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Viertes Buch.
Legenden, Parabeln und Principien religiöser Theorie.

Aphorismen.

Die Seele.

Die Seele erfüllt den Körper, wie Gott die Unendlichkeit, sie sieht, und wird nicht gesehen, wie Gott; sie regiert den Körper, wie Gott das Weltall; sie ist von göttlicher Reinheit; sie hat einen geheimnißvollen Sitz, wie Gott. Der mit diesen fünf Gaben ausgestatteten Seele kommt es wohl zu, Lieder der Huldigung zu singen dem Wesen, das diese fünf Eigenschaften besitzt.

Talmud Berachoth S. 10 a.

 

Das menschliche und das göttliche Licht.

Ein Gelehrter wurde befragt, ob man am Sabbathe ein Licht, das einen Kranken belästige, auslöschen dürfe. Er antwortet: »Die Seele wird in der heiligen Schrift ein Licht genannt (Sprüche 20, 17): man verlösche das menschliche Licht vor dem göttlichen Licht.«

Talmud Sabbath S. 30b.

 

Die Gesundheit eines Neugebornen.

Auch für die Gesundheit eines Neugebornen darf man durch Arbeiten den Sabbath entweihen. – Ein Sabbath, entweiht, um ihm das Leben zu retten, wird ihm ein Leben geben, in welchem er viele Sabbathe wird beobachten können.

Sabbath S. 151 b.

 

Das zukünftige Leben.

Das zukünftige Leben ist anders, wie das gegenwärtige. Dort keine Speise, kein Getränke, keine Heirath, kein Geschäft, kein Neid, kein Aerger. Dort erquicken sich die Gerechten mit gekröntem Haupte im göttlichen Schauen.

Talmud Berachot S. 17 a.

 

Belohnungen nach dem Tode.

Wer am Rüsttage des Sabbath (vor dem Tode) arbeitet, wird am Sabbath genießen. Wer nicht arbeitet, wird am Sabbath hungrig bleiben.

Berachoth S. 3 a.

 

Heute wird gethan, morgen (nach dem Tode) wird gezahlt. Deuteronomium Kap. 7, 1.

ebendas.

 

Strafe der Gerechten.

Die göttliche Gerechtigkeit, die die Gerechten auf dieser Erde heimsucht, ist den Gerechten süßer und vortheilhafter, als das Lächeln der göttlichen Langmuth dem Frevler auf dieser Erde.

Sabbath 30 b.

 

Die Furcht Gottes.

Alles kommt von Gott, außer die Gottesfurcht Es ist der freie Wille in Rücksicht der eigenen Handlungen, und das Gesetz der Vorsehung in Rücksicht der menschlichen Begegnisse..

Berachoth S. 33 b.

 

Freier Wille.

Dem, der sich mit der Sünde beflecken will, ist der Weg frei; dem, der sich in dem Gesetze heiligen will, ist die göttliche Gnade bereitwillig.

Sabbath S. 104 a.

 

Zeit des göttlichen Gerichts.

Gott richtet die Nationen, die Großen, die Individuen nicht eher, als bis das Maaß voll ist.

Sota S. 9 a.

 

Die gute Absicht.

Wenn Jemand eine gute That beabsichtigt, und durch Gewalt eines Andern verhindert wird, sie zu vollbringen, so wird sie ihm im Himmel als geschehen angerechnet.

Berachoth S. 6 a.

 

Der nicht gute Gerechte, und der nicht böse Frevler.

Das heilige Gesetz Jesaja Kap. 3 V. 10 und 11. redet von einem guten Gerechten; giebt es denn einen nicht guten Gerechten? Ohne Zweifel. Wer gerecht ist gegen Gott, und nicht gegen die Personen, ist ein nicht guter Gerechter.

So redet das heilige Gesetz Ebendaselbst. von einem bösen Frevler; giebt es denn einen nicht bösen Frevler? Es giebt ohne Zweifel welche. Wer ein Frevler ist gegen Gott und gegen die Personen, ist ein böser Frevler; wer ein Frevler gegen Gott, und nicht gegen die Personen ist, ist ein nicht böser Frevler.

Kiduschin S. 40 a.

 

Diebstahl gegen Gott.

Strafbarer ist der Diebstahl, an einem Menschen begangen, als der Diebstahl, an Gott begangen.

Baba Batra S. 88 b.

 

Der Friede.

Wenn Israel in Frieden und Liebe unter sich lebt, wenn es auch des Götzendienstes sich schuldig gemacht, entgeht es doch dem bösen Verhängniß. Dem Friedfertigen vergiebt Gott seine Sünden.

Rosch haschana S. 17 a.

 

Was Gott verlangt.

Gott verlangt vom Menschen, nach den Kräften des Menschen, nicht nach den Kräften Gottes.

Erkenntlichkeit gegen Gott.

Der Mensch soll von nichts auf Erden genießen, ohne zuvor Gott zu loben, und ihm zu danken.

Berachoth S. 36 a.

 

Die Pforten des Weinens.

Es können im Himmel die Pforten des Gebetes geschlossen sein, aber die Pforten des Weinens sind nie verschlossen Die Pforte des Gebetes verschließen, will sagen: es nicht erhören..

Berachoth S. 32 b.

 

Menschliche Würde.

Kleide dich, und lebe an den Tagen der Feste, wie an den Tagen der Arbeit, lieber, als daß du von der Wohlthätigkeit Anderer abhängst.

Pesachim S. 112 a. Sabbath S. 118.

 

Die Gelübde.

Das Gelübde ist wie ein, einem Götzen errichteter Altar.

Jebamot S. 109 b.

 

Religion aus Interesse.

Wollet Gott nicht dienen, wie ein Mensch dem Menschen dient, um Lohn, sondern dienet Gott ohne Rücksicht auf Lohn.

Aboth Kap. 1.

 

Schwäche des Menschen.

Ein Weiser sagte: Wenn ich nicht für mich sorge, wer soll es denn? Und wenn ich sorge, was vermag ich? und wenn ich nicht sogleich sorge, wird es später noch Zeit für mich sein?

Ebendaselbst.

 

Vorsorge, um nicht zu sündigen.

Willst du der Sünde entgehen? Denke an das, was über dir ist; ein Auge, das Alles sieht; ein Ohr, das Alles hört; ein Buch, wo alle deine Werke eingetragen sind.

Ein anderer Weiser sagte: Willst du der Sünde entgehen? denke an diese drei Dinge: denke, woher du kommst; denke, wohin du gehst; denke, wem du für deine Handlungen wirst Rechenschaft geben müssen.

Aboth Kap. 2 und 3.

 

Der Wille Gottes und des Menschen.

Richte deinen Willen nach dem Willen Gottes, damit Gott seinen Willen nach dem deinigen richte. – Unterdrücke deinen Willen, aus Liebe zu Gott, und Gott wird machen, daß die Andern ihren Willen unterdrücken, aus Liebe zu dir.

Aboth Kap. 2.

 

Sich selbst mißtrauen.

Bis zum letzten Augenblicke des Todes mißtraue dir selbst.

Ebendaselbst.

 

Die göttliche Strafe.

Ein Weiser sah einen Menschenschädel, der in einem Flusse schwamm, und sagte: Du wurdest untergetaucht, weil du Andere untergetaucht hast, und die dich untergetaucht, werden auch untergetaucht werden.

Ebendaselbst.

 

Gott ein guter Bezahler.

Denke an denjenigen, vor dem du arbeitest, und für wen du arbeitest; er ist ein guter Bezahler deines Werkes.

Ebendaselbst.

 

Das Leben ein Tagewerk.

Der Tag ist kurz, die Arbeit viel, träge die Arbeiter, und der Herr drängt. Es ist nicht Schuldigkeit eines einzelnen Menschen, das ganze Werk zu vollbringen; kein Mensch hat den Vorzug der Ausnahme. Der Herr ist ein guter Bezahler, der Lohn wird erst im andern Leben bezahlt.

Aboth.

 

Die von der Religion geweihten Vergnügungen.

Ein Mahl ohne ein religiöses Wort ist ein Todtenmahl. Ein von religiösen Unterredungen geweihtes Mahl ist ein himmlisch Mahl.

Berach S. 38.

 

Das Joch der Religion.

Wer sich dem Joche der Religion unterwirft, ist wahrhaft frei; wer das Joch der Religion von sich abschüttelt, wird ein Sclave der Gesellschaft und der Großen.

Aboth Kap. 3.

 

Gott geben, was Gottes ist.

Ein Weiser sagte: gieb Gott das, was sein ist; sein ist Alles, was dir gehört, und du selbst.

Ebendaselbst.

 

Das Urtheil Gottes und der Menschen.

Wer sich bei den Menschen beliebt macht, wird von Gott geliebt: – von Gott wird nicht geliebt, wer sich bei den Menschen unbeliebt macht.

Ebendaselbst.

 

Israel und die Menschheit.

Theuer ist Israel Gott, denn es wurde sein Sohn genannt, und ist der Träger des heiligen Gesetzes. Theuer ist jeder Mensch Gott, denn er ist sein Ebenbild.

Aboth Kap. 3.

 

Göttliche Gesetze.

Alles ist voraus gesehen; der Wille ist frei – die Güte ist Richterin der Welt; das Urtheil ist nach den Werken.

Ebendaselbst.

 

Diese Welt und die andere.

Diese Welt ist wie ein Vorgemach zur andern. Bereite dich vor im Vorgemach, um im Pallaste aufgenommen zu werden.

Aboth Kap. 4.

 

Eine Stunde Seligkeit im Himmel ist mehr werth, als das ganze Leben.

Ebendaselbst.

 

Bestimmung des Menschen.

Man wird geboren, um zu sterben; man stirbt, um wieder zu leben, man lebt wieder auf, um gerichtet zu werden. Man wird gerichtet, um zu bezeugen, daß Gott, Schöpfer, Zeuge und Richter, nichts vergißt, Niemandem Unrecht thut, unbestechlich ist, und nach den Werken richtet.

Es täusche dich die Hoffnung nicht, eine Zufluchtsstätte im Grabe zu finden, denn, wollen oder nicht wollen, du bist geschaffen, du wirst geboren, du lebst, du stirbst, du bist berufen, Rechenschaft über dich dem unsterblichen Richter zu geben.

Aboth Kap. 4.

 

Unterdrückte und Unterdrücker.

Es ist viel besser, unter die Unterdrückten, als unter die Unterdrücker zu gehören. In der zahlreichen Familie der Vögel ist keiner mehr unterdrückt und verfolgt von den Stärkern, als die Taube, und die Turteltaube, und gerade diese sind es, die der Herr als die angenehmsten für die Opfer erklärt hat.

Baba Kama S. 93 a.

 

Die Geißelungen.

Ein inneres Reuegefühl ist verdienstlicher und wirksamer, als tausend freiwillige Geißelungen.

Berachoth S. 7 a.

 

Die Sünde.

Die Sünde macht das Herz verstockt.

Joma S. 39.

 

Verzögerung der Belohnung.

Der Herr hat den Lohn der guten Werke dem zweiten Leben zugewiesen, damit die Guten im Glauben, und nicht aus Berechnung handeln.

Die Belohnungen der guten Werke sind wie die Früchte der Datteln süß und spät reif..

Jeruschalmi Pea.

 

Maaß in den göttlichen Strafen.

Er giebt die Last nach dem Kameele d. h. Gott straft nicht härter, als der Mensch ertragen kann..

Ketubot 67 a.

 

Macht der Demuth.

Zwei große Gelehrte in Israel waren Hillel und Schamai. Ihre Schüler hatten lange und heftige Streitigkeiten untereinander wegen religiöser Fragen, und waren oft entgegengesetzter Meinung in der Auslegung des Gesetzes. Aber sowohl die Einen als die Andern besaßen große Weisheit, und reine Frömmigkeit.

Und die Tochter der Stimme Tochter der Stimme, eine wunderbare Stimme, von der man glaubte, daß sie vom Himmel käme. hatte die Worte der Einen und der Andern für heilig erklärt.

Dennoch setzte Israel als Norm fest, die Aussprüche der Schüler Hillel's zu befolgen.

Und warum dieser Vorzug?

Weil sie demüthiger waren.

Erubin S. 13 b.

 

Die Ursache der Opfer.

Weidet sich Gott vielleicht am Fleisch und am Blut der Opfer? Warum hat er denn Israel die Opfer vorgeschrieben?

Gott hat die Opfer nicht sowohl vorgeschrieben, als vielmehr nur erlaubt. So sagte Gott zu Israel: »Ihr dürfet nicht glauben, daß die Opfer die Macht haben, meinen Willen zu beugen, noch euch einbilden, mit ihnen mir einen Wunsch zu erfüllen. Denn nicht nach meinem Willen, sondern nach eurem Wunsche opfert ihr.«

Und warum hat das göttliche Gesetz die Opfer erlaubt? Ein Sohn eines Königs, statt am königlichen Tische zu essen, schmauste jeden Tag mit liederlichen Gesellen, und gewöhnte sich an unschickliche Sitten. Der König sagte: von heute an wird mein Sohn immer an meinem Tische essen. So wird er anständigere Sitten annehmen.

So war Israel gewohnt, Brand- und andere Opfer falschen Göttern und Dämonen darzubringen, und hatte diesen Gebrauch mit vieler Liebe und Leidenschaft geübt. Der Herr sagte: Bringet doch mir die Opfer; sie werden wenigstens dem wahren Gotte dargebracht.

Menachot S. 110. Jalkut S. 167 b.

 

Die Verdienste der Demüthigen.

Rab Huna war ein Mann von heiligen Sitten, und von großer Gelehrsamkeit, und von den Mitbrüdern sehr geehrt und geachtet. Neben dem Hause dieses großen Gelehrten lebte eine arme Frau, die sich kümmerlich von ihrer Arbeit ernährte, und dennoch, bei ihrer Dürftigkeit fand sie Mittel, immer den armen Bekannten kleine Dienste zu thun. Ein Mal in der Woche buk sie das Brod in einem kleinen, auf ihre Kosten geheizten Ofen. Kaum nahm sie ihr Brod heraus, sorgte sie, daß der Ofen wieder warm war, damit ihre armen Bekannten auch backen konnten.

Einmal brach in jener Nachbarschaft ein großer Brand aus, aber als er an das Haus des Gelehrten kam, wurde er, wie durch ein Wunder gelöscht.

Die Bürger hielten den Gelehrten noch mehr in Ehren, und glaubten, daß der Brand durch seine Verdienste nicht weiter fortgeschritten sei.

Aber im Schlafe jener Bürger, die also geurtheilt hatten, erscholl eine wunderbare Stimme, und sprach: » Rab Huna« ist ein großer Mann; aber der Brand wurde gelöscht durch die Verdienste der armen Frau, die neben ihm wohnt.

Taanith S. 21 b.

 

Die absolute Wahrheit.

Eine akademische Verhandlung.

Der Gelehrte Schamai unterwies seine Schüler, in ihren Worten nie von der strengsten und genauesten Wahrheit abzugehen, und lehrte, daß auch eine leichte Verletzung der absoluten Wahrheit, aus was immer für einem Grunde oder Umstande, ein schweres Vergehen sei.

Der Gelehrte Hillel hingegen, sanfter und nachsichtiger, behauptete, daß es Fälle gäbe, wo der Mensch von der Strenge der absoluten Wahrheit abgehen könne, ohne daß man ihm deswegen etwas zur Last legen könne.

In einer über diesen wichtigen Gegenstand gehaltenen Unterredung kam die Sprache auf die Lieder, die man zu verfassen und zu singen pflegte, um die Braut zu feiern, und auf das Maaß der Lobeserhebungen, die in solchen Liedern der Braut ertheilt zu werden pflegten.

Der Lehrer Schamai, fest in seinem System der absoluten Wahrheit, erklärte, man dürfe, ohne sich wider das Gesetz zu verfehlen, in solchen Liedern der Braut keine andern Vorzüge beilegen, als die sie wirklich besitze. »Man schildere sie, wie sie ist, sagte er in strengem Tone, und nicht anders.«

Lehrer Hillel dagegen erklärte, es sei höchst unpassend, bei einer so freudigen Gelegenheit, Fehler zu erwähnen, die die Freude verbittern könnten, oder ein so mageres Bild von der Braut zu entwerfen, daß es dieselbe beschäme. »Man sage, daß sie schön und anmuthig sei, setzte der Weise hinzu; ein wenig Ungenauigkeit in unserm Falle schadet nicht.«

»Schön und anmuthig? wiederholte sein Gegner. Man denke sich, daß die Braut lahm oder blind sei; in Wahrheit diese Lobsprüche werden ihr anstehen! Welche Falschheit! und doch befiehlt uns das heilige Gesetz, uns von jeder Lüge entfernt zu halten.

( Exodus Kap. 23 V. 7.)«

 

»Aber stellet euch vor, entgegnete Hillel, ein Freund von euch mache einen schlechten Kauf, und sich einer süßen Täuschung hingebend, freue er sich damit und zeige euch mit Befriedigung den gekauften Gegenstand. Werdet ihr darüber lachen, und über sein neues Besitzthum spotten? So, wenn der arme Bräutigam sich in seiner Wahl getäuscht hat, wozu ihm mit eurer strengen Kritik das Gemüth verdüstern?«

Die Unterredung dauerte noch lange fort, aber der größte Theil der Weisen einigte sich schließlich dahin, daß der Mensch sich immer der Art verhalten solle, daß er Allen zu Gefallen sei.

Ketubot S. 17 a.

 

Das Gute und das Böse.

Gott sah, daß Alles sehr gut war Worte Moses in der Geschichte der Schöpfung.. – Sehr gut auch der Tod für die Gerechten. Denn im Leben hat der Gerechte einen beständigen Krieg gegen die Leidenschaften zu führen; in der andern Welt findet er Ersatz auch für den Schmerz des Todes, den er nicht verdient hätte.

Sehr gut – auch die Leidenschaften. Denn ohne diese würde der Mensch sich nicht darum kümmern, eine Gesellschaft zu bilden, eine Familie zu gründen, sich den Gewerben zu ergeben.

Sehr gut – auch die Leiden, mittelst deren man den ewigen Lohn erwirbt; der Weg der Leiden führt zur ewigen Seligkeit.

Sehr gut – auch die Hölle. Der Herr ist wie ein König, der einen köstlichen Garten angelegt habe, offen für den, der darin arbeitet, verschlossen für den, der müßig gehen will. Das Paradies ist offen für den, der sich durch gute Werke reinigt; wer sich durch böse Werke befleckt, ist davon ausgeschlossen.

Rabboth S. 11 a und b.

 

Die Prüfungen der Gerechten.

Gott prüft den Gerechten und den Frevler, und wer die Gewaltthat liebt, den verwirft er Psalm 11, 5.. – Wenn der Töpfer die Güte seiner Gefäße zeigen will, klopft er auf die starken und festen, aber nicht auf die schwachen, die beim ersten Schlag in Stücke gehen würden.

Wer gute Wolle hat, klopft und schlägt sie ohne Furcht; wenn es aber mürbe Wolle ist, so wagt er nicht sie zu berühren.

Wer zwei Arbeitskühe hat, eine gesunde und starke, die andere krank und schwach, welcher legt er das Joch auf den Hals? jener stärkeren.

Siehe! darum prüft der Herr die Gerechten und nicht die Frevler.

Rabboth S. 34 b.

 

Das Gehinom – die Hölle.

Ein Gelehrter sagte: es giebt keine Hölle sondern die Ewigkeit selbst ist dem Frevler eine Hölle.

( Maleachi Kap. 3 V. 28).

 

Ein Anderer glaubte, es gäbe eine Hölle aus Feuer.

( Jesaja Kap. 31 V. 9).

 

Ein dritter Gelehrter sagte: es giebt keine Hölle, sondern vom Frevler selbst geht ein Feuer aus, das ihn brennt und quält.

( Jesaja Kap. 33 V. 1). Rabboth S. 8 b.

 

Der göttliche Odem, oder die Unsterblichkeit der Seele.

Ein alter Vater beweinte den frühen Tod seines geliebten Sohnes, und konnte sich nicht trösten. Ein Gelehrter begab sich in das Haus des Trauernden, um ihn zu trösten, und traf ihn in Gesellschaft eines Ungläubigen. Der Gelehrte saß schweigend und betrübt, aber mit den Thränen, die ihm das Gesicht benetzten, spielte ein Lächeln auf den Lippen. Der Ungläubige, unwillig über dieses Lächeln, sagte zu ihm in rauem Tone: Warum lachst du? Ich lache, antwortete der Gelehrte, bei dem Gedanken, daß dieser arme Vater seinen Sohn im Himmel wiedersehen wird. Schöner Trost, den du ihm giebst! schrie der Ungläubige; mit diesen Spaßereien bildest du dir ein, ihn zu trösten? Wiedersehen im Himmel! Arme Gefäße von Erde sind wir; zerschlagen, gehen sie nie wieder zusammen. Würde vielleicht das Feuer nicht vermögen, sie wieder zusammenzufügen? antwortete der Gelehrte. Das Feuer? erwiederte in spöttischem Tone der Gegner. Der Hauch des Feuers vermag viel, es ist wahr … Und der Hauch Gottes, rief der Gelehrte, ihn unterbrechend, ist er nicht mächtiger, als der Hauch des Feuers? 2. Chronik Kap. 18.

Rabboth S. 17 b.

 

Alle gleich vor Gott.

Vor dem Sterblichen wird der Arme nicht angehört, und wird zurückgewiesen; der Reiche wird sogleich angenommen und gehört. Vor Gott sind Alle gleich, Frauen, Sclaven, Arme und Reiche. In der heiligen Schrift wird vom Gebete Mosche's, des Fürsten der Propheten mit dem nämlichen Ausdrucke geredet, wie von dem Gebete des unbekannten Armen. Alle sind vor Gott gleich in ihrem Gebete.

Rabboth S. 138 b.

 

Das Leben ist eine Prüfung.

Es giebt keinen Sterblichen, der nicht auf die Probe gestellt wird; glücklich, wer siegreich daraus hervorgeht. Der Reiche wird geprüft, ob er die Armen unterstützt; der Arme, ob er sich in seine Leiden ergiebt. Glücklich der freigebige Reiche; er wird im zukünftigen Leben seine Habe verhundertfacht finden; glücklich der ergebene Arme, er wird reichen Ersatz für seine Leiden finden. Wehe dem geizigen Reichen, er wird mit seinem Reichthum zu Grunde gehen.

Es giebt einen Reichthum, der seinem Besitzer zum Verderben gereicht, wie der Reichthum des Korach; einen andern, der zum Guten gereicht, wie der des Josaphat 2. Chronik Kap. 18.. Es giebt eine Stärke, die zum Verderben gereicht, eine andre, die zum Guten gereicht, und so mit der Größe, und so mit der Wissenschaft.

Rabboth S. 148 a.

 

Die Bethäuser.

Ein Fürst ist Vater einer einzigen Tochter. Es kommt die Zeit, und er giebt sie einem reichen Herrn zur Frau. Die Hochzeit ist gefeiert, es naht die schmerzliche Stunde der Abreise. Der Vater spricht schmerzvoll zum Gemahle: dir meine Tochter wiedernehmen, darf ich nicht; mich von ihr losreißen kann ich nicht. Gehet in Frieden, und wo ihr auch immer verweilet, haltet ein Kämmerchen bereit, wo ich von Zeit zu Zeit mich aufhalte, und mit euch leben kann.

So gab Gott das Gesetz, seine heißgeliebte Tochter, an Israel, und sagte: es zurücknehmen will ich nicht; es lassen, kann ich nicht, bewahret es bei euch, und wohin ihr geht, weihet mir einen kleinen Tempel, wo ich bei euch mich aufhalten kann.

Rabboth S. 151 a.

 

Das Opfer der Armen.

Der König Agrippa hatte Gott tausend Opfer geweiht, und erließ einen strengen Befehl an den Priester, daß er an jenem Tage ein anderes Opfer weder annehmen, noch darbringen solle, außer dem seinigen. Während die Priester alle mit jenen anstrengenden Dienstesverrichtungen beschäftigt waren, erscheint ein Armer mit zwei Turteltauben, und bittet inständig, sie zu opfern. Der Priester giebt ihm Kenntniß von dem königlichen Befehl, und weigert sich, ihm zu willfahren. Herr! sagt der Arme, ich bin ein armer Jäger; jedes Mal, wenn mir die Vorsehung einige Vögel schickt, so weihe ich die Hälfte davon Gott. Wenn heute meine Tauben nicht angenommen würden, so würde ich ein ungünstiges Vorzeichen für meine Zukunft darin erkennen. Der Priester wurde davon gerührt, und willfahrte ihm. Der König wurde unwillig, und drohte dem Priester mit Strafe; aber als er die ganze Sache hörte, lobte er ihn darob.

Eine arme Frau brachte eines Tages als Opfer eine Hand voll Mehl. Der Priester verspottete sie, indem er sagte: was ist daran zu opfern? was ist da zu essen? Des Nachts im Traume sagte Gott zum Priester: weise nicht die Spende jener Armen ab; ich lege den nämlichen Werth darauf, wie wenn sie ihre Seele geopfert hätte.

Rabboth S. 168 a und b.

 

Der Gast des Menschen.

Wohin gehst du? fragten die Schüler des Hillel in dem Augenblicke, wo dieser von ihnen Abschied nahm. Ich gehe, meinen Gast zu besorgen. Hast du denn einen Fremden zu Hause? sagten die Jünglinge. Der Meister antwortete: Ist die arme Seele nicht der Gast des Körpers? Heute ist sie da, morgen im Himmel.

Rabboth S. 204 a.

 

Wie sich Gott nach der Schwäche des Menschen richte.

Ein beständiges Licht sollte in der Stiftshütte leuchten.

Im menschlichen Auge ist das Weiße und das Schwarze; und dieses ist's, mit dem er sieht. Und Gott, der ganz Licht ist, kann er des menschlichen Lichtes bedürfen? Aber dieses wurde befohlen, nicht für das Bedürfniß Gottes, sondern zur Ehre des Menschen.

Der Mensch zündet ein Licht von einem andern an; aber er zündet nicht ein Licht von der Dunkelheit an. Gott zog das Licht aus der Finsterniß hervor, kann er des menschlichen Lichtes bedürfen?

Ein König benachrichtigte einen Freund, daß er sich zu ihm in sein Haus zur Mahlzeit begeben werde. Der Freund richtet das Haus her, bereitet Tisch, Sitze, Leuchter nach seinen kärglichen Mitteln zu. Am Abend kommt der Fürst, umgeben von einem glänzenden Gefolge. Bei dem Glanze der Edelsteine und des Goldes, schämt sich der Freund, und läßt in größter Eile Alles verbergen, was er vorbereitet hatte. Der König erstaunt und fragt den Freund, ob er nichts für ihn vorbereitet habe. Der Freund antwortet: Meine Zubereitung war zu gering, gegenüber so großem Reichthum, und ich habe Alles verbergen lassen. Der König versetzte: Ich will nichts von Allem dem, was ich mit mir gebracht habe; und aus Liebe zu dir, werde ich mich nur der Dinge bedienen, die du vorbereitet hast.

So spricht Gott, der ganz Licht und ganz Größe ist zu Israel: bereitet einen Tempel, zündet ein Licht an; und aus Liebe zu euch, werde ich mich ihrer bedienen.

Rabboth S. 263 b.

 

Der Werth des Gesetzes.

Artaban schickte an Rabbi einen Juwel von großem Werthe und bat ihn, daß er ihm einen Gegenstand dagegen schicke, der einen gleichen Werth habe. Rabbi schickte ihm eine Mesusa Eine kleine Kapsel mit einem Kapitel des heiligen Gesetzes. Die Israeliten bringen sie an der Thürpfoste an, nach der mosaischen Vorschrift, damit jener Anblick immer den Gedanken an Gott in die Erinnrung rufe.. Was? sagte Artaban; ich habe dir einen Gegenstand gegeben, der so viel Gold werth ist, und du giebst mir einen, der fast nichts werth ist?

Freund! antwortete Rabbi; alle deine Reichthümer, und die meinigen kommen dem nicht gleich, was ich dir geschickt habe. Nimm dazu, daß dein Geschenk meiner Bewahrung bedarf; und das meinige hält dir Wache; und mit ihm kannst du sicher und ruhig schlafen. Denn das heilige Gesetz begleitet dich in dieser Welt, begleitet dich im Schlafe des Todes, und bei deinem Erwachen findest du es wieder Sprüche 6, 22..

Rabboth S. 39 a.

 

Der innere Werth der religiösen Vorschriften.

Ein Heide sagte zu Rabbi Jochanan ben Saccai: fürwahr, oftmals erscheint ihr mit vielen eurer Ceremonien wie Zauberer. Zum Beispiel, ihr erdrosselt eine junge Kuh, verbrennt sie, zerstoßt sie, sammelt ihre Asche, wer die Asche berührt, wird unrein, ihr spritzt zwei Tropfen Wasser auf den Unreinen, und er wird rein. Was für Hexenwerk ist das Anspielung auf die Reinigungsgebräuche, die Mose vorgeschrieben, und die in Gebrauch waren, als der Tempel stand. 4. Buch Mose Kap. 19.?

Der Rabbi antwortete: Warst du doch nie vom bösen Geiste besessen? Der Heide sagte: nein. Hast du noch nie einen Besessenen gesehen? Ja. Und auf welche Art pfleget ihr solche frei zu machen? Wir nehmen einige Kräuter, räuchern sie, gießen Wasser darauf, und der böse Geist entflieht. Nun gut, sagte der Rabbi, auch für uns ist der Unreine wie ein von einem Geiste Besessener; man bespritzt ihn, nach dem Gebrauche, mit Wasser, und der Geist entflieht. – Der Heide ging überzeugt weg.

Da sagten die Schüler: Meister! jenem Thoren hast du mit einem Scherze geantwortet, aber welchen guten Grund kannst du für uns anführen? – Der Meister antwortete: »Für euer Leben macht ein Leichnam nicht unrein, und die Wasser reinigen nicht; aber Gott hat es so vorgeschrieben, und wir müssen nach seinem Willen thun.«

Rabboth S. 174, 1.

 

Die irdischen Güter.

Drei große Schätze giebt es auf Erden, Reichthum, Größe und Wissenschaft, wer einen derselben besitzt, besitzt Alles. Aber diese Schätze haben nur Werth, wenn sie von Gott und von der Religion kommen; aber wenn sie vom Menschen kommen, nützen sie zu nichts; wenn sie nicht von Gott kommen, gehen sie bald verloren. – Es war ein großer Weiser in Israel, und ein großer Weiser unter den Heiden, Achitofel und Bileam, und beide gingen zu Grunde. Es war ein großer Reicher in Israel, und ein großer Reicher unter den Heiden; Korach und Haman, und Beide gingen zu Grunde; denn ihr Reichthum war nicht von Gott, sondern von der Gewaltthat. Die Stämme Reuben und Gad, die sehr reich waren, zogen aus Liebe für den Besitz die Ländereien diesseits des Jordan vor, und trennten sich von den Brüdern; darum waren sie die ersten, die vertrieben wurden. Der Mensch wird nicht reich, weil er große Handelsgeschäfte macht und von Ost nach West, und von West nach Ost geht, und auf, mit Waaren beladenen Schiffen die Meere durchsegelt; sondern Gott ist's, der vom Einen nimmt, und dem Andern giebt.

Rabboth S. 283 a.

 

Die Rückkehr zu Gott.

Es war ein Sohn eines Fürsten, der hatte ungeregelte Sitten, und war widerspenstig gegen den Vater. Als ihm heftige Vorwürfe und Drohungen gemacht wurden, entfloh er. Der arme Vater schickt ihm einige seiner Diener nach, um ihn zurückzurufen; und der Jüngling, voll Scham und Gewissensbisse bei solchen Beweisen der väterlichen Liebe, hat den Muth nicht mehr, zurückzukehren, und vor dem Vater zu erscheinen. Der Vater läßt ihm sagen: »Mein Sohn, welches Kind erröthet jemals, zu seinem Vater zurückzukehren? Es ist dein Vater, zu dem du zurückkehren sollst.«

So läßt Gott den Sündern sagen: es halte euch nicht die Scham wegen eurer Sünden zurück; es ist euer Vater, zu dem ihr zurückkehren sollt.

Rabboth S. 290 a.

 

Der Mord.

Legende.

 

Wer das Blut des Menschen vergießt, dessen Blut soll vergossen werden.

Viele haben von Menschenblut befleckte Hände, und sterben doch ruhig in ihrem Bette. Aber ihr Blut wird am Tage des Gerichts vergossen werden.

Eine arme Mutter hatte zwei Söhne, die immer unter sich in Krieg waren. Der leichtsinnigste und wildeste von ihnen tödtete den Bruder, und rettete sich durch die Flucht. Die Unglückliche sammelt in einem Gefäße das Blut des armen Jünglings, und bewahrt es sorgfältig bei sich auf. Jenes Blut wallt, siedet und siedet immer fort, und ruht nicht. – Eines Tages geht die Mutter, wie gewöhnlich, jene theure und schmerzliche Reliquie zu betrachten; das Blut siedet nicht mehr. Es war gerade der Tag, an welchem das Blut des Brudermörders von der menschlichen Gerechtigkeit vergossen wurde.

Rabboth S. 290 b.

 

Die kleinen Fehler und die kleinen Verdienste.

Der Mensch hüte sich immer auch vor kleinen Fehlern, von denen oft große Schmerzen entstehen; er führe mit Liebe auch die kleinen verdienstlichen Werke aus, die oft großen Werth vor dem Herrn haben.

Abraham verlangte in einem Augenblicke der Ungewißheit ein Zeichen des göttlichen Versprechens von Gott; und zur Strafe für jene Ungewißheit, hatten seine Nachkommen eine lange Sclaverei zu erdulden.

Ismael erwies dem Vater die letzten Bestattungspflichten; und zum Lohne bleiben seine Abkömmlinge immer frei.

Esau vergoß im Arme des Bruders zwei Thränen; und jene zwei Thränen machten das ihm durch das Loos zugefallene Land unendlich fruchtbar und reich.

Jocob bevorzugte einigermaßen den Joseph, und große Unglücksfälle entstanden daraus. – Mosche und Aron überließen sich einmal dem Zorne, und wurden unerbittlich dafür bestraft.

Jalkut S. 20 a.

 

Unwissenheit und Religion.

Ein armer Mann, der nie dem Studium des Gesetzes hatte obliegen können, fühlte sich im Gemüth sehr betrübt darüber.

Eines Tages befand er sich im Tempel, als der dienstthuende Priester die Worte aussprach, die die Heiligkeit Gottes verkünden, und, ergriffen von unwiderstehlichem Drange, rief er laut: Heilig, heilig, heilig. – Jemand machte ihm Vorwürfe, daß er so laut schrie, und er antwortete: In meinem Leben habe ich den heiligen Dingen nicht obliegen können, und jetzt, wo ich es kann, soll ich mich zurückhalten? Ich fühle mich ganz erfreut und glücklich darüber.

Jener Mann erhielt einen verdienten Lohn, denn er wurde später einer der ersten der Stadt.

Jalkut S. 20 b.

 

Das unverbesserliche Böse.

Es giebt einen Schaden, den man nicht verbessern kann, einen Fehler, den man nicht gut machen kann; sagt Salomo. Kohel Kap. 1 V. 15.

Auf dieser Erde kann man die Sünde sühnen, das Unrecht verbessern, das Böse gut machen. Jenseits dieses Lebens ist das Böse unverbesserlich, und jede Hoffnung alsdann verloren.

Es geschieht manchmal, daß eine Rotte Uebelthäter sich zum Bösen verbrüdern; der eine stirbt unbußfertig, und geht zu Grunde; der andere stirbt bußfertig, und wird in die Reihen der Seligen aufgenommen.

Der Unbußfertige sieht seinen Genossen gerettet, und ärgert sich, und schreit: Ist das Gerechtigkeit? Thor! antwortet man ihm; dein Genosse, der dich zum Grabe begleitet hat, hat gesehen, wo die menschlichen Hoffnungen und Uebelthaten enden, und erschrocken hat er sich zu Gott zurückgewendet.

Lasset mich, ruft der Gottlose; auch ich bin bereit zur Buße. – Thor! wiederholt man ihm; die Ewigkeit ist wie der Sabbath des Lebens; wehe dem, der nicht am Rüsttag des Sabbats für den Sabbath vorsorgt! – Die ewige Welt ist wie der Ocean: wehe dem, der, ehe er sich auf ihn begiebt, sich nicht mit Vorrath versieht.

Da krümmt sich der Frevler in Verzweiflung und ruft: Lasset mich, daß ich wenigstens die Größe meines Genossen sehe. Thor! antwortet man ihm; in die Reihen der Gerechten tritt der Ungerechte nicht ein; in die Gemächer der Reinen tritt nicht der Unreine.

Ruth Rabboth S. 44 a.

 

Das Leben des Gerechten.

Mein Freund geht in den Garten hinab, wann es Zeit zu pflücken ist Hohes Lied Kap. 6 V. 2..

Ein Gelehrter und seine Studiengenossen standen am frühesten Morgen auf, gingen auf's freie Feld, setzten sich in den kühlen Schatten eines dichtbelaubten Feigenbaums, und unterhielten sich lange in tiefen Gesprächen.

Der Eigenthümer des Baumes pflückte jeden Morgen, da kaum der Tag dämmerte, die reifen Feigen, ehe die Studienbeflissenen sich dahin begaben.

Die Gesellschaft dachte bei sich, vielleicht hat der Eigenthümer Verdacht auf uns, und darum pflückt er die Feigen vor unsrer Ankunft; lassen wir ihn gewähren. Und sie begaben sich wo anders hin.

Dem Eigenthümer that ihre Entfernung sehr leid, denn er glaubte, daß die Heiligkeit jener Personen ihm das Feld weihe. Und er begab sich zu ihnen, und als er ihre Vermuthung erkannte, so betheuerte, und beschwor er sie so lange, bis sie einwilligten, dahin zurückzukehren.

Die Studienbeflissenen kehrten zurück, und der Herr ließ die reifen Feigen auf dem Baume, ohne sie abzupflücken.

Und die Sonne warf ihre brennenden Strahlen auf dieselben und sie faulten.

Der Gelehrte hielt einige Zeit nachdenklich seine Augen auf sie gerichtet, dann rief er aus: Der Eigenthümer des Feigenbaumes weiß, wann es Zeit zu pflücken ist, und er pflückt. So weiß Gott, wann es Zeit ist, die Gerechten aus diesen Prüfungen wegzunehmen, und er pflückt ihr Leben ab.

Rabboth S. 66 b.

 

Die Seele fühlt ihre Größe.

Und die Seele wird nie satt, sagt Salomo Kohel Kap. 6 V. 7..

Die Tochter eines Königs ist an einen reichen Bürger verlobt. Dieser macht großen Aufwand in Kleidern, in Häusern und Gastmählern, und giebt der Braut Geschenke von glänzender Schönheit; aber die Braut beachtet sie nicht. Warum? weil sie die Tochter des Königs ist.

So reicht die Erde der Seele den ganzen Schatz der Wollüste. Aber die Seele ist nie satt. Warum? weil sie die Tochter des Himmels ist.

Midrasch Kohel RabbothS. 99 a.

 

Die irdischen Vergnügungen, und die himmlischen Vergnügungen.

Rabbi Chija war von einem Heiden zu Tische eingeladen worden, der bei seinem Mahle Alles auftragen ließ, was die Natur Köstliches und Ausgesuchtes darbietet. Als das Mahl beendet war, wendete sich der Wirth zum Weisen und sagte: »Was kann euch euer Gott im Himmel geben, das mehr Werth sei, als dieses Gastmahl?« Der Gelehrte antwortete: »Es ist ein großer Unterschied, mein Freund. Deine Mahlzeit ist schon zu Ende; das himmlische Mahl hingegen wird nie aufhören.

Midrasch Megil. Ester S. 120 a.

 

Der Glaube.

Wer mit Glauben auch nur ein einziges Gebot erfüllt, ist würdig, mit dem prophetischen Geiste begabt zu werden. Durch den Glauben verdiente sich Abraham die irdische Freude und das ewige Heil. Durch den Glauben wurde Israel von der Sclaverei losgekauft. – »Dieses ist die Pforte, die zu Gott führt, und durch die die Gerechten eingehen«! Psalm 118 V. 20. Diese Pforte ist die Pforte des Glaubens. – Nur durch den Glauben wird Israel endlich erlöst werden. – Der Glaube ist bei Gott eine so große Sache, daß, als Israel, von den Aegyptern befreit, vollen Glauben an Gott hatte, es sogleich von prophetischem Geist erfüllt wurde, und einmüthig sang es am Meere jenes unsterbliche Lied.

Jalkut S. 69 b Rabboth S. 139 b.

 



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