Alain René Lesage
Gil Blas von Santillana
Alain René Lesage

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtes Kapitel.

Der Sohn der Genueserinn wird geechtetGeechtet für legitimirt gewagt. Die Schreibart verhindert, es mit ächten, in die Acht erklären, zu verwechseln.
    Ich glaubte dieß Wort zuerst gebraucht zu haben, und finde es jetzt bey der Durchsicht dieser Uebersetzung in dem französischen Dictionnaire, das in Halle im Verlage des dortigen Waisenhauses herausgekommen ist; man findet es aber daselbst fälschlich mit einem ä geschrieben. Neu geprägt hat der Herausgeber dieses Wörterbuches es gewiß nicht, sonach muß es schon früher in Schriften angetroffen werden, wenn gleich weder Spate, noch Frisch und Adelung es anführen. – A. d. Uebers.
, und Don Enrique Philipp de Guzman genannt. Santillana richtet ihm sein Hauswesen ein, und gibt ihm verschiedene Lehrer.

In der That zögerte der Graf-Herzog nicht lange, den Sohn der 139 Margarita Spinola für den seinigen anzuerkennen, und diese Anerkennung geschahe mit allergnädigster Bewilligung des Königs. Don Enrique Philipp de Guzman (den Nahmen gab man diesem Kinde von verschiedenen Vätern) wurde dadurch zum einzigen Erben der Grafschaft Olivarez und des Herzogthums St. Lukar erklärt.

Damit nun dieß männiglich bekannt wurde, ließ der Minister diese Erklärung den Abgesandten und den Grandes von Spanien durch Carnero'n bekannt machen, welche dieß nicht wenig befremdete. Die Lacher zu Madrid hatten auf lange Zeit Stoff, sich lustig zu machen, und die satyrischen Dichter ließen eine so schöne Gelegenheit, ihre Feder in Galle zu tauchen, nicht vorbey.

Ich erkundigte mich bey dem Graf-Herzog, wo denn mein künftiger Untergebener sey. Unter der Aufsicht einer Tante, versetzte er, von der ich ihn wegnehmen werde; sobald Du eine 140 anständige Wohnung für ihn wirst besorgt haben.

Dieß war in Kurzem geschehen. Ich miethete einen Pallast, den ich prächtig ausmöbliren ließ; nahm Pagen, Thürsteher, Bedienten an, und mit Caporis Hülfe besetzt' ich die Hausofficierstellen. Sodann ging ich, Se. Excellenz davon zu benachrichtigen, die sogleich den zweydeutigen und neuen Sprößling des Guzmanischen Stammes hohlen liessen. Ich fand in ihm einen schlanken, wohlgebildeten Jüngling.

Don Enrique, sagte er zu demselben, diesen Cavalier hier hab' ich zu Eurem Führer und Leiter auf Eurer Laufbahn erkoren; ich hege das vollkommenste Zutrauen zu ihm, und ertheil' ihm hiemit unumschränkte Gewalt über Euch. Ja, Santillana, fuhr er fort, sich zu mir wendend, Euch überlass' ich ihn, und ich zweifle nicht, daß Ihr mit dem Euch anvertrauten Pfunde auf's beste wuchern werdet. An diese Worte fügte der Minister noch einige Ermahnungen, um den Jüngling zur gänzlichen Fügung in meinen Willen zu bringen; hierauf führt' ich den Don Enrique nach seiner neuen Wohnung.

Sobald wir daselbst angekommen waren, ließ ich alle seine Domestiken vor ihm durch die Musterung gehen, indem ich ihm sagte, was eines jeden Verrichtung sey. Seine Standesänderung schien ihn nicht im geringsten verlegen zu machen; 141 er fand sich in all' die Respektsbezeigungen, die man ihm erwies, so gut, daß es schien, er sey stets das gewesen, wozu ihn das Ungefähr gemacht hatte.

An Kopf fehlte es ihm nicht, allein er befand sich in der gröbsten Unwissenheit, konnte kaum lesen und schreiben. Deßhalb gab ich ihm einen Informator, um ihm die Anfangsgründe der lateinischen Sprache beyzubringen, und nahm einen Lehrer in der Erdbeschreibung, einen in der Geschichte, und einen Fechtmeister an. Daß ich den Tanzmeister nicht vergaß, läßt sich leicht denken. Nur wegen der Auswahl war ich verlegen; es gab deren damahls so viele in Ruf stehende zu Madrid, daß ich nicht wußte, welchen ich den andern vorziehen sollte.

Indeß ich in dieser Verlegenheit war, sah ich einen sehr reichgekleideten Mann in den Hof unsers Pallasts treten. Man meldete mir, er verlange mit mir zu reden. In der Meinung, er sey zum allerwenigsten ein Ritter von St. Jago oder Alcantara, ging ich ihm entgegen. Ich fragte ihn, was zu seinen Diensten stände.

Sennor de Santillana, versetzte er, nachdem er mir viele Verbeugungen gemacht hatte, die sehr nach seinem Metje schmeckten, da man mir gesagt hat, daß Dero Sennoria die Lehrer und Meister für den Sennor Don Enrique wählten, so komm' ich, Ihnen meine 142 Dienste anzubiethen. Ich heisse Martin Ligero, und habe, dem Himmel sey Dank, einigen Ruf. Zwar bin ich nicht gewohnt, mir Schüler zu erbetteln – das überlass' ich nur den Bönhasen unsers Metjes – und warte gemeiniglich, bis man nach mir sendet; da ich aber dem Herzog von Medina-Sidonia, dem Don Luis de Haro, und einigen andern Cavalieren aus dem Hause der Guzmane Unterricht ertheile, zu dessen Diensten ich so zu sagen, geboren bin, so halt' ich's für meine Schuldigkeit, Ihnen zuvorzukommen.

»Ich erseh' aus Ihren Reden, daß Sie grade der Mann sind, den wir brauchen. Wie»viel nehmen Sie monathlich?«

»Acht Pistolen, der ordinäre Preis, und dafür geb' ich wöchentlich zwey Lectionen.«

»Acht Pistolen monathlich! Das ist viel!« Viel? erwiederte er, mit erstaunter Miene. Würden Sie nicht einem Philosophiemeister monathlich eine Pistole geben?

Bey einer so drolligen Replik konnt' ich unmöglich an mich halten; ich lachte darüber recht herzlich, und fragte den Sennor Ligero, ob er denn im Ernst glaube, daß ein Mann seines Metjes vor einem Philosophiemeister den Vorzug verdiene.

»O, unstreitig glaub' ich's. Wir schaffen in der Welt weit größern Nutzen, als jene Herren. Was sind die Menschen, eh' sie in 143 unsere Hände kommen? Unförmliche Scheite Holz, übelgelekte Bären; allein unsere Lectionen entwickeln sie nach und nach, und geben ihnen unvermerkt eine Gestalt; mit Einem Worte, wir unterrichten sie sich mit Anstand zu bewegen, zeigen ihnen die schicklichsten Stellungen, verschaffen ihnen ein edles und gravitätisches Wesen.«

Ich ergab mich den mächtigen Gründen des Tanzmeisters, und verstand mich zu dem geforderten Salarium, weil dieß einmahl der Preis war, den die großen Meister der Kunst festgesetzt hatten.

 


 << zurück weiter >>