Alain René Lesage
Gil Blas von Santillana
Alain René Lesage

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Letztes Kapitel.

Es wird zu Lirias eine doppelte Heirath vollzogen, womit sich das Buch schließt.

Durch diese Rede beherzte mich Scipio, mich für Dorotee'ns Liebhaber zu erklären, ohne zu bedenken, daß er mich der Gefahr aussetzte, einen Korb zu bekommen. Nichts destoweniger entschloß ich mich nur mit Zittern dazu. Wiewohl man mir mein Alter nicht ansah, und ich mich gut und gern zehn Jahr jünger ausgeben konnte, als ich war, so glaubt' ich doch mit Fug zu zweifeln, ob ich einer jungen Schöne gefallen würde. Dessenungeachtet faßt' ich den Entschluß, eine Anwerbung um sie bey ihrem Bruder zu wagen, der seines Orts nicht ohn' Unruhe war, weil er noch nicht wußte, ob er meine Pathe erhalten würde.

Den folgenden Tag kam er zu mir, eben wie ich mich vollends anzog. Sennor de Santillana, sagte er zu mir, ich komme heute nach Lirias, um wegen einer ernsthaften Angelegenheit mit Ihnen zu sprechen. Ich nahm ihn in mein Cabinet, wo er sogleich zur Sache kam, und sagte: Ich glaube, die Ursache, die mich herführt, ist Ihnen nicht unbekannt. Ich liebe Seraphine'n; Sie vermögen über deren Vater alles; ich bitte. Sie, machen Sie ihn 187 mir gewogen, verschaffen Sie mir die Geliebte meiner Seele, damit ich Ihnen das Glück meines Lebens verdanke.

Sennor Don Juan, antwortete ich ihm, da Sie sogleich zur Sache schreiten, werden Sie mir's nicht übel nehmen, wenn ich Ihrem Beyspiele folge, und nach dem Versprechen, Sie bestens bey dem Vater meiner Pathe zu vertreten, von Ihnen verlange, bey Ihrer Schwester ein Gleiches für mich zu thun.

Bey diesen letzten Worten äusserte Don Juan eine angenehme Bestürzung, die ich für eine günstige Vorbedeutung hielt. Sollte Dorotee wirklich Ihr Herz gestern erobert haben? fragte er mich hierauf. Das hat Sie, die Zauberinn, erwiederte ich, und ich hielte mich den glücklichsten unter allen Männern, wenn meine Anwerbung Ihnen beyderseits behagte. Daran dürfen Sie gar nicht zweifeln, versetzt' er, von so altem Adel wir auch sind, werden wir eine Verbindung mit Ihnen nie ausschlagen. Mich freut's höchlich, erwiederte ich, daß Sie gar keine Schwierigkeit machen, einen Bürgerlichen zum Schwager anzunehmen. Sie sind mir um deßhalb noch schätzbarer, weil Sie mir dadurch Ihre gesunde Urtheilskraft vor Augen legen; besäßen Sie aber auch Eitelkeit genug, die Hand Ihrer Schwester keinem andern, als einem Edelmanne zuzugestehen, so wissen Sie, daß 188 ich im Stande bin, Ihrer Eitelkeit ein Genüge zu leisten. Ich habe zwanzig Jahre unter Ministern gearbeitet, und der König hat mich zur Belohnung für meine dem Staat' erwiesenen Dienste, mit einem Adelsbriefe begnadigt, den ich Ihnen sogleich zeigen will.

Mit Vollendung dieser Worte zog ich mein Diplom aus dem Schiebladen meines Schreibepults hervor, worin ich selbiges gar demüthiglich verschlossen hatte, und gab's dem Cavalier. Dieser las es aufmerksam und mit ausserordentlichem Wohlgefallen von Anfang bis zu Ende, und sagte darauf: meine Schwester ist die Ihrige. Und Sie können auf Seraphine'n zählen, versetzt' ich.

Auf die Art hatten wir nun die beyden Heirathen verabredet; nun kam's darauf an, zu wissen, ob die beyden Frauenzimmer freywillig dazu stimmen würden; denn Don Juan und ich waren beyderseits zu delicat, sie wider ihren Willen zu verlangen. Ersterer kehrte nach seinem Schloß wieder zurück, um mich seiner Schwester vorzuschlagen, ich aber ließ Scipio'n, Beatrix und mein Pathchen zu mir kommen, und erzählte ihnen, was ich eben mit dem Cavalier verabredet hatte.

Beatrix war der Meinung, ihn ohne weiters Bedenken zum Schwiegersohn anzunehmen, und Seraphine gab durch ihr 189 Stillschweigen zu erkennen, daß sie wie ihre Mutter dachte. Scipio hatte zwar im Grunde nichts dagegen, nur äusserte er einige Verlegenheit wegen der Mitgift, die man, wie er sagte, einem Edelmanne geben müsse, dessen Schloß so über Hals über Kopf ausgeflickt zu werden nöthig habe. Ich schloß ihm aber den Mund, indem ich sagte, das wäre meine Sorge, und ich machte meiner Pathe ein Geschenk mit vier tausend Pistolen zu ihrer Aussteuer.

Noch den nähmlichen Abend sah' ich den Don Juan wieder. Mit Ihrer Angelegenheit geht's ungemein gut, sagt' ich, ich wünsche, daß es mit der meinigen nicht schlimmer stehen mag. Schlimmer? sagte er. Ganz nach Wunsche steht's damit. Es war nicht nöthig, durch meine Autorität Dorotee'ns Einwilligung zu erhalten; Ihre Person und Ihr Betragen gefällt ihr. Sie besorgten, nicht nach ihrem Geschmacke zu seyn, und sie besorgt mit mehr Recht, daß, da sie nichts als Hand und Herz Ihnen anzubiethen hat . . . . . .

Was sollt' ich denn mehr verlangen, fiel ich ganz ausser mir vor Freude ihm in's Wort. Da die reizende Dorotee kein Herzenssträuben fühlt, ihr Schicksal mit dem meinigen zu verknüpfen, so verlang' ich weiter nichts. Ich bin reich genug, sie ohne Aussteuer zu nehmen, und befinde mich durch ihren Besitz auf dem Gipfel aller meiner Wünsche. 190

Don Juan und ich, höchst zufrieden, es so weit gebracht zu haben, beschlossen, alle überflüssige Zeremonien wegzulassen, um unsre Verbindungen zu beschleunigen. Ich ließ ihn sich mit Seraphine'ns Aeltern besprechen, und nachdem sie wegen der Heirathspuncte Abrede getroffen hatten, verließ er uns mit dem Versprechen: den folgenden Tag mit Dorotee'n wiederzukommen.

Das Verlangen, dieser Dame in einer gefälligen Gestalt zu erscheinen, machte, daß ich wenigstens drey Stunden meinen Anputz auf meine Adonisirung verwandte; dennoch gerieth mir's nicht zu Danke. Einem Jünglinge, der sich zum Besuche seiner Geliebten schmückt, ist das ein Vergnügen, einem Mann aber, der auf's Alter zuzuschreiten beginnt, wahre Arbeit. Indeß war ich glücklicher, als ich's verdiente; ich sahe Don Juan's Schwester von neuem, und wurde mit so günstigem Auge von ihr angesehen, daß ich mir einbildete, noch etwas zu gelten.

Ich hielt eine lange Unterredung mit ihr, wurde durch ihre Denk- und Empfindart entzückt, und schloß, daß ich durch ein sanftes, gefälliges Betragen, ein brünstiggeliebter Ehemann werden würde. In dieser süssen Hoffnung ließ ich aus Valencia zwey Notare hohlen, die den Ehecontract aufsetzen mußten; hernach sandten wir zum Paternaschen Pfarrer, der nach 191 Lirias kam, und Don Juan und mich mit unsern Mädchen verband.

Sonach war ich auf's neue in Hymen's Fesseln, und ich habe nicht Anlaß bekommen, es zu bereuen, mich in selbige gegeben zu haben. Dorotee, als ein tugendhaftes Weib, fand in ihrer Pflicht ihr Vergnügen, und gerührt durch mein eifriges Bestreben, dem mindesten ihrer Verlangen zuvorzukommen, heftete sie sich in Kurzem so an mich, als wär' ich noch jung gewesen.

Auf der andern Seite liebten sich Don Juan und Seraphine mit gleichem Feuer, und was das Sonderbarste war, die beyden Schwägerinnen wurden die wärmsten Herzensfreundinnen. Ich meiner Seits fand in meinem Schwager so viel gute Eigenschaften, daß ich eine wahre Neigung zu ihm in mir entstehen fühlte, und er belohnte sie nicht mit Undank. Kurz, die unter uns herrschende Eintracht war so groß, daß es uns ungemein sauer ward, wenn wir uns des Abends von einander trennen mußten, und dieß brachte uns zu dem Entschluß, aus zwey Familien eine zu machen, die bald auf dem Schlosse zu Lirias, bald auf dem zu Jutella wohnen sollte. Zu dem Ende wurden aus letzterm, mittelst der Pistolen von Sr. Excellenz, ansehnliche Ausbesserungen vorgenommen.

Es sind nunmehr drey Jahre, Freund Leser, daß ich mit meinen Theuern ein solches 192 Wonneleben führe, und um das Maß meiner Freude voll zu machen, hat der Himmel mir zwey Kinder geschenkt, deren Erziehung der Zeitvertreib meines Alters seyn wird, und von denen ich mich ganz treuherzig Vater glaube.



 << zurück weiter >>