Alain René Lesage
Gil Blas von Santillana
Alain René Lesage

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Anhang

Eh' ich den sogenannten Schlüssel und die noch übrigen sacherläuternden Anmerkungen geben kann, seh' ich mich genöthigt, eins und das andre voranlaufen zu lassen, wozu ich in der Vorrede nicht Raum hatte.

Die in diesem Buche häufig vorkommenden Anspielungen auf die Mythologie der Griechen und Römer hab' ich deshalb nicht erklärt, weil ich den größten Theil meiner Leserinnen mit selbiger bekannt voraussetze,Jetzt kann ich dieß um so mehr, da man zum Behuf der Damen bekanntlich verschiedene geschmackvolle Schriften hat, die sie mit der Fabellehre der Griechen und Römer hinlänglich bekannt machen. (die Leser müssen es so seyn) den kleinern, der es nicht ist, verweis' ich, wohin man sie in ähnlichen Fällen schon verwiesen, an die äusserst dienstfertige Race von Menschen, die immer die Frauenzimmer 196 umschweben, und ihnen, oder vielmehr unter diesem honetten Behelfe sich selber zu höfeln streben; welche ich auch geziemend ersuche, in ihrem Vorleseramt, dessen sie sich umerziehen, wenn sie mit ihren Bologneserkünsten zu Rande sind, bey den Damen, denen Orsine'ns Schnikschnak und Schlaraffenleben Vapeurs erregten, weil sie aus der plus bas étage de la societé geschöpft waren, jedes Kraftwort gegen ein anders matteres umzutauschen, wenn es auch unterweilen ganz und gar nicht hinpaßt, so wie ich ihnen auch anrathen will, ihrem Gedächtniß dadurch ein Compliment zuzuziehen, daß sie die sacherklärenden Noten, – die worterklärenden werden sie so überspringen, wie der Hahn die glühenden Kohlen – mit einem lieblichen Ueberguß von Fadeurs und ihrem petit air effronté, womit sie so manches durchzusetzen wissen, als Errungenschaft ihrer Lectüre vorprahlen.

Den unterweiligen Gebrauch französischer Wendungen und Participialconstructionen, beliebe kein voreiliger Kunstrichter als Nachlässigkeit geradehin zu verdammen, sondern vorher zuzusehen, ob es nicht bedachte Wahl sey; ob der Uebersetzer nicht die Regel vor Augen gehabt hat, die das Erste unter allen bisher in Deutschland erschienenen Journalen, die Litteraturbriefe, den Uebersetzern gibt, guten dem Sprachgenius nicht gerade zuwiderlaufende 197 Redewendungen zu uns überzutragen, und so sich einiges Verdienst um die Sprache zu erwerben.

Hier hätt' ich hinlänglich Raum, mich über den Sohn des Gil Blas, den Alphonsus Blas von Lirias auszulassen, den ich in dem Vorberichte seines Vaters gänzlich unwürdig erklärt habe, ohne hierüber Beweis zu geben. Ich schmeichle mir aber, meine Leser werden mir einen Auszug daraus erlassen, weil der kürzeste eine Arbeit wäre, wogegen die, einen Auszug der sinnigsten Meinungen aus allen im Heiligen Römischen Reiche jemahls geschriebenen Polemiken zu verfertigen, Spielwerk ist, und am Ende doch nicht gewähren würde, was die Zergliederung Bunkel's im Merkur, – Unterhaltung,Daß sie die in vollem Maße gewährt, wird ausser dem Schreiber der sogenanten Bokkiade (ein klägliches Stückchen Arbeit von wem sie auch seyn mag!) dem Herausgeber und Glossirer des Bunkel's und seinen Verbündeten, wohl Niemand in Abrede seyn. – sondern gerade das Gegentheil, die tödtlichste Langeweile. Wer mir's nicht glauben will, den bitt' ich das Buch selbst vorzunehmen, und er wird es zuverlässig so schnell aus der Hand legen, wie den Bunkel; vielleicht noch schneller, denn der Esel unter dem Löwenvliesse, der den Löwen zu copiren sich zermüht und zermartert, und immer die Haut 198 zurechtzurücken strebt, damit sie nicht entdeckt, was sie bergen soll, kann noch immer auf eine kleine Weile amüsiren, nicht aber das blank und bar laufende Müllerthier, das seinen gewohnten Schlendrian schlendert, sein bekanntes Ija anstimmt, und sich in allen Stücken so geberdet, wie es einem wahrhaften Esel eignet und gebührt.

Nur Ein Wort noch vom Alphonso. Alle aus dem Gil Blas genommenen Charactere sind so verballhornt worden, wie die aus dem Werther in dem Büchelchen, genannt Werthers Freuden; Gil Blas und Scipio z. B die im Le Sage nur unterweilen die Miene kleiner Pedanten haben,Diesen Zug hat mein Vorgänger aus ihrem Character verwischt, indem er öfter ihre gelehrte Anspielungen theils unterdrückt, theils so umschrieben hat, daß Niemand mehr selbige erkennen können. Wäre dieser Zug nicht so sehr in beyder Character verwebt gewesen, hätt' ich nicht überdieß mir fest vorgenommen, nur in Theaterschriften, und in Geschichten, die auf unsern Boden gepflanzt worden, Abänderungen zu wagen, so würd' ich den pedantischen Anstrich aus Scipio's Character wenigstens auszumerzen gesucht haben, denn ich kann nicht bergen, es macht auf mich, (ich weiß Viele, denen es nicht besser geht), einen höchst widrigen Effect, mehr als Einen Pedanten an Einem Orte auftreten zu sehen. Hermes Sophie hätte gewiß weit weniger Steifes und Monotonisches, wären nicht fast alle Personen darin mit Pedanterie beladen: selbst der gute Puff, das Meisterstück des Dichters, ist davon nicht frey; was ihm denn als ganz incongruent mit seinem Humore ganz seltsam sitzt, und ihn wirklich um ein ganzes Theil in unsrer Achtung zuücksetzt.sind hier 199 durchgängig unerträgliche stockmoralische Saalbader geworden u. s. w.; auch werden darin verschiedene wichtige Berichtigungen der Geschichte des Santillana gemacht; ferner findet man darin den liederlichen Gaspar Velasquez (196 B. 5 des Gil Blas) völlig bekehrt und als einen steinreichen Westindischen Bischoff wieder, erfährt, daß Gil Blas als Edelmann geboren ist – auf welchen Einfall der Herr Verfasser nicht wenig stolz scheint, – und dergleichen schöne Siebensachen mehr.

Noch hab' ich hier etwas nachzuhohlen; ein doppeltes rundes Bekenntniß. Zuerst, damit ich allen Beschuldigungen absichtlicher oder wirklicher Unwissenheit entgehe, gesteh' ich gerade heraus, daß der letzte Band des Gil Blas der aus dem zehnten, eilften und zwölften Buche besteht, erst hinzugekommen ist, nachdem dieser Roman bereits seit länger als zehn Jahren in der Welt umgelaufen war; ich gestehe ferner, daß er nicht völlig den Werth der vorigen, nicht so viel Interesse und Annehmlichkeiten hat, daß der Verfasser wieder den vorigen Gang nimmt. 200 sich von neuem über die nähmlichen Gegenstände, die Aerzt' und die Komödianten, lustig macht, daß dessenungeachtet aber noch sehr viel Gutes in diesem Bande enthalten ist. Kurz, ich unterschreibe alles, was die Französischen Romanbibliothecare davon urtheilen, nicht darum, daß es meine Helden waren, sondern weil ich sehr gesund und partheylos geurtheilt finde. Aus dem Grunde stimm' ich ihnen auch darin bey, daß Scipio's Geschichte, wiewohl ziemlich nach der Geschichte des Gil Blas gemodelt, einige sehr interessante Situationen enthalte.

Zweytens, damit nicht irgend ein Journalist oder Wochenblättler mir der sacherklärenden Noten halber mitspiele, wie der Lessingischen Krähe die Pfauen, so will ich mir selbst all' die glänzenden Federn ausrupfen, womit ich mich daselbst ausgeschmückt habe. Sie schreiben sich aus den Uebersetzungen des Don Quixotes und des Gerundio von Campazas, dem Don Sylvio de Rosalva, (einem der besten vaterländischen Romane, den jedermann haben muß, dem der Großvater der Hauptheldinn desselben lieb ist), aus Wieland's übersetzten Satyren und Briefen des Horaz, aus Morizens Anthusa, aus v. Blankenburg's Zusätzen zu Sulzer's allgemeiner Theorie der schönen Künste, aus Bertuch's Magazine der Spanischen und Portugiesischen Literatur, aus Büsching und 201 Jäger, aus Nitsch, und aus Dalrymple her. Was mich zu diesen Plünderungen bewog, davon hat die Vorrede bereits die Leser unterrichtet, und mich hoffentlich entschuldigt.

Den Anmerkungen und Zusätzen will ich noch einige Wissenswürdigkeiten zum bessern Verständniß des le Sagischen Werkes voranschicken. Unter andern aus Dalrymple's Reisen und eines ungenannten Franzosen Bemerkungen einen Maßstab für die Charactere der verschiednen Völkerschaften Spanien's zu machen, die im Gil Blas auftreten. Wo selbiger nicht anpaßt, kann man sicher annehmen, daß Le Sage französirt hat.

 
Schilderung der Spanier und der Spanierinnen.

»Der Spanier ist von mittler Leibesgröße, ein guter Schlag Leute, mager an Leibe, doch die Glieder alle verhältnißmässig geordnet, von schwarzen oder schwarzbraunen Haaren; die Stirn ist nicht erhaben, sondern vielmehr etwas platt; der Augenwinkel nicht tief; die Augenbraunen und die Augenwimpern schwarz oder schwarzbraun, so wie das Haupthaar, die Augen, so viel ich noch Männer ansahe, sind klein, schwarz, häufiger aber schwarzbraun, voller Feuer und Leben; zuweilen bemerkt' ich auch Katzenaugen, vielleicht Abkömmlinge einer fremden Nation; 202 sie liegen durchgängig platt und ragen nicht hervor; die Nasenwurzel liegt nicht tief, die Nase selbst springt nicht aus dem Gesichte hervor, sondern läuft sehr abwärts größtentheils länglich, doch ohne besondere Schönheit noch Ausdruck; Habichtsnasen sahe ich nie, zuweilen ist sie stumpf, so daß man die Abstammung von den Mauren genau daran sieht; die Nasenlöcher sind durchgängig stark geöffnet; der Mund ist nicht groß, nicht scharf geschnitten, und von keiner auszeichnenden Schönheit, doch männlich und mit gesunden Zähnen besetzt, die aber wegen Vernachlässigung bey den Männern nicht sonderlich weiß sind; die Lefzen verhältnißmässig dick; die Wangen nicht voll, von der Sonne verbrannt, schwarzbraun oder widrig olivenfarbig; das Kinn mehr spitzig als rund und das Gesicht durchgängig länglich. Oft trifft man hier, besonders unter Kaufleuten, echte reine Judengesichter an, die so auffallend sind, daß man in jedem andern Lande auf Juden schliessen würde; aber hier weiß man nicht, was man daraus machen soll; mir kam es wenigstens sehr verdächtig vor, daß sie sich so rein sollten erhalten haben, wenn sie sich durch mehrere Generationen mit Christen verheirathet gehabt hätten; es scheint daher, als wenn die Inquisition trotz ihrer Wachsamkeit noch hintergangen würde.«

»Der Hals des Spaniers ist weder zu stark, noch zu lang, doch meistens etwas länger, 203 als bey den Deutschen, wodurch der Kopf ein freyes Ansehen, und freye Bewegung erhält; von Brust und Schultern ist er nicht breit, der Bauch ist nicht dick, Arme, Schenkel und Füße nicht stark, aber doch im Ebenmaße mit dem übrigen Körperbau; überhaupt muß man annehmen, daß der Spanier im Durchschnitte genommen weder groß noch schön, aber doch verhältnißmässig gewachsen ist, auffallend ist es, wenn man die hiesigen Schweitzersoldaten mit den Spanischen Soldaten, besonders die Grenadier mit einander vergleicht. Der Schweizer ist groß, stark von Brust und Schultern, von vollem Gesicht, einem muntern Ansehen und vierschrötig gebauet; dahingegen ist der Spanier nur mittelmäßig groß, schmal von Brust und Schultern, von blassem Ansehen und hageren Körperbau.«

»Bey allen dem verspricht das Aeussere des Spaniers viel Männliches; in allen Bewegungen und Handlungen herrscht etwas Gesetztes und Ernsthaftes, das Achtung für ihn einflößt, und das einen festen Character vermuthen läßt, sein rascher und feuriger Gang verkündigt ein sehr hitziges und aufbrausendes Temperament, und zeugt für innere Kraft.«

»Das Auge spricht ausserordentlich viel; Feuer blitzt in Strömen heraus, sein Blick ist finster und zornig, wild, herumrollend, durchdringend, drohend, und verräth mitunter 204 Bosheit und etwas Widriges, das zurückstößt, und einen Feind verkündigt; Witz, Satyre, List, Betrug und Feindschaft sieht man in jedem Auge, und das Feuer, das dieses über das ganze Gesicht verbreitet, ist abschreckend und fürchterlich. Sein ganzes Wesen hat etwas Martialisches an sich, das weder Furcht noch Kleinmüthigkeit oder Gefahr kennt; alles kündigt einen kühnen unerschrockenen Unternehmungsgeist an, voller Entschlossenheit und vieler Geistesgegenwart, dieses Aeussere gibt ihm einen sehr kriegerischen Anblick, und macht ihn in Verbindung mit andern, diesem beschwerlichen Stande nöthigen Eigenschaften, zu einem guten Soldaten vorzüglich geschickt, ob er es gleich anjetzt nicht ist. Bey so kriegerischen Gesichtern darf man sich keine freundliche Physiognomie versprechen, und nie sah ich ein heiters, offenes, unbefangenes Gesicht, auf dem gleichfalls die ganze Seele schwebt, das nichts von Trug, Verstellung noch Bosheit weiß, das gleich beym ersten Anblicke Zutrauen einflößt, und jeden Anschauenden für sich einnimmt.«

»Inzwischen glaub' ich immer, daß der Spanier von Natur aus gut und edel ist, und jene Fehler des Gemüths sind vielleicht nur Folgen von einer schlechten Erziehung von Pfaffenthum, und einer fehlerhaften Regierung. Wenn es wahr ist, daß eine weise Regierung allmächtig ist, und aus einer Nation alles machen kann, 205 was sie will, so muß man die Spanische Nation eher bedauern als hassen, und aller Tadel fällt billig auf die Regierung zurück, die das Glück von so vielen Millionen auf eine höchst unverantwortliche Art vernachlässigt.«

»In seinem Betragen zeigt der Spanier viel Freyes, Furcht- und Zwangloses gegen jedermann, selbst der Arme, in Lumpen gehüllte wird nicht geblendet durch den Anblick reicher Kleidung und Respect gegen den Obern, lähmt nie dem Untergebenen das Band der Zunge; er kommt nie ausser Fassung, und verliert nicht leicht die schätzbare Gegenwart des Geistes; er ist nie um eine Anrede, um eine Antwort verlegen. Ein gewisser männlicher Anstand oder vielmehr Stolz bezeichnet alle seine Handlungen; selbst der Bettler verräth bey seinem niedrigen Handwerke noch Stolz, er bettelt nicht so kriechend wie in andern Ländern, und nie sucht er durch lästiges Nachlaufen eine Gabe zu erzwingen.«

»Eine lebhafte Einbildungskraft besitzt der Spanier in einem hohen Grade, und er ist von Natur zur Spötterey geneigt, dabey besitzt er viel Witz, Scharfsinn und Spitzfindigkeit, und wenn er unvermerkt Albernheiten gesprochen, oder irgend eine Beleidigung durch Worte oder Handlung ausgedrückt hat: so weiß er das Ding durch Wortspiele und Spitzfindigkeiten so lange zu drehen, bis der Hauptgegenstand zuletzt völlig verschwindet, und die Sache etwas ganz 206 anders zu seyn scheint, als sie Anfangs war. Gedachten Eigenschaften der Seele muß man es zuschreiben, daß man nicht selten Versemacher aus dem Stegreife unter ihnen antrifft, sogar hab' ich Frauenzimmer gekannt, welche dieses Talent besaßen; und das ist nicht etwa das Werk des Studiums, sondern gleichsam ein angebornes Vermögen; denn man trifft es sogar in der niedrigsten Volksclasse an, selbst Eseltreiber bilden sich auf ihren einsamen Reisen dazu, und componiren ihre Lieder selbst.

Ihre Unterhaltungen sind lebhaft, munter, witzig und sinnreich, obgleich die Gegenstände davon gewöhnliche unbedeutende Sachen betreffen; aber eben diese gute Anlagen, die sich jetzt nur mit nutzenlosen Bagatellen beschäftigen, könnten unter günstigeren Umständen durch Ausbildung sich zu weit höhern Gegenständen emporheben. Der Geist des Spanier's ist gefesselt, und er darf weder etwas Vernünftiges lesen noch denken. Die wenigen Gegenstände, welche die heilige Inquisition nicht für contreband erklärt hat, sind nicht von der Art, um der Thätigkeit der Seele zweckmässige Nahrung zu geben; Geist und Herz liegen daher in einer schändlichen Schlafsucht versunken; inzwischen fühlt er nichts von diesem Zwange gegen das Geistesbedürfniß; lange Gewohnheit hat ihn damit vertraut gemacht, und ihn so vollkommen damit ausgesöhnt, daß er gar an keinen Mangel denkt, und 207 sich schon glücklich schätzt, wenn er seine Fähigkeiten und Zeit mit Sinnlichkeit vertändeln kann.

In Absicht auf Politik ist der Spanier eine wahre Nulle; Staatsangelegenheiten, sowohl innere als äussere gleiten wie die Bilder des Traums vor seiner spiegelglatten Seele vorüber, ohne irgend eine bleibende Spur zu hinterlassen; unbekannt mit dem eigentlichen Zwecke des Staats und den wechselseitigen Pflichten und Rechten zwischen Bürger und Staat ist sclavische Furcht vor der Geissel das eigentliche Princip aller Handlungen; und so schleppt er seine passive Existenz durch das bürgerliche Leben hin. Nie bemerkt' ich hier auch nur einen Funken von öffentlichem Geiste, jener erhabenen bürgerlichen Tugend, die man in alten Zeiten bey gebildeten Staaten, wo der Mensch auch als Bürger noch seinen ganzen Werth fühlte, so häufig antraf, die aber in den neuern Zeiten, leider! fast ausgestorben zu seyn scheint.

Der Spanier hat übrigens eine hohe Meinung von sich und seinen Vollkommenheiten; er brüstet sich mit den Thaten seiner Vorältern, spricht mit Enthusiasmus von ihren Heldenthaten, die sie zur ersten Nation von Europa machten, wird entzückt von Begierde nach gleichen Thaten, und vergißt darüber seine jetzige Ohnmacht. Er ist stolz auf die Vorzüge seiner Nation und seines Landes, und spricht von beyden mit vieler Wärme; er rühmt das milde warme Clima, 208 den heitern Himmel, seine herrlichen Melonen, seine Citronen, Granaten und Orangen und vorzüglich seine göttlichen Trauben, mit einer Art von übermüthiger Selbstgenügsamkeit prahlt er mit dem Reichthume von Gold und Silber, das er nicht einmal in seinem Vaterlande zu graben sich bemüht, da Indien's Schätze ihm zinsbar sind.

Bey so mannigfaltigen Vorzügen sieht er sein Land als ein Paradies an, und blickt mit Verachtung auf den Fremden herab, der zu ihm kommt, weil er glaubt, daß Ausländer nur kommen, um an seinem paradiesischen Leben mit Theil zu nehmen, und ihrer angebornen Armuth durch seinen Reichthum abzuhelfen; er hält deswegen fremde Länder für sehr elend, und reist nur wenig, weil er es nicht der Mühe werth achtet, solche traurige ärmliche Winkel der Erde kennen zu lernen, und sein Elysium dagegen zu vertauschen; er sieht es als eine Huldigung an, daß alle Europäischen Nationen wetteifern, ihm alle mögliche Waarenartikel zuzuführen; er blickt auf sie als auf seine Tagelöhner herab, die ihren Lebensunterhalt seinem Gelde verdanken, und die stets für ihn schwitzen müssen, indessen sein Reichthum ihn von Arbeit frey spricht, und ihm seine Tage in Gemächlichkeit und Zerstreuungen zuzubringen erlaubt.

Selbst auf seine Religion ist der Spanier stolz, weil er glaubt, daß sie sich in keinem 209 andern Lande in einem so hohen Grade von Reinigkeit erhalten habe, und er bildet sich nicht wenig darauf ein, ein echter, katholischer, apostolischer Römischer Christ zu seyn; er rühmt seine Inquisition, die Juden und Ketzer verfolgt, und die gute Herde vor räudigen Schafen beschützt. Er macht sein Kreuz, bethet seinen Rosenkranz, hört Messe, und läßt, wenn er Geld hat, welche lesen, weil die Pfaffen aus guten Gründen ihre große Kraft und Wirksamkeit sehr nachdrücklich zu empfehlen wissen; er gibt fleissig Almosen, arbeitet nicht an Sonn- und Feyer-Tagen, beichtet oft seine Sünden, communicirt, verehrt die Virgen del Carmen, (die Jungfrau von Carmen) und so glaubt er alles gethan zu haben, was Christus nur immer von einem echten Katholiken fordern könne.

Unter den vielen Muttergottesbildern, die er verehrt, ist die Virgen del Carmen diejenige, der er die meiste Verehrung erweis't, und gegen die alle übrigen nichts sind. Durch sie bittet der Arme um Almosen, um ihretwillen gibt der Reiche, durch sie bittet er um die Erfüllung seiner Wünsche, und durch sie hofft der Bedrängte Linderung in seiner Noth; alles verehrt, oder vielmehr bethet nur sie an; denn die papierne Wand zwischen Verehrung und Anbethung stürzt vor des Spaniers glühender Andacht zusammen. 210

Die Spanierinnen sind von mittelmäßiger Größe, mehr hager, als dick, schwarz von Haaren, die Stirn ist mehr flach, als erhaben, sie haben schwarze oder schwarzbraune Augenbraunen und Wimpern, schwarze oder schwarzbraune, zuweilen auch graue Augen, die nicht tief liegen, eben nicht besonders groß, aber voller Feuer und lebhaften, durchdringenden Blicken sind. Sie haben lange, aber nicht hervorragende Nasen, mehr stumpf als spitz, keine dicke Lippen, einen etwas großen, aber lebhaften und angenehmen Mund, beym Lachen öffnet er sich etwas stark, die obere Lippe zieht sich dabey so weit zurück, daß man die obere Reihe von Zähnen ganz sieht; ein schöner Anblick, wenn schöne Zähne vorhanden sind, aber widrig, wenn diese nichts taugen. Größtentheils hat das Frauenzimmer gesunde Zähne, und ich verstehe nicht, woher manche Autoren den Madridtern faule, schwarze Zähne aufdringen wollen.

Das Kinn der Frauenzimmer ist mehr rund als spitz, die Wangen schmal, blaß, selten mit etwas Roth gefärbt; oft sieht man hier ein sehr fades Weiß, oder ekelhaftes Olivengelb; nicht selten sind hier schöne Hälse, und noch nie erblickt' ich hier die in andern Ländern so häufigen und so ekelhaften Kröpfe und dicken Hälse, wovon die Ursache in Luft und Wasser, Speise und Trank, keinesweges aber im 211 Hochmuthe liegt; denn wenn dieser sie herausdrückte, so würden die meisten Frauenzimmerhälse mit lauter schönen Kröpfen geziert seyn, an keinem Orte aber wohl mehr als hier.

Die Madridterinnen sind nicht stark von Brust, ein mehr flacher als hochgewölbter Busen ist ihr Antheil; dabey ist ihre Taille sehr fein, die Hände schön geformt, und die Arme sehr angenehm gerundet; zugleich zeigen sie einen sehr niedlichen schönen Fuß; wer also einen schönen reizenden Wuchs und schöne Füsse sehen will, der muß sie in Madrid suchen. Ueberhaupt muß man sagen, daß die Madridter Frauenzimmer zwar nicht schön von Gesicht, aber im Ganzen mit sehr viel Ebenmaße gewachsen, und schön gebauet sind.

Nichts in ihrer Nationaltracht, worauf sie sehr eifersüchtig halten, ist unveränderlich, als die Farbe, alles Uebrige ist dem Geiste der Mode unterworfen. Unveränderlich sind nur die weißseidenen Strümpfe, die allgemein, auch von gewöhnlichen Bürgersweibern getragen werden; Baumwolle kündigt gleich Armuth an. Die Schuhe sind gewöhnlich von seidenem Stoffe, lederne werden nur von den Armen getragen. Die Schuhe machen hier einen grossen Gegenstand des Luxus; um die schönen Füße recht vortheilhaft zu zeigen, müssen sie stets durch neue ersetzt werden. 212

Was mir noch am meisten auffiel, und was unter allen noch die meisten Kosten verursacht, ist der Aufwand im weißen Zeuge; die feinste Leinwand wird hier getragen, und alles ist so blendend weiß, daß man glauben sollte, jedes Stückchen werde nur einmahl getragen und dann der Wäsche wieder übergeben. Diese eben so rühmliche als kostspielige Reinlichkeit ist hier wahre Verschwendung; eine Bürgersfrau verthut hierin mehr als eine vornehme Dame in andern Ländern. In einem warmen Lande, glaub' ich, hat das Frauenzimmer vorzüglich Ursache, auf Sauberkeit zu halten, aber so empfehlend dieser Gegenstand auch immer seyn mag, so scheint er mir hier doch übertrieben. Es herrscht hier durchgängig viel Aufwand in Kleidung; Vornehme und Reiche kleiden sich prächtig, der Bürgerstand thut es jenem nach, und die Weiber der Handwerker wetteifern wieder mit diesen. Dieser Luxus in Kleidung verzehrt hier ungeheure Summen; manches Frauenzimmer überspannt ihre Kräfte, um nur in den Augen der Welt zu glänzen, und manche geräth auf schändliche Nebenwege, um ihrer Eitelkeit stets neue Opfer zu bringen.

Die Lebensart des hiesigen Frauenzimmer ist sehr einfach; sie bleiben des Morgens sehr lange im Bette liegen, viele trinken die Schokolade noch im Bette, und nehmen da oft auch Visiten an. Um acht, neun auch zehn Uhr 213 stehen sie auf; dann gehts an die Toilette, und nun sieht man sie mit köstlichen Rosenkränzen der Kirche zu wandeln. Viele Vornehme haben ihre eigene Capelle und ihren eigenen Hauspfaffen, der zu mehrerer Bequemlichkeit die Messe im Hause liest. Dann werden Visiten abgewartet, bis um ein Uhr, wo es zu Tische geht; nach Tische wird die Sieste gehalten, das dauert nach Verschiedenheit der Jahreszeiten, bis vier, fünf, auch wohl im heißen Sommer bis um sechs Uhr; dieser Schlaf wird auch sogar im Winter beybehalten, wenn gleich keine Hitze den Körper zur weichlichen Ruhe einladet; gegen Abend geht es auf die Promenade, entweder auf den Prado oder a las Delicias.

Das hiesige Frauenzimmer liebt die Gesellschaft der Männer, und viele Damen setzen einen Stolz darauf, oft und viele Gesellschaft von beyderley Geschlechte bey sich zu haben, ihr Umgang ist sehr unterhaltend, sie besitzen viel Lebhaftigkeit und Witz, oft mit etwas feiner Satyre gewürzt; dabey besitzen sie sehr viel gute Laune, und ihnen ist das glückliche Talent eigen, mit Anstand Munterkeit zu scherzen. Oft hab' ich den und Reichthum und die Ausbildung ihrer Sprache bewundert, wie sie dadurch so geschickt sind, die feinsten Wendungen und Abstufungen von Gedanken und verschmitzten Doppelsinn auszudrücken; ihre Sprache besitzt zugleich eine Menge sinnreicher Sprichwörter, die sie mit vieler 214 Gegenwart des Geistes in passenden Gelegenheiten zu brauchen wissen. Alles ist Leben an ihnen, und sie athmen nichts als Vergnügen. Der Gegenstand ihrer Unterhaltungen sind ihre Lustpartien, Moden, Heirathen, Liebeshändel, (eine Quelle, die hier unerschöpflich ist, und wovon sie am liebsten sprechen) Andachtssachen, Stadt- und Hofneuigkeiten; besonders jagen sie nach letzteren, wenn der Hof abwesend ist.

Liebesintriguen sind ein Hauptgegenstand ihres Zeitvertreibes, und sie besitzen Verschlagenheit genug, einen Liebeshandel anzuspinnen, und ihn durch alle kritische Wendungen und gefährliche Stufen hindurch zu führen. In den Gesellschaften wird auch in Karten gespielt, besonders wenn die Gesellschaft nicht gar zahlreich ist.

Der Hang zum Tanzen ist ganz characteristisch an ihnen; schon von früher Jugend fangen die Kinder, vorzüglich die Mädchen, zu tanzen an; sie singen und klappern die Castannuellas dazu, und diese frühzeitige Uebung, verbunden mit ihrem leichten Körperbau, bildet sie zu den geschicktesten Tänzerinnen. Ueberall, wo man ein Paar junge Mädchen zusammen erblickt, fangen sie gleich einen Tanz an, dieser Hang zum Tanzen ist ihnen angeboren, und ich sahe oft mit Verwunderung ein Kind, das noch nicht laufen konnte, Hände, Füße, Kopf und den ganzen Körper nach dem Geiste des Tanzes 215 bewegen, wenn ihm die Mutter eine Seguedilla vorsang.«

»Das hiesige Frauenzimmer ist voller Prätensionen, die noch aus den alten Ritterzeiten herzustammen scheinen, und ihre Ansprüche auf die Aufwartung der Männer ist wirklich Landessitte; ihr Recht, Huldigung zu empfangen, ist schon so gegründet, daß sie ihre Forderungen gar nicht verhehlen; Respect gegen Damen ist eine heilige Pflicht, und das, warum in andern Ländern eine Dame nur bittet, das gebiethet sie hier gleichsam, und heischt es aus der ihrem Geschlechte schuldigen Achtung.«»Die Spanischen Frauenzimmer,« sagt Thykneß (S. 151) »sind heftig in ihren Leidenschaften, und herrschen gemeiniglich in ihrem Hause über jedermann. Ehemänner, die sich darüber streiten, endigen oft ihre Tage mitten auf der Straße und im Gefängnisse; dagegen sollen sie freygebig, mitleidig und barmherzig seyn.«

»Die Achtung gegen das Frauenzimmer geht durch alle Stände, ja ihre Vorrechte haben sogar ein gesetzliches Ansehen. Eine Frau, die gegen ihren Mann klagt, behält größtentheils Recht; im Zweifel spricht der Richter allemahl für sie. Ein Mann, der eigenmächtig Hand an seine Frau legt, wird auf ihre Beschwerde sogleich in's Gefängniß geworfen, und findet sich's bey der Untersuchung, daß er zu weit 216 gegangen ist: so wird er auf mehrere Jahre auf ein Presidio (Schanzarbeit) geschickt. Bey einer so entscheidenden Partheylichkeit der Gesetze für die Weiber ist nichts leichter, als Mißbrauch. Eine Frau, die ein Liebesverständniß mit einem Dritten hat, und gern den lästigen Zuschauer, ihren Mann, entfernen möchte, darf ihn nur so weit reitzen, daß er sich an ihr vergreift, und dann ist seine Freyheit sicher verloren. Viele Männer sind schon durch List und Boßheit ihrer Weiber um Vermögen und Freyheit gekommen, und viele andere werden noch täglich auf ähnliche Art unglücklich gemacht.«

In Deutschland glaubt man durchgängig, daß die Weiber in Spanien wegen Eifersucht der Männer nur Sclavinnen wären, seitdem ich hier bin, seh' ich täglich neue Beweise von dem Gegentheile. Nirgendwo sah ich dem Frauenzimmer mehr Achtung und Schonung erweisen, als eben hier; man schmeichelt ihrer Eitelkeit, ihrem Hange zum Vergnügen, und zur Zerstreuung, ohne eben in die ehmalige Französische ekelhafte Tändeley zu verfallen.«

»Der Mann bemüht sich auf alle Art, der Frau das Leben angenehm zu machen, und sie mit aller Arbeit zu verschonen; ihm liegt es ob, Geld herbey zu schaffen und den größten Theil von häuslichen Geschäften selbst zu besorgen. Der Stolz einer Frau besteht gleichsam darin, nichts zu thun, lange zu schlafen, viel 217 spazieren zu gehen, und auf den Putz und Zerstreuung zu denken; für häusliches Glück scheint sie wenig Gefühl zu haben. Die Gemächlichkeit der hiesigen Weiber geht so weit, daß selbst die gemeinsten Frauen die Schocolade im Bette trinken.«

»Die Weiber sind hier gar nicht dazu aufgelegt, durch Thätigkeit dem Manne Ausgaben zu ersparen; vielmehr suchen sie einen Adel darin, für bar Geld sich aufwarten zu lassen; keine Frau besorgt selbst ihre Wäsche, jede unterhält eine Wäscherinn, und es ist schon ein Zeichen von großem häuslichen Fleiße, wenn sie das Plätten selbst besorgt.«

»Liebesintriguen sind hier mehr als in irgend einem andern Lande zu Hause; das heisse Clima zeigt auch hier seinen mächtigen Einfluß, und die vielen müßigen Stunden, die das Spanische Frauenzimmer hat, machen sie gleichsam zu einer nothwendigen Beschäftigung. Ihre sprudelnde sinnliche Liebe würde noch weit gefährlichere Folgen für die Tugend der jungen Damen haben, wenn die Mütter, durch eigene Erfahrung belehrt, ihre Töchter nicht so scharf bewachten. Diese so strenge und den Töchtern so lästige Tugendwächter, lassen ihre Kinder keinen Augenblick aus dem Gesichte, sie begleiten sie in die Kirche, in die Tertulien, und auf den Promenaden sieht man immer Mutter und Tochter zusammen; aber bey aller dieser Vorsicht 218 werden sie doch häufig betrogen; nicht überall können sie zugegen seyn, und dann werden die bestellten Aufseher gewonnen, und das Liebesplänchen wird ausgeführt. Zuweilen hat auch die auf die Tugend der Tochter so eifersüchtige Mutter noch selbst eine Liebesintrigue, und versäumt über dieser die Aufsicht über die Tochter; zum Glücke hat hier ein Fehltritt in der Liebe, der mit Folgen verknüpft ist, für das Frauenzimmer eben nichts nachtheiliges. Gibt ein Mädchen, (die nicht zur Classe feiler Dirnen gehört) ihrem Liebhaber Gehör, und sie fühlt sich dadurch gesegnet, so muß er sie heirathen, wenn Stand und Alter und Vermögen auch noch so ungleich wären. Dieses gesetzlichen Vorzugs bewußt, ist ein Mädchen gar nicht hart, den feurigen Liebhaber mit dem höchsten Genuße der Liebe zu begünstigen; sie darf es sodann nur der Obrigkeit anzeigen, und der Liebhaber muß sich entweder auf der Stelle mit ihr trauen lassen, oder man wirft ihn in ein Gefängniß, und läßt ihn so lange darin schmachten, bis sein Starrsinn durch den Verlust der Freyheit und die Unannehmlichkeiten des Kerkers gebrochen, sich willig unter das Ehestandsjoch schmieget. Diese Trauung wird zwar gleich im Kerker vollzogen, aber der Mann hat dann auch die Freyheit, von seiner Frau getrennt zu leben. Das Gesetz verbindet ihn nur die gekränkte Ehre ihr wieder zu geben, durch die Trauung erhält sie das Ansehen einer ehrlichen Frau, führt des Mannes Nahmen, hat übrigens aber keinen Anspruch auf seine Person; bringt er aber die Hochzeitnacht noch mit ihr zu, dann muß er stets bey ihr wohnen, und wird im Weigerungsfalle durch gesetzlichen Zwang dazu angehalten.«

(Aus: Spanien, wie es gegenwärtig ist. B. I. auszugsweise.)

 
Von den verschiedenen Völkerschaften Spanien's.

»Die Castilier, Andalusier und Gallicier sind durch starke Kennzeichen jedes als ein besonderes Volk von einander unterschieden. Seit aber in diesen Ländern Eine Regierung, Eine Religion und gleiche Erziehung sich findet, ist die Einförmigkeit des Characters deutlich. Die Ernsthaftigkeit der Eingebornen ist zum Sprüchworte geworden, und ihr Anstand sollte einen Fremden glauben machen, daß es wahr wäre. Vom Spazierengehen zur Bewegung haben sie keinen Begriff; nie gehen sie in der Hitze des Tages aus, als wenn sie müssen, und dann gehen sie mit einem feyerlichen Anstande, der ihnen zur Gewohnheit wird. Noch vor Kurzem hatten sie nur wenig Umgang mit Fremden oder unter einander, und auch jetzt hat es sich bloß in der Hauptstadt und in den Provinzen bey Leuten von Stande darin geändert; folglich 220 waren sie sehr zurückhaltend, wenn sie in Gesellschaften kamen; und ihr Hang zur Galanterie nöthigte sie, über ihre Gesichtszüge zu wachen, um ihre Liebeshändel ihren Gesellschaftern nicht zu verrathen.«

»Da in diesem Lande die Bigotterie lang' ihren Sitz gehabt, so hängt das Finstere der Religion über ihre Stirn. Die Inquisition, die in allen Winkeln des Reichs ihre Kundschafter hat, zwang sie, ihre Zunge im Zaum zu halten, um nichts zu reden, was zu ihrem Untergange ausgelegt werden konnte; alle diese vereinigten Ursachen bringen natürlicher Weise jene Wirkungen einer äusseren Sittsamkeit hervor, die unter ihnen im Schwunge geht: aber als Kinder der Sonne haben sie eine eben so scharfe und lebhafte Einbildungskraft, als irgend ein Volk in Europa, ob sie gleich nicht so flüchtig sind. Sie sind feurig in ihrer Denkart, warm in ihren Neigungen; wenn sie in ihren Bemühungen gehindert werden, gerathen sie oft in eine so große Hitze, von der wir gar keine Kenntniß haben. Sie sind rachsüchtig, und der Meuchelmord geht noch im Schwange. Der niedrigste Bauer nimmt keinen Schlag ruhig hin; und damit die Ehre der Soldaten nicht verletzt werde, steht in der Kriegsordnung ein Artikel, daß sie keine andere Schläge bekommen sollen, als mit dem Degen. 221

Von der Würde ihrer Geburt machen sie sich die höchsten Vorstellungen. Der Castilier, und noch mehr der Biskajer, wenn er auch noch so dürftig und Bettler ist, verachtet die Andalusier auf's äusserste, als Leute, die unmittelbar von den Mauren abstammen- Der Andalusier ist verschmitzt und arglistig, aber in den Adern des Castilier's fließt ein edlers Blut. Heirathen werden gemeiniglich zwischen Personen von gleichem Stande geschlossen. Der alte Adel verbindet sich sehr selten mit dem neuen, und der Vornehme hat selten Umgang mit dem Geringern. Sie sind in ihrer Lebensart in einem hohen Grade mäßig, oder vielmehr enthaltsam. Borracho (Trunkenbold), ist ihr größtes Schimpfwort; und selten sieht man einen Betrunkenen, ausser unter den Fuhrleuten und MauleseltreibernDer Verfasser, glaub' ich, irrt sich, wenn er nur unter diesen beyden Racen von Leuten Trunkenbolde und Unmäßige sucht. Sie sind meines Bedünkens, in allen Classen des gemeinen Mannes in Spanien zu finden, und mir scheint Herrn Bertuch's Bemerkung in seinem Gerundio (S. 356. B. 1.) ungemein richtig »Der Pöbel in Spanien, sagt er daselbst, ist nur mäßig, wenn's sein Geld kostet, säuft aber so gut als der Pöbel in andern, wenn es auf Anderer Kosten geht.«« 222

»Männer und Weiber sind sehr fruchtbar an Erfindungen ihre Lieblingsabsicht zu erreichen. Besonders finden die Letztern, die eine eingeschränkte Erziehung erhalten, zu Hause eingesperrt werden, und nicht ohne Aufseherinn ausgehen, immer Mittel die Wachsamkeit ihrer Duennas zu hintergehen, und durch die sie einschließenden Gitter zu dringen. Es ist sonderbar, daß das Volk durchgehends frey von Mißtrauen ist. Es hat einen männlichen Character, und redet mit seinem Fürsten eben so kaltblütig und vertraut, als mit seines Gleichen. Nie redet es etwas, dessen es sich im geringsten schämet. Ein jeder scheint eine sich bewußte Würde zu haben, die in andern Theilen der Welt nicht so sichtlich ist. Sie begegnen einander mit der größten Höflichkeit und Ehrerbietung. Wenn ein Bettler Almosen bittet, und man versagt's ihm, so wird es sogar in den schonendsten Ausdrücken abgelehnt. Man sagt: Er solle auf ein andermahl etwas haben. Gott solle bey ihm seyn, Gott solle ihn begleiten u. d. g. Durch Beschimpfung wird nie sein Unglück vergrößert.«

Dieses sind meine flüchtigen Bemerkungen über den Character dieses Volkes. Es war eine Zeit, wo ein brennendes Feuer der Freyheit des Spaniers Brust entzündete, aber der böse Wind des Despotismus hat es ausgelöscht, und nie wird es wieder anglimmen. (S. 198 und f.) 223

»Die Valencier überhaupt sind, wie Pluer bemerkt, ungemein dienstfertig.«

»Hier stehe noch versprochenermaßen die Schilderung der Spanischen Völkerschaften von Msgr. P . . . . . . aus seinen Essais sur l'Espagne

»Der Catalonier hat die mehrste Industrie, er ist der thätigste und arbeitsamste unter den Spaniern, auch sieht sich diese Provinz noch immer als ein besonderes Volk an und ist beständig zum Aufruhre bereit. Mehr als einmahl hat sie Absicht gehabt, sich zu einem Freystaate zu machen. Catalonien ist seit einigen Jahrhunderten die Wiege der Spanischen Künste und Handwerker gewesen, welche darin einen Grad von Vollkommenheit erlangt haben, den man in dem übrigen Spanien vermißt. Uebrigens ist der Catalonier roh, grob, eifersüchtig und eigennützig, aber freymüthig und treu in der Freundschaft.«

»Die Einwohner von Valencia hingegen sind pfiffig, falsch und höflicher, dabey aber solche Tagediebe, daß sie sich größtentheils auf Gaukeleyen legen. Alle Luftspringer, Seiltänzer und Marktschreyer in Spanien kommen aus dem Königreiche Valencia

»Die Andalusier haben nichts eigenthümliches, nicht einmahl eine eigene Sprache. In Ansehung der Laune, der Lebhaftigkeit und des Aufschneidens kann man sie mit den 224 Gaskoniern vergleichen; man kennt sie gleich unter hundert andern Spaniern. Die Hyperbel ist ihre Lieblingsfigur. Sie verschönern und übertreiben alles, biethen jedem ihre Dienste und ihr Vermögen eben so schnell an, als es sie schnell wieder reuet. Sie sind Großsprecher, Faullenzer, dabey aufgeräumt, spaßhaft, halten auf ihre alten Landesgebräuche, sind gewandt, gutgebauet, haben ausserordentlich viel Neigung für's Frauenzimmer, lieben den Tanz, das Vergnügen und die Tafel«

»Die Castilier sind stolz, ernsthaft in ihrem Aeussern, reden wenig und scheinen beständig in tiefer Betrachtung versunken zu seyn. Ihre Höflichkeit ist kalt, aber dafür ohne Affectation, sie sind mißtrauisch und schenken ihre Freundschaft nur demjenigen, dessen Character sie lange Zeit studiert haben. Sie besitzen Stärke der Seele, Genie, Gründlichkeit und eine sehr gesunde Urtheilskraft, sind zu Wissenschaften aufgelegt und selbst ihre Vergnügungen verrathen den Denker.«

»Die Bewohner von Gallicien könnte man mit denen von Auvergne in Frankreich vergleichen. Sie verlassen ihr Vaterland und gehen in die übrigen Provinzen Spanien's, um eben die Arbeiten zu übernehmen, welche die Auvergner und Limousiner gewöhnlich in Frankreich verrichten.« 225

»Aus Asturien kommen fast alle Bedienten. Sie sind treu, von eingeschränktem Verstande und sehr pünctlich im Dienste.«

(»Ueber Sitten, Temperament u. s. w. Spaniens«, Leipzig 1781. B. II. S. 133 u. 34.)

 
Ueber das Theater.

»Das Theater, zu dem die Spanier einen entschiedenen Hang haben, mehr noch als irgend eine andre Nation, aber freylich auf eine ihren Sitten, Gewohnheiten, ihrem Nationalcharacter und Geschmacke ganz eigene Art. Ich weiß nicht, ob unsere besten deutschen Stücke auf der Spanischen Bühne viel Beyfall erhalten würden; noch ist unter den Spaniern die Idee nicht in Umlauf gekommen, die Bühne als eine Bildungsschule anzusehen, wo die Feinheit der Sprache zum höchsten Grad der Vollkommenheit empor gehoben und der Mensch durch Beyspiele erhabener Tugend und sittliche Vollkommenheit zu rühmlicher Selbstbesserung angefeuert werden könnte. Um moralischen Werth des Schauspiels bekümmert sich der Spanier wenig; Belehrung und Bußpredigten erwartet er nicht von der Bühne; dazu, glaubt er, sey die Kanzel und Pfaffen da; ihm würde es daher lächerlich vorkommen, wenn man die Schauspieler als Sittenlehrer aufstellen wollte, die doch in Hinsicht 226 auf moralischen Werth, auf gleicher Stufe von Vollkommenheit mit dem Reste der Nation stehen, und keine so verdorbene elende Menschenclasse, wie leider größtentheils in Deutschland, ausmachen, in deren Munde moralische Lehren nichts anders als giftige Satyren auf die Tugend sind.«

Der Spanier sieht das Theater als einen Belustigungsort an, wo er für sein bar Geld durch muntere, komische Auftritte aufgeheitert, zerstreuet, entweilt seyn, und sein Zwerchfell erschüttert haben will; oder aber wo durch Darstellung ausserordentlicher Begebenheiten Sinne und Seele ganz erschüttert und gleichsam aus ihren Angeln gehoben werden; vermöge seines Nationalcharacters liebt er das Große, das Feyerliche, das Ausserordentliche und Uebernatürliche in sehr hohem Grade, Engel und Teufel, Zauberer und Zauberinnen, welche die Pläne der Menschen in Staub treten, ausserordentliche Helden, die mit übermenschlichen Thaten glänzen und gleich reissenden Fluthen alles mit sich fortwälzen, jede Hinderniß, jede noch so große Gefahr wie Kartenhäuser vor sich niederwerfen, die alles mit Furcht und Schrecken erfüllen, und nur durch Unterwerfung unter ihre Befehle versöhnt werden können, das sind des Spaniers Lieblingsscenen, die oft auf die seltsamste Art noch mit Religion gepaart sind. Der Engel oder Schutzheilige, der gewaffnet vor dem Helden herzieht, kämpft für ihn nur zum Besten 227 der christlichen Religion, und der Held, erhaben über menschlichen Stolz, rühmt sich seiner Thaten nur in sofern er dadurch zur Verherrlichung seines Gottes gewirkt hat.

Was den Vortrag der Schauspieler selbst angeht: so ist dieser ihrem Nationalcharakter ganz angemessen, lebhaft und feurig; ihr Anstand ist frey und ungezwungen, und man kann ihnen weder Ausdruck noch Gefühl absprechen. Zu großen und Heldenrollen macht sie die ihnen eigne Feyerlichkeit und Großheit ganz besonders geschickt; in komischen Stücken und in Possenspielen sind sie voller Leben und Thätigkeit, alles ist in Bewegung, alles handelt mit; nicht nur die Zunge, sondern jedes Glied am Körper spricht, und der Zuschauer wird gleichmäßig von dem Sprechenden als dem Nichtsprechenden unterhalten. Sie haben darin einen großen Vorzug vor den deutschen Schauspielern, die, wenn sie das Ihrige gesagt haben, gleich Bildsäulen dastehen, welche die übrige Verhandlung gar nichts anzugehen scheint.

Die Komödien beginnen hier von Ostern, und dauern bis Fastnachts-Dienstag fort; von Ostern bis in den October fangen sie des Abends um fünf Uhr an, und von da bis Fastnacht um halb fünf Uhr; im July Abends acht Uhr, im August um halb acht, im September bis den vierten October um sieben Uhr, 228 und ausserdem zu den Zeiten, wo zugleich Ochsenhetzen sind, um Störung zu vermeiden, beginnen sie erst spät des Abends; in dem Jahre 1792 gab das eine Theater sechs und sechzig Komödien in zweyhundert fünf und siebenzig Vorstellungen, welche 1,003331 Realen eintrugen, und das andere Theater gab dreyundsiebenzig Komödien in zweyhundert fünf und siebenzig Vorstellungen, die 908,850 Realen brachten; die ganze Summe des Ertrags von beyden Theatern belief sich also auf 1,912181 Realen. Das ist die Summe, die in Rechnung gebracht wurde; aber zuverlässig muß der wirkliche Ertrag noch viel größer gewesen seyn, da nach spanischer Sitte keine Einnahme richtig und gewissenhaft behandelt wird; Unterschleif ist also hier, so wie bey andern Rechnungen, zu Hause.

Zu diesem Ertrage hat der Hof keinen Heller beygetragen, auch die Grandes besuchen wegen ihrer Privattheater die öffentlichen wenig oder gar nicht; der ganze Betrag kommt also bloß von Bürgern und andern vornehmen Privatleuten, die keine eigene Theater haben; rechnet man nun die Bevölkerung der Stadt zu 160000, und die Schauplätze von zehn Realen bis zu zwey Realen herab: so kann man leicht einen Ueberschlag von dem Hange der Madridter zum Theater entwerfen. 229

Aus: Spanien, wie es gegenwärtig ist. (B. 1 S. 193-207)

 
Anmerkungen

die theils aus der Bibliotheque universelle des Romans, theils aus einigen der neuesten und besten Reisebeschreibungen von Spanien, und zwar aus den letzten größtentheils wörtlich genommen sind.

 
(Zur 15. Seite des Ersten Bandes)

 
Von den Maulthiertreibern.

Die schlechten Wege, die steilen Berge, die reissenden Ströme verursachen, daß die meisten Güter und Waaren, die von einem Theile des Reichs nach dem andern gehen, von Mauleseln getragen werden, deren jeder gemeiniglich einen Treiber hat. Da nun diese Treiber ihre gewisse Stationen von Posada zu Posada haben, so müssen sich dieses auch die Reisenden gefallen lassen, weil sie auf der Heerstraße keine andere Bewirthung als in diesen Häusern finden. Daher sind die Ställe der Posadas nicht nur sehr groß, sondern auch der beste Theil des Gebäudes und das Quartier für Menschen und Vieh. Alle Maulthiertreiber schlafen in demselben in voller Kleidung auf einem 230 Bündel Stroh:Die Maulthiertreiber in Spanien, bemerkt von Soden in seiner Uebersetzung der moralischen Novellen des Cervantes, schlafen auf den Saumsätteln ihrer Thiere, die mit Wolle, Haaren u. s. w. ausgestopft sind. »Der Verfasser des Don Quixotte nennt sie deßhalb:« ein Volk, das von den Betttüchern geschieden, und mit den Saumsätteln getraut ist. – D. Uebers. indem man aber sich sein Abendessen anrichten läßt, ist die Küche von diesen schmutzigen Menschen, deren Kleider voll Insecten sind, gepfropft voll, es würde daher auch ein guter Koch, wenn man einen solchen finden könnte, unmöglich ein Gericht reinlich und geschickt zubereiten können: denn die Menge bey Seite gesetzt, so gibt's gemeiniglich einige unter ihnen, die sich zanken, und es ist allemahl ein Getümmel, das nicht nur verdrießlich, sondern oft fürchterlich ist. Dennoch haben diese Leute oft große Summen Geldes bey sich, und weder arm noch unredlich, wenn sie gleich schmutzig sind. – Man warnte mich in Frankreich vor den Cataloniern, doch ließ ich oft viele Sachen los in und um meine Kalesche liegen, wo funfzig Menschen schliefen, und nie hab' ich etwas verloren. Thyknesse's Reisen. (S. 164.) 231

 
(Zum 1. B.)

Ich hing mich an BettlerIch hing mich an Bettler. Ich weiß recht gut, daß es hängte heißen müßte, allein dieß würde im Munde des ganz ungebildeten Lieutenants geziert geklungen haben, deßhalb wählt' ich jene leider! sehr gewöhnliche Sprachunrichtigkeit. – A. d. Uebers., die ein ganz glückliches Leben führen. Im Lande der christlichen Milde, wie Spanien ist, und in einem Lande, wo man über dieß Metje so raffinirt hat, wie dort, ist dieß leicht möglich. Folgende Bemerkungen über die dortigen Bettler, denk' ich, sollen den Lesern nicht unwillkommen seyn.

Die dasigen Bettler, sagt Thykneß, sind gemeiniglich witzig und belesen, und verstehen ihre Kunst so gut, daß man sie nicht abweisen kann. Das große Geheimniß der Kunst beruht auf der Beharrlichkeit, und keiner von den Bettlern, die Lebensart haben, läßt den Muth sinken, wenn er gleich zehnmahl abgewiesen würde. Zwey Beyspiele von ihrer Gewandtheit, Besonnenheit, und von ihrer Beharrlichkeit, sollen, denk' ich, hier nicht unstatthaft seyn.

Ein Fremder von Stande, der in Madrid in einem Buchladen las, ward von einem Strassenbettler angeredet, der ein Almosen mit einem 232 so hochmüthigen Wesen und mit Ausdrücken begehrte, die mehr einer Forderung, als einer Bitte ähnlich waren. Der Fremde antwortete nicht, achtete auch nicht auf ihn, sondern beschloß fortzulesen, und den unverschämten Bettler durch stillschweigende Verachtung abzuweisen. Dieß vergrößerte des Bettlers Dreistigkeit; er sagte, er hätte nachher Zeit genug zu lesen, wenn er angehört, was er ihm zu sagen hätte. Aber der Herr blieb beym Lesen, und kehrte sich an seine Grobheit nicht. Endlich trat der Bettler zu ihm, faßte ihn beym Arm und sagte mit der unverschämtesten Miene: Wie? weder Almosen noch Höflichkeit? Hierüber verlor der Fremde alle Geduld, und wollte ihn für seine Verwegenheit züchtigen. Halten Sie, mein Herr, sprach der Bettler mit leiserer Stimme, hören Sie mich an. Verzeihen Sie, mein Herr; kennen Sie mich nicht? Nein, gewiß nicht, erwiederte der Fremde. Aber Sie müssen mich kennen, versetzte jener, denn ich war Gesandtschaftssecretär an einem gewissen Hofe, wo wir sehr freundschaftlich mit einander umgingen. Er nannte ihm hierauf seinen Nahmen, und erzählte ihm die besondern Unglücksfälle, die ihn so weit heruntergebracht hätten. Er drückte sich zierlich, anständig und beredt aus, und erhielt dadurch seinen Zweck bey dem Fremden, ob er ihn gleich nicht überzeugen konnte, daß er sein alter Bekannter sey. (S. 161.) 233

Die Bettler, erzählt Thwiß in seinen Reisen durch Portugal und Spanien, wovon alle Gegenden dieses Königreichs schwärmen, sind so unerträglich lästig als in Italien. Mehr als einmahl bin ich, wenn ich mit meinen Bekannten auf der Straße redete, von einem alten Weibe gestört worden, die mir ihre schmutzigen Pfoten vertraulich auf die Schultern legte, und erschrak, wenn ich mich umsah, über den widrigen Anblick nicht wenig. Eben so unverschämt drängen diese Unglücklichen sich in Kirchen und Kaffeehäuser ein, und stellen ihre Leichname und verweseten Glieder dem erschrocknen Zuschauer unter die Nase. (S. 325.)

»Wir wurden,« erzählt der Emigrant, der keiner war, bey unserer Ankunft von Bettlern und Armen belagert; sie bestürmten uns auch wieder bey unserer Abreise. In ganz Spanien ist das der Fall. Man muß bey diesem Gesindel auf seiner Hut seyn, denn es ist die verworfenste Menschenclasse auf der Welt, die noch kecker stiehlt und raubt als bettelt. Wir bemerkten Kinder von zehn bis zwölf Jahren unter ihnen, Jungen und Mädchen, die ganz nackt waren.

(Die mehrausgezogenen Memoiren S. 177.)

Die ärgsten Bettler, sagt der vorangeführte Thykneß sind die Scharen Zigeuner und Zigeunerinnen. Sie sind eigentlich die echte 234 Gattung, und von allen andern Zigeunern, ja, ich möchte wohl sagen, von allen menschlichen Geschöpfen sehr weit unterschieden. In Spanien hab' ich oft Gesellschaften derselben angetroffen; und die Zusammenkunft ist nicht sehr angenehm, wenn man ihnen auf den Landstrassen begegnet, wo man von Städten oder Wohnungen weit entfernt ist: denn sie fordern, als wüßten sie, daß man ihnen nichts abschlagen müßte, und begehen oft einen Mord, wenn sie's in der Geschwindigkeit thun können. So oft ich von diesen Leuten von weitem erblickte, ging ich mit der Flint' in der Hand neben meiner Kalesche her, in der ich ihnen Pistolen sehen ließ: wenn sie nur merkten, daß ich sie nicht fürchtete, oder es ihnen wenigstens einbildete, so fürchteten sie sich vor uns.

Sie sind ausserordentlich schwärzlich, haben pechschwarzes Haar, und geben ein sehr mahlerisches Bild ab, wenn sie in dem Schatten der Felsen und Bäume liegen, wo sie ihre Nachmittage zubringen. Sie führen in einer Himmelsgegend, die ihrer Lebensart so angemessen ist, wo Brot, Wasser und Müssiggang freylich bessern Mahlzeiten und harter Arbeit vorzuziehen ist, keineswegs ein unangenehmes Leben. 235

 
(Zur 89. Seite des Ersten Bandes.)

 
Von den Straßenräubern.

Oft überfallen ganze Räuberbanden von zwölf bis dreyßig Personen, die Reisenden, die sie erst todtschlagen, und alsdann berauben, worauf sie die todten Leichname nebst den Wagen auf der Straße lassen, und die Beute auf den Mauleseln hinwegführen. Diese Räuber wohnen in den Höhlen zwischen den Gebirgen, und führen alle eine kurze Muskete und ein Halbdutzend Pistolen, die sie rundumher in ihrem Gürtel stecken haben. Allein da die ganze Provinz in Aufruhr geräth, wenn sich solche Trupps sehen lassen, so befürchteten wir nicht viel Gefahr, weil wir natürlicher Weise von ihrer Annäherung Wind bekommen mußten. Bey solchen Gelegenheiten bleiben Reisende oft eine Woche und länger in einer Stadt, und warten ab, bis andere Wagen mit Soldaten kommen, in deren Gesellschaft sie reisen können; so daß oft in Granada ein Zug von vierzehn, funfzehn Schäsen ankommt, die eine Art Karavanne ausmachen. Mit dieser Vorsicht und der, daß wir nie vor Sonnenaufgang und nie nach Sonnenuntergang reisten, langten wir wohlbehalten in Granada an, nachdem wir die kleine Unbequemlichkeit der Hitze der Gefahr, unser Leben zu verlieren, vorgezogen hatten. Wir sahen zu verschiedenen Zeiten zwey bis drey Kerle, 236 die mit Flinten hinter den Gebirgen lauerten, sich dann zu uns gesellten, einige Meilen mit uns machten, und nachdem sie uns kennen gelernt hatten, zurückblieben und sich nicht weiter sehen liessen. Alsdann ritt ich voraus, die Bedienten gingen zu beyden Seiten der ledigen Schäse, die von dem Calesseiro regiert ward, und der Soldat beschloß den Zug, mit dem Feuergewehr in Bereitschaft.

Von Granada nahm ich einen andern Soldaten, der mit uns bis Cordova ging, wo ich nicht länger nöthig fand, eine Leibwache zu haben, weil wir in eine bewohntere Landschaft gekommen waren. Ich bezahlte diesen Leuten einen harten Thaler, oder vier englische Schillinge und sechs Pence auf den Tag, ausser die Kost. Diese Soldaten sind auch geschickt, Lebensmittel und Betten zu betreiben. Sie haben Pässe von ihrem Obersten, die sie auf ihrem Rückwege von einer Begleitung der Reisenden berechtigen, Essen, Trinken und Quartier umsonst zu fordern, bis sie wieder an den Ort kommen, wo sie ausgingen. Ohne diese Päße würden sie als Deserteure angehalten werden. Sie mißbrauchen oft ihre Freyheit, indem sie den armen Leuten, die nichts übrig haben, ihr Brot entreissen und Gewaltthätigkeiten ausüben. Als der erstgedachte Soldat hinter meiner Schäse herging, begegneten uns zwey Bauern, die einen sehr schönen großen Hund bey sich 237 hatten; der Hund bellte ihn an, und, wie er sagte, wollte ihn beissen, worauf er sogleich seine Flinte anlegte, und den Hund todtschoß, ohne daß einer von den Bauern nur dumpflaut zu reden wagte. Dieß Beyspiel von Grausamkeit empfahl mir seinen Character nicht sonderlich; indeß war er uns sehr getreu, besonders, da ich ihm soviel Tabak gab, als er rauchen wollte. Den Tag zuvor, eh wir in Granada anlangten, ward er krank von der großen Strapaze, so weit und in solcher Hitze zu Fuß zu laufen; so daß ich ihm einen Reitesel miethen mußte. Twiß. (S. 221 und 22.)

Man höret viel Erzählungen von der Unsicherheit der spanischen Wege, und von den Banditen und Straßenräubern, welche die Reisenden ausplündern und ermorden. Dieß ist der gewöhnliche unangenehme Reiseunterricht, besonders in Andalusien, und daher reist jedermann gewaffnet. Wir widerrathen Niemanden die Vorsicht, sich mit Gewehr zu versehen, wir halten sie vielmehr für nothwendig; es gibt Straßenräuber hier wie in andern Ländern; wir wundern uns nur, daß es noch so sehr sicher zu reisen sey. Denn, wenn man sieht, daß die unbewohnten rauhen Gebirge, die vielen wüsten Gegenden, und die einsamen, abgelegenen Herbergen bequeme und sichere Schlupfwinkel der Räuberbanden seyn könnten, wenn man dabey weiß, daß die Gerechtigkeit 238 so wenig gehandhabt wird, daß Kirchen und Klöster Freystätte für Meuchelmörder und Räuber sind, und daß diese offenbaren und überführten Verbrecher und Störer der öffentlichen Sicherheit selbst in den Gefängnissen und den Händen der Justiz sicher sind, man werde ihren Criminalprozeß nie zu Ende bringen, und sie vielleicht noch los und in Freyheit lassen: so scheint es unbegreiflich, wie man noch in Spanien reisen könne, ohne auf viele Räuberbanden zu stossen. Glaubt man sich endlich hier sicher und stark genug, keine Gewaltthätigkeiten besorgen zu dürfen, so muß man doch immer in den Herbergen wachsam und auf guter Hut seyn, weil es diebische Hände gibt, welche auch Kleinigkeiten zu entwenden suchen, und bey Gelegenheit erheblichere Sachen mitnehmen. Pluer (S. 35.)

 
Von den Wirthen.

(Aus Gelegenheit des 13. Kapitels im Ersten Bande.)

Man glaube nicht, daß bloß der Kittel es war, der Gil Blas'n eine so unfreundliche Aufnahme von der Wirthinn verschaffte. La Puente, der gewiß in keinem dürftigen Aufzuge erschien, versichert, daß man in dem größten Theile der Wirthshäuser in seinem Lande Höflichkeit und gutes Betragen der Wirthe vermisse, (s. Th. 1 seiner Reise) und erstaunt nicht 239 wenig, eine Wirthinn zu finden, die so ganz das Gegentheil ihres Gleichen ist, eine dienstfertige, zuvorkommende Frau. Um so übler kommt er aber im folgenden Nachtquartier an. Er soll selbst reden.

Endlich kam ich in Almonacid an, da es schon Nacht war, und stieg in einem Wirthshause ab, das von aussen nicht übel aussah. Aber ach, mein Freund, was fand ich hier post tot discrimina rerum? (Er hatte sich nähmlich auf dem Wege dahin durch unzählige Schwärme Bremsen und Mücken durchkämpfen müssen, hatte sich verirrt, und war durch die große Hitze halb geröstet worden.) Ich hätte viel lieber eine Furie antreffen wollen, als eine solche Wirthinn. Kein Zug von Heuschrecken hätte können schlimmer oder mit gleicher Unhöflichkeit aufgenommen werden. Ich fragte sie, ob ein Ort da wäre, die Mantelsäcke hinzulegen? Sie antwortete mir: Nein; aber mit einer solchen Höflichkeit, als ein Schiffspatron seinem Sclaven antworten würde. Ich fragte sie noch ferner, ob sie Betten hätte; ob etwas da wäre zur Abendmahlzeit für die Menschen, und Futter für die Thiere? Auf alles antwortete sie wie zum Anfange; aber immer gröber und unhöflicher, so daß ich die Geduld verlor, gegen diese Harpye auffuhr, und ihr in einer Sprache, die sie verstehen konnte, das sagte, was der 240 Knabe beym Horaz der Zauberin Canidia sagt:

Quid ut noverca me intueris, aut uti
Petita ferro bellua?

und alles, was mir sonst in den Mund kam; ich lief sogleich in vollem Trabe zum Corregidor hin, lobte seine guten Anstalten, denen ich die gastfreundschaftliche Aufnahme im Wirthshause zuschrieb.

Er antwortete mir in keinen unhöflichen Ausdrücken, ob sie gleich nichts bedeuteten; aber er stopfte mir auf einmahl den Mund, indem er mir ein Quartier in dem Hause eines ansehnlichen Edelmannes verschaffte, bey dem ich Höflichkeit und Freygebigkeit, und alles, was der unhöflichen Wirthinn fehlte, im Ueberfluß fand. (S. 276, 277. im Ersten Theil)

 
(Kap. 4. B. 2. Band I.)

Unter dem Doctor Sangrado hat Le Sage den Doctor Hecquet, einen berühmten Arzt, auf dem Korn gehabt, der während der Verfertigung dieses Romans im großen Rufe stand, und häufiges Warmwassertrinken und Aderlassen anrieth. Die drey, vier Kapitel, welche diese Satyre enthalten, sind echttheatralisch; auch hat Herr Anseaume aus selbigen das Süjet einer ungemein drolligen komischen Oper gemacht. 241

 
(B. 2. Band I.)

In den Gegenden von Ronda, wie in andern Provinzen Spanien's, findet man die Bäume, die den Kermes hervorbringen. Dieser Baum heißt im spanischen carrasca oder coscoja, die beerentragende Steineiche. Im achten Bande der beseelten Natur steht folgende Nachricht vom Kermes. Es entsteht in den Auswüchsen der Steineiche, liegt zuerst in einer häutigen Blase von der Größe einer Erbse eingehüllt, und ist glatt und glänzend von einer braunrothen Farbe, und mit einem feinen aschfarbigen Staube bedeckt. Ein solcher Beutel wimmelt von einer Menge röthlicher Eyer oder Insecten, die, sobald man sie mit den Fingern reibt, einen hochrothen Saft hervorspritzen. Es wird bloß in warmen Ländern in den Monathen May und Juny gefunden. Im April bekommt dieß Insect die Größe und Gestalt einer Erbse, die Eyer kommen bald darauf zum Vorschein, und werden in Würmer verwandelt, die auf den Zweigen und Blättern des Baums herumlaufen. Dieß sind die Weibchen. Die Männchen zeichnen sich sehr von ihnen aus, und sind eine Art kleiner Fliegen wie Mücken, mit sechs Füßen, davon die vier Vorderfüße kurz, und die zween Hinterfüße lang sind, sich in vier Gelenke theilen, und drey gekrümmte Nägel 242 haben. Sie führen zwey bewegliche, gestreifte und gegliederte Fühlhörner auf dem Kopfe, die eine und eine halbe Linie lang sind. Der Schwanz an der Rückseite des Körpers ist eine halbe Linie lang und zackig. Den ganzen Körper decken zwey durchsichtige Flügel, und das Insect hüpft wie Fliegen herum. Sie werden vor Sonnenuntergang von Weibern gesammelt, die mit Fleiß ihre Nägel lang wachsen lassen, um sie von den Blättern abzukratzen. Man braucht sie beym Färben und in der Arzeney.Coccus ilicis Lin. Syste. Nat. 740

 
(Buch 5. Band 3.)

Prado. Die daselbst befindliche Note fällt ihrer Unrichtigkeit halben weg, die aus einer Nahmenverwechselung entstanden ist, und man beliebe dafür folgende einzuschieben. Der Prado ist unstreitig der vorzüglichste unter den öffentlichen Spaziergängen in Madrid. Dieser Platz ist zwar schon von Alters her wegen Liebeshändel bekannt, allein er war weder so groß, noch das, was er jetzt ist; sein jetziges Daseyn verdankt er ganz Karl'n III. der ihn aus seinem Nichts hervorzog. Ehedem war es ein elender übelriechender Ort, wohin aller Unrath aus der ganzen Stadt geführt wurde, so daß ganze Hügel von Koth hier aufgehäuft 243 waren. Durch die bösen Ausdünstungen wurde die Luft so verpestet, daß die Gesundheit der Einwohner sehr darunter litt; Karl III. wollte sich dieser lästigen, schmutzigen Nachbarschaft, die eine wahre Schande für einen grade daran stoßenden königlichen Pallast war, entledigen, er gab also Befehl zu der Säuberung dieses Platzes, und dem Grafen Aranda wurde die Sache übertragen. Dieser betrieb, dem Könige zu Gefallen, dieß Geschäft mit einer so großen Thätigkeit, daß in kurzer Zeit diese herkulische Ausmistung, freylich nicht ohne große Kosten, vollendet wurde. Man ebnete nun das Erdreich, und schuf diesen übelriechenden Ort in eine der schönsten Promenaden um, die ich je in großen Städten gesehen habe.

Die Promenade fängt an der Puerta de los Recoletos an, läuft durch die Straße von Alkala längs Buen-Retiro und dem botanischen Garten bis an die Puerta de Atocha fort, und geht links noch bis an das Kloster von Atocha; der ganze Weg beträgt ungefähr eine gute Viertelmeile, und ist auf beyden Seiten mit Alleen von Rüstern besetzt; von der Puerta de los Recoletos ist sie etwas schmäler, und hat auf jeder Seite der Fahrstraße nur eine Allee für die Fußgänger. Weiter hinunter nach der Straße von Alkala wird sie immer breiter, so daß auf 244 den Seiten drey- vier- fünffache Alleen gepflanzt sind; längs dem Garten von Buen-Retiro und dem botanischen Garten sind lauter steinerne Bänke angebracht, die in einer Reihe von der Puerta de los Recoletos bis nach Atocha fortlaufen; auf der andern Seite befinden sich ebenfalls viele steinerne Sitze zum Ausruhen der Spaziergänger, und überdieß sind eine Menge geflochtener Stühle vorhanden, gleichfalls zum Ausruhen bestimmt. Mitten zwischen den Alleen geht die Kutschenstraße hin, und die Fahrstraße für Karren läuft zur Seite der Alleen ganz am Ende an den Häusern der Stadt weg. Eine Menge schöner Springbrunnen mit heidnischen Gottheiten geziert, verschönern diese herrliche Promenade, die eben so einfach als groß in ihrer Anlage ist; keinen besser gelegenen Platz hätte man wählen können, als eben diesen; das schöne Thor de los Recoletos, das noch schönere von Alkala, die schöne Straße von Alkala selbst, das prächtige Schloß des Herzogs von Alba, das wahrhaft majestätisch über die ganze Gegend hervorragt, der Garten und Pallast von Buen-Retiro, der daran stoßende botanische Garten, der mit schönen eisernen Gittern eingefaßt ist, wo das Auge durch den Anblick, der seltensten indischen Gewächse ergetzt, und der Geruch mit den lieblichsten Wohlgerüchen erfüllt wird, dann die 245 vielen Fontänen, selbst das Angränzen an drey Thore und vier Kirchen, das alles macht diese Promenade zu einer der schönsten, die ich je in meinem Leben sah.

Selten findet man ein Zusammentreffen von so vielen günstigen Gegenständen, die stets eine neue Unterhaltung gewähren, und ein entzückendes Ganze bilden, dessen Anblick dem Auge immer neue Schönheiten, neue Wonne gewähren muß; hier ist der Sammelplatz von Madrid, wo Leute von allen Ständen täglich hinströmen, um zu Fuße und in Wagen das Vergnügen zu geniessen, das ein so herrlicher Platz im Ueberfluß darbiethet. Männer von Geschäften erhohlen sich hier von ihren Arbeiten, und das Heer von Müssiggängern zählt es zu seinen Berufsgeschäften, den Nachmittag hier zu verschläudern; der Soldat, der Mönch, der Weltgeistliche, der Kaufmann, der Künstler, der gravitätische Jurist und der bunte Stutzer, die sittsame Frau, das tugendhafte Mädchen, die Kokette, die Spröde, die feile Dirne und die Kupplerinn, alles wandelt hier neben einander friedlich die Alleen auf und ab, alles mit einem und dem nähmlichen Gegenstande, mit Verfolgung des Vergnügens beschäftigt.

Es gehört mit zu dem guten Tone, diesen Spaziergang öfters zu besuchen, und er liefert den reichsten Stoff zur Unterhaltung in den 246 TertulienFreundschaftliche Zusammenkünfte, die durch alle Stände von der vornehmsten bis zu der niedrigsten Classe in großem Ansehen stehen.; zu sehen und gesehen zu werden, ist eine Hauptsache von dieser Promenade; der Stutzer zeichnet hier die Gegenstände seiner Eroberung auf, und der Wollüstling, in weltlicher und geistlicher Tracht, spähet mit Kennerblicken die neu aus den Provinzen angekommenen Dirnen aus; hier wirft die Kokette ihr Netz aus, und das liebekranke Mädchen wirft schmachtende Blicke auf den blöden Schäfer hin, indeß die geübte Buhlerinn ihre Kundschaft meisterlich zu vergrößern weiß. Hier ist das glückliche Klima, unter dessen günstigem Einflusse alle Arten von Liebeshändeln mit überschwenglicher Fruchtbarkeit gedeihen. Noch nirgendswo sah ich so ausgezeichnet wie hier das weibliche Bestreben zu gefallen, bemerkt und bewundert zu werden, ich sah so mancherley Mittel, so verschiedene Künste der Eitelkeit aufgebothen, und alle hatten das nehmliche große Ziel Liebe zum Gegenstande.

Der Prado ist der Ort, wo alle neue Moden in Umlauf gebracht werden, und wo der Luxus der reichen und feinen Welt in seinem ganzen Glanze erscheint. Hier wetteifert ein jeder seinen Nebenbuhler durch eine blendendere Pracht auszustechen, und ihm den Rang 247 abzugewinnen; der eine sucht durch stolze Pferde, reiche Geschirre und einen glänzenden neuen Englischen Wagen, der andre durch prächtige Livereyen die Bewunderung der Menschen an sich zu fesseln, und ein Dritter zeichnet sich durch Kutschertalente aus, indem er seine raschen, schnaubenden Andalusischen Hengste selbst leitet.

Viele Ausländer haben sich schon oft über diese einförmige, langweilige, schneckenartige Kutschenfahrt lustig gemacht, aber dabey nicht bedacht, welchen reichhaltigen Stoff zur Unterhaltung schon eine Kutsche der andern gewährt; was für eine Menge neuer Gegenstände das Heer der Fußgänger stets darbietet, und was für interessante Complimentchen und vielbedeutende Blicke bald aus einer Kutsche auf die andre, bald auf die zu beyden Seiten in den Alleen wandelnden Fußgänger zufliegen.

Die Zeit, wo diese Promenade anfängt, ist gewöhnlich des Nachmittags vier Uhr, wo die Spanier die Sieste geschlafen haben. Im Januar und Februar wird die Promenade auch früh vor Tische, besonders von Fußgängern, besucht. Wenn der Hof hier ist: so fährt der König und die Königinn gewöhnlich alle Sonn- und Festtage auf den Prado, alle Glocken werden in den Straßen geläutet, wo der Zug durchgeht; die Fahrt geht über den Prado durch die Alleen bis nach der Kirche Attocha hin. 248 Hier steigt die Königliche Familie aus und geht in die Kirche, um einem wunderthätigen Muttergottesbilde den schuldigen Tribut von Andacht zu zollen, und sich beym Anblicke der vielen eroberten und hier aufgehängten Trophäen an die Heldenthaten der alten Spanier zu erinnern, die diese zur ersten Nation von Europa machten, und darüber die gegenwärtige Kraftlosigkeit zu vergessen. Hierauf beginnt die Fahrt auf dem Prado, wo schon einige Banden Musikanten an verschiedenen Orten angestellt sind, die allemahl, so lange der König in ihrer Nähe ist, Musik machen müssen. Musik ist das ganze Leben eines müßigen, nur nach Vergnügen haschenden Volks, sie macht daher die Promenade um so interessanter, und von allen Seiten sieht man Scharen von Menschen herbeiströmen, um an diesem Vergnügen mit Theil zu nehmen. Je größer das Fest ist, desto mehr Menschen und Luxus sieht man hier, denn der Spanier feyert noch mehr als der Deutsche seine heiligen Tage mit Müssiggang und Pracht.

Diese Promenade dauert gewöhnlich einige Stunden. Sobald es anfängt Abend zu werden: so fährt der König wieder nach Hause, und die Glocken ertönen wieder in allen Straßen, die er durchzieht; sonderbar ist es, daß hier einige Straßen ein uralt hergebrachtes Recht haben, daß der König bey seinem Hierseyn an 249 bestimmten Tagen der Woche durchfahren muß, wo er sodann mit einem Glockengeläute beehrt wird.

Der Prado ist demnach die Lieblingspromenade der Madridter, keine andre wird so regelmäßig und so häufig besucht, als eben diese, aber auch keine ist sowohl in physischer als moralischer Hinsicht gleich interessant; die Menge von Alleen, die täglich gewässert werden, gewähren einen so dichten und erquickenden Schatten, und die Menge der plätschernden Fontänen erhalten eine so angenehme Kühlung, daß man mitten im Sommer gegen die lästige Sonnenhitze geschützt, im Genusse einer wohlbehaglichen Temperatur gefächelt von den sanften Zephyren voll des innigsten Vergnügens hier lustwandelt.

Aber so angenehm auch immer der Spaziergang bey Tage ist: so ist er doch nichts in Vergleich mit der unaussprechlichen Wonne, die das nächtliche Lustwandeln auf dem entzückenden Prado gewährt! Der Traurige vergißt hier seine Traurigkeit, der Elende seyn Elend, und selbst der finstere Trübsinn des gehäßigen Mysanthropen muß sich erheitern, wenn er den göttlich schönen Himmel im anmuthigen Blau gefärbt, über sich erblickt, wo das zahllose Sternen-Heer mit majestätischem Lichte funkelt. Das sanfte Plätschern der Fontänen, der stille Schatten der Alleen, das Feyerliche der Nacht erhöhen noch die unaussprechliche Anmuth dieser nächtlichen Scene, verscheuchen allen Gram aus der Brust 250 des Elenden, und versöhnen den Unglücklichen mit den Leiden, unter denen er seufzet, besonders wenn noch der schöne Silbermond Freude und Heiterkeit in seine düstere Seele herablächelt.

Die große Ausdehnung des Ortes erlaubt hier jedem einen Winkel zu suchen, der der Stimmung seiner Seele entspricht; wer Einsamkeit wünscht, entfernt sich in menschenleere Gänge, wo er seinen Lieblingsideen ungestört nachhängen, allen Kummer und Harm wegfühlen, und sich in sanfte Ruhe und Zufriedenheit hineinphantasiren kann, indeß fern tönende sanfte Seguendillen harmonisch in seine Seele dringen.

Wer Fröhlichkeit liebt, hält sich in der Nähe des frohen Haufens auf, wo der feurige Spanier bald muntere, bald sanfte Lieder zum Spiele der Zither singt, und die lebhafte Jugend zum Tanze reitzt, die bald in rascheren, bald in sanfteren Schwenkungen, die abwechselnden Gefühle der Seele ausdrückt, und das Gemählde von Feen-Tänzen vergegenwärtigt, indeß die ergetzten Zuschauer den verdienten Beyfall der Geschicklichkeit der Tanzenden zuklatschen. (Aus: Spanien, wie es gegenwärtig ist, B. 1. S. 157-166.) 251

 
(B. 3. Band II.)

Stutzer. Der Spanische Ausdruck ist Majo. »Majo« heißt es in den Spanischen Nachrichten im deutschen Museum, (Sept. 1776.) und Maja kommen mit dem Französischen Petitmaitre und Petitmaitresse auch Coquette, im guten und schlimmen Verstand überein. In Frankreich hatte man um die Zeit des Salmasius ein ähnliches Wort, da man einen süssen Herrn un Muguet nannte. Dieses kam aber von Muskaten-Blüth oder Nüssen, und überhaupt vom Wohlgeruche her, weil galante Personen über und über parfümirt waren.In den mittlern Zeiten der Französische Revolution hatte man das Wort muscadin, ein Biesamdufter, wie es Herr Campe verdeutscht, für Personen dieses Schlages. Wie wenn Jene Benennung aus der Redensart: schön wie der May hergekommen wäre. Wir übernehmen jedoch keine Bürgschaft.

Twiß (S. 275 der Deutschen Uebersetz.) erzählt uns, daß auf den nächtlichen Spaziergängen an Fäden in das Haar gebundene Johanniswürmchen die Stelle der Brillanten vertreten. Ohne Zweifel die Erfindung einer armen Maja.

Auf Schmuck in den Haaren, an den Händen und Fingern, und um den Hals verwenden die Spanierinnen sehr viel. Selbst die Bürgerweiber treiben es gegen andere Nationen hierin ungemein hoch. Der Geschmack in der 252 Fassung aber ist nicht besonders fein, und der Werth der Juwelen größer als ihr äusseres Ansehen.

Aus des Chevalier Bourgoing's Reise (B. II. S. 67 und 68) seh' ich, daß das Museum sich nicht bestimmt in Hinsicht dieser Majos ausgedrückt hat. Sie sind, sagt dieser wohl unterrichtete Mann, »eine Art von Petitmaitres aus dem gemeinen Volke. Eigentlich sind sie Bramarbasse, die ihre frostige und gravitätische Großsprecherey aus all' ihrem Wesen hervorleuchten lassen. Sie haben im Ton ihrer Stimme, in ihrem Putze, in ihren Geberden ganz etwas Eigenes. Ihr mit einer Montera oder Mütze von braunem Zeuge halb bedecktes Gesicht hat ein Ansehen von drohendem Ernste oder übler Laune, das jedermann, auch die imponirendsten Personen, herauszufordern, und sich nicht einmahl an der Seite ihrer Geliebten mildert. Die Diener der Gerechtigkeit wagen es kaum sie anzugreifen. Von ihrem zurückschreckenden Anblicke schüchtern gemacht, erwarten die Spanierinnen von diesen kleinen Sultans mit Unterwerfung das Zeichen der Schäferstunde. Wagt man es sie durch Neckereyen sogar zu reitzen, so verkündigt eine Geberde des Unwillens, ein feuersprühender Blick, manchmal ein langer Stoßdegen oder ein unter dem weiten Mantel verborgener Dolch, daß man sich nicht ungestraft mit ihnen 253 gemein macht. Auch die Majas suchen sich ihrer Seits, soviel es die Schwäche ihrer Hülfsmittel erlaubt, durch Eigenheiten hervorzuthun; sie scheinen sich die Unverschämtheit zum Studium zu machen. Die Zügellosigkeit ihrer Sitten verräth sich in ihren Stellungen, in ihrem Gange, in ihren Reden. Wenn ihre Geilheit sich auf's schlüpfrigste kleidet, alsdann werden alle die Lobsprüche, welche die Bewunderung erregt, an sie verschwendet. Dieß wäre denn die nachtheilige Seite dieses Gemähldes. Wenn man hingegen mit einer etwas freyern Stimmung die Spiele der Majas ansieht, wenn man an ihre Art, die so wenig mit den Tugenden ihres Geschlechtes und den zuverlässigern Mitteln, dem unsrigen Neigung einzuflößen, übereinstimmt – wenn man, sag' ich, an diese Art gewöhnt wird, alsdann sieht man in ihnen die verführerischsten Priesterinnen, die je auf den Altären der Venus geopfert haben. Ihre unverschämten Geberden werden zu reitzenden Lockungen, welche die Sinne in Aufruhr bringen, dessen sich kaum der Keuscheste erwehren kann, und die, wenn sie auch nicht Liebe einflössen, doch wenigstens zur Liebeslust einladen. Die nachsichtsvollsten Personen sehen aber nicht ohne Bedauern, daß die Majos und Majas mit so viel Beyfall auf dem Theater aufgenommen werden, und daß sie sogar für die Zirkel der guten Gesellschaft einen Reitz 254 haben. An andern Orten rechnen es sich die unteren Stände zum Ruhme, den obern nachzuäffen. In Spanien findet in einigen Rücksichten gerade das Gegentheil Statt. Es giebt Personen beyderley Geschlechtes von ausgezeichnetem Range, welche sich jene Helden des Pöbels zu Mustern nehmen, ihren Putz, ihre Geberden, den Ton ihrer Stimme nachahmen, und es gern hören, wenn man von ihnen sagt: Er hat ganz das Ansehen eines Majo; man würde sie für eine Maja halten. Das heißt doch wirklich auf den Adel, der dem einen Geschlechte eigenthümlich und auf die Sittsamkeit, die der Hauptreitz des andern ist, freywillig Verzicht thun.

 
(Buch 3. Band. II.)

Drall. Nach den Worten: Lessing hat es dem Hochdeutschen einverleibt, füge man noch gefälligst hinzu: Der dralle Gang von Tempelherrn in Nathan, will ich hier im Vorbeygehen bemerken, bezeichnet nicht bloß einen festen lebhaften Gang, wie Herr Campe dieß Beywort erklärt, sondern es deutet auch zugleich die mit dem genauesten Ebenmaße der Glieder verbundene gesunde prallweiche Fleischigkeit des Leu von Filnek an. Rasch kann der Gang eines Hagern, eines Schröders, z. B. 255 wohl seyn, nie aber drall wie eines Vollfleischigen, eines Iffland. Der Herr Professor Heinaz erklärt dieß Wort fälschlich u. s w.

 
(B. 3. B. II.)

Die Stiergefechte, sagt Twiß, werden regocijos de toros, Stierlustbarkeiten genannt. Eine fiesta de toros, ein Stierfest wird nur bey ausserordentlichen Vorfällen, bey einer Krönung, bey der Geburt eines Kronerben, bey Vermählungen in der königlichen Familie und dergleichen gefeyert. In S. Maria sind jährlich zehn, zu Kadiz zwölf, zu Sevilla vier, zu Madrid und Aranjuez an jedem Orte sechs, an den Sonntagen in den Monaten Juny, July und August, denn die Stiere kämpfen nur in der heissen Jahreszeit.

Das Amphitheater in Puerto de Sant Maria und das zu Kadiz ist bloß aus Holz gebaut, und es ist daran nicht mehr Baukunst bewiesen, als an den Blutgerüsten zu Tyburn. Den Nachmittag verschafft' ich mir einen der besten Plätze, wofür ich funfzehn Realen bezahlte. Die Plätze an der Sonnenseite kosten nur zehn Realen, und die Plätze an der Erde nur sechs Pence.

Das AmphitheaterDas in Kadiz faßt beynahe zehntausend Zuschauer, das von Sevilla aber ist groß genug um fast noch einmahl so viel aufzunehmen. Der Kampfplatz ist geräumig. wurde schnell mit Leuten gefüllt, die Logen mit Damen und Herren 256 in Galla, und die Bänke an der Erde mit Pöbel. Der Anblick war sehr angenehm, besonders wegen seiner Neuheit. Handelten die Damen nach einem festen Character, so müßte man sich wundern, wie ein Frauenzimmer, die bey dem Anblick eines Frosches oder einer Spinne in Ohnmacht fallen, oder sich wenigstens doch so stellen, an so barbarischen Schauspielen Vergnügen finden können, wo sie gewiß eine Menge Stiere in Todeszuckungen verscheiden, Pferde mit aufgerissenen Bäuchen, Menschen sehen, welche die Stiere mit den Hörnern in die Luft werfen, oder mit den Füßen zu Boden stampfen, und jede andere Art von Grausamkeit erblicken; da sie aber nicht nach einem festen Character handeln, fällt die Verwunderung weg. Je mehr Grausamkeit verübt wird, je stärker das Blutvergiessen ist, ein desto größeres Entzücken geben sie zu erkennen, indem sie in die Hände klatschen, mit den Schnupftüchern wehen und rufen, um den Stier desto mehr zu erbittern. Es warfen sogar Frauenzimmer Händevoll Nüsse auf den Kampfplatz, und hofften, die Streiter, die zu Fusse mit dem Stiere 257 kämpften, sollten darüber stolpern. Wie aber keine Regel ohne Ausnahme ist, so gesteh' ich mit Vergnügen, daß ich verschiedne Spanische Damen kenne, die nie einem Stiergefechte beywohnten, und auch nicht Willens waren, je eins zu sehen.«

»Sobald der Gouverneur der Stadt sich in seine Loge gesetzt hatte, machten ihm die Männer, die mit den Stieren kämpfen wollten, ihr Compliment. Eine Compagnie Soldaten trieb den Pöbel vom Kampfplatz, und stellte sich dicht vor das brusthohe Geländer. Zehn Stiere, welches die einmahl bestimmte Anzahl ist, sollten erlegt werden. Drey Mann zu Pferde sollten den Stier angreifen, diese nennt man Picadores, Stierangreifer. Es waren noch überdieß vier Männer, die zu Fuße streiten sollten, welche man Vanderilleros, Fahnenträger nennt, und drey Matadores, Tödter. Dieß sind lauter Schlächter, Viehtreiber und dergleichen, die von Kindesbeinen an dazu geübt sind, und die sich durch diese gefährliche Hanthierung ihren Unterhalt verdienen.Zu Kadiz ist 1796 laut der Jenaer Literaturzeitung, N. 73. v. 1798, einer dieser Menschen aufgetreten, und hat folgende Schrift mit zur Vertheidigung dieses höchst empörenden Gebrauchs geschrieben: La Tauromaquia d Arte de torear. Por Josef Delgado. (alias Illo) »Dieser Mann wundert sich, daß Spanien über die Kunst mit Stieren zu fechten noch kein Buch aufzuweisen hatte, da doch die Neigung zu diesem Schauspiele im Lande so allgemein sey, und die Nation so sehr characterisire. Er glaubt, daß diese Neigung den Spaniern angeboren, und die Kunst eben so alt seyn müsse, als Stiere in Spanien vorhanden sind; er rühmt die Spanischen Stiere als die stärksten und tapfersten, und daß die Passion mit ihnen zu kämpfen, den Spaniern als einer so tapfern Nation, ganz angemessen sey; Karl V. Philipp IV. den König Sebastian von Portugal, den berühmten Pizarro und andere mehr führt er als bekannte Stierkämpfer an. Er selbst, als erfahrener Stierfechter, rühmt seine Kunst als die angenehmste und edelste, und freut sich, daß die Neigung zu derselben gegenwärtig den höchsten Grad erreicht hat. Feige, oder neidisch nennt er diejenigen, welche diese Neigung für barbarisch halten; man dürfe nur Zuschauer seyn, um sich vom Gegentheile zu überzeugen. Daß zuweilen ein Stierfechter umkomme, sey kein Argument, sonst müsse man alle Spiele und Vergnügungen, wobey man zufällig unglücklich werden könne, auch das Reiten und Schwimmen, wo die Gelegenheit zum Unglück viel häufiger ist, verwerfen; bey den öftern Stiergefechten finde man am Schlusse des Jahres selten, daß ein Fechter verwundet oder getödtet worden sei. Sollte man nicht glauben, daß eine Stierfechterseele ihre ganz eigene Logik habe? Von Humänität ist wenigstens in dieser Deduction keine Spur zu finden.«
    »Von der Kunst selbst enthält die erste Abtheilung das Fechten zu Fuß, und die zweyte das Kämpfen zu Pferde; den Beschluß macht ein alphabetisches Verzeichniß der bey der Tauromachie üblichen Wörter und Ausdrücke an der Zahl 118.«
Die ersten erhalten zu 258 ihrer Belohnung, jeder an jedem Tage, da sie kämpfen, zwischen drey und vier Pfund; die zweyten die Hälfte dieser Summe, die letzten aber, weil sie der größten Gefahr ausgesetzt sind, und weil von ihnen mehr Geschicklichkeit erfordert wird, zehn oder zwölf Pfund.« 259

»Es stehen immer siebenzig oder achtzig Pferde in einem benachbarten Stall in Bereitschaft, wovon jedes ungefähr fünf oder sechs Pfund werth ist. Weil sie sehr oft auf dem Platz bleiben, oder doch fast immer verstümmelt werden, so sind diese zu der Absicht gut genug. Die Sattel haben vorn und hinten eine Erhebung, ohne die es unmöglich seyn würde, sich auf den Pferden zu halten, die den Stieren nicht ohne grosse Schwierigkeit unter die Augen gehen. Bisweilen zittern sie vor Schreck, bäumen sich, schlagen hinten aus, und sind ganz unbändig. Alsdann muß man ihnen ein Schnupftuch über die Augen binden, zumahl wenn sie schon im vorigen Kampfe verwundet worden. Die Reiter tragen eine Art Beinkleider und Stiefeln von sehr dickem 260 Rindleder, die weit undurchdringlicher sind, als die bottes fortes der Französischen Postillione, aber geschmeidig. Diese hindern die Stiere, die Leute mit ihren Hörnern so leicht zu durchbohren, als sie sonst thun würden. Sie haben starke Sporne an den Fersen, sind in ein Camisol und einen kurzen Mantel gekleidet, und tragen einen breitrandigen Hut, der unterm Kinne mit einem Bande befestigt ist; führen mit der Linken den Zügel, und halten in der Rechten einen faustdicken zehn Fuß langen Speer, der mit einer fußlangen breiten eisernen Klinge bewaffnet ist, die aber, wegen eines herumgewundenen Riemens nicht tiefer als eine Handbreit in den Leib des Stiers fahren kann. Die Fußkämpfer tragen leichte Wämser und einen langen Mantel; jeder führt einen kleinen Wurfpfeil mit einem wiederhakigen Eisen in der Hand. Der Wurfpfeil ist mit ausgeschnittenem Papier, wie Fliegenfallen aufgeschmückt. Es stehen ganze Körbe mit diesen Pfeilen hinter den Geländern, weil jeder der Streiter oft ein halb Dutzend auf jeden Stier schießt, den man, sobald er todt ist, mit allen in seinem Leibe steckenden Pfeilen wegschleppt. Die Matadores sind mit den vorerwähnten überein gekleidet, und beschäftigen sich auch damit Pfeile auf die Stiere zu werfen. Von ihrem besondern Geschäft in der Folge!« 261

»Es war schon alles in Bereitschaft, und die Stiere mußten nur noch aus den Ställen, wo sie waren, über den Kampfplatz hin in einen kleinern Stall, hinterm Amphitheater getrieben werden, wo jeder besonders stehen sollte. Der erste Stall war nicht weit vom Amphitheater entfernt; und man hatte den ganzen Weg hinauf, den die Stiere nehmen sollten, eine sechs Fuß hohe Bretterwand aufgerichtet. Ein Viertheil auf Fünf ließ man die zehn Stiere auf den Kampfplatz, um sie in die Ställe an der Thür gegenüber zu bringen. Es ward mit der Trompete das Zeichen gegeben, den Stier hineinzulassen, und der Kerl, der die Thür öffnete, stellte sich alsobald hinter selbige.«

»Während dieser letzten Viertelstunde hatte man die Stiere damit gequält, daß man ihnen die Rücken stachelte. Dieß thun Leute, die auf dem Boden der Ställe liegen. Er war niedrig, und bestand nur aus hie und da hingelegten Dielen, zwischen welchen sich so viel Raum befand, daß man von jedem Werkzeuge zu dieser Absicht Gebrauch machen konnte. Die Stiere zeichneten sich durch eine kleine an ihren Schultern befestigte Bandschleife aus. Die verschiedenen Farben derselben bezeichnen die Oerter, wo sie aufgezogen wurden, wie man aus der Ankündigung erfährt.«

»Der Stier fiel den ersten Reiter an, der ihn auf den Speer stürzen ließ, welchen er in 262 der Mitte fest an der Seite hielt, und der hinten unter der Achselgrube hervorragte. Der Stier bekam eine tiefe Wunde in der Schulter; er zog sich zurück, und das Blut lief in Strömen herunter. Der Stier rannte mit solcher Gewalt auf den Mann, daß der Stoß ihn mit seinem Pferde beynah' über den Haufen geworfen hätte. Nun traf einen andern Kerl die Reihe, den Stier zu verwunden, denn es darf nur immer einer mit ihm kämpfen. Sie dürfen den Stier nicht angreifen, sondern müssen seinen Angriff erwarten. Der Stier trabte auf die Mitte des Kampfplatzes, und gaffte umher, erschreckt durch das Händeklatschen und Zurufen des Volkes. Der Mann zu Pferde machte immer Fronte gegen den Stier, und wandte sich, wenn sich der Stier wandte. Er lief darauf auf das Pferd, und bekam noch eine Wunde in die Brust; und die dritte gab ihm der nächste Reiter, den er angriff. Er war nun vor Schmerz wüthend geworden, das Blut schoß ihm in Strömen aus dem Maule, er wankte vor Ermattung, die Augen flammten Wuth, er stampfte den Boden auf, und peitschte seine Seiten mit dem Schweif; er strömte den Athem mit Ungestüm, wie Rauch aus den Naselöchern; und sein Kopf schien in Nebel gehüllt. Hierauf gab die Trompete den Reitern das Zeichen zur Entfernung; die Fußkämpfer thaten den Angriff, und bepflanzten ihn über und über mit widerhackigen 263 Wurfpfeilen. Der Stier sprang vor Schmerz vom Boden auf, und lief wüthend auf einen von den Kämpfern, der auf die Seite wich. Hierauf wandte sich der Stier gegen einen andern Kämpfer, der ihm eben einen Wurfpfeil in den Rücken gebohrt hatte. Dieser that einen Sprung über das Geländer, wo er sicher war. So plagten all die Kämpfer den Stier, der wegen der Verblutung kaum stehen konnte. Sobald die Trompete schallte, erschien der Matador mit einem auf einem kurzen Stabe flatternden Mantel in der Linken, und in der Rechten mit einem zweyschneidigen Schwerte, dessen Klinge platt war, vier Zoll in der Breite und eine Elle in die Länge hatte. Er stand still, und sobald der Stier in den Aengsten der Verzweiflung und des Todes ihn anfiel, bohrte er ihm das Schwert in den Rückgrath hinter den Hörnern, worauf er alsobald todt niederstürzte. Trifft der Matador fehl, und kann er sich mit dem Mantel nicht vertheidigen, so verliert er das Leben, denn der Stier wendet alle übrigen Kräfte mir einer beynah unbeschreiblichen Wuth an. Hat der Matador das Glück, den Stier durch einen einzigen Stoß zu tödten, so wirft ihm das Volk Geld zu. Ich sah, daß ein Spanischer Edelmann bey der Gelegenheit ein Goldstück von dreyhundert Realen, drey Pfund, sechs Schilling und acht Pence, für ihn auf den Kampfplatz warf.« 264

»Drey Pferde, deren Stränge man ihm um die Hörner band, schleppten alsobald den todten Stier im vollen Gallop vom Kampfplatz. Eine Viertelstunde war verflossen, denn länger darf die Erlegung eines Stiers nicht währen. Fünf Minuten sind den Reitern, fünf den Fußgängern, fünf dem Tödter bestimmt.«

»Hierauf ließ man einen andern Stier heraus, den wildesten und wüthendsten, den ich je sah. Der Reiter traf fehl, und der Stier stieß seine Hörner in den Bauch des Pferdes, und riß ihm das Eingeweide heraus. Das Pferd ward so unbändig, daß der Reiter absteigen und es dem Stier zur Beute lassen mußte, der es auf dem Kampfplatze herumjagte, bis es endlich niederfiel und starb. Noch vier andere Pferde wurden nach einander von diesem Stiere getödtet, der bisher nur leicht verwundet war, dem aber doch eins von den Pferden den Kinnbacken zerschlagen hatte. Dem einen Reiter brach der Speer im Nacken des Stiers ab, und Pferd und Reiter stürzten zur Erde; der Reiter brach das Bein, und man trug ihn weg. Die Fußkämpfer thaten hierauf den Angriff, und endlich machte der Matador dem Leben des Thieres ein Ende, das sich durch all' seine Stärke, durch all' seinen Muth das Leben nicht retten konnte.«

»Der dritte Stier tödtete zwey Pferde, und riß ihnen eine solche Wunde in den Bauch, daß die Eingeweide auf die Erde schleppten. Der 265 siebente Stier brachte auch zwey Pferde um. Auf diese Weise wurden zehn Stiere erlegt, und das ganze Schauspiel endigte sich in drittehalb Stunden. Sogleich verkaufte man das Stierfleisch dem Pöbel, das Pfund für zehn Quartos, oder ungefähr drey Pence.«

»Als die Reiter dem letzten Stiere Wunden genug gegeben hatten, so ließ man den Pöbel auf den Kampfplatz. Sie fielen den Stier»Der gewöhnlich embolado ist, das heißt, der Kugeln auf den Hörnern hat.« (Ueber Sitten, Temperament u. s. w. Spaniens, B. I. S. 235.) von allen Seiten an, und tödteten ihn mit ihren Messern und Dolchen. Der Stier wirft bisweilen einige von diesen Kerlen über den Kopf.«

»Die Spanischen Stiere haben die Gestalt der Englischen Ochsen; ihre Hörner sind sehr lang, sie brüllen nicht, und geben nicht den kleinsten Laut von sich, wenn sie kämpfen.«

Doctor Goldsmith's Anmerkung ist zum Theile richtig, wenn er schreibt: »diese wilden Stiere, in deren Bekämpfung die Spanier solche Ehre suchen, sind armselige kleine Thiere, die beynahe die Gestalt unsers Hornviehs haben, denen aber ganz und gar die ernsthafte Miene fehlt, wodurch unsre Ochsen sich auszeichnen. Sie sind aber doch furchtbar genug.« 266

»Die Fußkämpfer sind in keiner großen Gefahr; ihre Sicherheit hängt von ihren Mänteln ab, die sie dem angreifenden Stier über den Kopf werfen, und auf diese Weise dem Thiere ausweichen, das immer die Augen verschließt, eh' es einen Stoß thut. Ihre Menge trägt gleichfalls viel zu ihrer Sicherheit bey, denn wenn der Stier auf einen Kerl zuläuft, so fällt ihm ein anderer in den Rücken, und lenkt ihn herum. Einige dieser Kerle pflegen die Annäherung des Stieres zu erwarten, und sich dann mit Fleiß platt auf die Erde zu werfen, dergestalt, daß das Thier über sie wegspringt, und seine Wuth in der Luft verschwendet. Einige werfen ihre Hüte auf die Erde, und lenken dadurch den Stier von der Verfolgung ab. Einige Stiere wollen ganz und gar nicht kämpfen; aber jeder von denen, welche den Angriff thun, hat seine besondere Weise.«

»Ich sah nachher verschiedene der erstern. Der Pöbel schrie los peros, los peros, die Hunde, die Hunde. Worauf man drey Bullenbeisser auf den Kampfplatz ließ, die ihn im Augenblick bey den Naselöchern packten, mit einer Wuth, die die Wuth unsrer Englischen Doggen erreicht, wo nicht übertrifft. Sie rissen ihn an die Erde, und hierauf gab ihm der Matador den Rest, indem er einen kleinen Dolch in das Rückgrath hinter die Hörner senkte. Die Hunde wollten den todten Stier nicht eher fahren lassen, bis 267 ihnen ihre Herren Stricke um den Hals wanden, und sie beynah' erdrosselten. Die Hunde sind von der Zucht der Bullenbeisser, die die Spanier mit sich nahmen, als sie Amerika eroberten, und durch welche sie die Einwohner so grausam in Stücke zerreissen liessen.«

»Die Stierhäute sind gewöhnlich so durchlöchert oder verwundet, daß sie den Stieren gleichen. Bisweilen springt ein Stier über das Geländer unter das Volk; doch dieser unwillkommene Gast, der sich unter den Bänken verwickelt, findet schnell den Tod. Die Reiter pflegen am liebsten gegen die linke Seite des Stiers Fronte zu machen, wo sie die Lanze, die sie in der Rechten führen, am besten lenken können. Tages darauf, wo man ein Fest feyerte, sah ich noch ein Stiergefecht, das dem vorigen vollkommen ähnlichte, ausser daß die Stiere nicht so ruhig waren, als man sie vom Anfange des Kampfs über das Amphitheater führte. Durch den Lärm des Pöbels erbittert, liessen sie ihre Wuth an dem Kerl aus, der den zahmen Ochsen führte. Sie schläuderten ihn einige Minuten hindurch auf den Hörnern von einem zum andern. Der Kerl kam zwar noch mit dem Leben davon, war aber schrecklich verwundet. Neun Stiere gingen endlich in den Stall; allein der zehnte, der die Reiter anfiel, ward auf die gewöhnliche Weise von den Kämpfern, die alle nach der Reihe mit ihm stritten, erlegt.« 268

Die Stiere bleiben bisweilen stehen, und riechen nach dem Blute, das auf der Erde fließt; und oft, wenn sie dem Reiter den halben Weg entgegengekommen sind, stehen sie still, und begucken ihn ganz ruhig, wodurch sie Muth zu sammeln scheinen, und dann verdoppelt sich ihre Wuth. Bisweilen sieht man Pferd und Stier auf den Hinterfüssen stehen, und sich gegen einander stämmen, indeß der Kämpfer den Speer in den Hals des Stiers gebohrt hat; allein der Stier behält wegen seiner grössern Schwere immer das Obergewicht, dergestalt, daß das Pferd einzig und allein durch die Flucht entkommen kann. Der Stier ist so schnell im Nachsetzen, daß er im Gallopiren das Pferd drey oder viermahl rund auf dem Kampfplatze herumverfolgt, ohne zu weichen, die Hörner in die Lenden des Pferdes geheftet. Das ganze Stiergefecht hindurch rauchten fast alle männliche Zuschauer ihre Segars; sie führten Feuersteine, Stahle und eine Art Zunder bey sich, den man yesca nennt, und der aus weißen Fasern gewisser Pflanzen besteht, um ihren Tabak damit anzuzünden.»Viele Spanier rauchen auf die Weise, daß sie kleingeschnittnen Tabak (Brasilier, der aber viel stärker als der Deutsche Brasilier ist) in Papier wickeln und anzünden. Dieß nennen sie ehupar tabaco en papel
    »Man will behaupten, daß die Art, das Papier mit dem Tabak zu rauchen, sehr ungesund sey, besonders soll es bey demjenigen, der viel raucht, der Brust sehr schädlich seyn, welches Unheil man dem im Papiere enthaltenen Leime zuschreibt; man erzählt viele Beyspiele von daher entstandenen Lungensuchten.« (Aus: Spanien, wie es gegenwärtig ist, Thl. I. S. 528.)
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Herr Clarke wagt in seinem Buche einige Muthmaßungen über den Ursprung dieser Schauspiele, worauf ich den Leser verweise.

 
(Zum dritten Kapitel des 4ten Buches B II.)

»Le Sage schildert in diesem Kapitel das höchst übermüthige Benehmen der Schauspieler seiner Nation, indem er die Spanischen Histrionen zu geißeln sich stellt. Die jetzigen Pariser Theater-Herren und Damen, welche, im Vorbeygehen bemerkt, größtentheils Stockaristokraten sind, machen es, wie man aus einem der neuesten Französischen Journale ersieht, den Autoren nicht um ein Haar besser, diese müßten denn das bescheidne Schriftstellerair abgelegt haben, ihnen durch modischen Anzug und Equipage und kecke Witzeleyen imponiren, und ihnen stets Weihrauchsdampf entgegenblasen. Männer von so schlichtem Wesen und so altväterischer Denkart wie der wackere Cailhava z. B. werden genau so wie Pedro de Moya behandelt.« 270

 
(K. 7. B. 4. Band II.)

»Die im Anfang dieses Kapitels auftretenden Aerzte sind der obengedachte Hecquet und Andry, sein Antagonist. Jenen hat Le Sage Oquetos, diesen Andros getauft. Er läßt sie am Bette des Kranken über die Kochung der Säfte disputiren, weil sie darüber beyderseits Bücher geschrieben hatten, die alle Facultäten und alle Naturforscher in der Welt nie vollkommen erklären werden.

 
(Z. K. 8. B. 4. Band II.)

»Aus der in diesem Kapitel enthaltenen schönen Episode oder Novelle hat Herr Saurin das Süjet zu seinem: Blanche et Guiscard geschöpft, einem Trauerspiele, das vielen Beyfall erhalten hat. Der Engländer Thomson hatte bereits das nähmliche Süjet auf gleiche Art nach Le Sage'n behandelt.« Und vor einiger Zeit hat ein Deutscher (eben nicht vorzüglich) denselben Stoff unter dem Titel: Blanka und Enriko (Hannover bey Ritscher 1795.) dramatisch bearbeitet. Der Recensent dieses Stücks in v. Soden's Thalia und Melpomene B. I. H. 1. S. 35. thut jenem Tragödienmacher zu viel Ehre an, wenn er glaubt, daß er den Stoff erfunden habe. Mein verstorbener Freund, Wilhelm Nissen, der Verfasser des Manuscripttrauerspiels: Der eigene Richter, hatte eine Bearbeitung dieses Süjets skizzirt, die mir weit theatralischer schien. 271

 
(Zu B. 5. Band III.)

»Posada. Nach den Worten ein Gasthof, beliebe man hinzuzusetzen: »Ich brauche meinen Lesern nur eine einzige Posada zu schildern, und sie kennen sie alle, denn das Locale einer solchen Posada ist sich durch ganz Spanien gleich, in welcher Richtung man auch das Reich durchkreuzen mag. Für's Erste stelle man sich eine Art von Vorhof, oder vielmehr eine Art schlechtverwahrten offnen Schoppen vor, wo die Fuhrleute ihre Waaren abgeladen haben und wo sie auf der blossen Erde, in ihre Mäntel und Maulthierdecken gehüllt, schlafen. An diesen Schoppen stößt der Stall. Nun kommt ein Gemach, das man Küche nennt. Es ist das schönste von der ganzen Casa wo sich die Leute vom Hause aufhalten, und wo jeder Reisende sich sein Essen bereitet und es dann verzehrt. Das einzige Geräthe dieser Küche besteht in einem oder mehrern Oefen; denn in Oefen wird in Spanien wenigstens in den Gasthöfen, alles gekocht. Da man nur ein einziges Küchengeräthe hat, so gibt es auch nur eine einzige Kochart. Oehl macht den Hauptstoff von allen Brühen aus, und zwar ist es dasselbe Oehl, das man in den Lampen brennt, und mehr als Einmahl hab' ich gesehen, daß die Wirthinn die Lampe nahm und in das Gericht goß, weil es ihr zu weitläuftig war, erst nach dem Oehlkruge zu gehen. Ich muß bey dieser Gelegenheit 272 anmerken, daß es nicht zweyerley Arten von Oehl in Spanien gibt, und daß es dort durchgehends sehr schlecht und abscheulich ist, obgleich die Spanier Besitzer der schönsten Oehlbäume in Europa sind; aber sie wissen ihre Oehlbeeren (Oliven) nicht recht zu bearbeiten und wollen auch keinen Rath darin annehmen. Doch ich komme wieder auf die Küche zurück. Im Winter ist sie das allgemeine Schlafgemach für die Ab- und Zugehenden. Eine breite, steinerne Bank, die längs dem Kamine hingeht, dient so vielen Maulthiertreibern zum Bette, als sie fassen kann. Es ist der gute Platz, dessen man sich bey Zeiten bemächtigen, oder späterhin das Nachsehen haben muß, doch sind in der Nachbarschaft einige dunkle Löcher, Zimmer genannt, wo die allerelendesten und allerschmutzigsten Strohsäcke liegen, die sich nur denken lassen. Ein Mann, der vier Fuß Größe hat, kann sich unmöglich darauf ausstrecken, und was man Betttücher nennt, ist kaum so groß wie unsere Servietten. Ein solches Bett muß man mit einem Real de plata bezahlen, und oft ist es im Ganzen nicht so viel werth. Die übrigen Möbeln entsprechen dem Bette. Ein Paar elende Stühle, worauf ich keinem Menschen rathen wollte, sich zu setzen, ein wackelnder, oder oft gar keinen Halt habender Tisch, ein Crucifix am Kamine, dem gewöhnlich ein Arm oder ein Bein fehlt, machen das ganze Zimmergeräthe aus. Ein Stückchen 273 Spiegel, worin man sich betrachten könnte, ist nirgends zu sehen, noch zu hören; es würde auch ein ganz überflüssiger Luxus bey Leuten seyn, die in Kleidern schlafen, und keine andere Toilette zu machen brauchen, als sich die Augen auszuwischen. In diesen unglücklichen Kerkerlöchern schließt die Thür nie und die Fenster sind ohne Verwahrung, so daß man im Winter vor Kälte friert, und im Sommer vor Hitze erstickt; dazu wimmelt es darin von Ungeziefern aller Arten. Deßwegen pflegen auch wohlhabende Reisende, wenn sie gezwungen sind zu reisen, (denn hier zu Lande reist Niemand als nur aus Noth) ihre eignen Betten in einem großen Bettsacke bei sich zu führen und in einem Winkel der Posada aufschlagen zu lassen, welcher der minder schmutzigste ist; aber oft hält es eben so schwer, einen solchen Winkel auszumachen, als den nördlichen Durchgang nach Asien zu finden. Was das Essen betrifft, so muß, wer essen will, es mit sich bringen. Frägt man nach Fleisch, so wird man zum Metzger gewiesen; will man Brot oder Wein haben, so zeigt man Euch, wo der Bäckerladen oder der Weinschenke ist, und so muß man die Stadt von einem Ende zum andern durchstreichen, um seine Mahlzeit zusammenzustoppeln, und gar oft kommt man mit leeren Händen zurück.«

»Den andern Morgen, als wir abreisen wollten, machte die Posadera oder Wirthinn 274 eine Forderung von einer ganz eigenen Art an uns. Wir hatten nicht das geringste bey ihr genossen, weil ich das Land kannte und mich also vorgesehen hatte; aber unser Essen war an ihrem Feuer von uns gekocht worden, und daher verlangte sie von uns eine Entschädigung por el ruido de casa, für das Geräusch, das wir im Hause gemacht hätten. Wir gaben ihr etwa in Allem einen halben Laubthaler, und sie überhäufte uns dafür mir so vielen Danksagungen, als ob es ein Quadrupel gewesen wäre. Man sieht daraus, daß diese Leute nicht schwer zu befriedigen sind; unterdessen gibt man ihnen doch immer noch zu viel für das Wenige, was man bey ihnen genossen hat.«

(Memoiren eines Emigranten auf seiner Reise nach Spanien. S. 171–176.)

 
(Zu B. 5. Band III.)

Page. Nach den Worten: Dieß ist auch hier der Fall, setze man noch gefälligst Folgendes hinzu: wie ich aus den Memoiren des Emigranten kein Emigrant ersehe, hab' ich mir von dieser Bedientenart einen zu vortheilhaften Begriff gemacht. Man höre nur Wundershalber, wie der Page einer Ousia-Dame beschaffen ist, dann kann man leicht schliessen, was für eine Figur der Page einer Schulmanns-Tochter machen kann. »Die Pagen der Ousias und ihr Costum würden auch den 275 Ernsthaftesten zum Lachen bringen. Ousia nennt man in Spanien den Adel von der zweyten Classe, d. h. alle die, welche nicht Grandes von Spanien oder nicht ihre Vorrechte geniessen. Jede solche Ousia-Dame, oder die auf diesen Titel Ansprüche macht, pflegt, wenn sie zu Fuße ausgeht, eine ziemlich groteske Figur vor sich her wandeln zu lassen, den sie ihren Pagen oder Edelknaben betitelt und dessen Bild ich hier nach der Natur entwerfen will. Glatte, flache Haare, ein abgenutztes, fettes, mitten auf dem Kopfe sitzendes Haarbeutelchen machen den Kopfputz aus; ein gewaltiger Stoßdegen, ein abgeschabter Rock, wo fast immer die Ellbogen durchgucken, ein Paar ungeheure Beinkleider und Schuhe wie ein Bothenläufer sind der übrige Putz. Dazu denke man sich ein Ojemine'sgesicht, einwärts gebogene Kniee und Füße, den Hut unter dem Arm, und man wird sich eine deutliche Vorstellung von dem Adonis entwerfen können, welcher den Vortreter der Ousias macht, indem er einhertrippelt und sich in den Kopf krazt.« (Memoiren eines Emigranten. S. 122 und 23.)

 
(Zu B. 5. B. III.)

Die in diesen Blättern enthaltene Geschichte der Aurore würde auf's Theater zu bringen mehr Schwierigkeit kosten, dessenungeachtet aber ist sie nicht weniger anmuthig.« 276

 
(Zu B. 5. B. III.)

»Die daselbst vorkommende Anecdote vom Rector Guoymar betrift einen zu Le Sage's Zeit lebenden Universitätsprofessor Dagoumer. Er wurde sehr geachtet, stand wegen seiner Gelehrsamkeit in großem Rufe, war aber zu sehr Verehrer des Weins. Während der Zeit, daß er an der Universität stand, wurd' er nicht selten weintodt nach dem Collegium gebracht.«

 
(Zum vierten Kapitel des Dritten Bandes.)

»Unter der Marquese de Chaves, die in diesem und dem folgenden Kapitel, als Herrschaft des Gil Blas vorkommt, soll der Verfasser die berühmte Marquise de Lambert abgemahlt haben, deren Haus der Sammelplatz der Gelehrten und schönen Geister war, unter welchen sich la Motte und Fontenelle auch befanden.«

 
(Z. B. 5. B. III.)

Grandes. Nach dem letzten Abschnitte beliebe man aus Gefälligkeit noch Folgendes einzuschalten:

»Die Grandes verschwenden ungeheure Summen, und bemühen sich durch äussern Glanz die Augen der Welt zu blenden, und tiefe Verehrung und Bewunderung zu erregen; sie wetteifern daher, nicht nur mit einander, um durch größern, geräuschvollern Aufwand einander zu überflügeln, sondern sie wetteifern sogar mit dem Hofe, dessen Lebensart sie in aller äussern Pracht 277 in ihren Häusern nachzuahmen suchen. Alles schmeckt da nach Hofetikette, sie geben ihren Bedienten Hofnahmen, um hochklingende Titel herauszubringen; sie unterhalten eine Menge Secretäre, Capelläne und Canzelisten (denn sie haben ihre eigene Canzeleyen) einen ganzen Schwarm von Livreybedienten, und sogar eine Art von Hofpagen. So unterhält der Herzog von Medina-Sidonia, deren stets acht, die nach Pagenart auch weit köstlicher als andere Bediente gekleidet sind.«

»Diesem Tone gemäß sind alle Möbeln, Kleidung und Tafel eingerichtet; goldenes und silbernes Tafelzeug und andere dergleichen Geschirre, Juwelen und Brillianten gibt es da in Menge; es herrscht darin ein schwülstiger Asiatischer Geschmack, und alles hat einen großen, fast königlichen Zuschnitt; denn sie kennen keine andere Größe als äussere Pracht, und es ist für sie die größte Kränkung, daß sie es dem Hofe darin nicht gleich thun können.«

»Ihre Ställe sind mit einer großen Menge Maulthiere und schönen Gäulen angefüllt, wozu sie eine gehörige Anzahl Bedienten unterhalten. Prächtige Equipage ist eins von ihren Lieblingssteckenpferden; sie lassen die prunkvollsten Wagen und Geschirre aus England kommen, und glänzen damit auf dem Prado

»Auf die Tafel verwenden sie sehr große Summen, alles ist da auf königlichen Fuß 278 eingerichtet, und hier zeigen sie eigentlich ihren hohen Stand und Reichthum. Eine große Menge besonders von seltenen Gerichten wird hier auf dem prächtigsten Tafelgeschirr aufgetragen, und das ganze Heer von Bedienten muß dann paradiren. Die Bedienung selbst ist mehr oder weniger nach Hofart eingerichtet; je nachdem der Reichthum des Herrn deren eine größere oder geringere Anzahl erlaubt; ja es gibt hier Weiber von Grandes, die sich die Schocolade nach Hofart in's Bett bringen lassen; die Dienerschaft wird dazu aus dem ganzen Hause zusammengerufen, die Bedienten müssen sich alle in eine Reihe stellen, und die Tasse spaziert von Hand zu Hand fort, bis sie zum letzten kommt, der sie der hohen Gebieterinn in tiefster Ehrfurcht überreicht; um das Ceremoniel ganz königlich zu machen, fehlt weiter nichts als das Kniebeugen.«

»Ehemahls waren die Livreybedienten in reiches Silber und Gold gekleidet, besonders wurde viel Luxus mit stattlichen Jägern getrieben, und mancher Jäger trug einen Anzug von so vielen goldenen Borten, welcher oft vier- bis fünfhundert Thaler kostete; seit kurzem aber sind durch königlichen Befehl alle Arten von silbernen oder goldenen Borten auf den Livreyen verbothen worden, und die Bedienten gehen nun ganz einfach gekleidet. 279

»Die Grandes verschwenden zugleich viel Geld mit ihren Theatern, die sie in ihren Häusern unterhalten; auf Festtage, oder andere feyerliche Gelegenheiten, besonders im Winter und auf Fastnacht lassen sie da Stücke aufführen. Decorationen und äussere Pracht verdunkelt da alles, was man auf den öffentlichen Theatern sieht.«

»So affectiren die Grandes in ihren Häusern ein königliches Leben, und verschwenden ihr Geld größtentheils mit Tand und Flitterwerk. Aber bey aller dieser Verschwendung sind sie gar nicht gastfrey; kein Fremder wird von ihnen zur Tafel geladen; sie reisen nicht, und haben daher auch keine Bekanntschaften, von denen sie besucht werden könnten; und kommt vielleicht auch einmahl ein Fremder mit einem Empfehlungsschreiben an sie nach Madrid, so darf er sich nicht schmeicheln, von ihnen eingeladen zu werden, wenn er nicht gleichen oder höhern Standes ist; ein Mann von geringerem Stande würde nur die Majestät ihrer hohen Person entweihen, wenn er mit ihr aus Einer Schüssel das gemeinschaftliche Bedürfniß des Magens befriedigte. Sie haben fast mit Niemand den Umgang als mit Leuten von ihrem Stande, und selbst fremde Gesandten werden von Keinem als etwa von Ministern eingeladen.«

»Der Spanische Adel liebt das Landleben ganz und gar nicht; denn hier fände seine 280 Eitelkeit, sein Stolz gar keine Nahrung; seine Pracht und Herrlichkeit könnte hier nicht bewundert werden, und er würde da ein wesentliches Stück von seiner Glückseligkeit entbehren.«

»Die Grandes und ihre Gemahlinnen wetteifern zuweilen durch prächtige Kleider und glänzende Equipage, es gar dem Hofe, wo nicht zuvor, doch wenigstens gleich zu thun. Dieß that besonders der alte, nun schon seit einiger Zeit verstorbene Herzog von Medina Sidonia, der durch seine prächtige Equipage alles überglänzte, und dadurch nicht selten die Ungnade des Hofes auf sich lud, um die er sich aber wenig kümmerte.«

»Unter den Grandes gibt es sehr reiche Familien, sie besitzen ungeheure Güter, ja ganze Landschaften. Einige haben so viele Jagdrevire, daß sie funfzig bis sechzig Jäger in ihren Diensten halten; vielleicht hat kein Land in Europa so reiche Privatleute aufzuweisen, als Spanien. Das Haus Alba ist gegenwärtig unstreitig das reichste, weil zwey Häuser miteinander vereinigt sind; seine Einkünfte belaufen sich auf etliche dreyßig Millionen Realen. Andere Häuser, deren Renten in die zwanzig Millionen gehen, gibt es mehrere; unter zwanzig Millionen giebt es schon viele. So reiche Unterthanen erregen allerdings viel Aufsehen, und es muß der Eitelkeit eines Königs nicht wenig schmeicheln, Unterthanen zu haben, die mit mehr Glanz 281 leben, als in andern Ländern unabhängige Fürsten.«

»Durch seine sinnlose Verschwendung trägt indeß der Spanische Grande sehr viel, ohn' es selbst zu wissen, oder zu wollen, zum Besten des Ganzen bey. Verbänd' er mit seiner eingeschrumpften egoistischen Denkart noch Geldgeitz und Scharrsucht, so würde das Uebel noch weit größer seyn; seine Liebe zum Aufwande bringt das Geld in Umlauf, belebt Indüstrie und fördert das Verkehr, obgleich der inländische Handel dabey eben nicht immer das Meiste gewinnt, und große Summen für Luxusartikel in's Ausland gehen. Viele Menschen ziehen dadurch ihre Nahrung; der Kaufmann, der Handwerker, der Fuhrmann gewinnen dabey, und werden in den Stand gesetzt, ihre Familie zu ernähren. Selbst durch die Menge von Bedienten, die ihrem Luxus dienen, wird viel Geld in Umlauf gebracht; nicht nur durch die Personen, die wirklich in Diensten stehen, sondern auch jene, die schon ausgedient haben. Sie behandeln diese wirklich mit vieler Menschenliebe, und schicken sie nicht außer Dienst, wenn Alter oder Gebrechlichkeit sie zum Dienen untauglich gemacht hat. Sie geben ihnen die Besoldung fort, und erhalten sie, so lange sie leben. Manche werden auf ihre Güter geschickt, wo sie ihnen entweder einen ihren Kräften noch angemessenen kleinen Dienst anweisen, oder aber sie ohne alle Geschäfte 282 ernähren. Viele werden auch in der Stadt erhalten. Oft ist die Anzahl solcher ausgedienten Domestiken nicht unbeträchtlich, und die Grandes zeigen darin eine gewisse Größe, daß keinem von ihren Leuten vor der Zukunft zu bangen braucht.

(Aus: Spanien, wie es gegenwärtig ist. B. I. auszugsweise.)

»Die Pagen der Grandes so wie des Königs und der Königinn werden vor den jüngsten Söhnen der adeligen Familien zu Officieren gewählt. Die königlichen Pagen, wenn sie es acht Jahre gewesen sind, treten als Capitäne in Dienste, und die Pagen der Grandes als Lieutenante. Deßwegen hat jeder Grand von Spanien in diesem oder jenem Regimente eine Compagnie, bey welcher er die Officiere ernennt.« (Memoiren eines Emigranten. S. 57.)

 
(Zu der Note 2. K. B. 7. Band IV.)

Die schmutzigen Verrichtungen, wozu diese niedern Geistlichen von den Bischöfen gebraucht werden, sind physisch, nicht moralisch schmutzig. Folgende Anecdote aus dem Thykneß gehört hieher.

»Ein Franzose, der vor einigen Jahren nach Spanien reiste, hatte Empfehlsschreiben an einen Römischen Bischof, der ihn mit allen Zeichen der Höflichkeit empfing, und ihn sehr gastfrey bewirthete: bald darauf begab er sich in sein Schlafgemach. Ein Priester trat herein, 283 der ein mit einem reinen Tuche bedecktes Gefäß trug; er sagte etwas, da aber der Franzos nur wenig Spanisch verstand, so gab er durch Zeichen seinen Dank zu erkennen, und bedeutete ihm es niederzusetzen; denn er war der Meinung, daß ihm sein Freund, der Bischof, eine Schüssel Confituren, Früchte, Gefrornes oder andere Erfrischungen gesandt hätte, die er vor dem Schlafengehen geniessen, oder wodurch er seine erschöpften Kräfte in der Nacht erquicken sollte. Aber sein Erstaunen war in der That sehr groß, wie er sah, daß der Priester das Geschenk unter das Bett setzte, und noch mehr, wie er fand, daß es nur ein Kammertopf war, – denn, sagte der Franzose, in Spanien gebraucht man keinen Nachtstuhl.« (S. 4.)

 
(Zum vierten Kapitel des vierten Bandes.)

Die Bibliothekare stellen über den übeln Ausgang, den Gil Blas's Treuherzigkeit gegen den Erzbischof von Granada gehabt, folgende Reflexionen an, die unter zehen von unsern Lesern gewiß neun eben so gut, wo nicht besser, würden gemacht haben, ohne Bibliothekare zu seyn. »Der Prälat, sagen sie, verzieh's dem guten Gil Blas nicht, daß er ihm zu verstehen gegeben hatte, sein Rednertalent begänne zu sinken. Ah! Gil Blas! Gil Blas! aus dieser Erfahrung habt ihr wohl müssen einsehen lernen, was Männer und 284 Weiber sind! Auf wie viel Personen von allen Ständen läßt sich nicht die Fabel des Erzbischofs anwenden! Gebt einem Frauenzimmer, das sich den Dreyßigen nähert, zu verstehen, das Flatterhafte im Wesen und Anzuge, das der frühen Jugend ansteht, passe nicht mehr für sie; laßt Euch eine Zeitlang nachher gegen sie merken, sie müsse sich dauerndere Reitze zu verschaffen suchen, als die Reitze der Toilette sind, wenn sie funfzig ist, daß sie kein Roth mehr auflegen müsse; laßt gegen einen Mann von Stande den Wink fallen, es gäbe ein Alter, wo verschwenderische Lebensart und der Anputz eines Jünglings nicht mehr schicklich wären; ein anderes, worin man allen Liebeshändeln entsagen müsse, wofern man nicht wolle angeführt seyn. Steckt einem Autor, daß, wenn man auch bis zum hohen Alter Verstandsschriften verfertigen könne, Schriften, woraus Geschmack und Weisheit hervorleuchtet, man doch in einem gewissen Alter wenigstens all' denen entsagen müsse, die feurige Einbildungskraft und jugendliche Munterkeit verlangen. Spielt einmahl gegen all' diese Damen und Herren so den Treuherzigen, und Ihr werdet allenthalben den Erzbischof von Granada finden. (Juillet 1776, second Volume.) 285

 
(Zum sechsten Kapitel des vierten Bandes.)

 
Vom Pöbel und der Geistlichkeit zu Granada.

Das gemeine Volk ist sehr betrügerisch und diebisch. Man sagt im Sprüchwort von Granada: El Cielo y el Suelo bieno, el Entresuelo malo d. ist der Himmel und Boden ist gut, was sich dazwischen befindet, aber böse. Es ist uns mehr als einmahl begegnet, daß ein gemeiner Kerl, welchen wir zu unsern Diensten gebrauchen wollen, uns das Compliment gemacht hat: wie ihm die Ehre uns zu dienen genug sey, und er gar nichts haben wolle, noch minder etwas begehren könnte. Wenn wir aber endlich seine vorläufige Erklärung durchaus verlangten, so gingen seine Forderungen über alle Billigkeit. Ein Fremder muß sich daher wohl vorsehen, mit den Leuten vorher bedingen, und sich nicht durch den Schein der Höflichkeit und durch Schwatzhaftigkeit verleiten lassen. Er muß hier einen ehrlichen Mann an der Hand haben, welcher ihn führt und mit Rath beysteht. Ein Hauptbetrüger, welcher im Stadtgefängnisse sitzt, sagt: Ich habe viele Leute betrogen, das ist wahr, warum sind sie aber so einfältig und lassen sich betrügen. Einen Abend spät ließ sich Jemand bey uns anmelden, daß er mit uns besonders im Nahmen des Corregidors zu 286 reden hätte. Es kam uns dieß Nachtcompliment verdächtig vor, da wir von dem Corregidor nichts zu erwarten hatten. Wir liessen den Menschen indessen mit nöthiger Vorsicht zu uns kommen, welcher wohl gekleidet war. Er gestand uns mit Zittern, daß er dieß Compliment erdichtet hätte, um vor uns gelassen zu werden, und um ein Almosen bäthe.

Granada ist vor allen Oertern Spanien's ein Paradies der Mönche: sie herrschen daselbst in allen Familien, und sind in allen Häusern willkommen. Alles, was sie vorlügen, sind Wahrheiten, welche jedermann ohne Widerrede annimt, oder annehmen muß. Man hat den Grundsatz: es sey immer besser zu glauben, als zu zweifeln, und eine gute Absicht in der Religion entschuldige nicht nur, sondern heilige alles. Daher gibt man den abenteuerlichsten und lächerlichsten Wundern und Erzählungen am ersten und vorzüglich Beyfall. Denn man will, ja man muß den Schein eines spanischen Christen haben, wenn man es gleich nicht ist. Die Unwissenheit der Geistlichen und Mönche gleicht der Unwissenheit des Volks: beyde gehen zusammen. Wir haben keinen gefunden, welcher den Ruf einiger Gelehrsamkeit hatte. Die Erforscher der Alterthümer klagten über die allgemeine Unwissenheit, und sahen sich als diejenigen an, welche einigen 287 Geschmack an den Wissenschaften zuerst eingeflößt hätten. (Pluer S. 332.)

 
(Zu B. 7. B. 4.)

Goldsandtreibender Tajo. Die Conjectur des La Puente über die Entstehung dieses Beynahmens des Tajo dünkt mir höchst wahrscheinlich, und unsern Lesern vorgelegt zu werden würdig.

Ob ich gleich glaube, sagt er, daß man von dem Goldsande, den man diesem Fluße zuschreibt, nie soviel wird haben zusammen bringen können, als hinreichend wäre, ein Paar Tauben dafür zu kaufen, mag demungeachtet wohl etwas daran seyn, da alle dieses behaupten. Meine Neigung, alles selbst zu sehen und zu untersuchen, hat mich mehr als Einmahl an die Gestade des Tajo geführt, um zu untersuchen, ob sich in dem Sande etwas fände, das dem Golde ähnlich wäre, allein meine Augen haben nicht hinreichen wollen, etwas dergleichen zu entdecken, ob ich gleich den zarten Sand, aus dem das Gold entsteht, auf das sorgfältigste durchsichtet hatte.

Wovon ich Sie mit völliger Gewißheit versichern kann, ist, daß man im Sande des Tajo verschiedene Stücke von Gold und andern Metallen gefunden, und noch täglich findet, denn bey den Ueberschwemmungen dieses Flußes hat 288 man mehrere Münzen und kleine goldene Kügelchen, wie die an den Rosenkränzen, nebst kleinen Figuren, Instrumenten und mancherley Sachen von verschiedenen Materien herausgezogen, und thut dieß noch immer, so daß ein sehr glaubwürdiger Mann mir versichert hat, daß bloß dasjenige, was, so viel ihm bekannt worden, in diesem Jahrhunderte der Tajo an Gold und andern Dingen ausgeworfen hätte, vieltausend Pesos betrüge. Hiervon hat eben dieser Mann verschiedene gekauft, die ich bey ihm gesehen habe, und worunter sich verschiedene von den angeführten Kügelchen und einige Gothische Münzen befinden.D. Francisco Santiago Paloniares Rechnungsführer der Zehnden, ein eifriger Verehrer der schönen Künste, hat in seiner auserlesenen und geschmackvollen Sammlung verschiedene Sachen, die im Tajo gefunden werden.

Der Dechant der Cathedralkirche, D. Juan Antonio de los Insantos, hat seine Münzsammlung und sein Museum mit verschiedenen Stücken, welche der Tajo zu Zeiten unter seinem Sande ausgeworfen hatte, sehr ansehnlich vermehrt. Die Art, wie man diese Dinge aufsucht, ist diese. Es gibt zu Toledo gewisse Leute, die man Artesilleros nennt, welche nach den Ueberschwemmungen des Tajo mit 289 einer Art von Mulden oder kleinen Trögen (Artesillas), deren sie sich bedienen, an die Ufer desselben gehen, den ausgeworfenen Sand darin sammeln, Wasser darauf giessen, ihn herumschütteln und umrühren, daß alles Schwere darunter auf den Boden dieser Mulden untersinkt, und sie auf diese Art, das, was sie suchen, darin finden. Nur ist es Schade, daß die mehreste Zeit das, was sich goldenes oder silbernes darunter findet, zu den Goldschmieden gebracht wird, die dergleichen Stücke gemeiniglich vernichten, und wie man mir gesagt hat, unzählige derselben, ohne sich um das, was sie vorstellen zu bekümmern, einschmelzen.

Ich weiß nicht, ob man das an allen Ufern des Tajo thut; es ist aber gewiß, daß es an denen in der Gegend um Toledo geschieht, wo diesem Fluße, dieser Ursache wegen, der Nahme des Goldführenden (anriser) mit Recht zukommt; ob ich gleich deswegen diejenigen Ursachen, welche die Alten hatten, ihm seines Sandes wegen, eben diesen Beynahmen zu geben, nicht in Zweifel ziehen will.

Toledo liegt, von welcher Seite man es ansieht, in Betracht des Flußes, auf einer grossen Höhe; in derselben gehen alle Kanäle und Kloake, und alles was ausgeschüttet wird, und aller Regen stürzt sich schnell in den Fluß herab. Dieses ist zu allen Zeiten geschehen, weil 290 weder der Fluß noch die Stadt jemahls ihre Lage verändert haben. Da die Römer, die Gothen, die Mauren, die Juden zu verschiedenen Zeiten gewaltsamer Weise aus Toledo zu fliehen sind genöthigt worden, kann dieses einen hinlänglichen Grund zu einer Vermuthung geben, daß einige dieser Völker an verschiedenen Stellen dieses Flußes ihre Schätze, in der Hoffnung zu ihnen zurückzukehren, verborgen haben. Daher kommt es auch, nach meiner Vermuthung, daß man immer etwas Neues, und so viele Kostbarkeiten aus verschiedenen Zeitaltern, im Tajo entdeckt.

Was würde man nicht in dem Bette oder Grunde dieses Flußes antreffen, wenn man ihn in der ganzen Gegend, wo er Toledo umfließt, austrocknen, und seinen Lauf anderwärts ablenken könnte, wenn es auch gleich nur auf eine bestimmte und zur Untersuchung desselben hinlängliche Zeit geschähe. Dieß würde nicht allein eine mögliche, sondern auch eine sehr leichte Unternehmung seyn, sagte ein Projectmacher, wofern man sie ihm nur auftragen wollte. Allein wahrhaftig, ich würde Leuten von seiner Art gewiß nichts auftragen, bey denen es sehr gewöhnlich ist, alles zu versprechen, und nichts mehr zu leisten, als große Summen ohne Nutzen aufwenden. 291

 
(Zu B. 8. Band 4.)

Die in diesen Blättern enthaltene Geschichte des Don Valerio und der Donna Inesilla, ist genau die Begebenheit, die man von Ninon Lenclos und dem Abbé Gedoin erzählt.

 
(Zu B. 8. Band 4.)

Ich denke, es soll keinem der Leser unlieb seyn, die wahre Geschichte des Herzogs von Lerma zu erfahren. Die Romanbibliothekare geben selbige folgendermaßen:

Francisco de Roxas de Sandoval gelangte bey Philipp dem Dritten auf die höchste Staffel der Gunst;Folgende Anecdote, die Pluer von glaubwürdigen Männern hat erzählen hören, kann zum Beweise dienen, wie weit des Königs Liebe zu diesem Minister gegangen.
    Der Herzog von Lerma wurde ungehalten auf Valladolid, weil er das Haus, welches nahe bey dem Pallaste liegt, und damahls neu war, nicht bekommen konnte. Die Stadt Madrid machte sich dieß zu Nutze, und ließ auf eigene Kosten für den Herzog den Pallast aufführen, welchen jetzt der Herzog von Medina Celi bewohnt. Daher und von der Zeit an hat Valladolid aufgehört, ein Sitz der Könige zu seyn.
ward erst 292 Marques, dann Graf, endlich Herzog. Als er seine Frau, die einzige Tochter des Francisco Enrique de Cabrera, des Amirante von Castilien verloren hatte, verschaffte ihm der König im Jahr 1618 den Cardinalshut. Kurz darauf aber fiel er in äusserste Ungnade, und starb 1625 unter der Regierung Philipp des Vierten. Er hatte einen ersten Secretär, der während der Günstlingschaft seines Herrn, ihm an Aufwand gleichzukommen, und an Hoddahrt und Uebermuth ihn sogar zu übertreffen strebte. Er hieß Rodriguez Calderon, und war anfänglich Page beym Herzoge gewesen; er ward Comtur von Ocada, das dem Sant Jagoorden gehört, erhielt den Marquestitel, und war endlich Commandeur von der deutschen Leibwache. Nachdem er aber sammt dem Minister, der ihn erhöhet hatte, in Ungnade gefallen war, behandelte man ihn noch weit härter, als diesen, denn man macht ihm den Prozeß, und legte im Jahre 1621 demselben den Kopf vor die Füße.

 
(Zu B. 9. Band 5.)

Vor dem letzten Abschnitte der Anmerkung beliebe man noch folgenden einzuschalten:

In dem Tempel der Libitina konnte man auch von den Vorstehern der Leichenbegängniße, Libitinariis, alle die Personen miethen, 293 welche zur Bestattung einer Leiche für nöthig gehalten wurden, als Todtenwäscher, Todtengräber, Klageweiber und Todtenwächter.

 
(Zu Band 5.)

 
Von den Zigeunern.

Es wird nicht undienlich seyn, der Zigeuner zu erwähnen, die man durch ganz Spanien, besonders um und in Murcia, Cordova, Kadiz und Ronda, sehr häufig antrifft. Es gibt dieser Landstreicher in allen Theilen von Europa. Die Franzosen nennen sie Bohemiens, die Italiener Zingari, die Engländer Gypsies, die Holländer Heidenen, (Heiden) die Portugiesen Siganos, und die Spanier Gitanos, auf Lateinisch Cingari. Ihre Sprache, die ihnen ganz eigen ist, gleicht sich an allen Orten so sehr, daß sie nothwendig aus einer Quelle geflossen seyn muß. Sie erschienen zuerst in Europa im funfzehnten Jahrhundert, und sind wahrscheinlich eine Mischung von Aegyptern und Aethiopiern. Die Männer sind alle Diebe, und die Weiber liederliche Metzen. Sie haben kein gewisses Verkehr und keine bestimmte Religion. Sie unterwerfen sich auch keinen Gesetzen irgend einer Gesellschaft, sondern werden bloß geduldet. Man glaubt, daß es auf vierzigtausend von ihnen in 294 Spanien gibt. Viele davon sind Gastwirthe in den Dörfern und kleinen Städten. Sie geben sich an allen Orten mit Glücksagen ab. In Spanien erlaubt man ihnen nicht eignes Land zu besitzen, nicht einmahl als Soldaten zu dienen. Sie freyen sich untereinander, durchziehen truppweise das Land, und begraben ihre Todten unter einen Baum. Ihre Unwissenheit verbiethet ihnen etwas anders zu unternehmen, als was die Befriedigung ihrer nächsten Naturbedürfnisse erfordert; weiter geht selbst ihre Räuberey nicht, als ihnen die Mühe der Arbeit zu ersparen. Sie sind zufrieden, wenn ihnen das Zeigen ihrer Künste Unterhalt verschafft, und entwenden nur die nöthigsten Bedürfnisse, Eyer, junge Hühner, Linnen und so etwas; daher man ihnen auch nie eine größere Strafe, als den Staupbesen zuerkennt. Die meisten Mannsleute pfuschen in der Arzney und Chirurgie, und sind sehr behende Taschenspieler.Die Frauen machen, wie man aus Cervantes moralischen Novellen erfährt, häufig die Hebammen. – A. d. Uebers. Diese Nachricht ist zum Theil aus dem Buche le Voyageur Français, vol. XVI. hergenommen; allein die Behauptung des Verfassers, daß die Zigeuner alle Gaudiebe sind, ist zu allgemein. Ich habe oft in ihren Häusern geherbergt, und 295 nie die geringsten Kleinigkeiten vermißt, ob ich gleich meine Messer, Gabeln, Leuchter, Löffel und Leinwand ganz frey liegen ließ; und ich bin mehr als Einmahl Augenzeuge von der Sittsamkeit ihrer jungen Frauenspersonen gewesen, die alle Liebkosungen und Geschenke, wodurch man sie zu einer geheimen Conferenz bereden wollte. mit der strengsten Tugend ablehnten. (Twiß S. 172 und 173.)

Sehr hart und bitter äussert sich Bourgoing über sie. Ausserhalb des Theaters, sagt er, (B. 2. S. 69 und 70.) sind die Zigeuner, die im Lande herumstreichen, ein ärgerliches Leben führen, wahrsagen, alle mögliche verdächtige Gewerbe treiben, ihre eigene Sprache und besondere Zeichen haben, und unter andern mit der Listigkeit gewandter Spitzbuben darauf ausgehen, ehrliche Leute zu betrügen oder zum Besten zu haben, eine Rotte von Menschen, wovon man die Gesellschaft längst hätte säubern sollen, die man aber bis auf unsere Zeiten geduldet hat.Vor zwey Jahren (im Anfang der achtziger) hat der König auf die Vorstellung des Raths von Castilien, der unausgesetzt für die Sicherheit und Polizierung seines Vaterlandes wacht, eine auf die Vertilgung dieser Rotte Menschen sich beziehende Verordnung ergehen lassen. Es wird darin den Gitanos verbothen, hordenweise, und an einsamen, unzugänglichen Orten zu leben, und ihre Nahmen, Sprache und Zeichen beyzubehalten; dagegen wird ihnen der Weg gezeigt, auf welchem sie endlich einmahl nützliche Bürger werden können. Auf dem Theater legt man ihnen Rollen bey, die ihrer 296 Originalität wegen interessant und wegen ihrer Aehnlichkeit mit den Vorbildern, wornach sie copiret wurden, anziehend sind, die aber das Laster annehmlicher machen, weil sie die Häßlichkeit desselben mit Blumen der lustigen Laune verschönern. Sie sind, so zu sagen, die Schäfer der spanischen Bühne, freylich nicht so abgeschmackt, aber dafür auch nicht so unschuldig als die unsrigen. Ihre Spitzbubereyen, ihre heimlichen Anschläge, ihre verliebte Intriguen, kurz, all' die Streiche, die ihrer Sitten würdig, sind der Stoff vieler Saynetes und Tonadillas, und geben wahrscheinlich mehr als Einem Zuschauer Lehren dieser Art. Es scheint, man habe in keinem andern Lande so sehr als in Spanien den Einfluß des Theaters auf die Moralität einer Nation aus den Augen verloren. Man beschränkt Thalien's Verrichtungen auf ihren, meines Erachtens unvollkommenen Wahlspruch: Castigat ridendo mores, und begnügt sich damit, daß sie einige Lächerlichkeiten, auf eine für den auserwählten Theil der Nation vergnügende und interessante Art bessere. 297

 
(Zu B. 5.)

Bey Gelegenheit des daselbst gedachten Waisenhauses sey mir's erlaubt, einer andern vortrefflichen milden Anstalt zu erwähnen, die man durch ganz Spanien findet. Twiß läßt sich darüber in seinen Reisen folgendermaßen aus:

In jeder Hauptstadt von Spanien ist ein Findelhaus, worin man alle Kinder ohne Unterschied aufnimmt. In der Mauer ist eine kleine Thür und nahe dabey eine Glocke. Man kann hier zu allen Zeiten des Tages oder der Nacht ein Kind bringen; man braucht nur mit der Glocke zu klingeln, so öffnet sich die kleine Thür, und eine Person nimmt das Kind an, und frägt, ob es getauft sey? Wollen die Aeltern hernach ihr Kind zurückhaben, so bekommen sie es, sobald sie die Wahrzeichen angeben. Auf solche Art werden nicht bloß natürliche Kinder verpflegt; sondern auch viele von der niedrigern Classe der Handwerkleute, die größere Familien haben als sie ernähren können, geben ihre neugebornen Kinder auf einige Jahre in diese Hospitäler. Diese vortrefflichen Institute verhindern es, daß eine zärtliche Mutter unmöglich in die Versuchung gerathen kann, ihre eigne Leibesfrucht zu zerstören; ein unnatürliches Verbrechen, welches nur zu häufig in Ländern ausgeübt wird, die doch mit einer höhern 298 Verfeinerung prahlen! Italien hat auch viele solche Hospitäler. (S. 215 und 216.)

 
(Zu Band 5.)

Cordova hat den stärksten Pferdehandel. Hier sieht man die mit so vielem Recht gepriesenen und schönen Andalusischen Pferde, auf deren Ausführung die Todesstrafe gesetzt ist. Sie sind alle langschweifig und unverschnitten, und man findet wenig Wallachen in Spanien. Die Stutten hält man bloß zur Zucht und zum Kornausstampfen. Diese dürfen ausgeführt werden. Aus Shakespears Beschreibung des Pferdes; vom Adonis sollte man schliessen, es sey ein Andalusisches gewesen. Rundhufig, mit kurzen Gelenken, mit krausen und langen Fußhaaren, eine breite Brust, volle Augen, ein schmaler Kopf, weite Nüstern, ein hoher Hals, kurze Ohren, schlanke Beine, ein starker Gang, eine dünne Mähne, ein dicker Schweif, breite Lenden, ein zartes Fell. Sie werden mit Weitzenstroh gefüttert, das wegen seiner saftigen Zartheit vor dem Heu einen Vorzug hat. Bisweilen bekommen sie auch Gerste. Die Maulesel und Pferde, deren ich mich auf der Reise bediente, durften sich nie unterwegs im Stalle niederlegen, sondern wurden mit den Köpfen dicht an die Krippe gebunden, so daß sie nur stehend schlafen konnten. Die Schellen, die man 299 ihnen an die Köpf' und Hälse bindet, werden ihnen nie abgenommen. Sie machen ein sehr unangenehmes Getöse; ich konnte aber nie einen von den Treibern dahin bringen, sie ihnen abzunehmen. Doch haben sie den Nutzen, daß sie in engen Wegen, wo zwey Wagen nicht immer einander vorbeyfahren können, dem einen Wagen von der Annäherung des andern Nachricht geben. Twiß (S. 246. und 247.)

 
(Zum sechsten Kapitel im sechsten Bande.)

Die darin vorkommende verliebte Intrike Philipp des Vierten hat ihren guten historischen Grund, der vom Le Sage aber ist stark brodirt worden. Ebengedachter König verliebte sich wirklich in eine Komödiantinn, Nahmens la Calderona; als selbige ein Kind von ihm gehabt hatte, schloß sie sich in ein Kloster ein, mit der Erklärung: nachdem sie von einem so großen Fürsten geliebt worden sey, könne sie sich Niemanden weiter als Gott zu eigen ergeben; und der natürliche Sohn Philipp des Vierten spielte unter dem Nahmen Don Juan ab Austria eine ziemlich bedeutende Rolle in Spanien, gegen Ende der Regierung seines Vaters, und unter der von Karl dem Zweyten. 300


(Zu B. II, Band 6.)

 
Von den Commissionären in Indien.

Nach den Gesetzen sollen die Commissionäre in Indien geborne Spanier seyn, und selbige müssen nach einem dreyjährigen Aufenthalte und Besorgung des Handels wieder nach Europa zurückkommen. Es geschieht selten, daß man ihnen die Erlaubniß der drey Jahre erneuert und verlängert. Die Absicht dieses Gesetzes ist leicht einzusehen: man sucht dadurch den Indischen Handel in den Händen der Spanier nicht nur zu erhalten, sondern auch alles Geld, soviel möglich, nach Europa zu ziehen. Haben indessen die Kaufleute zu Kadiz mehr Vertrauen zu einem Indischen Handlungshause, so wissen sie auch Mittel, sich desselben zu bedienen.

Wenn ein verheiratheter Mann nach Amerika geht, so muß seine zurückgelassene Frau ihre schriftliche Einwilligung dazu beym Contrahiren eingeben. Kommt der Mann in der bestimmten Zeit nicht wieder nach Hause, so kann die Frau ihn zurückbegehren, und ihr wird Recht verschafft; doch der Fall ereignet sich nicht leicht. Pluer (S. 462.) 301

 
(Zu B. 12. Band 6.)

Autodafé, Glaubenshandlung, so werden überhaupt die Executionen genannt, welche die Inquisitionsgerichte der Geistlichkeit in Spanien und Portugal vollziehen. Eigentlich heißt Auto da Fé ein Urtheilsspruch in Religionssachen. (Conversationslexikon Th 1. S. 101.)

Hier ein Paar Worte von der Inquisition, deren öfter im Gil Blas gedacht wird.

Die Päpste bestellten in mittleren Zeiten gewisse Mönche aus dem Dominicaner- und Franciscaner-Orden zu sogenannten Ketzerrichtern, d. h. zu Aufsehern über die Irrlehrer; diese nannte man Inquisitoren. Späterhin errichtete der König in Spanien, Ferdinand der Katholische, um das Jahr 1484 ein allgemeines Ketzergericht für seine Lande, um die geheimen Juden und Mahomedaner zu züchtigen. Man blieb aber bald nachher bey diesen allein nicht stehen, sondern zog auch Christen der Ketzerey wegen, vor dieses fürchterliche Tribunal, welches seine Urtheilssprüche mit allem möglichen äusserlichen Glanze vollstrecken, und die Schlachtopfer in dem sogenannten Autodafé feyerlich verbrennen ließ. Die bey dem Gerichte üblichen Formen waren ganz willkührlich: Ankläger und Zeugen blieben dem Angeschuldigten verborgen, und hatte auch einer das Glück, 302 freygesprochen zu werden, so haftete doch immer eine große Schande auf ihm, und er war unfähig zur Uebernehmung einiger Aemter. Zu den Eigenheiten der Inquisition gehörte auch dieses, daß man Verstorbene vor ihr anklagen, und ihre Erben zwingen konnte, sich den empfindlichsten Strafen zu unterwerfen, um die Sünden ihres Vorfahren zu verbüßen. – Ungeachtet der abscheulichen Verfassung des ganzen Instituts, welches recht absichtlich darauf bedacht war, alle gesellschaftliche Bande zu zerstören und Schrecken und Mißtrauen zu verbreiten, wurden doch in Portugal, Venedig und Rom dergleichen Tribunäle errichtet,»In diesen beyden Städten sind sie bekanntlich durch die Neufranken für immer abgeschafft worden.« und sogar Ostindien mit einem versehen, welches zu Goa seinen Sitz nahm. Je nachdem die jedesmahligen Regenten in Glaubenssachen gesinnt und der Aufklärung günstig oder feind waren, je nachdem war auch der Einfluß der Inquisition in diesen Ländern stärker oder schwächer. Carl der Dritte räumte ihr gegen das Ende seiner Regierung einige neue Vortheile ein, nachdem er sie vorher durch die Vertreibung der Jesuiten aus Spanien gedemüthigt hatte; und die Königinn Maria von Portugal ließ zur Stärkung der Gläubigen 303 noch im Jahre 1778 ein feyerliches Autodafé halten. Am Spanischen Hofe hält jetzt der Friedensfürst mit kühner Hand die scheusliche Inquisition, so wie andere Auswüchse der Römischen Hierarchie darnieder. Auch sogar von der Königinn selbst scheint dieß Tribunal nicht sonderlich begünstigt zu werden. Wirklich ward 1797. in Madrid zum ersten Mahle ein Urtheilsspruch des heiligen Gerichts wider Don Ramon de Salas, Professor der Rechte zu Salamanka (welcher wegen angeschuldigter Ketzereyen von der Inquisition zu einjähriger Gefängnißstrafe und nachmahligen vierjährigen Verhafte in ein Kloster verurtheilt worden) von den beyden weltlichen Räthen, die als Beysitzer bey der Untersuchung gegenwärtig seyn müssen, angefochten, und nachdem sich diese an den Friedensfürsten gewendet, nach nochmahliger Durchsicht der Verhandlungen durch einen königlichen Befehl für ungültig erklärt worden.« Conversationslexikon Thl. II. S. 232. und 233.)

 
(Zu B. 12. Band VI.)

Garderobe. »Im Originale steht Foyer. Da ich nicht in Erfahrung bringen konnte, ob es in Spanien auch solche Foyers gibt, oder ob Le Sage hier französirt hat, 304 so half ich mir durch Unterschiebung eines Deutschen Gebrauches. Um von keinem Krittler aber dafür angezapft zu werden, führ' ich den Ausdruck der Urschrift an. Er bezeichnet in den mehresten Französischen Schauspielhäusern einen geräumiglichten Saal, worin die Zuschauer während der Zwischenacte reinere Luft schöpfen, Erfrischungen zu sich nehmen, sich mit den Schauspielerinnen beyher unterhalten, Rendezvous verabreden u. s. w. In Paris dienen, nach Hrn. Rebmann's Versicherung, diese Foyers jetzt mit zur Börse der öffentlichen Mädchen vom zweyten und dritten Range. Ein deutlicher Beweis, daß die Mitglieder der ersten Classe, die Schauspielerinnen, nichts von kleinlichem Handwerksneide wissen.«


(15. K. zur Note.)

»Ein einzelner Reisender kann nicht sorgfältig genug bey der Wahl eines geschickten Calesseiro verfahren. Einige von diesen Leuten haben die meiste Zeit ihres Lebens mit Durchreisung jedes Winkels von Spanien zugebracht, und sind in allen Schenken und Ventas so bekannt, daß sie ihrem Schwager zur größten Sicherheit gegen Raub und Mord dienen. Denn man 305 würde sie augenblicklich vermissen, und die ämsigsten Nachforschungen nach ihnen und ihren Reisenden anstellen. Doch wählt man sich einen jungen unbekannten Mauleseltreiber, so ist man in beständiger Gefahr, sammt ihm ungerächt ermordet zu werden.«Der Portugiesische Calesseiro, der mit mir reiste, hieß Gaetano de Coimbra, und der Spanische Antonio de Gandia. Jeder von diesen Leuten war über drey Monathe in meinen Diensten, und ich kann mit Fug sagen, daß sie sich sehr honnet und artig aufgeführt haben, und wohl verdienen, daß ich ihren Andenken eine Note widme.

 
Von der Sierra Morena,Ein bekanntes großes Gebirg in Spanien, welches Castilien von Andalusien scheidet.
deren irgend einmahl in diesem Werke ist gedacht worden.

»Vor zehn Jahren war diese ganze Kette von Bergen, und mehr als fünf und zwanzig Meilen Land, an Bergen und Ebenen, eine unbewohnbare Gegend, voller Gebüsche und Wälder, ein Aufenthalt von Dieben, Straßenräubern und Gesindel, das die Durchreisenden 306 anfiel. Stellen Sie Sich nun diese ganze grauenerregende Einöde vor, als umgeschaffen zu einem der anmuthigsten Schauplätze, welche die Natur mit Kunst und Sorgfalt verbessert hat. Vor zehn Jahren fiel Don Pablo Olavidez, (der im Spanischen Amerika, im Königreich Peru geboren, aber herüber nach Europa gekommen, und viel in Frankreich, Holland, England u. s. w. gereist ist, ein Mann von Verdiensten, Fähigkeiten und Kenntnissen, welcher gegenwärtig (1777.) als Generalintendant sich in Sevilien befindet,) auf den großen und nützlichen Entwurf, diesen ganzen Strich Landes zu bevölkern, und aus einem gebirgigen und unbebauten zu einem bewohnten und fruchtbaren zu machen. Sie können es mir glauben, es sind nicht mehr als acht Jahre, seitdem man Hand an dieß Werk gelegt hat, und Sie werden gleich hören, wie weit es gediehen ist. Unterstützt von der Macht des Souveräns. erhielt er Mittel, mehr als zehntausend Familien, meistens Deutsche, oder aus den Oesterreichischen Niederlanden, und aus Frankreich kommen zu lassen, woraus so viele Pflanzungen gemacht wurden. Jedem Colonisten wurde eine gewisse Anzahl Ländereyen, nach Verhältniß der Kinder, die er hatte, als Eigenthum eingeräumt, um sie mit Fleiß anzubauen; auf Rechnung des Königs erhielt er zwar nur eine ländliche, aber 307 doch reinliche Wohnung, nebst allen zum Ackerbau erforderlichen Werkzeugen, Körner zum Saamen, alles auf eigen, und zehnjährige Freyheit von Auflagen und Steuern u. s. f. Die ersten zwey Jahr wurden angewandt auf sämmtlichen Ländereyen alles Busch- und anderes Holz ausrotten zu lassen, und zwar nicht nur durch Sclaven und Füchtlinge, die sich in den nächsten festen Orten befanden, sondern selbst durch des Königs Truppen. Nach solcher Ausrottung und Reinigung wurde die verhältnißmäßige Vertheilung unter die Anpflanzer vorgenommen, so daß diese mit Hülfe ihres Fleißes leben und sich ernähren konnten.« (S. den Anhang zu Dalrymple's Reisen.)

»Von den ersten Colonisten liefen zwar viele davon, oder wurden von Krankheiten und Mangel aufgerieben, aber ein großer Theil davon blieb doch da, viele fleißige Spanier besonders Catalonier gesellten sich dazu, und schufen die Wüsteneyen in fruchtbare Felder um. Schon ist diese Colonie eine der freundlichsten Gegenden in Spanien, und von Jahren zu Jahren nimmt der Anbau noch immer zu. Die Heerstraße nach Kadiz geht mitten durch die Colonie durch; auf beyden Seiten sieht man niedliche Landhäuser in kleiner Ferne von einander; in diesen Häusern herrscht mehr Ordnung und Reinlichkeit als man sonst in Spanien antreffen 308 kann. Die Felder sind schön angebauet, grüne Wiesen und reiche Kornfelder wechseln stets miteinander. Die Deutschen führten hier die deutsche Landwirthschaft ein. Es gibt hier Kuhmilch, Butter und Käse, die man in andern Gegenden Spanien's nicht antrifft, auch ist hier die Deutsche Sprache noch nicht ausgestorben. Ein Deutscher reis'te vor Kurzem durch die Colonie und wurde auf eine sehr angenehme Art überrascht, als er daselbst seine Muttersprache so unvermuthet reden hörte, und sich mit herzlichen gastfreyen Landsleuten letzen konnte. Die Colonie hat mehrere Flecken und drey Städte, worunter Carolina die vornehmste ist; sie ist wie ein Oblong gebauet, hat schöne, breite, gerade Straßen mit bedeckten Gängen, und in der Mitte einen großen runden Marktplatz. Man hat hier einige Fabriken von Zeug, Hüten, u. s. w. angelegt, und man schätzt die Bevölkerung auf achttausend Menschen.«

»Von hier aus geht die Straße immer zwischen Colonistenhäusern bis nach Charlotta und Louisiana fort, ebenfalls zwey artige niedliche Städtchen, nur nicht so groß als Carolina; man schätzt die Bevölkerung von jeder auf viertausend Seelen. Die ganze Gegend ist überall fruchtbar, und bringt Getreide, Wein und andere spanische Früchte in Ueberfluß hervor; auch Bäume kommen hier sehr gut fort, und 309 man pflanzt nicht nur Oliven- und Maulbeerbäume, sondern auch alle andere Arten von Obstbäumen; eben diese Abänderung von Bäumen, Gärten, Fruchtfeldern und Wiesen gibt dieser Gegend ein paradiesisches Ansehen, und macht sie zu einer der gesegnetesten in ganz Spanien. Hätte der König fortgefahren, die Deutsche oder Catalonische Arbeitsamkeit mit der Andalusischen Fruchtbarkeit zu verbinden; so hätte man sich dadurch der Abhängigkeit vom Afrikanischen Getreide entledigen können; denn das Land ist hier so fruchtbar, daß es vierzig- und funfzigfältige Früchte bringt.« (s. Spanien, wie es gegenwärtig ist. Thl. II. S. 156–164.)

 


 


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