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Poetischer Theil

Die Verkündigung des Gesetzes auf dem Berge.

Kaum war die göttliche Idee ausgesprochen, das heilige Gesetz auf dem Gipfel eines Berges zu verkündigen, so lief ein Gemurmel des Verlangens und des Wetteifers durch alle Berge der Erde; jeder rief, der Berufene bin ich. Und vom Himmel erscholl eine Stimme die sagte: Ihr seid Berge, aber ihr seid befleckt; auf euern Spitzen erhoben sich Altäre, dampfte Weihrauch für die Götzen; blos der Sinai ist unbefleckt, und auf ihm allein wird das Wort Gottes erschallen.

Rabboth 142 a.

 

Die Stimme Gottes.

Die göttliche Stimme, die auf Sinai erscholl, erzeugte bei jedem Schall Zeichen und Wunder.

Jene göttliche Stimme verbreitete sich über die ganze Schöpfung. Den Ohren Israels erklang sie von Mitternacht. Israel stürzte sich nach Mitternacht – und die Stimme erklang von Mittag. Sie wendeten sich gegen Mittag, und die Stimme erklang von Abend; sie wendeten sich gegen Abend, und sie erklang von Morgen; sie erklang vom Himmel, erklang von den Tiefen der Erde, und das verwirrte Israel rief: von welcher Seite wird denn nun die göttliche Wissenschaft ertönen?

Die göttliche Stimme wiederhallte in tausend und aber tausend Sprachen, und alle Nationen verstanden ihre Worte, und ihre Seele ward erschüttert davon; blos Israel hörte, und war nicht verwirrt.

Die göttliche Stimme war Blitz den Nationen, die sie nicht aufnahmen, sie war Leben für Israel, das sie hörte. Die göttliche Stimme bildete sich in der Seele Aller je nach den Kräften eines Jeden um, und in verschiedenen Tönen drang sie in die Seele der Greise, der Männer, der Jünglinge, der Knaben, der Frauen, und der Ton war nach der Geistesbeschaffenheit eines Jeden.

Rabboth S. 123 a.

 

Als die Stimme Gottes erscholl, entstand Schweigen in der ganzen Schöpfung; kein Vogel zwitscherte, schlug die Flügel, kein Schaaf blökte, kein Ochs brüllte, die Seraphe bewegten sich nicht, die himmlischen Chöre Die mystischen Autoren behaupten, daß die Engel beständig im Himmel das Heilig Heilig wiederholen. schwiegen das Heilig, Heilig; alle menschlichen Generationen verstummten.

Rabboth S. 145 a.

 

Das Gesetz in der Wüste verkündigt.

Wenn Gott sein Gesetz in einem bewohnten Lande Israel offenbart hätte, würde sich jenes Land, von Stolz ergriffen, für ausgezeichnet gehalten haben vor allen Ländern der Welt. Darum offenbarte Gott das Gesetz in einer Wüste.

Er offenbarte das Gesetz in einer Wüste, weil die Söhne des Gesetzes frei sind, wie die Söhne der Wüste.

Er offenbarte es in einer Wüste, die Allen gehört, um anzuzeigen, daß das Gesetz gemeinsames Eigenthum ist.

Jalkut S. 240 b.

 

Gott einzig.

Während die göttliche Stimme von Sphäre zu Sphäre, von Himmel zu Himmel erscholl, that er sich ganz vor den Augen der Gläubigen auf; und die sieben Himmel öffneten ihre Pforten und zeigten einen einzigen Gott, eine ewige Majestät, die sie Alle umfaßte.

Da sprach die israelitische Gemeinde entzückt also! Herr! Herr! für mich giebt es im Himmel nichts Anderes, als deine Majestät; du bist allein für mich im Himmel; du bist allein für mich auf Erden; einen andern Gott suche ich nicht, als dich im Himmel, einen andern Gott wünsche ich nicht, als dich auf Erden.

(Ps. 73. 25.)

 

Und jeden Tag in dem Bethause versammelt, werde ich Zeugniß ablegen, daß du allein Gott bist, und werde ewig diesen Spruch ausrufen: Höre Israel, dein Gott ist ein einziger Gott.

Rabboth S. 291 a.

 

Die Wahl Gottes.

Es zieht ein König mit zahlreichem Gefolge von Ministern, Verwaltern und Richtern ein. Die Menge, lüstern nach den königlichen Gnadenbezeugungen, wählt zu ihrem Beschützer, der den einen, und jener den andern von ihnen. Die Verständigsten wählen den König; jene wechseln, denken sie bei sich, der König wechselte nie.

So waren die Loose der Welt am großen Tage der Offenbarung.

Es stieg herab auf den Sinai die göttliche Majestät, von einem zahlreichen Gefolge von Engeln begleitet; und jeder Engel, als da sind Michael, Gabriel und Andere, hatte ein eignes glänzendes Gefolge.

Die getäuschten Nationen der Erde wählten unter diesen ihren Gott, und die eine errichtet dem Gabriel, und die andere dem Michael Altäre. Israel wählte Gott; dieser, rief es, ist mein Theil.

Rabboth 291 a und b. Echa Kap. 3. V. 24.

 

Die Bürgen des Gesetzes

Ehe Gott Israel die heilige Wissenschaft anvertraute, sagte er Stellet mir Bürgen, daß ihr sie getreulich bewahren wollet.

Unsere Väter seien Bürgen, antwortete Israel.

Sie genügen nicht, sprach Gott. Eure Väter haben alle einen Makel. Abraham wollte einen großen Beweis meines Versprechens Daß Gott seinen Nachkommen das gelobte Land geben werde. Genesis 15, 8.. Isak liebte den Esau, der mir abtrünnig war.

Maleachi Kap. 1. V. 2 und 3.

 

Jacob fehlte gegen die väterliche Liebe.

Jesaja Kap. 40, V. 27.

 

Bürgen mögen unsre Propheten sein, versetzte Israel. Sie genügen nicht, antwortete Gott. Denn auch die Propheten thaten wider mein Wort Jeremias 2, 8..

Bürgen sollen unsre Kinder sein, sprach hierauf Israel. Diese Bürgen sind mir angenehm, versetzte Gott; zarten und unschuldigen Kindern vertraue ich mein Wort an Psalm 8, 3..

Schir Haschirin Rabba S. 7 b.

 

Gott bevorzugt die Unterdrückten.

Der Herr läßt die Unterdrücker und wählt immer die Unterdrückten.

Abel war unterdrückt von Kain, und war der Vorgezogene. Noa war von seinem Zeitalter verfolgt, und wurde allein gerettet. Abraham war von Nimrod zum Tode bestimmt, und ward der Freund Gottes. Jacob war von Esau gehaßt, und ward von Gott geliebt. Joseph wurde von den Brüdern gemartert, und wurde zur Höhe erhoben. – Mose wurde von Pharao dem Tode geweiht, und wurde der Mann Gottes. David war die Zielscheibe des Zornes Sauls, und wurde auf den Thron berufen. Die israelitische Nation war unter den Nationen unterdrückt, und wurde die erkorene.

Midrasch Koheleth S. 93 a.

 

Das göttliche Bild.

Das göttliche Bild, das Israel auf Sinai erschien, drückte in sich tausend Tugenden und tausend Affecte aus, und in jeder Tugend, und in jedem Affect erschien es als ein neues Bild: das Lächeln, die Ruhe, die Strenge, die Verzeihung, Alles malte sich in ihm, und dem von so vielen verschiedenen Bildern verwirrten Ohre Israels ertönten die göttlichen Worte: »es sind selbe von einem einzigen und einigen Gotte; ich bin Adonai, euer Gott.«

Jalkut Jitro.

 

Die Majestät Gottes auf Erden.

Ein großer König kündigte einem seiner Freunde an, daß er eines gewissen Tages ihn in seinem Hause besuchen werde.

Der Freund dachte bei sich: mein König wird mich entweder incognito, oder bei Nacht besuchen, denn sicher wird er nicht in meinem ärmlichen Hause in seiner ganzen Größe erscheinen wollen.

Aber, Erstaunen! siehe da, der König begiebt sich auf edlem Rosse, geschmückt mit dem königlichen Purpur, und von zahlreichem Gefolge begleitet, in das Haus des Freundes. Ich bin gekommen, sagte der König, in meiner ganzen Größe, um dir im Angesicht Aller ein größeres Pfand meiner Liebe zu geben.

So, als der Herr Israel angekündigt hatte, daß seine Majestät im Stiftszelte Wohnung nehmen würde, dachte Israel bei sich: Sicherlich wird Gott nicht in seiner ganzen Größe hier auf Erden erscheinen wollen.

Und siehe da, kaum war die Stiftshütte eingeweiht, so umgab und umhüllte sie ganz die von göttlichem Lichte strahlende göttliche Wolke; es war die nämliche göttliche Wolke, die in ihrer ganzen geheimnißvollen Größe auf dem Sinai erschien.

So gab der Herr Israel ein größeres Pfand seiner Liebe.

Jalkut S. 217 b.

 

Kampf Mosis mit den Engeln um den Besitz des heiligen Gesetzes.

Kaum hatte Moses den Fuß auf die himmlische Schwelle gesetzt, so begleitete ein Flüstern, ein Tumult seinen Eintritt unter die ewigen Bürger des Himmels.

Herr, Herr! riefen die verwirrten Engel, ein Weibgeborener und noch Lebender sich unter uns mischen! welche Kühnheit! welche Entweihung!

Dieser Weibgeborne, antwortete Gott, hat sich in den Himmel begeben, um das Gesetz zu empfangen, und es auf die Erde zu übertragen.

Das heilige Gesetz auf die Erde übertragen? versetzten noch mehr verwirrt die ewigen Bürger der Schöpfung. Jenen kostbaren Schatz, der in deinem Gedanken voranging! Der seit tausenden von Zeitaltern deine Wonne bildet! Dieses Gesetz einem Wesen von Fleisch und Blut übergeben? O, erhalte, erhalte für den Himmel dieses Licht, diesen Schmuck.

Und der Herr, zu Mose gewandt, sprach: »Mose, antworte deinen Gegnern.«

Mose antwortete: »Mein Gott! ich fürchte, daß diese mich mit ihrem feurigen Odem in Asche verwandeln.«

»Lege die Hand auf meinen unsterblichen Thron, und rede sicher und frei.«

Und der Herr goß auf das Haupt Mose's einen Strahl seiner ewigen Glorie, und Mose, frei und sicher gemacht, begann also:

»In dem Gesetze, das du, mein Gott! mir versprochen hast, ist es verboten, Götzen anzubeten. Seid ihr vielleicht, o Engel, unter götzendienerischen Nationen? – Das Gesetz befiehlt die Ruhe des Sabbaths; arbeitet ihr? habt ihr der Ruhe nöthig? – Ehre deine Aeltern, sagt es; habt ihr Vater und Mutter? – tödte nicht, stiehl nicht, sagt es; nisten denn im Himmel Neid, Begierde?«

Bei diesen Worten beruhigten sich die Engelschaaren, und gaben Beifall, und Alle wetteiferten, jenen Weibgebornen mit irgend einer kostbaren Gabe zu beschenken. Selbst der Engel des Todes gab sein Geschenk: derselbe war es in der That, der ihn lehrte, durch die Düfte des heiligen Weihrauchs die Seuche zu verscheuchen, die unter dem Volke Verheerung anrichtete In der biblischen Geschichte wird erzählt, daß, als göttliche Strafe, eine schwere Seuche unter Israel wüthete, welche aufhörte, als Mose dem Priester befahl, unter das Volk den Dampf des heiligen Weihrauchs zu verbreiten, als eine Art Sühne. 4. Buch Mose Kap. 17..

Auf dieses Begebniß spielt der Psalmist (68) an mit jenen Worten auf Mose: »Du stiegst in den Himmel, führtest Beute weg, und kehrtest mit kostbaren Geschenken zu den Menschen zurück.

Talmud Sabbath S. 88b.

 



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