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Kapitel XXIX.
Von den klaren und dunklen, deutlichen und verworrenen Ideen.

§ 2. Philal. Wir wollen jetzt zu einigen Unterschieden der Ideen kommen. Unsere einfachen Ideen sind klar, wenn sie ebenso sind, wie die Gegenstände selbst, von denen man sie empfängt, und dieselben mit allen zu einer wohlgeordneten Empfindung oder Perzeption erforderlichen Umständen darstellen oder darstellen können. Wenn das Gedächtnis sie auf diese Art bewahrt, so sind sie klare Ideen; in dem Maße aber, als es ihnen an dieser ursprünglichen Genauigkeit fehlt, oder sie sozusagen von ihrer ersten Frische verloren haben und gleichsam durch die Zeit matt und welk geworden sind, sind sie dunkel. – Die zusammengesetzten Ideen sind klar, wenn die einfachen Ideen, aus denen sie bestehen, es sind und Zahl und Ordnung dieser einfachen Ideen feststeht.

Theoph. Ich habe in einer kleinen Abhandlung über die wahren und falschen, klaren und dunklen, deutlichen und verworrenen Ideen, die in den Leipziger Acta vom Jahre 1684 erschienen ist, eine Definition der klaren Ideen gegeben, die sowohl die einfachen wie die zusammengesetzten Ideen umfaßt und von dem, was man hier über sie sagt, Rechenschaft gibt. Ich nenne also eine Idee klar, wenn sie genügt, um den Gegenstand zu erkennen und ihn zu unterscheiden; wie ich z. B., wenn ich eine ganz klare Idee von einer Farbe habe, nicht eine andere für die von mir gemeinte nehmen werde, und wenn ich eine klare Vorstellung von einer Pflanze habe, sie von anderen ähnlichen unterscheiden kann; sonst ist die Idee dunkel. Ich glaube, daß wir von den sinnlichen Dingen kaum völlig klare Ideen besitzen. Es gibt Farben, die einander so nahe stehen, daß man sie im Gedächtnis nicht voneinander unterscheiden kann, und die man gleichwohl mitunter unterscheidet, wenn man die eine neben die andere hält. Und wenn wir eine Pflanze gut beschrieben zu haben glauben, so wird man uns vielleicht eine solche aus Indien bringen können, die all das, was wir in unserer Beschreibung aufgeführt haben, an sich trägt und sich nichtsdestoweniger als eine andere Spezies erweisen wird; somit werden wir die untersten Spezies ( species infimas) niemals vollkommen bestimmen können Vgl. die näheren Ausführungen in der angegebenen Abhandlung: Band I, S. 22ff..

§4. Philal. Wie eine klare Idee diejenige ist, die der Geist so, wie sie ist, in vollkommener und evidenter Weise perzipiert, wenn er sie von einem äußeren Objekt empfängt, das auf ein richtig gestimmtes Organ in gehöriger Weise wirkt, so ist eine deutliche Idee diejenige, bei der der Geist einen Unterschied bemerkt, der sie von jeder anderen Idee unterscheidet; eine verworrene Idee dagegen ist diejenige, welche man nicht hinlänglich von einer anderen, von der sie verschieden sein soll, unterscheiden kann.

Theoph. Nach dem von Ihnen gegebenen Begriff der deutlichen Idee sehe ich kein Mittel, sie von der klaren Idee zu unterscheiden. Ich pflege darum hierbei dem Sprachgebrauch Descartes' zu folgen, bei dem eine Vorstellung zugleich klar und verworren sein kann, und solcher Art sind die Ideen der zu den verschiedenen Organen gehörigen sinnlichen Qualitäten, wie die der Farbe oder der Wärme. Sie sind klar, denn man erkennt sie wieder und unterscheidet sie leicht voneinander, aber sie sind nicht deutlich, denn man unterscheidet ihre einzelnen Bestandteile nicht. Daher kann man von ihnen keine Definition geben. Man zeigt sie nur durch Beispiele auf und kann übrigens, bis man ihre innere Beschaffenheit entziffert hat, nur sagen, daß sie irgend etwas, man wisse selbst nicht was, seien. Obgleich also die deutlichen Ideen nach unserer Definition den Gegenstand von einem anderen unterscheiden, so nennen wir doch, da die klaren, aber in sich verworrenen Ideen dies gleichfalls tun, nicht alle diejenigen Ideen deutlich oder »distinkt«, welche wohl unterscheidende sind oder welche die Gegenstände unterscheiden, sondern diejenigen, welche wohl unterschieden sind, d. h. diejenigen, die in sich selbst distinkt sind und in dem Gegenstande die charakteristischen Merkmale, die ihn erkennbar machen, unterscheiden, woraus sich die Analyse oder Definition ergibt: sonst nennen wir sie verworren. In diesem Sinne trifft uns für die Verworrenheit unserer Ideen kein Tadel, da sie eine Unvollkommenheit unserer Natur ist, denn wir können z. B. die Ursachen der Gerüche und Geschmäcke und das, was diese Beschaffenheiten in sich schließen, nicht deutlich sondern. Tadelnswert kann jedoch diese Verworrenheit sein, wenn es wichtig ist und in meiner Gewalt steht, deutliche Ideen zu haben, wie wenn ich z. B. falsches Gold für echtes ansehe, indem ich es unterlasse, die notwendigen Versuche zu machen, welche die Kennzeichen des guten Goldes angeben.

§ 5. Philal. Man wird aber sagen, daß es an und für sich gar keine verworrene (oder vielmehr nach Ihrem Wortsinn gar keine dunkle) Idee gibt, denn sie kann immer nur so sein, wie der Geist sie erfaßt, und dies unterscheidet sie hinlänglich von allen übrigen. § 6. Um diese Schwierigkeit zu heben, muß man wissen, daß die Mangelhaftigkeit der Ideen in ihrem Verhältnis zu den Namen besteht und daß eine Idee dann mangelhaft ist, wenn sie ebensogut durch einen anderen Namen bezeichnet werden könnte, als durch den, dessen man sich für ihre Bezeichnung bedient hat.

Theoph. Mir scheint, daß man dies nicht von der Bezeichnung abhängig machen dürfe. Alexander der Große hatte (der Sage nach) im Traum eine Pflanze gesehen, welche imstande sein sollte, den Lysimachus zu heilen. Sie wurde nachher Lysimachia genannt, weil sie diesen Freund des Königs in der Tat heilte. Als nun Alexander sich einen ganzen Haufen Pflanzen bringen ließ, unter denen er diejenige, welche er im Traume gesehen hatte, wiedererkannte, so würde offenbar, wenn er unglücklicherweise keine genügende Vorstellung von ihr gehabt hätte, um sie wiederzuerkennen, und wie Nebukadnezar einen Daniel gebraucht hätte, um sich seinen Traum selbst wieder ins Gedächtnis zurückzurufen, die Idee, die er davon gehabt hätte, dunkel und unvollkommen gewesen sein – denn so möchte ich sie lieber nennen, als verworren – nicht etwa, weil er ihrer Benennung (denn eine solche gab es gar nicht), sondern weil er der Sache selbst, d. h. der Pflanze, die die Heilung vollziehen sollte, nicht die gehörige Aufmerksamkeit geschenkt hätte. In diesem Falle würde sich Alexander gewisser Umstände erinnert haben, über andere dagegen im Zweifel gewesen sein; und da der Name uns dazu dient, etwas zu bezeichnen, so zieht eine mangelhafte Beachtung der Namen gewöhnlich eine mangelhafte Beachtung der Sachen nach sich, die man sich unter diesem Namen vorstellt.

§7. Philal. Da die zusammengesetzten Ideen diesem Mangel am meisten unterworfen sind, so kann er daher stammen, daß eine Idee aus einer zu kleinen Zahl einfacher Ideen besteht, wie z. B. die Idee eines Tieres mit geflecktem Fell zu allgemein ist und nicht genügt, um den Luchs, den Leopard oder Panther voneinander zu unterscheiden, die man doch durch besondere Namen unterscheidet.

Theoph. Dieser Mangel würde auch dann stattfinden, wenn wir uns noch in dem Zustande befänden, in dem Adam war, bevor er den Tieren Namen gegeben hatte. Denn angenommen, man wüßte, daß es unter den gefleckten Tieren eines von außerordentlich scharfem Gesicht gäbe, während man nicht wüßte, ob dies der Tiger oder Luchs oder eine andere Art sei; so liegt hierin ein Mangel der Unterscheidung. Es handelt sich also hier nicht sowohl um den Namen, als um das, was zu ihm Anlaß gibt und weswegen ein Tier eine besondere Bezeichnung verdient. Hieraus ergibt sich auch, daß die Idee eines gefleckten Tieres an und für sich gut und ohne Verworrenheit und Dunkelheit ist, wenn sie nur zur Bezeichnung der Gattung dienen soll; soll sie dagegen im Verein mit einer andern Idee, an die man sich nicht genau genug erinnert, die Art bezeichnen, so wird die hieraus zusammengesetzte Idee dunkel und unvollkommen.

§8. Philal. Ein entgegengesetzter Mangel besteht, wenn die einfachen Ideen, aus denen sich eine komplexe Idee zusammensetzt, zwar in genügender Zahl vorhanden, aber zu sehr vermengt und ineinandergewirrt sind. So gibt es Gemälde, die uns so verworren erscheinen, als sollten sie nur die Darstellung des bewölkten Himmels sein – und falls sie wirklich nichts anderes bedeuten wollten, so würde man sie auch nicht verworren nennen, ebensowenig wie man ein Gemälde, das wirklich diesen Gegenstand ausdrücken will, so bezeichnet –; sagt man jedoch, daß dieses Gemälde ein Porträt sein soll, so wird man es mit Recht verworren nennen können, weil man nicht zu sagen weiß, ob es einen Menschen oder einen Affen oder Fisch darstellt. Es ist jedoch möglich, daß, wenn man es durch einen zylindrischen Spiegel betrachtet, die Verworrenheit schwindet und daß man es als einen Julius Caesar erkennt. So kann auch keines der geistigen Bilder (wenn ich mich so ausdrücken darf) verworren genannt werden, wie immer auch seine Teile miteinander verbunden sein mögen; denn wie diese Bilder auch immer beschaffen sein mögen, so können sie doch offenbar von allen anderen unterschieden werden, solange sie nicht mit einem bestimmten gewöhnlichen Namen bezeichnet werden, der ihnen, soweit man sehen kann, nicht mehr und nicht weniger als irgendein anderer Name von anderweitiger Bedeutung zukommt.

Theoph. Ein Gemälde, dessen Teile man deutlich sieht, das man aber als Ganzes nur dann erkennt, wenn man die Teile auf eine bestimmte Art betrachtet, gleicht der Vorstellung eines Steinhaufens, die in der Tat, nicht nur in Ihrem, sondern auch in meinem Sinne, verworren ist, bis man die Anzahl der Steine und andere Eigenschaften deutlich aufgefaßt hat. Bestünde der Haufen z. B. aus 36 Steinen, so wird man, wenn man sie ohne bestimmte Anordnung aufeinandergehäuft sieht, nicht erkennen können, daß sie ein Dreieck oder auch ein Quadrat geben können; – wie dies in der Tat der Fall ist, da sechsunddreißig sowohl eine Quadratzahl als auch eine Dreieckszahl ist. Ebenso wird man, wenn man eine Figur von 1000 Seiten betrachtet, nur eine verworrene Idee von ihr haben, bis man die Zahl der Seiten weiß, die der Kubus von 10 ist. Es handelt sich also hier nicht um die Namen, sondern um die deutlichen Eigenschaften, die sich in der Idee selbst finden müssen, wenn man ihre Verworrenheit auflöst. Mitunter ist es schwer, den Schlüssel hierfür zu finden oder den Gesichtspunkt anzugeben, unter welchem man die Sache betrachten oder durch Vermittlung eines Spiegels oder Glases beschauen muß, um den Zweck dessen, der sie verfertigt hat, zu erkennen.

§9. Philal. Man kann gleichwohl nicht leugnen, daß in den Ideen noch ein dritter Mangel vorkommt, der in Wahrheit von der falschen Anwendung der Namen herrührt, wenn nämlich unsere Ideen ungewiß oder unbestimmt sind. So kann man alle Tage Leute sehen, welche, indem sie sich ohne weiteres der in ihrer Muttersprache gebräuchlichen Worte bedienen, ehe sie deren genauen Sinn gelernt haben, die Vorstellung, die sie damit verbinden, fast ebensooft wechseln, als sie sie in ihrer Rede anwenden. § 10. Man sieht daher, welch großen Anteil die Worte an dieser Bezeichnung der deutlichen und verworrenen Ideen haben, und wie es ohne Heranziehung der distinkten Namen, die als Zeichen distinkter Gegenstände gelten, schwer wäre, zu sagen, was eine verworrene Idee ist.

Theoph. Ich habe dies indessen soeben erklärt, ohne die Worte in Betracht zu ziehen, – sei es in dem Falle, daß Verworrenheit in Ihrem Sinne für das, was ich Dunkelheit nenne, genommen wird, sei es, daß man sie in meinem Sinn als Mangel in der begrifflichen Analyse ansieht. Auch habe ich gezeigt, daß jede dunkle Idee in der Tat unbestimmt oder unsicher ist, wie in jenem Beispiel von dem gefleckten Tiere, das man gesehen hat, bei dem man aber weiß, daß man diesem allgemeinen Begriff noch etwas hinzufügen muß, ohne sich dessen klar entsinnen zu können, so daß der erste und dritte der von Ihnen bezeichneten Fehler auf dasselbe hinausläuft. Allerdings ist es wahr, daß der Mißbrauch der Worte eine große Quelle von Irrtümern ist; denn es entsteht daraus eine Art Rechenfehler: wie wenn man beim Rechnen eine Rechenmarke nicht an ihre rechte Stelle setzte, oder die Zahlzeichen so schlecht hinschriebe, daß man eine 2 nicht von einer 7 unterscheiden könnte, oder wenn man Zeichen ausließe oder aus Versehen verwechselte. Dieser Mißbrauch der Worte besteht darin, daß wir entweder gar keine Ideen mit ihnen verbinden oder doch nur eine sehr unvollkommene Idee, die zum Teil leer ist und sozusagen offen bleibt; und in diesen beiden Fällen enthält unser Denken etwas Leeres und Taubes, was nur durch das Wort ausgefüllt wird. Oder endlich der Fehler besteht darin, daß wir mit einem Worte verschiedene Ideen verbinden: sei es, daß man unsicher ist, welche von beiden zu wählen ist, was ebensowohl eine Ursache der Dunkelheit der Idee ist, wie wenn ein Teil von ihr taub ist, sei es, daß man bald die eine, bald die andere wählt und sich ihrer bedient, um den Sinn ein und desselben Wortes innerhalb ein und derselben Untersuchung in einer Weise, die zum Irrtum verleiten kann, zu bezeichnen, ohne zu bedenken, daß diese Ideen nicht miteinander übereinstimmen. So ist das unsichere Denken entweder leer und ohne Idee oder zwischen mehr als einer Idee hin und her schwankend. Dies ist schädlich, sei es, daß man eine bestimmte Sache bezeichnen, sei es, daß man von einem Wort den bestimmten Sinn angeben will, in welchem wir uns seiner schon bedient haben oder in welchem die andern, vor allem in der gewöhnlichen Umgangssprache, die allen Menschen oder allen Leuten eines bestimmten Berufs gemein ist, es verwenden. Daraus entstehen denn auch unendlich viele vage und leere Streitigkeiten in der Unterhaltung, in den Hörsälen und in den Büchern, die man mitunter durch Distinktionen beschwichtigen will; aber diese dienen meistens nur dazu, die Sache noch mehr zu verwirren, indem sie an die Stelle eines vagen und dunklen Ausdrucks andere noch vagere und noch dunklere setzen, wie sie häufig von den Philosophen in ihren Distinktionen angewandt werden, ohne daß sie sie gut zu definieren vermöchten.

§12. Philal. Wenn es in den Ideen noch eine Verworrenheit anderer Art gibt, als die, welche eine geheime Beziehung zu den Namen hat, so bringt doch zum mindesten die Verworrenheit, die hieraus entspringt, mehr als irgendeine andere in den Gedanken und Gesprächen der Menschen Unordnung hervor.

Theoph. Das gebe ich zu, aber es mischt sich meistens irgendein Begriff der Sache, auf die man beim Gebrauch des Namens abzielt, hinein, wie z. B. bei dem Wort Kirche manche eine behördliche Gewalt im Auge haben, während andere an die Wahrheit der Lehre denken.

Philal. Das Mittel, diese Verwirrung zu verhüten, besteht darin, für eine bestimmte Verbindung einfacher Ideen, die in fester Zahl und Ordnung miteinander verknüpft sind, stets ein und dasselbe Wort zu brauchen. Aber da dies weder der Trägheit noch der Oberflächlichkeit der Menschen zusagt und auch nur für die Entdeckung und Verteidigung der Wahrheit dienlich sein kann, die nicht immer das Ziel ist, das sie sich stecken, so ist eine derartige Genauigkeit eines von den Dingen, die man mehr wünschen als hoffen muß. Die vage Anwendung von Namen auf unbestimmte und veränderliche Ideen, die (wie bei den tauben Gedanken) fast ein bloßes Nichts sind, dient auf der einen Seite dazu, unsere Unwissenheit zu bemänteln und auf der anderen Seite dazu, die andern zu verwirren und in Verlegenheit zu bringen, was dann als wahres Wissen und Zeichen überlegener Einsicht gilt.

Theoph. Zu dieser Sprachverwirrung hat auch das affektierte Streben nach Eleganz und gutem Ausdruck viel beigetragen; denn um die Gedanken auf eine schöne und angenehme Weise auszudrücken, trägt man kein Bedenken, den Worten, vermöge einer Art von Tropus, einen Sinn zu geben, der von dem gewöhnlichen etwas abweicht: einen Sinn, der entweder allgemeiner oder eingeschränkter ist, was man Synekdoche nennt, oder durch den die Beziehungen der Dinge, deren Namen man wechselt, verändert werden, was man, wenn es sich um eine Beziehung der Verknüpfung handelt, Metonymie, wenn es sich um eine Beziehung der Vergleichung handelt, Metapher nennt Im Text: tantost transferé suivant la relation des choses, qui est ou de concours dans les Metonymies, ou de comparaison dans les Metaphores. Schaarschmidt übersetzt »was bei der Zusammenstellung Metonymie, bei der Vergleichung Metapher heißt«, doch gibt dies keinen verständlichen Sinn. Beziehungen der Verknüpfung (relations de concours) sind nach Leibniz solche, die auf einen Zusammenhang in der Existenz der Dinge gehen, Beziehungen der Vergleichung (relations de comparaison) solche, die auf die Identität oder Verschiedenheit zweier begrifflicher oder realer Inhalte gehen. Von der ersteren Art ist z. B. die Relation der Kausalität oder die der Koexistenz von Merkmalen an ein und demselben Dinge, von der zweiten Art die Relation der Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit (Vgl. unten Buch IV, Kap. 1, § 3). Eine »Metonymie« entsteht nun, wenn ein bestimmtes reales Verhältnis durch ein anderes ersetzt, eine Metapher, wenn ein Inhalt mit einem anderen, ihm ähnlichen, vertauscht wird. In der »Synekdoche« wird ein Allgemeines durch ein Besonderes, die Gattung durch die Art, oder auch umgekehrt diese durch jene, bezeichnet., ohne von der Ironie zu sprechen, die an Stelle eines Dinges sein Gegenteil setzt. Diese Bezeichnungen wendet man für derlei Veränderungen an, wenn man sie bemerkt; aber man bemerkt sie nur selten. Bei dieser Unbestimmtheit der Sprache, für die man keine Gesetze, welche die Wortbedeutung regeln, besitzt (wie es etwas derartiges in dem Digestentitel des Römischen Rechtes: de verborum significationibus gibt), würden die scharfsinnigsten Schriftsteller, wenn sie für gewöhnliche Leser schreiben, sich dessen, was ihrem Ausdruck Reiz und Kraft verleiht, berauben müssen, wenn sie sich in aller Strenge an die feststehenden Bedeutungen der Ausdrücke halten wollten. Sie müssen nur darauf achten, daß die Abweichung keinen Irrtum und keinen Schlußfehler zur Folge hat. Hier gilt die Unterscheidung der Alten zwischen der exoterischen, d. h. populären, und der acroamatischen Schreibweise, d. h. derjenigen, die für die bestimmt ist, die sich mit der Entdeckung der Wahrheit beschäftigen S. ob. s. 2.. Wenn jemand in der Metaphysik oder in der Moral als Mathematiker schreiben wollte, so würde nichts ihn hindern, dies in aller Strenge zu tun. Manche haben sich dies zur Aufgabe gemacht und uns mathematische Beweise außerhalb der Mathematik vorgelegt, aber es ist nur sehr selten geglückt. Ich glaube, man ist der Mühe überdrüssig geworden, die man für einen kleinen Leserkreis aufwenden mußte, wo man wie bei Persius fragen konnte: Quis leget haec? und antworten: Vel duo, vel nemo Die angeführten Stellen des Persius stehen in dessen erster Satire, v. 2-3 (Sch.).. Gleichwohl glaube ich, daß, wenn man die Sache gehörig angriffe, man nicht Ursache haben würde, es zu bereuen. Auch ich bin in Versuchung gewesen, es zu probieren.

§ 13. Philal. Sie werden mir indessen beipflichten, daß die zusammengesetzten Ideen auf der einen Seite sehr klar und sehr bestimmt und auf der anderen sehr dunkel und verworren sein können.

Theoph. Daran ist nicht zu zweifeln. Wir haben z. B. von einem großen Teile der sichtbaren festen Teile des menschlichen Körpers sehr deutliche Ideen, von den flüssigen Substanzen in ihm haben wir dagegen solche nicht.

Philal. Wenn jemand von einer tausendseitigen Figur spricht, kann die Idee der Figur in seinem Geiste sehr dunkel sein, obschon die Idee der Zahl in ihm sehr deutlich ist.

Theoph. Dies Beispiel paßt hier nicht. Ein regelmäßiges tausendseitiges Vieleck kann ebenso deutlich erkannt werden wie die Zahl Tausend, weil man Wahrheiten aller Art in ihm entdecken und von ihm beweisen kann.

Philal. Man hat aber keine genaue Idee von einer tausendseitigen Figur, so daß man sie von einer anderen, die nur 999 Seiten hat, unterscheiden könnte.

Theoph. Dies Beispiel zeigt, daß hier Idee und Bild verwechselt werden. Zeigt mir jemand ein regelmäßiges Vieleck, so kann ich auf Grund des bloßen Sehens und der sinnlichen Betrachtung die Zahl 1000, die in ihm enthalten ist, nicht erfassen, vielmehr habe ich von der Figur und Seitenzahl nur eine verworrene Idee, bis ich die Zahl der Seiten durch Zählen unterscheide. Habe ich sie aber gefunden, so kenne ich die Natur und die Eigenschaften des vorliegenden Vielecks, sofern sie die des Tausendecks sind, sehr gut und habe somit eine Idee von ihm; ein sinnliches Bild des Tausendecks kann ich dagegen nicht haben, und man müßte weit schärfere und geübtere Sinne und Einbildungskraft besitzen, um durch sie das Tausendeck von einem Polygon, das eine Seite weniger hat, zu unterscheiden. Jedoch hängt das Wissen von den Figuren ebensowenig wie das von den Zahlen von der Einbildungskraft ab, obgleich diese hierbei als Hilfsmittel dient, und ein Mathematiker kann die Natur eines Neunecks und eines Zehnecks genau erkennen, weil er sie, wenn er sie auch nicht durch das Gesicht zu unterscheiden imstande ist, zu konstruieren und zu untersuchen versteht. Allerdings wird ein Arbeiter oder ein Ingenieur, der die Natur des Neun- oder Zehnecks vielleicht nicht genau erkennt, vor einem großen Geometer vielleicht dies voraus haben, daß er beide mit dem bloßen Auge, ohne sie zu messen, unterscheiden kann, wie es Lastträger und Hausierer gibt, die das Gewicht dessen, was sie tragen müssen, angeben können, ohne sich um ein Pfund zu irren, und die hierin dem besten Statiker der Welt überlegen sein werden. Diese empirische Erkenntnis, die durch eine lange Übung erworben ist, kann sehr nützlich sein, wenn es gilt, schnell zu handeln, wie dies ein Ingenieur der Gefahr wegen, welcher er sich durch Zögern aussetzen würde, oft nötig hat. Doch besteht dies klare Bild oder die Empfindung, die man von einem regelmäßigen Zehneck oder einem Gewicht von 99 Pfund haben kann, nur in einer verworrenen Idee, da sie nicht dazu dient, die Natur und die Eigentümlichkeiten dieses Gewichts oder des regelmäßigen Zehnecks zu enthüllen, denn hierzu ist eine deutliche Idee erforderlich. So dient dieses Beispiel dazu, den Unterschied der Ideen oder vielmehr den Unterschied zwischen Idee und Bild besser zu verstehen.

§ 15. Philal. Ein anderes Beispiel: Wir sind zu glauben geneigt, daß wir eine positive und vollständige Idee von der Ewigkeit haben, was bedeuten würde, daß es in dieser Zeitlänge keinen Teil gibt, der nicht in unserer Idee klar erkannt würde; aber so groß die vorgestellte Dauer auch sein mag, so bleibt, da es sich um eine schrankenlose Ausdehnung handelt, immer ein Teil der Idee über das wirklich Vorgestellte hinaus übrig, der dunkel und unbestimmt bleibt; und daher kommt es, daß wir in den Streitigkeiten und Schlußfolgerungen, die sich auf die Ewigkeit oder irgendeine andere unendliche Größe beziehen, der Gefahr ausgesetzt sind, uns in offenbare Widersinnigkeiten zu verstricken.

Theoph. Auch dieses Beispiel scheint mir für Ihren Zweck nicht zu passen, wohl aber für den meinigen, der darin besteht, Ihre Begriffe über diesen Punkt zu berichtigen. Denn auch in ihm herrscht dieselbe Verwechslung von Idee und Bild. Wir haben eine vollständige oder richtige Idee der Ewigkeit, weil wir ihre Definition besitzen, obschon wir von ihr kein Bild haben; aber die Idee der unendlichen Größen kommt nicht durch Zusammensetzung der Teile zustande, und die Fehler, die man bei den Schlußfolgerungen über das Unendliche begeht, stammen nicht daher, daß man von ihm kein Bild besitzt.

§ 16. Philal. Haben wir aber nicht, wenn wir von der Teilbarkeit der Materie ins Unendliche reden, wenn wir auch klare Ideen von der Teilung haben, doch nur sehr dunkle und sehr verworrene von den Teilen selbst? Denn ich frage, ob jemand, wenn er den kleinsten Staubteil, den er jemals gesehen hat, nimmt, eine deutliche Idee besitzt, die ihn in den Stand setzt, den hunderttausendsten und den millionsten Teil dieses Stäubchens deutlich zu unterscheiden?

Theoph. Das ist wieder dieselbe Verwechslung von Bild und Idee, die hier zu meinem Erstaunen immer wieder durcheinandergeworfen werden: denn es handelt sich gar nicht darum, sich von einer so großen Kleinheit ein Bild zu machen. Ein solches ist unserer gegenwärtigen Körperbeschaffenheit zufolge unmöglich, und wenn wir es haben könnten, so würde es ungefähr ebenso sein wie das von den Dingen, die jetzt für uns merklich sind, dafür würde aber das, was in unserer jetzigen Verfassung den Gegenstand unserer sinnlichen Auffassung bildet, uns entgehen und zu groß werden, um von uns sinnlich erfaßt zu werden. Die Größe an sich hat keine Bilder (die Bilder, welche man von ihr hat, hängen nur von der Vergleichung des Objekts mit unseren Organen und mit anderen Gegenständen ab), und es ist bei ihr unnütz, die sinnliche Einbildungskraft anzuwenden. Aus allem, was Sie mir hier noch gesagt haben, geht also hervor, daß man erfinderisch darin ist, sich ohne Grund Schwierigkeiten zu machen, indem man mehr fordert, als nötig ist.


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