Heinz Kükelhaus
Thomas der Perlenfischer
Heinz Kükelhaus

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22

Zwei Tage sind vergangen.

Ich sitze bei der ärgsten Hitze über den Seekarten und messe mit dem Fingerspann die Erde. Ich finde kein Ziel, das mich aufnehmen will. Ach, Du guter Gott! Deine Erde ist gering geworden, Deine Meere sind schmale Bäche und Dein Land eine handbreit Erde, die ich immerzu trete.

Heute ist es die Zeit, die mich verwirrt.

Ich blicke mich um, ein Tag ist verweht. Ich tausche ein Wort, der zweite Tag ist dahin. Ich schlafe und ein Mond ist vergangen. Ich werde nicht jünger dabei. Warte ein wenig, sage ich mir, und blicke in den Spiegel. Mein Ansehen schwindet, die Haut wird gelb, das Auge glanzlos und meine Hand tastet zitternd und alt die Erdkugel ab.

 

Es geschieht nichts! Die Sonne läßt nicht nach, es ist glühend heiß im Hafen. Aber ich verlasse das Schiff nicht und die Leute fragen sich, warum ich in Port Ond liege. Ich habe gehört, daß ein Gerücht in Port Ond umläuft. Herr Mayland hat sich an die Spitze des Gerüchtes gestellt. Er und seine saubere Frau beschimpfen Henriette, daß sie sich eine Nacht auf meinem Segler herumtrieb. Kein Mensch teilte mir das Gerücht mit. Ich hörte ein Gespräch ab, das nachts vor meinem Bullauge geführt wurde. Zu diesem Zweck. – Ich erhielt eine Karte von Henriette, und sie bittet mich abzusegeln!

297 Immer noch liege ich mit der Viktory im Hafen. Die Hitze ist entsetzlich. Ich gehe barfuß und entkleide mich nach und nach ganz. Heute abend will ich mich mit dem Segler auf die Reede legen, um der stickigen Luft zu entgehen. Nein, ich werde es nicht tun. Ich bleibe schon lieber im Hafen. Wenn sie käme und ich wäre auf der Reede!

Es wird Besuch angesagt, in großer Eile kleide ich mich an und öffne die Türe. Mogens tritt ein. Zwei Tage habe ich ihn vermißt, nun kommt er wieder. Ich betrachte ihn, sein Gesicht ist entschlossen, er erscheint mir rüstiger und sehr stolz. Ich reiche ihm flüchtig die Hand, es preßt meine Hand und stellt mir eine Frage. Ich starre ihn an, ist er des Teufels? Ich bitte ihn, seine Frage zu wiederholen.

Er sagt: Ich bitte Dich, verkaufe mir die Viktory. Er blickt an meiner lässigen Kleidung herab.

Plötzlich schäme ich mich, daß ich mangelhaft gekleidet vor ihm stehe; ich glätte das Hemd mit meiner Hand. Der Kragen ist umgestülpt, meine Stiefel sind nicht geschnürt. Ich schnüre meine Stiefel und seine Bitte geht durch meinen Kopf. Ich denke, daß er mich bittet. Es gelingt mir, die Stiefel zu schnüren, ich lege meine Haare zurecht. Dennoch stehe ich vor ihm wie aus dem Sumpf. Mir schlottern die Knie, meine Zähne schlagen aneinander.

Mogens, der alles weiß, bittet mich.

Und ich blicke ihn an, wie er vor mir steht, hager und mit düsteren gelben Fieberaugen. Er starrt an die Decke und wartet. Und ich denke, wenn nichts dazwischen tritt, verläßt er als Besitzer die Viktory. 298 Ich bin es ihm schuldig. Siehst Du, Henriette, dafür stiehlt er mein Schiff. Ich gebe es hin, weil ich mich so fühle, als sei ich schlecht gekleidet. Er zieht mich an den Haaren von dem Segler. Die Viktory, mein gutes Schiff, ist dahin.

Und so wie ich zitterte, mit aneinanderschlagenden Zähnen und schlotternden Knien ging ich zu ihm und sagte: Du kannst das Schiff haben.

Er seufzt auf, achtet nicht meines Zustandes. Er wirft einen Blick über die ausgebreiteten Karten, läuft einmal durch das Zimmer und dreht mit dem Finger spielend die Erdkugel.

Dann setzt er sich hin und entwirft einen Kaufvertrag. Er fragt nach der Summe, ich nenne ihm die Ziffer. Er schreibt, mit einem Hohn in der Stimme hatte ich die Summe um ein ganzes Drittel niedriger gesetzt. Er schreibt und schreibt. Er läßt einen Kapitän aus dem Hafen bitten. In seiner Gegenwart soll der Kauf abgeschlossen werden. Er reicht mir den Vertrag, ich lese ihn nicht, ich blicke nur auf die Ziffer. Die Kaufsumme hat er geändert, er zahlt die gleiche Summe für den Segler, die ich in Manila bezahlte. Er hatte sich wohl in Manila erkundigt. Aber meinen Hohn hat er gehört. Ich unterzeichne den Vertrag und übergebe Mogens mein Logbuch und die Seepapiere.

Am Abend bat er mich, mit ihm auf die Reede zu segeln. Und ich segelte mit ihm auf die Reede, Tränen im Herzen. 299

 


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