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XXII

In London gibt es Nacht-Klubs verschiedenster Art.

Malcolm's Club machte weder auf Vornehmheit Anspruch, noch stand das dort verkehrende Publikum in dem Geruch, auf gute Umgangsformen Wert zu legen. Seine Gäste bestanden aus einer merkwürdig zusammengewürfelten Gesellschaft von Spielern, Schiebern und ähnlichen Leuten. Neben dunklen Ehrenmännern traf man auch ganz achtbare Mitglieder der Gesellschaft dort an – Leute, die dort verkehrten, weil die Musik ihnen gefiel, die Getränke ihnen schmeckten, und weil die Verpflegung verhältnismäßig preiswert war. Malcolm war in seiner Art ein weitblickender Geschäftsmann. Sein Ziel war, eine Art Stammkundschaft an sein Lokal zu fesseln, die ihm ein laufendes Einkommen sicherte. Er hatte nicht den Ehrgeiz, in wenigen Wochen ein reicher Mann zu werden und verzichtete auf solche Elemente unter seinen Gästen, durch welche die Gefahr von Razzien über seine Geschäftsräume heraufbeschworen wurde. Unter Umständen wäre ihm dadurch das Lokal geschlossen und er zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden.

Um seine Ruhe zu haben und seinen Interessen in Muße nachgehen zu können, bediente er sich in seiner Geschäftsführung solider Grundsätze. Streitigkeiten wurden nicht geduldet. Bei den geringsten Anzeichen eines Krawalls erschien der Besitzer in Begleitung zweier athletisch gebauter Männer, welche die Auszeichnungen ihres Boxerklubs trugen, auf der Bildfläche, und die bloße Gegenwart dieser Leute stellte rasch den Frieden wieder her.

Wenn es durchaus ohne Gefahr möglich war, kamen gelegentlich auch Verstöße gegen die polizeilichen Vorschriften vor. Doch Herr Malcolm war klug und vermied es, sich in Gefahr zu begeben, und dank einer entsprechenden Erziehung handelte sein Personal ebenso klug wie er selbst.

Aus diesen und anderen Gründen war der Klub bei den Behörden ganz gut angeschrieben. Mit einigen Polizei-Offizieren, die ihn hin und wieder aufsuchten, stand der Wirt auf geradezu freundlichem Fuße. Denn um die Wahrheit zu sagen: trotz aller Strenge war der Klub ein beliebter Treffpunkt gewisser Herrschaften, die keine weiße Weste hatten und ihn für ihre Zusammenkünfte bevorzugten. So lange diese Leute sich anständig benahmen und sich harmlos miteinander unterhielten, mischte sich Herr Malcolm nicht ein. Und auf der anderen Seite war es diesen Gästen Ehrensache, jeden Skandal zu vermeiden. Wurde von den lichtscheuen Elementen, die sich hier zusammenfanden, irgend einer von den Hütern des Gesetzes gesucht, so blieb er fort.

Als Shaddock in Brixton ein Auto bestieg, fiel ihm plötzlich ein, daß Berenger ihm am Vormittag gesagt hatte, er werde in einer unbedeutenden geschäftlichen Angelegenheit abends auf einen Sprung zu Malcolm gehen. Er wollte dort mit einer jungen Dame zusammentreffen, die ihm und seinem Kollegen gut bekannt war. Shaddock hatte, als er vorhin anklingelte, hieran nicht mehr gedacht.

Die elegante junge Frau war eine äußerst geschickte Polizei-Agentin, welche von der Kriminalbehörde beauftragt war, einen Banknotenfälscher, der in letzter Zeit immer frecher sein Wesen trieb, der Polizei in die Hände zu spielen. Berenger hatte sich geschworen, ihn hinter Schloß und Riegel zu bringen. Die junge Dame sollte den Inspektor an diesem Abend treffen, um ihm über den Stand der Angelegenheit zu berichten. Die geschickte Person hatte sich in die Gunst der Frau des Fälschers eingeschmeichelt, von der man glaubte, daß sie ihrem Manne bei seiner unerlaubten Arbeit Hilfe geleistet hatte.

Das Lokal war bereits überfüllt, als Shaddock, dem Pförtner freundlich zunickend, eintrat. Der erste, dem er begegnete, war der Wirt, der ihn mit großer Überschwänglichkeit begrüßte und ihn drängte, einen Likör zu bestellen; eine Einladung, die der Detektiv aus Diplomatie annahm. Sie ließen sich einige Minuten im Privatzimmer Malcolms nieder.

»Sie wollen sich nach der Anstrengung des Tages ein wenig zerstreuen?« fragte der Eigentümer, wobei er den Inspektor gespannt anblinzelte. Er war Polizei-Offizieren gegenüber immer höflich, um nicht zu sagen devot, aber er liebte sie nicht allzu sehr. Sie waren Vertreter eines Systems, das seinem Geschäft zu große Bindungen auferlegte.

»Das kaum in meinen Jahren,« antwortete Shaddock lachend. »Nein,« fuhr er fort, »ich kam, um mit meinem Freund Berenger eine wichtige dienstliche Sache zu besprechen, für die wir im Yard keine Zeit mehr hatten. Ich wußte, daß er heute abend hier sein würde.«

»Er kam vor nicht langer Zeit,« erwiderte Malcolm, der bis in die geringsten Einzelheiten hinein alles wußte, was in seinem Hause vor sich ging und das Kommen und Gehen seiner Gäste mit erstaunlicher Gründlichkeit beobachtete. »Er tanzte gerade mit der hübschen Miß Clarke, als ich Sie begrüßte; wahrscheinlich tanzt er noch mit ihr. Was für ein schönes Mädchen sie ist! Nicht wahr, sie ist Musiklehrerin?«

Seine listigen Schweinsäuglein blickten Shaddock lauernd an, als er diese Frage stellte. Um ihren Geheimberuf erfolgreicher betreiben zu können, war es nötig, daß Miß Clarke sich offiziell einen anderen zulegte, der als Quelle ihres Einkommens nach außen hin glaubwürdig erschien. Deshalb nannte sie sich Klavierlehrerin. Sie besaß für dieses Instrument ein beachtenswertes Talent, war jedoch durch Scharen von Schülern nicht belastet.

»Ich glaube es, weiß aber nichts Näheres darüber; sie ist mehr eine Bekannte Berengers, als die meinige,« antwortete Shaddock ausweichend. »Nun, wenn Sie gestatten, möchte ich ihn jetzt dieser bestrickenden jungen Dame entreißen. Berenger ist zwar etwa sieben Jahre jünger als ich, aber für seine Gesundheit ist es zweifellos nicht von Vorteil, wenn er hier herumjazzt. Wie mir scheint, ist Miß Clarke eine sehr eifrige Tänzerin, und ich fürchte, sie wird ihn übermüden.«

Er trat in den Saal, der mit tanzenden Paaren, die durch den reichlichen Genuß von Getränken ziemlich stark erhitzt waren, überfüllt war. Verschiedene Zuschauer saßen an den Wänden herum, und hier und dort standen plaudernde Gruppen.

Shaddock stand und beobachtete die Paare. Bald darauf bewegten sich Berenger und seine Partnerin auf ihn zu und erblickten ihn. Sie hörten sofort auf zu tanzen und traten an ihn heran. Berenger machte ein sehr erstauntes Gesicht.

Miß Clarke nickte dem Inspektor zu, der sie mit Handschütteln begrüßte. Das einfache, aber kostspielige Kleid, mit dem sie ihre hübsche Figur umgab, stach von dem Plunder vieler anderer Frauen angenehm ab.

»Ich vermute, daß Sie gekommen sind, um mit Herrn Berenger über irgendeine wichtige Angelegenheit zu sprechen,« sagte sie leise. »Nun, was ich ihm zu sagen hatte, habe ich ihm bereits berichtet; ich will Sie daher jetzt allein lassen. Bitte, bemühen Sie sich nicht um mich. Sie sollten bereits wissen, daß ich durchaus in der Lage bin, für mich selbst zu sorgen. Es ist nicht das erste Mal.«

Mit einem Nicken ihres hübschen Kopfes verabschiedete sie sich von den beiden Herren. Sie war eine sehr brauchbare junge Dame, klar im Ausdruck, rasch im Entschluß, mit genügend Hilfsquellen, fähig, unter den schwierigsten Verhältnissen einen kühlen Kopf zu bewahren.

»Eine Perle von einem Mädchen; sie wird es weit bringen,« murmelte Berenger, mit größerer Wärme als sonst sprechend, denn er war eine zurückhaltende, phlegmatische Natur. »Sie kommt prachtvoll vorwärts in jener Angelegenheit; ich glaube nicht, daß es noch lange dauert, bis sie die Sache schmeißt. Nun, ich bin natürlich schrecklich neugierig, zu erfahren, was Sie hierher führte, und was es ist, das nicht bis morgen früh Zeit hatte. Dort ist eine ruhige kleine Ecke mit einem freien Tisch. Kommen Sie mit.«

Die beiden Kommissare gingen zu dem bezeichneten Platz hinüber, und als sie sich niedergelassen hatten, setzte Shaddock seinem aufmerksam zuhörenden Kollegen die Sache auseinander, die Pearson ihm erzählt hatte. Der Jüngere war dem Älteren an Scharfsinn vielleicht nicht ganz ebenbürtig und hatte auch nicht dessen feine Nase. Aber er besaß in anderer Hinsicht große Fähigkeiten und war ein ausgezeichneter Helfer. Fast eine Stunde unterhielten sie sich in gedämpftem Tone, und nach einer freundschaftlichen kleinen Auseinandersetzung befanden sie sich in völligem Einverständnis.

Nach Erledigung ihrer dienstlichen Angelegenheiten hatten sie keine Lust, noch länger in Malcolm's Club zu bleiben und standen in der Absicht auf, gemeinschaftlich ein Auto zu nehmen und nach Hause zu fahren.

Als sie ihren Weg durch das überfüllte Lokal nahmen, schritten sie an zwei Männern vorbei, von denen der eine, ein stämmiger, rothaariger Mensch, durch seine ganze Erscheinung, sofort ihre Aufmerksamkeit auf sich zog.

Berenger stieß seinen Kollegen heimlich an, als sie sich den Beiden näherten. »Allem Anschein nach gedeiht er wie ein junger Lorbeerbaum,« flüsterte er Shaddock zu, »aber manchmal mag es ihm auch schwül zu Mute sein. Er hat ein vergnügliches Leben geführt. Winstead sagt jedoch, er sitze jetzt ziemlich fest in ihren Schlingen, und es werde nicht mehr lange dauern, bis er sich so völlig verfangen hat, daß er sich trotz all seiner Verschlagenheit nicht mehr losmachen kann.«

Shaddock nickte. Der Rothaarige war ein bekannter Macher in Schwindelgeschäften. Jahrelang hatte er Männer und Frauen betrogen und seine Taschen mit dem Raub gefüllt, den er seinen Opfern, meist schwer um ihre Existenz ringenden armen Leute, abgenommen. Die Kriminalbehörden hatten oft versucht, ihm eine Falle zu stellen; doch er war ein so gerissener Kenner aller Schlupflöcher der Gesetze, und seine Schlauheit und Frechheit waren so groß, daß er ihnen bisher noch immer durch die Lappen gegangen war.

Als Shaddock und Berenger an den Beiden vorbei gingen, hörte er, wie der Rothaarige auf seinen Begleiter einsprach. »Ich finde es hier fad, Dain,« sagte er. »Was meinst du, wenn wir in den Eispalast gingen?«

»Vielleicht ein andermal. Ich übernachte heute etwas weit draußen und habe morgen eine lange Reise vor mir,« antwortete der Angeredete leise, aber deutlich.

»Also ein andermal,« wiederholte der Rothaarige mit lautem Lachen. »Ja nun, ich fürchte, ich werde dich in den nächsten sechs Monaten überhaupt nicht wieder sehen. Du bist ein ausgemachter Vagabund.«

Shaddock hätte gern gewußt, ob der mit Dain angeredete Mann Pearsons alter Schulkamerad war. »Ich glaube, ich frage Malcolm, ob er etwas über ihn weiß,« sagte er zu seinem Kollegen.

Sie mußten ein wenig warten, ehe sie den Wirt sprechen konnten, da er sich im Augenblick mit jemand unterhielt. Malcolm überlegte ein Weilchen, ehe er die Frage beantwortete.

»Dain? Dain?« wiederholte er. »Mir ist's, als hätte ich den Namen schon gehört. Im Augenblick weiß ich aber nicht, wo ich ihn unterbringe. »Er spricht mit Jelks, sagen Sie? Beschreiben Sie ihn mir!«

Shaddock tat es und frischte dadurch das Gedächtnis des Lokalinhabers auf. »Ja, mir scheint jetzt, daß ich ihn kenne; aber er kommt ziemlich selten hierher. Seitdem ich mein Lokal eröffnete, war er kaum öfters als ein halbes Dutzend Mal da, und dann meistens in Begleitung von Jelks, mit dem er, wie mir scheint, gut Freund ist. Ob ich weiß, was er ist? Nun, nicht genau; er gehört zu der Sorte der Heimlichtuer. Ich hörte, daß er zur Geheimpolizei gehört. Das würde sein Benehmen erklären. Oder meinen Sie nicht?«

Shaddock dankte Malcolm für die Auskunft, und beide Herren gingen zusammen hinaus. »Sicher derselbe Mann,« flüsterte er Berenger zu. »Er teilt Jelks mit, daß er weit außerhalb der Stadt übernachten werde. Zu Pearson sagt er, daß er sich noch nicht darüber schlüssig sei, ob er im Tudor oder Cosmopolitan übernachten wolle. Er hat seine Pläne rasch geändert.«

Shaddock hatte kaum geendet, als der stets hastige Dain an ihnen vorbeieilte und ein leeres Auto anrief, das an der Tür stand. Shaddock legte seine Hand auf den Arm seines Freundes und hielt ihn etwas zurück. »Warten Sie eine Sekunde! Tun wir, als ob wir uns unterhielten! Vielleicht hören wir, wo er hinfährt.«

Dain, die Hand an der Tür des Autos, wandte sich an den Kraftwagenführer, um ihm seine Weisungen zu geben. Und während er dies tat, sah er die beiden Männer in der Eingangstür stehen, wie es schien in harmloser Unterhaltung. Er erschrak sichtlich, machte eine kurze Pause und rief dann mit lauter Stimme: »So schnell wie möglich nach Hammersmith Broadway.«

Shaddock und sein Kollege wechselten einen verständnisvollen Blick. »Das ist nicht die Richtung, die er zuerst hatte angeben wollen,« sagte der Ältere. »Er merkte, daß wir ihn beobachteten, und änderte die Route nach kurzer Überlegung.«

Die beiden Kommissare fuhren zusammen nach Brixton, nochmals alles durchgehend, was sie im Klub so gründlich besprochen hatten. Beide sahen mit ziemlicher Erregung den Ereignissen entgegen, die der kommende Tag bringen würde.

Shaddock war am andern Morgen schon zeitig in seinem Büro. Zuerst nahm er den Bericht seines Beamten über die Ausführung der Instruktionen entgegen, die er ihm am vergangenen Abend erteilt hatte. Niemand mit dem Namen Dain hatte in einem der bekannten Hotels der Nachbarschaft übernachtet.

Diese Tatsache hatte Shaddock bei seinem unvorhergesehenen Besuch in Malcolm's Club bereits durch einen blinden Zufall erfahren. Der Mann berichtete weiter, daß am gestrigen Abend etwa um sechs Uhr mehrere schwere Gepäckstücke in der Gepäckabgabe von Charing Croß aufgegeben und auf den Namen Dain. eingetragen worden seien. Dies ließ darauf schließen, daß der Inhaber des Gepäcks eine eilige Abreise nach dem Kontinent beabsichtigte, und stimmte damit überein, was Dain zu Pearson gesagt hatte.

Ein Viertel nach zehn Uhr! Aber noch kein Bericht Dains war nach Scotland Yard gelangt. Shaddock hatte eine eilige Unterredung mit Berenger, und beide Männer beschlossen, unverzüglich nach Pearsons Kontor zu fahren.

Sie wurden von dem Geschäftsführer empfangen, der Shaddock von seinen früheren Besuchen her kannte. Berenger hatte er bisher noch nicht gesehen.

»Bedaure, Herr Shaddock, Herr Pearson ist nicht da; er ist vor ungefähr zehn Minuten fortgegangen und wird erst in einigen Stunden zurück sein. Wollen Sie ihm vielleicht etwas hinterlassen?«

Die Auskunft des Geschäftsführers beschäftigte Shaddock sehr.

»Wissen Sie, wohin er gegangen ist?« fragte er hastig.

Der Vertreter überreichte ihm ein Schreiben, das er von einem kleinen Stoß Briefschaften fortnahm. »Herr Pearson fand dies bei seinem Eintreffen im Büro und machte sich mit dem verlangten Apparat sofort auf den Weg.«

Der Detektiv las folgendes:

»Rose Cottage,
Staines Road, Hounslow.

Sehr geehrter Herr! Nach Empfang dieses Schreibens bitte mir sofort einen Radio-Empfänger zu bringen im Preise von etwa zwanzig Pfund. Ich würde es sehr zu schätzen wissen, wenn Sie selbst kämen, da ich Ihren Ruf als Radio-Sachverständiger kenne. Hochachtungsvoll

Frank Cartland.«

Shaddock schleuderte den Brief mit einem Fluch zu Boden.

»Ich erwartete etwas Ähnliches, als ich mir heute morgen auf meinem Weg ins Büro alles noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Hätte ich ihm doch ein Telegramm geschickt, als ich in London ankam, um ihn zu warnen,« rief er; dann, sich an den Geschäftsführer wendend:

»Wissen Sie etwas über den Briefschreiber? Ich meine, haben Sie schon früher mit ihm geschäftlich zu tun gehabt, Herr Fraser?

»Nein, es ist kein Kunde. Es ist bisher noch kein Geschäft mit ihm getätigt worden.«

»Wie kommt Herr Pearson nach Hounslow?« war die nächste Frage.

Der Geschäftsführer erklärte es. Er war nach dem Untergrundbahnhof Charing Croß gefahren, von wo er einen Zug nach Acton Town nehmen konnte. Dort würde er umsteigen, nach Hounslow Town fahren und einen Wagen nach Rose Cottage nehmen.

»Danke, baute. Kommen Sie, Berenger, wir haben keine Zeit zu verlieren. Guten Morgen, Herr Fraser, ich fahre Herrn Pearson nach; ich muß ihn in einer wichtigen Angelegenheit sprechen.«

Es waren etwa zwanzig Minuten verstrichen, seit Pearson mit dem Apparat für seinen neuen Kunden in einem Auto das Büro verlassen hatte. Er näherte sich jetzt der belebten kleinen Station von Acton Town, von wo er nach Hounslow umsteigen wollte. Die Erledigung dieses kleinen Auftrages, der so plötzlich ins Haus geschneit war, kam ihm eigentlich sehr gelegen. Er wurde dadurch ein wenig abgelenkt von dem qualvollen Gedanken, was sich wohl heute in Scotland Yard ereignen möge. Stand die Verhaftung Thurstons infolge des von Dain beigebrachten Beweismaterials für heute abend bevor? Dains Bericht befand sich vermutlich jetzt in Shaddocks Händen.

Als Pearson in Rose Cottage eintraf, wurde ihm die Tür von einem Manne geöffnet, der offenbar nach ihm ausgeschaut hatte. Denn er kam den kleinen Gartenweg herunter, als das Auto hielt. Der Mann trug einen großen Vollbart.

»Besten Dank, daß Sie meine Bitte so rasch erfüllten, Herr Pearson,« sagte der unheimlich aussehende Mensch, als Pearson ausstieg. »Mein Name ist Cartland. Sie haben wahrscheinlich noch nie von mir gehört; doch mir ist Ihr Name gut bekannt. Ich bin ebenso wie Sie passionierter Radio-Liebhaber. Bitte treten Sie ein! Hoffentlich haben Sie etwas Zeit für mich übrig; denn ich habe eine Menge Einzelheiten, über die ich Sie befragen möchte.«

Er half Pearson die Pakete in ein kleines Zimmer an der Rückseite des Hauses tragen. »Ich fürchte, ich werde Sie einige Zeit in Anspruch nehmen,« sagte er, als dies erledigt war. »übrigens, wollen Sie nicht lieber den Wagen fortschicken? Wenn es etwas länger dauern sollte, kann ich leicht telephonisch ein Auto bestellen.«

Pearson überlegte einen Augenblick, während er sich in den niedrigen Lehnstuhl fallen ließ, den Cartland für ihn herangerückt hatte. »Nein, danke, es kann ebenso gut warten. Dies scheint mir hier kein geeigneter Ort, schnell wieder einen leeren Wagen zu erwischen.«

»Wie Sie wünschen,« gab der Fremde zurück. Es entstand eine kurze Pause, und dann sprang der Mann, der sich Cartland nannte, mit einem Satz plötzlich auf Pearson los, drückte ihn in den Stuhl und preßte ihm ein Taschentuch vor das Gesicht.

Es war eine Wiederholung von dem, was sich vor einigen Monaten in Paris ereignet hatte, nur daß die angewendeten Mittel andere waren. Ein kurzes schwaches Ringen, und dem unglücklichen jungen Mann schwanden die Sinne.

Als seine Aufgabe vollendet war, ging der Mann mit dem langen Bart den Gartenweg hinab und lohnte das Auto ab.

»Sie brauchen nicht zu warten,« erklärte Cartland; »der Herr hat sich anders besonnen, er wird zum Frühstück hier bleiben.«

Der Wagenführer steuerte das Auto heimwärts, und Cartland kehrte in das Zimmer zurück, in dem sein Opfer besinnungslos dalag.


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