Alain René Lesage
Gil Blas von Santillana
Alain René Lesage

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Zwölftes Kapitel.

Die Portugiesen empören sich und der Graf-Herzog fällt in Ungnade.

Wenig Tage nach des Königs Zurückkunft verbreitete sich in Madrid eine verdrießliche Nachricht. Man erfuhr daß die Portugiesen, den Aufstand der Catalonier, als eine schöne Gelegenheit ansehend, die ihnen das Glück darböthe, das Spanische Joch abzuschütteln, selbige genützt, die Waffen ergriffen, und den Herzog von Braganza zu ihrem Könige erwählt hätten; sie wären gesonnen, ihn auf dem Throne zu erhalten, und glaubten dieß um so eher zu können, da Spanien damahls Feinde von allen Seiten her auf dem Halse hatte, in Deutschland, Italien, Flandern und Catalonien. Einen günstigern Zeitpunkt, eine Oberherrschaft los zu werden, die sie verabscheueten, konnten sie in der That nicht finden.

Das Sonderbarste hierbey war, daß der Graf-Herzog zu eben der Zeit, da Stadt und Hof über diese Nachricht ganz bestürzt 160 waren, mit dem Könige auf Kosten des Herzogs von Braganza darüber scherzen wollte. Allein Pfeile des Spotts zur Unzeit abgedrückt, fallen gemeiniglich auf das Haupt dessen, der sie ausgeschläudert. Philipp, weit entfernt sich seinen Spöttereyen zu leihen, nahm eine so ernste Miene an, daß der Minister ganz ausser Fassung kam, und seine Ungnade merkte.

Er zweifelte nicht mehr an seinem Fall, als er erfuhr, die Königinn habe sich öffentlich gegen ihn erklärt, und ihm auf den Kopf zugesagt, durch seine schlechte Staatsverwaltung sey er an dem Aufstand in Portugal Schuld. Die meisten Grandes, und zumahl diejenigen, die mit zu Saragossa gewesen waren, gewahrten kaum, daß sich über dem Haupte des Graf-Herzogs ein Gewitter zusammenthürmte, so schlugen sie sich zur Partie der Königinn; und was diesem Günstlinge vollends den Rest gab, war, daß die verwitwete Herzoginn von Mantua, ehmalige Governadorn von Portugal, von Lisbon nach Madrid kam, und dem Könige klärlich zeigte, daß die dortige Meuterey bloß durch das Versehen seines Oberstaatsministers entstanden sey.

Die Reden dieser Fürstinn machten auf den Monarchen den Eindruck, den sie zu machen vermochten, beraubten ihn des günstigen Vorurtheils, das er für den Olivarez gehegt, 161 und endlich all der Zuneigung, die er zu ihm gehabt hatte.

Als dieser Minister erfuhr, der König gäbe seinen Feinden Gehör, ließ es sich's einfallen, ihn durch ein Handschreiben um die Erlaubniß zu bitten, seine Bedienung niederlegen und sich vom Hofe wegbegeben zu dürfen, weil man so ungerecht gegen ihn verführe, ihm all' die Unglücksfälle aufzubürden, die im Laufe seiner Ministerschaft das Reich betroffen hätten. Dieß Schreiben, bildete er sich ein, würde eine große Wirkung thun, indem er glaubte, dieser Fürst würde noch zuviel Liebe für ihn haben, um in seine Entfernung zu willigen, allein die ganze Antwort des Königs bestand aus den Worten: Zugestanden! Ihr könnt hingehen, wohin ihr wollt.

Diese wenigen Worte von des Königs eigner Hand geschrieben, waren für den Minister ein Donnerschlag. So betäubt er aber auch dadurch war, stellt' er sich standhaft, und fragte mich, was ich wohl in seiner Stelle thun würde? Ganz ruhig den Hof verlassen, versetzt' ich, auf eines meiner Landgüter gehen, und daselbst den Rest meiner Tage ruhig hinbringen.

»Ein weiser Entschluß! Ich will auch hin nach Loeches, und daselbst meine Laufbahn enden, wenn ich den König nur noch einmahl gesprochen habe. Ich möcht' ihm nur gern zeigen, daß ich menschlicher Weise alles 162 gethan habe, was ich gekonnt, um gehörig die schwere Bürde zu tragen, womit ich beladen war; und daß es nicht von mir abgehangen hat, den traurigen Ereignissen zuvorzukommen, die man mir zur Last legt; daß ich hierin nicht strafbarer bin, als ein geschickter Pilot, der, trotz seinem Gegenstreben, sein Schiff durch Wind' und Welle weggerissen sieht.«

Der Minister schmeichelte sich noch immer durch eine Unterredung alles in's vorige Gleis zu bringen, und das verlorne Terrän wieder zu gewinnen, er konnte aber nicht Audienz bey dem Könige erhalten, und überdieß wurde ihm der Schlüssel abgefordert, dessen er sich bediente, in das Zimmer von Seiner Majestät zu kommen, wenn's ihm gefiel.

Nunmehr urtheilte er, daß keine Hoffnung ferner für ihn da sey, und entschloß sich in gutem Ernst zur Entfernung von Hof' und Stadt. Er durchsah' all' seine Papiere, von denen er aus Vorsicht einen beträchtlichen Theil verbrannte; hierauf wählte er sich aus seinen Hausofficieren, und übrigen Bedienten diejenigen, die ihn begleiten sollten, stellte die zur Abreise nöthigen Befehle, und setzte zu selbiger den folgenden Tag fest.

Bange, durch den Pöbel beschimpft und verhöhnt zu werden, wenn er aus dem Pallaste führe, stahl er sich mit grauendem Morgen zu einer Hinterpforte hinaus, warf sich mit seinem 163 Beichtvater und mir in einen alten unscheinbaren Wagen, und nahm unverfolgt den Weg nach Loeches, einem ihm behörigen Dorfe, woselbst die Gräfinn, seine Gemahlinn, ein prächtiges Dominicanerinnenkloster hatte erbauen lassen. In weniger dann vier Stunden trafen wir daselbst ein, und kurz darauf die Uebrigen seines Gefolgs.

 


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