses der Jahrestag der Schöpfung, heilig Israel, Tag des Gerichtes für den Gott Israels. – An diesem Tage wird das Schicksal der Staaten ausgesprochen; welcher Frieden haben wird, welcher Krieg; welcher Theuerung, welcher Ueberfluß. – An diesem Tage werden gerichtet alle Personen, die zum Leben, die zum Tode. – Wer entgeht dieser Musterung? Alles Geschaffene stellt sich deinem Geiste vor, das Betragen eines Jeden, die Rathschläge, die Gedanken, die geheimsten Gefühle Aller. – Glücklich der Mensch, der dich nicht vergißt, glücklich der Sohn Adam's, der an dich sich anschließt; denn die auf dich vertrauen, werden nie getäuscht werden.

(Gebete für Neujahr.)

 

Schluß aller Gebete.

Es ist unsre Schuldigkeit, den Herrn aller Dinge zu rühmen, zu verherrlichen den Urheber der Schöpfung, der uns ein Loos gab, verschieden von dem der andern Familien der Erde. Denn wir neigen uns, wir fallen nieder vor dem Könige der Könige, dem Heiligen, Gelobten; vor dem Gott, der die Himmel ausdehnte, der die Erde gründete und den Sitz seiner Allmacht hat in den höchsten Regionen. – Er ist der Ewige, unser Gott und es giebt keinen andern Gott, als ihn; er allein ist Gott.

Darum hoffen wir auf dich allein, o Ewiger; wir hoffen auf den Triumph deiner Größe; wir hoffen, von der Erde genommen zu sehen den Irrthum, zerstört den Götzendienst, erneuert die Welt unter deiner Herrschaft, berufen die Sterblichen, deinen Namen anzurufen, zu dir zurückgewendet alle Sünder, das ganze Weltall erleuchtet von deiner Wahrheit. – Jedes Knie wird sich beugen vor dir allein, jede Lippe wird bei deinem Namen schwören; Alle werden annehmen das Joch deiner Regierung und du allein wirst immer herrschen über Alle.

(Tägliche Gebete.)

 

Hymnen auf Gott.

Es lobe dich, o Gott, Ewiger, die Seele jedes Lebendigen; es verherrliche deinen Namen, o höchster König, der Geist jedes Geschöpfes. – Du bist ewig du selbst, ewig Gott; einen Gott, der hilft, rettet, erlöst, ernährt, der Mitleid übt in jedem Schmerz, haben wir nicht als dich selbst und außer dir keinen.

Du bist Gott der ersten Wesen und der letzten; Gott aller Geschöpfe, Schiedsrichter aller Ereignisse; du regierst die Welt mit Mitleid und die Geschöpfe mit Erbarmen. – Du schläfst nicht, schlummerst nicht; du rüttelst auf die Schlafenden, weckest auf die Schlummernden, richtest auf die Fallenden, heilest die Kranken; dir allein bringen wir Huldigung dar.

Wäre auch unsre Beredtsamkeit weit wie der Ocean, vermöchte auch unsre Zunge so viele Hymnen zu singen, als Wellen des Meeres sind, würde auch unser Wort hinreichen, die Luft-Räume zu umfassen, wäre auch unser Blick leuchtend, wie die Sonne und könnten unsre Hände uns zum Fluge erheben, wie die Adler und wären unsre Füße rasch wie die Hirsche; so vermöchten wir doch nie dir geziemende Huldigung darzubringen, dir gebührend zu danken für den tausendsten, ja der millionsten Theil deiner Gnaden gegen uns und gegen unsere Väter. Du erlöstest uns aus der ägyptischen Sclaverei, du zogst uns unversehrt aus tausend Krankheiten, aus dem Schwerte, aus dem Hunger; deine Milde half uns immer.

Darum werden die Glieder, die du in uns gebildet, der Geist, die Seele, die du in uns hauchtest, die Zunge dir Huldigung bringen und deinen Namen immer loben.

O! es lobe dich jede Lippe, es schwöre in deinem Namen jede Zunge, beuge sich vor dir jedes Knie, werfe sich nieder vor dir jede Person, verehre dich jedes Herz und die innersten Gefühle Aller begleiten die Lobsprüche, die zu dir sich erheben.

Wer ist dir ähnlich? wer ist dir gleich? wer kann mit dir sich vergleichen? Wer kann das, was du kannst? Großer und ehrfurchtbarer Gott, Herr des Himmels und der Erde; wegen der Unermeßlichkeit deiner Macht und des Ruhmes deines Namens loben wir dich, feiern wir dich, preisen wir dich.

(Gebet der Festtage.)

 



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