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XIX

Pearson legte die Zeitung mit einem Gefühl unendlicher Erleichterung beiseite. Durch das unrühmliche Ende dieses Schurken waren nun alle Befürchtungen von dieser Seite her gegenstandslos geworden.

Am folgenden Tage traf Pearson mit Shaddock zusammen, der ihm einen ausführlicheren Bericht über die Vernichtung des Verbrechers geben konnte, als die Zeitungen es getan hatten. Der Mann, den der junge Hüne, des Obersten Sohn, überwältigt hatte, war anscheinend ein Neuling in der Organisation, denn man kannte ihn in Scotland Yard nicht.

Trotz aller philosophischen Geistreicheleien konnte der Detektiv nicht seinen Ärger darüber unterdrücken, daß dieser Verbrecher durch einen Zufall gerichtet worden war. Die Polizei hatte sich keine Lorbeeren dabei geholt, und die heimischen Hüter des Gesetzes waren nicht erfolgreicher gewesen als die französischen. Es war der Oberst und sein Sohn, die den Triumph davontrugen.

Im Interesse seines jungen Freundes war Shaddock über den Ausgang der Sache jedoch sehr beglückt. »Jetzt können Sie nachts ruhig schlafen,« frohlockte er. »Das Schurkengesicht Bertons wird Ihnen nicht mehr im Traum erscheinen. Und die junge Dame, die Sie heiraten werden, atmet gewiß auch auf.«

Und nun wendete sich die Unterredung dem Fall Valrose zu. Pearson war der Ansicht, mit dem Tode Bertons, den er für den Mörder hielt, sei auch die leiseste Hoffnung dahingeschwunden, das Rätsel zu lösen. Shaddock stimmte darin so ziemlich mit ihm überein; nur war er von der Schuld des Franzosen nicht so überzeugt wie Pearson.

»Ich glaube und habe die Ansicht immer vertreten, daß dieser Lloyd mit von der Partie war,« bemerkte er. »Es ist sonderbar, daß wir nirgends den Hebel gegen ihn ansetzen können. Zweifellos hätte Berton uns Anhaltspunkte geben können, wenn er gewollt hätte. Seit Lloyd das Hotel Vinci verließ, scheint die Erde ihn verschlungen zu haben. Und doch muß er irgendwo stecken.

Zwei Tage später erhielt Pearson ein Telegramm von seinem Freund Dain mit der Aufforderung, um ein Uhr im Northumberland mit ihm zu frühstücken. Sollte es ihm heute nicht passen, dann am nächsten Tage. Wenn eine Antwort erforderlich wäre, sei nach dem Northumberland zu drahten.

Da Pearson jedoch Zeit hatte, brauchte er seinem Freunde nicht abzusagen. Er wollte zum Northumberland gehen, doch diesmal mußte Dain sein Gast sein. Denn als sie das letzte Mal zusammen speisten, hatte jener die Zeche bezahlt.

Auf seinem Weg zum Hotel dachte Pearson darüber nach, wie bezeichnend es für diesen ständig herumvagabondierenden Menschen war, alle seine Verabredungen telegraphisch zu treffen. Es paßte zu seiner sprunghaften Lebensart. Da die Nachricht zeitig am Morgen gekommen war, hatte Dain die vergangene Nacht vermutlich in London verbracht und hätte getrost einen Brief oder eine Postkarte schreiben können. Doch Briefe zu schreiben war ihm verhaßt; er befaßte sich nie damit, wenn er durch Telegramm oder Ferngespräch das gleiche Ergebnis erzielen konnte.

»Na Gott sei Dank, du siehst ja infolge jenes schlimmen Abenteuers in Paris nicht schlechter aus. Es hätte nicht viel gefehlt, so wäre es dir an den Kragen gegangen,« mit diesen Worten begrüßte ihn Dain. »Erinnerst du dich, wie ich mir Mühe gab, dich von deinem Plan abzubringen, als du ihn mir vortrugst? Als ob ich es geahnt hätte!«

Pearson antwortete, daß er sich seiner Warnung erinnere, und dankte ihm für die Teilnahme, die er in seinem Brief an Thurston bekundet habe. Nachdem sie sich darüber geeinigt hatten, wer der einladende Teil sein solle, gingen sie in das Frühstückszimmer. Im Laufe der Unterhaltung fragte Pearson seinen Freund, wo er wohne.

»Im Augenblick nirgends,« antwortete Dain lächelnd. »Ich kam erst gestern nachmittag in London an und fuhr direkt nach Harrow, um die Nacht bei einem Freunde zu verbringen, dessen Haus mir Bei meinen flüchtigen Besuchen stets offen steht. Heute morgen brachte ich meine Siebensachen mit hierher und gab sie in Charing Croß Station ab. Der heutige Tag ist wieder vollkommen ausgefüllt, und ich weiß noch nicht, in welchem Gasthaus ich heute nacht unterkriechen werde; wahrscheinlich im Cosmopolitain oder bei Tudor. Schwerlich werde ich morgen schon wieder fort müssen; übermorgen aber bestimmt, wenn sich nicht etwas ganz Unerwartetes ereignet.«

»Du bist und bleibst ein Vagabund,« lachte Pearson. So war es seit Jahren mit Dain. Nur gerade ein flüchtiger Besuch und die Ankündigung seiner Ankunft durch ein dürftiges Telegramm. Meist wußte Pearson gar nicht, wo sein Freund während dieser kurzen Visiten wohnte.

Während des Frühstücks kam Dain auf den Überfall Bertons im Hotel Vinci zurück.

»Armer alter Junge! Nach dem Bericht Thurstons bei meinem Besuch damals im Hotel Vinci glaubte ich kaum, daß ich dich im Leben noch einmal sehen würde.« Und mit jenem etwas hämischen Lächeln, über das Pearson sich schon bei einer früheren Gelegenheit geärgert hatte, fügte er hinzu: »Hast du noch immer Verlangen danach, den Detektiv zu spielen, oder hat jene unliebsame Erfahrung deinen Eifer gezügelt?«

»Bis zu einem gewissen Grade bin ich wohl kuriert. Hätte ich aber einen neuen Anhaltspunkt, so würde ich die Sache vielleicht doch weiterverfolgen. Du weißt, was für ein eigensinniger Mensch ich bin.«

»Das muß man fast annehmen,« antwortete der andere, wiederum geringschätzig grinsend. »Diesmal würdest du aber unter Umständen nicht wieder mit heiler Haut davonkommen.«

»Ganz richtig, denn wie durch ein Wunder bin ich gerettet worden. Dieser Mordbube muß seine Sache nicht richtig verstanden haben. Dem armen Valrose hat dieses Glück leider nicht geblüht. Als mein Arzt die wenigen Tropfen, die in der Spritze zurückgeblieben waren, chemisch untersuchen ließ, lautete der Befund, das verwendete Gift sei nicht bekannt.«

»Natürlich nicht; solche Kerle benutzen keine bekannten Gifte,« erwiderte Dain etwas ungeduldig. »Offenbar hatte dir dieser Berton keine volle Dosis gegeben, was darauf schließen läßt, daß er auf diesem Spezialgebiet des Verbrechens ein Laie war. Es war vermutlich sein erster Versuch, und er ist bei der Manipulation unsicher geworden.«

»Sonderbar, daß du das sagst,« bemerkte Pearson, »denn die gleiche Ansicht scheint auch ein Bekannter von mir zu haben, der sich sehr für derartige Fälle interessiert. Ich dagegen hatte den vielleicht etwas voreiligen Schluß gezogen, daß derjenige, welcher den Mordversuch auf mich machte, auch der Mörder Valroses sein müsse. Die Ähnlichkeit des Verfahrens, besonders das Auftreten der roten Punkte in beiden Fällen, bestärkten mich in dieser Annahme.

Dain lachte über Pearsons weitschweifige Mutmaßungen. »Du bist sehr auf der Hut, lieber Freund. Ich wette aber, daß dein Bekannter, dessen Ansicht mit der meinigen übereinstimmt, ein erfahrener Kriminalbeamter ist. Doch ich sehe, du bist betroffen. Macht nichts, ich werde nicht weiter in dich dringen.«

Es entstand eine kurze Pause, bevor Dain, der sich über den Tisch gebeugt und seine Blicke sehr eindringlich auf seinen Freund gerichtet hatte, langsam fortfuhr. »Du erwähntest soeben, daß du, wenn dir der Fall Valrose weitere Anhaltspunkte böte, ihn weiter verfolgen würdest. Ist das wirklich dein Ernst?«

»Ich glaube das getrost behaupten zu dürfen; und zweifellos würde ich diesmal umsichtiger zu Werke gehen als damals. Um die Wahrheit zu gestehen: mein Interesse für diese furchtbare Tat ist derart groß, daß mich kaum etwas von der Weiterverfolgung abhalten könnte.«

»Pearson, ich rate dir zum zweiten Male, laß das Geheimnis, welches den Tod Valroses umgibt, begraben sein.« Dann fügte er nach einer Pause hinzu: »Und meinst du, deine Braut, Miß Thurston, würde deine neue Tollkühnheit billigen?«

Pearson machte ein langes Gesicht. »Das würde sie ganz bestimmt nicht tun. Aber ich glaube kaum, daß ihre Warnungen mich stärker beeinflussen könnten als deine Ratschläge.«

Hieraus trat ein langes Schweigen ein, während dessen der andere angestrengt nachzudenken schien.

Schließlich begann Dain aufs neue auf Pearson einzureden. Er sprach so leise, daß niemand weiter es hören konnte.

»Wir beide sind seit unseren Schultagen Kameraden gewesen, und wenn wir uns in den letzten Jahren auch nicht viel gesehen haben, so hat die alte Freundschaft kaum darunter gelitten. Ich möchte nicht, daß du dich wiederum in Gefahr begibst. Denn du kannst es mir glauben: jeder, der in das Valrose-Geheimnis einzudringen versucht und zu diesem Zwecke persönlich hervortritt, sieht sich einer der mächtigsten und weitverzweigtesten Organisationen Europas gegenüber. Sie haben überall ihre Spione, in jedem Land der Welt. Das sind keine leeren Worte, denn ich kenne sie und ihre Methoden genau, und nur durch ein Wunder, oder vielleicht eher noch durch meine überlegene Geschicklichkeit entging ich bis jetzt ihren Nachstellungen. Du machst ein erstauntes Gesicht! Nun, deine Verwunderung wird noch größer sein, wenn ich dir sage, daß ich, Arthur Dain, ein keineswegs übermäßig bevorzugter Angestellter des Geheimdienstes, dir mit der Aufklärung des Valrose-Geheimnisses aufwarten kann, jenes mystischen Ereignisses, über das sich deine Freunde von Scotland Yard bisher vergeblich die Köpfe zerbrachen. Ich kann auf den tatsächlichen Mörder des unseligen jungen Menschen mit dem Finger zeigen, – denn Valrose wurde getötet, weil er im Begriff stand, die Geheimnisse seiner Helfershelfer zu verraten.«

Das Einzige, womit Pearson auf diese Andeutungen zu reagieren vermochte, war ein unsagbar fassungsloser Blick aus weit aufgerissenen Augen. »Gerechter Himmel, undenkbar, was du sagst,« stieß er endlich hervor, als er die Sprache wieder gefunden. »Du hast Erfolg gehabt, wo Scotland Yard versagte? Das hätte ich nie für möglich gehalten!«

Er hatte Dain stets im Verdacht gehabt, gehörig zu flunkern, wenn er auf seine Abenteuer zu sprechen kam. Diesmal jedoch war von Ruhmredigkeit nichts zu spüren; er sprach sehr ernst und nüchtern. Selbst der eingefleischteste Prahlhans würde nicht feierlich verkünden, er könne auf den tatsächlichen Mörder des Arthur Valrose mit dem Finger zeigen, wenn er nicht ein stark belastendes Beweismaterial gehabt hätte, das seine aggressive Behauptung stützte.

»Es war freilich nicht meine Absicht, mir so bald in die Karten sehen zu lassen,« fuhr Dain in jenem leisen, eindringlichen Tone fort, »denn ich habe im Augenblick eine Menge wichtiger Dinge in Bearbeitung, und diese müssen nun aufgeschoben werden. Morgen schicke ich mein Belastungsmaterial durch einen besonderen Boten nach Scotland Yard und übergebe die Sache nach dort. Aber ich bin bereit, dir zu allererst die ganze Geschichte zu erzählen. Auf ein bis zwei Stunden kann ich mich frei machen. Nur kann ich dir freilich in dieser Umgebung nicht offenbaren, was ich dir zu sagen habe; hier ist es zu lebhaft, und wenn wir zum Klub hinübergehen, finden wir zu dieser Tageszeit auch dort kein ruhiges Plätzchen. Ich schlage deshalb vor, wir gehen zu dir nach Duke Street. Es ist nur ein Spaziergang.«

Als sie in Duke Street ankamen, setzte Pearson seinem Freunde Whisky und Soda vor, da er dessen Schwäche hierfür kannte. Dain war ein starker Trinker, wenn er auch unglaublich viel vertragen konnte. Er schenkte; sich auch jetzt sofort ein großes Glas voll, während sein Gastgeber nur gerade so viel zu sich nahm, wie es die Höflichkeit erforderte. »Was ich dir jetzt erzählen will, werde ich so kurz wie möglich fassen, und somit alle Einzelheiten, wie ich dies oder jenes ermittelte, fortlassen,« sagte er zur Einführung und stürzte dabei den ersten Schluck hinunter, dem gleich darauf ein zweiter folgte. »Ich werde dir nur gerade die nackten Tatsachen mitteilen, die ich feststellte. Meine Akten gehen morgen nach Scotland Yard. Aber ich bereite dich darauf vor, daß meine Enthüllungen dich in maßloses Staunen versetzen werden, und daß dein Schmerz noch größer sein wird als deine Überraschung.«

Pearson war in einem Zustand fieberhafter Erregung, da er nun endlich das Valrose-Geheimnis kennen lernen sollte. Seine Zunge war wie gelähmt; er konnte nur stumm dasitzen und über die Findigkeit und Geschicklichkeit dieses außergewöhnlichen Mannes staunen, der die geschulten Männer von Scotland Yard auf ihrem ureigensten Gebiet geschlagen hatte.

Dain begann seine Enthüllungen mit einer genauen Lebensbeschreibung von Arthur Valrose.

Der junge Mann hatte, wie die Zeugenaussage seines Vaters bestätigte, schon frühzeitig Anlagen zu einem abnormen Charakter gezeigt. Seine Familie hatte auf eine Wendung zum Besseren gehofft, sobald er einer regelrechten Beschäftigung nachgehen würde. Als er in London auf sich selbst gestellt war, gab er sich jedoch einem ausschweifenden Lebenswandel hin, der dazu führte, ihn für ein ernstes Streben und für den kaufmännischen Beruf gänzlich untauglich zu machen. Die Nächte verbrachte er in Tanzpalästen und Weinstuben; sein Umgang waren liederliche Männer und lockere Frauen. Er wettete und spielte, und nichts war ihm so verhaßt, wie die Einförmigkeit des Bürolebens.

Großes Ansehen in jenem Kreise genoß ein eleganter, flotter, gebildeter Mensch, der stets über reichlich Geld verfügte, anscheinend aber keinerlei Beschäftigung hatte. Als die Beiden sich näher befreundeten, klärte er Valrose dahin auf, daß seine Einnahmequelle sein kluger Kopf sei. Dieser Mann stammte aus guter Familie und war eigentlich zu etwas Höherem geboren. Er zog es aber vor, ein freies, abenteuerliches Leben zu führen. Kaum hatte er bei seinem Schüler richtig den Boden bereitet, als er eines Tages die Maske abwarf und ihm gestand, wer er war. Man hatte es mit einem berufsmäßigen Gauner zu tun, der einer großen Organisation angehörte und bei dieser eine bevorzugte Stellung bekleidete. Bei seinen Kumpanen war er unter dem Spitznamen »Die Spinne« bekannt.

Durch die sinnverwirrenden Schilderungen, die dieser Mensch dem armen Valrose von der Romantik eines solchen Lebens gab, von der Leichtigkeit, mit der man zu Geld kommen konnte, erwachten bei Valrose sehr bald die in ihm schlummernden schlechten Instinkte. Das Einerlei der Bürotätigkeit wurde ihm immer unerträglicher, die Aussicht auf ein auf planmäßiger Arbeit begründetes ehrenhaftes Leben immer weniger verlockend. Dann kam der Tag, an dem er spurlos das Geschäft verließ und nach Hause schrieb, um seiner Familie anzukündigen, daß er sich von jetzt ab sein Leben nach eigenem Geschmack einrichten würde und daß es das Beste, was sie tun könnten, sei, ihn zu vergessen.

Damit hatte er seine Schiffe endgültig hinter sich verbrannt und wurde nun in die Verbrecher-Organisation aufgenommen, in der sein Freund, »die Spinne«, mit den Ton angab. Von da ab bis zu jenem Tage, an dem seine Leiche im Portal des Hauses in Arundel Street aufgefunden wurde, ist er auf der Bahn des Verbrechens unabänderlich weiter hinabgeglitten, wenn auch vorerst mit einem ganz erstaunlichen Glück. Er war offenbar zum Verbrecher geboren. Kaltblütig, umsichtig und klug, unternahm er niemals ein zu großes Wagnis und witterte die Fallen, die manchem ungestümeren Spießgesellen zum Verderben wurden. In seinem Privatleben, das er außerhalb seiner dunklen Geschäfte führte, ließen sich die Menschen durch seine angenehmen Manieren und sein Auftreten täuschen. Sie nahmen ihn für das, was er zu sein vorgab, einen vermögenden Mann, der Geschmack am unsteten Leben hatte – und zu seinem Vergnügen reiste. Pearson sei keineswegs der einzige gewesen, der durch das gewinnende Wesen Valroses getäuscht worden war.

An diesem Punkt seiner Erzählung wurde Dain durch Pearson unterbrochen. »Er hat Thurston mit der gleichen Mühelosigkeit hineingelegt, wie mich, und dieser ist ein Mann mit scharfem Verstand und großer Welterfahrung, Eigenschaften, auf welche ich für mich keinen Anspruch mache.«

Dain sagte nichts hierzu und fuhr ruhig mit seiner Geschichte fort: Wäre Valrose damit zufrieden gewesen, dieser einen Organisation anzugehören, so wäre seine Vorsicht vielleicht zum Guten ausgeschlagen. Eine gewisse Portion Glück vorausgesetzt, konnte er möglicherweise mit der Zeit sogar ein Einkommen zusammenwerfen, das ihn in den Stand gesetzt hätte, sich ganz aus seinen anrüchigen Geschäften zurückzuziehen.

Zu seinem Unglück war sein böser Geist, »die Spinne«, immer noch sein vertrauter Freund und besaß einen sehr bedeutenden Einfluß auf ihn. Dieses Mannes Tätigkeit war nicht nur auf eine Organisation beschränkt. Man könnte ihn als einen Universal-Verbrecher brandmarken, stets bereit, zu jeder Schändlichkeit die Hand zu bieten. Er war auch Mitglied revolutionärer Verbände und ein nimmermüdes Werkzeug der bolschewistischen Propaganda.

Wahrscheinlich hatte Valrose von Hause aus keine besonders ausgeprägten aufrührerischen Neigungen, doch er war habgierig, und die Aussicht, mehr Geld zu verdienen, reizte ihn. Und zweifellos hatte »Die Spinne« herausgefunden, daß er für seine Zwecke gerade der richtige Mann sei. So wurde er durch seinen Freund sehr bald einem der prominentesten Führer der bolschewistischen Propaganda vorgestellt, dessen Zustimmung notwendig war, um seine Aufnahme zu ermöglichen.

Hier machte Dain eine eindrucksvolle Pause und blickte seinen Freund scharf an. Es dauerte eine kleine Weile, bis er seine Erzählung weiterspann, und bevor er wieder begann, nahm er zum dritten Mal einen kräftigen Schluck. Es war, als wolle er sich Mut trinken zu der nun kommenden unerfreulichen Enthüllung.

»Ich sagte dir schon, daß ich ein Gefühl unbeschreiblicher Überraschung in dir erwecken würde. Und was ich dir noch zu sagen habe, wird dir großen Schmerz bereiten. Aber da du es früher oder später doch erfahren mußt, bleibt es dir ohnehin nicht erspart. Dieser Führer, mit dem man Valrose notgedrungen bekannt machen mußte, war eine sehr bemerkenswerte Persönlichkeit. Unmöglich hätte man in eklatanterer Weise ein Doppelleben führen können. Er spielte sich als Geschäftsmann auf, unterhielt ein Büro mit Angestellten, bewohnte, um die Täuschung aufrecht zu erhalten, eine kostspielige Wohnung im Herzen Londons, und pflegte die Bekanntschaft ehrenhafter Leute, die nichts von seiner wirklichen Tätigkeit ahnten. Das war der außergewöhnliche Mann, der in der neuen Organisation der Vorgesetzte von Arthur Valrose wurde.«

Pearson beugte sich in höchster Spannung nach vorn. Die Beschreibung zielte furchtbar in seine Nähe. Atemlos vor Angst, wartete er auf die nächsten Worte Dains.

»Der Mann hatte, wie du dir denken kannst, mehr als einen Decknamen. Ich aber kenne ihn bei seinem richtigen Namen.« »Und dieser Name?« entrang es sich qualvoll den Lippen Pearsons.

»Dein Gesicht zeigt mir, daß du ihn kennst,« antwortete Dain ohne jede Gemütsregung. »Der angebliche Finanzmann, mit dessen Tochter du verlobt bist, und der geistige Leiter der bolschewistischen Propaganda, ist ein und dieselbe Person! In seinem privaten Leben trägt er seinen richtigen Namen. Er ist ein durch und durch gefährlicher Erzgauner, der seine schwarze Seele hinter einem ewigen Lächeln verbirgt, und er ist es, durch dessen Hände Arthur Valrose sein unseliges Ende fand.«


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