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Zweites Buch.
Die Schöpfung.

Die heilige Wissenschaft ein Werkzeug der Schöpfung.

Ich war, spricht die heilige Wissenschaft, (Sprüche 8, 30), ich war sein Baumeister. – Ich war das Werkzeug der göttlichen Schöpfung. Unter den Sterblichen, wer da baut, baut nicht aus seinem Sinne, sondern nach dem Sinne des Zeichners.

Er hält seine Zeichnung vor sich ausgebreitet, und sieht auf sie, und wie er sieht, so errichtet er hier Zimmer, hier andere, und hier andere. So Gott, mit der heiligen Wissenschaft vor sich, sah er und schuf.

Rabboth S. 1 a und b.

 

Gott Schöpfer und König.

Im Anfange erschuf Gott. Mit diesen Worten beginnt die Geschichte der Schöpfung.

Die sterblichen Fürsten, noch ehe sie im eignen Reiche nützliche Einrichtungen geschaffen haben, nennen sich schon Könige desselben; und noch vor ihren Namen lassen sie die Titel ihrer Größe erschallen. Gott hingegen schafft zuerst, dann titulirt er sich Herr; zuerst schafft er das Wohl seiner Geschöpfe, dann rühmt er sich dessen.

Rabboth 4 a und b.

 

Reihe von Welten.

Und es war Abend. – Es war also nicht der erste Abend; sondern eine Reihe von Zeitaltern war schon vorhergegangen. Denn im Laufe der Ewigkeit erschuf Gott Welten, und ließ sie wieder in das Nichts zurückkehren. Diese, sagte er, gefallen mir, jene nicht.

Rabboth S. 5 b.

 

Das vernünftige und rebellische Geschöpf.

Im Anfange bedeckte die Unermeßlichkeit der Wasser alle Dinge und bloß aus jenem unermeßlichen Ocean ging ein Lobgeschrei gegen den Schöpfer hervor.

Er war wie ein von stummen Sclaven umgebener König. Nur mit Winken brachten sie dem Könige Huldigung dar. Der König sprach: Ich will Unterthanen, die mir mit lauten Stimmen huldigen. Die neuen Unterthanen zögerten nicht, zu schreien: dieses Reich ist unser.

So wollte Gott in der Schöpfung ein vernünftiges Wesen, das ihm Huldigung brächte. Aber jenes erste Wesen war rebellisch; und die nachfolgenden Generationen waren rebellisch. Da rief der Herr von Neuem die Wasser, sie Alle zu bedecken, und sprach zu den Wassern: »es genügt mir eure stumme Huldigung Anspielung auf die Wasser der Sündfluth.«.

Rabboth 30 b.

 

Erschaffung des Mondes.

Nach den ersten göttlichen Rathschlüssen sollte die Sonne die einzige Beleuchtung der Erde sein.

Aber der Geist Gottes sah voraus, daß die blinden Sterblichen die Sterne vergöttern würden. Wenn die Sonne das einzige Licht sein wird, dachte Gott, wie wird man den Irrthum den Sterblichen zerstreuen können?

Darum gab er dem Monde die Regierung der Nacht.

Rabb. 8 a.

 

Harmonie des Himmels und der Erde.

Am ersten Tage schuf Gott Himmel und Erde.

Am zweiten erschuf er in dem Himmel – das Firmament – am dritten auf der Erde – und machte sie fruchtbar.

Am vierten im Himmel – die Sterne. – Am fünften auf der Erde die Thiere.

Am sechsten wollte er den Menschen erschaffen; aber wenn ganz aus Erde, oder ganz aus Himmel, so war die Harmonie der Schöpfung gestört.

Er erschuf ihn aus Himmel und Erde – ein Verbindungsring zwischen der Erde und dem Himmel.

Rabboth 15 a.

 

Die Sonne und der Mond.

Nach Herder.

Parabel.

Tochter der Schönheit verbanne den Neid aus deinem Herzen, der Neid hat die Engel vom Himmel herabgestürzt, und das Licht des Mondes, köstlichen Schmuck der Nacht, verdunkelt.

 

Aus dem Geiste des Ewigen war das Wort der Schöpfung ausgegangen. »Zwei große Lichter mögen im Himmel glänzen, als Könige der Erde, Richter der beweglichen Zeit.«

Er sprach's und es ward. Wie ein Bräutigam, der aus dem Brautgemache hervorgeht, wie ein Held, der den Siegespfad beschreitet, stand das erste Licht, die Sonne. Ihr Mantel war ein göttlicher Glanz, und um das Haupt trug sie einen Kranz von vielfacher Farbe. Die Erde jubelte, süße Wohlgerüche hauchten die Kräuter aus, und schöner öffneten sich die Blumen.

Das zweite Licht, der Mond, erzitterte neidisch, daß das Schwesterlicht ihm an Glanz gleich sei. »Wozu zwei Königinnen, sagte er, auf einem Throne? und warum ging ich als zweite meiner Gefährtin auf?« Im hebräischen ist »Mond« weiblich.

Und plötzlich, durch das innere Beben, verschwindet sein Licht, durch die Gefilde des Himmels schwindet und fliegt es dahin, und verwandelt sich in Schaaren von Sternen.

Weiß wie eine Leiche stand der Mond, voll von Scham gegenüber den himmlischen Wanderern, und weinend betete er: »Mitleid mit mir, o Herr der Wesen, Mitleid!« und ein Engel des Herrn erschien dem Schamvollen, und brachte die Worte des göttlichen Rathschlusses. »Weil du das Licht der Sonne beneidet hast, Unglücklicher, wirst du nunmehr von ihr Licht erhalten; und jedes Mal, wann die Erde an dir vorübergehen wird, wirst du, wie jetzt, entweder ganz oder zum Theile verdunkelt werden.«

Aber dennoch, verirrtes Kind! weine nicht mehr.

Der barmherzige Gott hat deinen Irrthum verziehen, und es zum Guten gewendet. Gehe, sagte er zu mir, und sage dem Reuigen: »Auch er in seinem Lichte wird königlich thronen; die Thränen seiner Reue werden ein Balsam für die Ermüdeten sein, und den von der Gewalt der Sonne Entkräfteten Erquickung.«

Getröstet wendete sich der Mond weg; und siehe da! er war umgeben von jenem Lichte, von dem er jetzt erglänzt. Er bewegt sich auf dem stillen Wege, den er jetzt durchläuft; Herrscher der Nacht und der Sterne, beweint er den alten Irrthum; und mitleidsvoll für jede Thräne, sucht er die Elenden auf, um sie zu stärken.

Tochter der Schönheit, verbanne den Neid aus deinem Herzen. Der Neid hat die Engel vom Himmel gestürzt, und das Licht des Mondes, wahrhaften Schmuck der Nacht, verdunkelt.

Rabboth 8 a.

 

Die Schöpfung des Menschen.

Die göttliche Idee, den Menschen zu erschaffen, war alsbald unter den himmlischen Schaaren verbreitet. Um den unsterblichen Thron Gottes drängen sich auf einmal Schaaren von Engeln und Genien mit entgegengesetzten Gedanken, sich widerstreitenden Ausrufungen.

»Vollbringe, großer Vater, die erhabene Idee, rufen die Einen, erschaffe der Erde ihren König.«

»Höre auf, großer Gott, höre auf, erschaffe nicht fürder«, rufen die Andern.

Auf einmal entsteht ein tiefes Schweigen in den himmlischen Sphären; zu den Füßen des unsterblichen Thrones beugt der Engel der Barmherzigkeit das Knie, und redet also:

»Vollführe, o Herr, die erhabene Idee; erschaffe auf der Erde dieses dein neues Ebenbild; ich werde diesem neuen Geschöpfe die Gefühle des himmlischen Mitleids einflößen, und es wird dein schönstes Ebenbild in der Schöpfung sein.«

Bei diesen Worten stieß der Engel des Friedens einen Seufzer aus, und sprach:

»Ueber deine Schöpfung, o Herr, würde sich mein Geist ausgebreitet, und in süßer Harmonie alle Dinge miteinander verbunden haben. O! der Mensch; dieses neue Wesen, das du erschaffen willst, wird überall hin die Verwirrung, die Zwietracht, den Krieg tragen.«

»Rächer des Unrechtes und der Vergehen« unterbrach der Engel der Gerechtigkeit, »würde ich ihn meinem Gesetze unterwerfen, und der Friede wird wieder aufblühen.«

»Erschaffe, o Herr, erschaffe.«

»Vater des Wahren«, rief weinend die Wahrheit, »du erschaffest auf der Erde den Vater der Lüge.« Eine Trauerwolke breitete sich bei dieser Rede über die himmlischen Gesichter aus, und ein tiefes Schweigen begleitete sie.

Aus der Mitte der Abgründe des unsterblichen Thrones erschallten folgende Worte:

»Beruhige deinen Schmerz, o meine Tochter; ich werde dich als Genossin der Menschen auf die Erde senden.«

Und alle Engelsschaaren brachen in den Ausruf aus:

»Herr, Herr! du beraubest den Himmel seines schönsten Juwels. Die Wahrheit! das Siegel aller deiner Gedanken, der schönste Schmuck deiner Krone.«

Und aus den Tiefen des unsterblichen Thrones versetzte die Stimme:

»Vom Himmel zur Erde, und von der Erde zum Himmel wird die Wahrheit in beständigem Wechsel auf- und abfliegen, ein Band der Erde mit dem Himmel.«

Und der Mensch wurde erschaffen.

Rabboth S. 8a.

 



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