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XII

Der französische Arzt hatte einem Kollegen in Shepperton eingehend über den Fall berichtet, und dieser kam am folgenden Morgen, seinen neuen Patienten zu begrüßen. Dank seiner geschickten Behandlung machte die Besserung schnelle Fortschritte. Die Freude über die sprungweise Wiedergewinnung seiner alten Kräfte machte den Patienten fast übermütig.

Cecile nahm ihn mit hinaus auf den Fluß und ruderte ihn in ihrem flachen Boot spazieren; sie erlaubte natürlich nicht, daß er mit zugriff. Eine Weile war dieses ruhige Dahinleben wohl auszuhalten, und er wollte sich gewiß nicht beklagen, so neu und fremd es ihm auch war. Jedenfalls war es herrlich, von einem schönen Mädchen, das kein Hehl aus seiner fürsorglichen Liebe machte, verwöhnt und umsorgt zu werden.

Mit Rücksicht auf Pearsons Erholungsbedürftigkeit wurden andere Gäste jetzt nicht eingeladen. Nur die Tante, Frau Hamilton, sollte zu einem Besuch aufgefordert werden, sobald Pearsons Kräfte es erlaubten. Es war auch nicht mehr als gerecht, diese vorzügliche Frau, die selbstlos verzichtet hatte, der Gesellschaft ihrer Nichte wieder zuzuführen. Denn man wußte nicht, wann Cecile wieder zu ihr fahren könnte. Sie würde selbstverständlich nicht daran denken, ihren Verlobten allein zu lassen, bevor er nicht vollkommen genesen war.

Gelegentlich einer ihrer Bootfahrten spielte Pearson auf seinen Freund Dain an. »Ich fragte deinen Vater, ob er ihn zufällig kenne, doch anscheinend war es seinem Gedächtnis ganz entschwunden, daß er ihm schon begegnet war. Als Dain ihn dann im Hotel Vinci besuchte, erinnerte er sich sofort.«

»Ja, Väterchen erzählte mir von dem Besuch,« antwortete Cecile. »Wir waren gerade angekommen, als Dain sich einstellte, sahen ihn aber nicht, da er nur wenige Minuten blieb. Man kann natürlich nicht erwarten, daß Väterchen sich auf alle Leute besinnt; es wundert mich aber trotzdem, daß dieser Dain keinen größeren Eindruck bei ihm hinterließ. Mich hatte, als ich ihn sah, wieder einmal jene Unvernunft ergriffen, mit der ich nur unsympathischen Menschen meine Abneigung bekunde. Ich gab sie ihm mit der gewissen Ungeniertheit zu erkennen.«

»Ich kann mir schon denken, daß Dain nicht der Typ ist, der den Frauen gefällt; dafür ist er zu ungeschliffen, zu egoistisch und zu selbstherrlich. Aber ausgesprochene Abneigung verdient er doch wohl nicht. Denn im Grunde genommen ist er ein guter Kerl.«

»Ich glaube schon, daß ein Mann sein eigenes Geschlecht besser zu beurteilen versteht, als eine Frau es kann,« lenkte Cecile ein. »Und wenn du meinst, daß er ein so guter Kerl ist, hast du gewiß deine Gründe dafür. Wahrscheinlich hätte ich nicht weiter Notiz von ihm genommen, wenn er mir nur in konventioneller Form entgegengetreten wäre. Aber er hatte offensichtlich ein ganz besonderes Interesse an mir gefunden und plagte mich mit allerhand Aufmerksamkeiten, die mir zuwider waren. Seine aufdringlichen Annäherungsversuche wurden mir lästig, und bis zu einer ausgesprochenen Abneigung ist es dann nur noch ein kurzer Schritt. Doch jetzt, wo ich weiß, daß eine alte Freundschaft zwischen euch besteht,« lächelte sie liebevoll, »eine Freundschaft, welche bis in eure Schulzeit zurückreicht, muß er uns nach unserer Verheiratung besuchen. Und bis dahin wird Dain bestimmt ganz kuriert sein, so daß ich dir versprechen kann, ihn freundlich aufzunehmen und mein Bestes zu tun, seine guten Eigenschaften zu entdecken.«

»Das ist sehr lieb von dir, mein Herzblatt,« stimmte ihr Verlobter anerkennend zu. »Doch glaube ich kaum, daß du sehr auf die Probe gestellt werden wirst. Dain ist ein Mensch, der stets auf dem Sprunge ist. Öfter als ein halbes Dutzend Mal jährlich sah ich ihn kaum; und dann auch nur auf ein oder zwei Stunden. Er kam dann gerade von irgendwoher, um sofort irgendwohin weiterfahren zu müssen. Ein solches Vagabundenleben wäre nichts für mich.«

»Bestimmt nichts, Liebster,« lächelte Cecile aufrichtig. »Ich bin ganz sicher, daß, sobald Tante Mary dich kennen lernt, und das wird ja schon in wenigen Stunden der Fall sein, sie dich für einen häuslichen Mann erklärt. Und ein höheres Lob hat sie an das andere Geschlecht nicht zu vergeben.« –

Gegen Ende August war Pearson endlich so gut wie genesen. Der Arzt erlaubte ihm nun wieder, nach seinen eigenen Wünschen zu leben, vorausgesetzt, daß dies vernunftmäßig geschehe. Frau Hamilton konnte nun ruhig eintreffen. Und tatsächlich erschien sie auch zu der festgesetzten Zeit.

Sie war eine schöne, stattliche Erscheinung mit einer gewissen hoheitsvollen Geste, die ganz im Gegensatz stand zu dem gleichmäßigen, zurückhaltenden Wesen ihrer Schwester. Sie machte einen überaus resoluten Eindruck, und Pearson war daher zuerst nicht sehr begeistert von ihr. Es lag etwas Herrisches, um nicht zu sagen Despotisches in ihrem Auftreten. Nichtsdestoweniger zeigte er sich, als man sie miteinander bekannt machte, von der liebenswürdigsten Seite und verriet durch nichts seine Gedanken.

Am Abend ihrer Ankunft sprach sich Thurston mit seinem zukünftigen Schwiegersohn über die Schwägerin aus. »Ein höchst achtbarer Charakter, sehr ehrenhaft und gerade; doch für meinen Geschmack geht sie zu sehr darauf aus, das Zepter zu schwingen. Schon als sie noch ein junges Mädchen war, mußte die ganze Familie nach ihrer Flöte tanzen. Ohne ihre Zustimmung durfte nichts getan oder unterlassen werden. Und wollten die Angehörigen doch einmal ihren Kopf durchsetzen, so machte sie ihnen das Leben so schwer, daß die anderen es so bald nicht wieder versuchten. Frau Hamiltons Gatte war ein bescheidener, unscheinbarer Mann, dem jedes ihrer Worte heilig war. Nie hätte er es gewagt, einen eigenen Willen zu zeigen. Ich glaube, Cecile versteht es besser als irgend jemand anders, mit ihr umzugehen. Sie weiß sie herumzukriegen und sogar ein bißchen ihren eigenen Kopf durchzusetzen. Doch trotz alledem ist meine Schwägerin, wie ich schon sagte, eine durch und durch brave Frau, weitherzig, freigebig und wohltätig bis zur Übertreibung. Und kein Mensch darf etwas von ihren guten Werken erfahren; alles macht sie heimlich ab. Man hört nie davon, wenn die Leute, denen sie half, nicht selbst darüber sprechen.«

Pearson war jetzt bereit, die Tante in einem günstigen Lichte zu sehen, aber trotz ihrer guten Eigenschaften zweifelte er, daß sie ihm jemals sympathisch werden würde. Frau Hamilton mochte Respekt einflößen, ein Mensch, dem man Liebe entgegenbringen konnte, war sie nicht.

Doch wenn der junge Mann sich auch nicht viel aus ihr machte, war sie dagegen sehr von ihm eingenommen. Cecile vertraute ihm dies am nächsten Morgen an; wie sie vorausgesagt hatte, war die Tante mit ihrem Urteil über ihn sehr rasch fertig gewesen.

»Sie findet, daß ich einen guten Geschmack gezeigt habe und ist überzeugt, daß ich meine Wahl nie bereuen werde. Und meine Prophezeihung war richtig: sie hält dich für einen durchaus häuslichen Mann,« schloß das junge Mädchen lachend.

Als sie an jenem Abend im Billardzimmer saßen, wo Thurston und das Brautpaar meist die Zeit nach dem Diner verbrachten, während Frau Thurston mit ihrer Schwester lieber im Salon blieb und mit ihr über alte Zeiten plauderte, fiel dem Finanzmann plötzlich ein Brief ein, den er Pearson zeigen wollte. Er zog ihn aus der Tasche und überreichte ihn seinem Schwiegersohn. »Wahrhaftig, beinahe hätte ich vergessen, mit dir darüber zu sprechen!«

Der Brief war von Dain und hatte folgenden Inhalt:

»Sehr geehrter Herr Thurston!

Zurückkommend auf jenes furchtbare Ereignis im Hotel Vinci, telephonierte ich vor einigen Tagen dorthin, um mich nach meinem bedauernswerten alten Freund Kenneth Pearson zu erkundigen, und war glücklich, zu erfahren, daß er sich genügend erholt hat, um nach England zurückkehren zu können. Ich möchte Sie bitten, mir nach Empfang dieses Briefes an die angegebene Adresse nach Amsterdam zu telegraphieren.

Und würden Sie die Güte haben, mir in Ihrer Antwort mitzuteilen, ob die Genesung voraussichtlich endgültig sein wird; ich meine damit, ob keine üblen Nachwirkungen jenes mörderischen Angriffes zu befürchten sind. Aus dem, was man mir vom Hotel aus mitteilte, nehme ich an, daß Kenneth sich auf dem Wege zu seiner Wiederherstellung befindet. Es schien mir, es sei das Beste, mich an Sie zu wenden, da ich seinen Zustand nicht genügend kenne und daher nicht weiß, ob er den Anforderungen einer Korrespondenz gewachsen ist.«

»Ich habe natürlich sofort ausführlich telegraphiert,« fügte Thurston hinzu, »und Dain mitgeteilt, daß der Arzt dich gesund geschrieben hat, und du bald deine alten Kräfte wiedererlangt haben wirst.«

Sie waren sich darüber einig, daß die Anteilnahme eines so vielbeschäftigten Mannes wie Dain, der ständig in der Welt herumreiste, viel höher zu bewerten sei, als wenn es sich um jemand gehandelt hätte, der ein normales Alltagsleben führte. Cecile, die von dem Inhalt des Briefes hörte, beurteilte diese Aufmerksamkeit Dains gleichfalls sehr anerkennend.

»Ich sehe schon, daß ich, wenn wir uns jemals treffen sollten, sehr nett zu ihm sein muß,« sagte sie schlicht. »Wie ist es sonderbar, Väterchen, daß du dich seines Namens nicht erinnertest, als Kenneth von ihm sprach?« wandte sie sich dann an Thurston. »Damals in Biarritz amüsierte es dich und Mutter doch sehr, zu beobachten, wie hartnäckig er mich verfolgte, und wie ich ihm mit der gleichen Beharrlichkeit auswich.«

»Ich gebe zu, mein Kind, daß dies sonderbar erscheint. Aber ich werde wohl den Namen, als Kenneth ihn nannte, überhört haben.« Und betroffen lächelnd fügte Thurston hinzu: »Es mag auch sein, daß ich mit meinem Gedanken gerade anderswo war, als er mich fragte. Du kennst ja diese kleine Schwäche von mir, wenn mein Geist stark mit meinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt ist.«

Pearson war über die Besorgtheit seines alten Schulkameraden um so mehr gerührt, als nie besonders freundschaftliche Beziehungen zwischen ihnen bestanden hatten. Dain, ein derber, kühler Mensch, besaß wenig Sinn für Sorgen und Kummer anderer Leute. Und nun hatte er sich einer Freundschaft fähig gezeigt, wie sie Pearson nie von ihm erwartet hätte.

Da Pearson sich wieder vollkommen gesund fühlte, hielt er es für an der Zeit, in die City zu fahren und seinen alten Freund Shaddock zu besuchen. Um sein Geschäft kümmerte er sich wenig; eigentlich hatte er es nie recht ernst betrieben. Er wußte, daß sein Vertreter es sehr gut allein weiterführen würde.

Als er auf Verabredung den Detektiv am gewohnten Orte traf, begrüßte ihn Shaddock mit großer Herzlichkeit, ergriff seine Hände und schüttelte sie lebhaft.

»Sie sind knapp mit dem Leben davon gekommen, lieber Freund. Seien Sie überzeugt, daß dieser Bube sich nur in der Dosis geirrt hat; sonst hätten wir uns nie wiedergesehen. Sie werden es jetzt wohl satt haben, den Detektiv zu spielen?«

Er konnte sich diesen kleinen Hieb nicht versagen, denn wie viele zünftige Berufsvertreter konnte er es nicht leiden, daß Unbefugte sich in sein Arbeitsgebiet einmischten.

Pearson lachte gutmütig. »Mir scheint, ich war ein recht von mir überzeugter alter Esel. Meine Freunde Dain und Thurston wollten mir die Sache ja auch ausreden; ich bestand aber auf meinem Willen und habe meinen Eigensinn schwer büßen müssen. Und nun erzählen Sie bitte. Denn sicher hat dieses Ereignis Sie zu neuen Taten angespornt. Auch bei Deschamps wird das der Fall gewesen sein. Doch er war allzu zugeknöpft und weihte mich in nichts ein. Ich vermute, dieses Individuum, der Berton, war es, der sowohl Valrose wie auch den Oberst de Boeck um die Ecke brachte.«

»Bei oberflächlicher Betrachtung würde man zweifellos zu dieser Schlußfolgerung gelangen,« antwortete Shaddock vorsichtig wie immer. »Ich gebe zu, es war auch mein erster Eindruck.«

»Gibt es irgendeine Auslegung, wonach man im Zweifel sein könnte, daß Berton ein dreifacher Mörder ist?« fragte Pearson.

»Keine sehr überzeugende. Aber vergleichen Sie einmal die drei Fälle: bei Valrose und de Boeck – war es sachgemäße Arbeit, durch eine geübte Hand ausgeführt. Bei Ihnen jedoch hat der Attentäter übel gestümpert. Es könnte, ich sage nur könnte, dies die Deutung rechtfertigen, daß der Verbrecher bei Ihnen zum erstenmal eine neue Methode ausprobiert hat. Deschamps hat mir aufgetragen, ihn in Haft zu behalten, falls es uns gelingen sollte, ihn hier zu erwischen. Mein Kollege scheint anzunehmen, daß Berton sich früher oder später nach England wenden wird, da er sich hier gut auskennt und der englischen Sprache mächtig ist. Man scheint in Paris ziemlich überzeugt zu sein, daß er sich nicht mehr in Frankreich aufhält.«

»Wie war es nur möglich, daß er entkommen konnte? Selbstverständlich sind doch alle Häfen überwacht worden?«

»Gewiß,« stimmte Shaddock zu. »Und der Überfall auf Sie ist rechtzeitig genug entdeckt worden, um die Polizei in Stand zu setzen, diese Anordnung zu treffen. Doch die Halunken besitzen ja eine wahre Meisterschaft in der Kunst, sich zu maskieren. Der Berton, der heimlich aus Paris entwichen ist, sah ganz anders aus, als der Berton, welcher Ihnen das Lebenslicht ausblasen wollte. Außerdem würde er es nie gewagt haben, sich nach irgendeinem Hafenort zu begeben, da er nur zu gut weiß, daß man dort ein wachsames Auge auf ihn hat. Die Organisation, der er angehört, wird ihre Mittel und Wege haben, ihn aus dem Lande zu schaffen. Man kann annehmen, daß Berton mit überstürzter Hast, die fertigen Fluchtpläne in der Tasche, an eine vorher vereinbarte einsame Stelle an der französischen Küste geeilt ist, von wo ihn dann ein Schiff seiner Spießgesellen abholte. War sein Ziel England, so würde man ihn an einer unbevölkerten Stelle unserer Küste abgesetzt haben. Sollte es uns gelingen, ihn zu fassen, so wollen wir für sein Verhör meinem Freund Deschamps gern den Vorrang lassen. Ich wünschte, es käme so; es wäre ein Schlußstrich für uns.«

Sie unterhielten sich noch eine Zeitlang. Aus Shaddocks Gedankengängen war unschwer zu erkennen, daß er dem Falle Valrose etwas entmutigt gegenüberstand und nicht mehr viel Hoffnung hatte, daß die Aufklärung des Rätsels restlos gelingen würde. –

Die Jahreszeit war unterdessen vorangeschritten, und es begann bereits zu herbsten. So wurde es Zeit, an eine Erholungsreise zu denken. Thurstons verbrachten meist einen Monat des Jahres im Ausland, wenigstens die beiden Damen. Denn Thurston selbst war nie länger als vierzehn Tage an einem Ort zu halten, und schon diese kurze Trennung von seinem geliebten Geschäft machte ihn manchmal nervös.

Der Arzt hatte Pearson eine Erholung in stärkender Seeluft empfohlen und Scarborough vorgeschlagen. Der Aufenthalt dort werde seine Genesung vollenden, versicherte er. Der junge Mann fühlte sich aber tatsächlich jetzt schon genesen.

Cecile jedoch bestand darauf, ihn noch als Rekonvaleszenten zu behandeln, der Pflege braucht, was so viel bedeutete, daß er noch für längere Zeit weiblicher Fürsorge bedürfe. Sie teilte diese Auffassung ihren Eltern mit, und man beschloß, die Erholungszeit gemeinschaftlich zu verbringen. Frau Thurston hatte den Aufenthalt im Ausland etwas satt, und ihrem Gatten war es ziemlich gleichgültig, wohin es ging. So wurde schließlich vereinbart, daß sie alle zusammen nach Scarborough gehen wollten. Auch Frau Hamilton beabsichtigte sich anzuschließen, da sie sich nicht schon wieder von ihrer Nichte trennen wollte. Vielleicht nahm sie auch gern die Gelegenheit wahr, Ceciles Verlobten näher kennen zu lernen. Einen guten Eindruck hatte sie von vornherein von ihm gehabt.

Da das Wetter noch sehr schön war, beschloß die kleine Reisegesellschaft die Fahrt im Auto. Thurston nahm seine Frau und den größeren Teil des Gepäcks in seinen Wagen; Pearson reiste mit seiner Braut und Frau Hamilton, das übrige Gepäck mit sich führend.

Es waren schöne Tage, welche die Familie in dem herrlichen Seebad verbrachte, und die Zeit flog nur so dahin. Reiten, Segeln und Autofahren war das tägliche Programm. Cecile war begeistert von dem Aufenthalt und empfand ihn als höchst angenehme Abwechslung gegenüber den üblichen Auslandsreisen. Und Pearson, der sein Heimatland viel mehr als jedes andere liebte, war ganz ihrer Meinung.

Das Liebespaar saß eines Abends in der Halle, als Cecile ihren Bräutigam auf eine auffallend hübsche junge Frau aufmerksam machte, die ihnen gegenüber saß. Sie kannte keine kleinliche Eifersucht und hatte ein offenes Auge für die Schönheit ihres eigenen Geschlechts.

»Schau dir das schöne Geschöpf an, Liebster, das uns gegenüber sitzt. Sie trägt einen Trauring, ist aber noch ganz jung. Was hat ihr liebliches Gesicht für einen schwermütigen Ausdruck! Sie scheint allein zu sein, sicher ist sie eine Ausländerin. Wer mag sie wohl sein?«

Pearson folgte der Aufforderung und blickte nach der bezeichneten Richtung. Die junge Frau verdiente ohne Zweifel das Attribut »schön«, welches Cecile ihr beigelegt hatte. Aber Pearson war viel zu sehr verliebt, um viel Sinn für die Lieblichkeit anderer Frauen zu haben.

»Ja, du hast recht. Nach ihrer Eleganz zu urteilen, wird sie wohl eine Französin sein.«

Cecile, welche viel im Ausland gereist war, hatte jedoch mehr Auge für die charakteristischen Merkmale der verschiedenen Nationalitäten.

»Nein, keine Französin. Sieh dir die schönen Augen, die klassischen Züge und das warme Kolorit an. Nur eine Nation vereinigt diese Vorzüge. Sie kann nur eine Italienerin sein.«

Cecile zu Liebe fing Pearson an Interesse zu zeigen. »Ich will mich nach ihrem Namen erkundigen. Aber viel klüger werden wir nicht sein, wenn wir ihn auch wissen.«

Er ging in das Büro und studierte das Gästebuch. Aha, hier stand es als vorletzte Eintragung: Signora Mattelli aus Rom. Offenbar war sie erst ganz vor kurzem eingetroffen.

Mattelli, Mattelli! Der Name rief eine Erinnerung in ihm wach. Wo hatte er ihn schon früher gehört? Und dann durchfuhr es ihn wie ein Blitz, und sein letztes Zusammensein mit Valrose in Duke Street stand plötzlich vor ihm. Sein Freund hatte von einer Italienerin gesprochen, die er leidenschaftlich liebte, und die mit einem um mehrere Jahre älteren Mann verlobt war. Sie hatte ihn dann geheiratet, und sein Name war Mattelli gewesen.

Ob es ein häufiger Name in Italien war? Oder hatte ihn der Zufall mit der einstigen Geliebten Valroses zusammengeführt?


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