Heinz Kükelhaus
Thomas der Perlenfischer
Heinz Kükelhaus

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2

Der Südostpassat stellte sich nicht ein. Es verlief eine Woche. Ich lag im Schutze der Buchten auf Neira. Zweimal am Tage wechselte ich den Platz und zog meinen Segler durch die Flußbuchten. Nun kostete ich den Duft der Muskatnuß am Tage und in der Nacht. Es kamen die ersten Dampfer nach Neira, sie schleusten sich in die Naturhäfen hinein und nahmen die Muskaternte auf. Der Boston-Traiteur, ein 36 ausgedienter Strohmann von den Neuen Hebriden, kaufte seit Jahren die Ernten auf. Und nie habe ich gehört, daß er eins seiner Schiffe verloren hat. Sie schlugen sich alljährlich durch den Orkangürtel der Neuen Hebriden und Salomoninseln nach Amerika. Hier verteilte der alte Strohmann den Segen der Muskatnuß über die Welt. –

Und eines Morgens, als der Nebel sich über die Flußbuchten erhob, faßte mich Georges an den Arm. Im selben Augenblick fühlte ich den Wind, der in den Lüften war. Von Minute zu Minute nahm er an Kraft zu, er zerstäubte den Geruch der Muskatnuß, der Elendsgeruch war verweht. In den Flußbuchten regten sich die stillen Wasser, aus den Hütten der Eingeborenen gingen die Weiber in den Wind und gossen Nußöl über ihre Haare. Ja, der Passat wehte!

Georges faßte mich wieder an den Arm und wies mit der Hand auf die nackten Weiber vor den Hütten. Ich haßte es, von Georges an den Arm gefaßt zu werden. Er hatte mich um hundert Dollar betrogen, nun wollte er mir zeigen, daß er den Passat zuerst entdeckt hatte. Wie dumm er war, der Passat geht und kommt auch ohne Georges. Aber wie er sich brüstete, daß er den Passat zuerst fühlte! Ich sagte ihm: Es ist gar nicht der Passat, es ist ein vorübergehender Wind. Faß an, die Segel hoch. Wir wollen den vorbeigehenden Wind nützen . . . Er blickte mich wieder an und sagte nichts gegen meine Behauptung. Er zweifelte, daß es der Passat war. Ein Wort von mir konnte ihn umwerfen. Es war aber in der Tat der Passat, der echte Südostpassat und kein beiläufiger 37 Wind. Ein neugeborenes Kind in den Hütten hätte es ihm bestätigen können.

Ich nahm meinen Sextanten und machte eine Chronometeraufnahme. Ich begann zu rechnen, der Schweiß lief mir über das Gesicht. Als ich fertig war, erkannte ich, daß ich falsch gerechnet hatte. Georges sah mir über der Schulter zu. Neunzehn, zweiundzwanzig, Süd. Fünfundzwanzig, vier, drei, West. Was hast Du ausgemacht, Georges? – Nichts, davon verstehst Du nichts. – Ich begann aufs neue meine Rechnung. Eine Zeit darauf war ich fertig.

Wir standen dem Kern des Passats acht Meilen in Lee. Ich nahm die Seekarte und legte den Kurs fest. Ich wollte nach Port Ond segeln, einem Kunsthafen auf Ceram, von dessen Schönheit ich hatte reden hören.

Jetzt fehlte uns ein dritter Mann an Bord, denn steuern, Segel setzen und wachen, dazu kochen, loten und kalfatern, zu allem nur zwei Mann, was dachte ich mir! Der Strohmann fehlte und Georges glaubte, ich würde einen Eingeborenen zu seiner Entlastung an Bord nehmen. Ja, ich hätte es tun können. Warum aber einen Eingeborenen aus den Hütten locken und ihn in der Welt verkommen lassen? Ich nahm keinen Eingeborenen an Bord, ich segelte mit Georges allein aus.

Das Ruder, Georges! Halt drei Strich vor, die Strömung versetzt uns.

Der Segler ging in die See, der Sog der Brandung kämmte uns langsam zurück, wir kreuzten vor Steuerbord. Der Strom versetzte uns hinauf zum Atoll 38 Hitku. Drei Schoner lagen jetzt in der Lagune, ich konnte aber die Tefara nicht mehr ausmachen.

Am Abend versank Neira achteraus. Darüber war ich glücklich und bereitete Georges ein ausgezeichnetes Essen; es kam Arrak in die Gläser, und wir speisten unter vollen Segeln.

Es ist doch der Passat, murmelte Georges. – Hundert Dollar, sagte ich laut und starrte in See. Darauf erwiderte er, daß er den Passat zuerst entdeckt habe.

 

Der Passat warf uns voran. Wir kreuzten den Monsun, acht Tage vergingen, und wir waren des Segelns müde auf dem offenen Meere. Es fehlte ein Mann, der uns die rissigen Hände mit Öl begoß und uns den Windfang umsetzte. Ah, das Steuern brachte wenig Schlaf, wir waren müde. Georges war nicht der stärkste. Ich nahm viele seiner Arbeiten auf mich. Aber darüber grollte ich nicht mit ihm, ich sprach auch nicht mehr von den hundert Dollar. Ich beobachtete heimlich, daß sein Gesicht von der Müdigkeit häßlich wurde, und seine braunen Augen schossen keine Blitze mehr. Nunwohl, er hatte den Passat zuerst entdeckt, ich räumte ihm willig dieses geringe Vorrecht ein. Ich sagte es ihm an einem Tage zweimal. Darüber konnte er sich freuen, seine Arbeit ging ihm dann flotter von der Hand. Ich ließ ihn auch das Essen kochen und lobte es. Mein Lob stieg ihm zu Kopf, und er erzählte mir dann ausführlich, welche Gewürze er genommen hatte.

Ich nahm dreimal von der gemahlenen Tamarinde, eine Nelke und eine Pfefferschote, sagte er.

39 Und wieviel Salz, Georges? Das Salzgeben hast Du in einer ganz verteufelten Art heraus. Ich werde mit dem Salz nie fertig, zumeist gebe ich zu wenig.

Hahaha! Das ist mein Instinkt. Das Salz habe ich in den Fingern, niemals gebe ich zu wenig. Aber erst die Gewürze zusammen ergeben den Geschmack.

Schmeckst Du viel ab? fragte ich.

Nein, log er, niemals, ich schmecke nur zum Schluß.

Und ich wußte, daß es anders war. Dauernd schmeckte er es ab. Das Essen war ihm die Hauptsache auf dem Segler.

Zu einer Zeit sprach er von den Mädchen. Er sagte: Ich habe lange Zeit kein weißes Mädchen gesehen. Die braunen Weiber mag ich nicht mehr. Ich denke jetzt nur noch an die weißen Mädchen, und ich werde dem nächsten Mädchen, das ich sehe, zu Füßen fallen und daran denken, wie schlecht ich war. Jahrelang war ich schlecht, Nyhoff! Ach, ein gutes Mädchen . . .

Warum sprichst Du jetzt davon, fragte ich?

Warum? ich sehe sie dauernd vor mir; wenn ich einschlafe, denke ich daran und verstecke meine Hände unter den Achseln. Wenn ich aufwache, habe ich die Arme ausgebreitet. Ich denke an ein Mädchen, an eine bestimmte Person, die das hübscheste Mädchen eines Ortes in Pennsylvanien war. Lieb und frech zu einer Zeit. Wenn sie ohne Liebhaber war, gähnte sie. Ich habe ihr oft die Schuhe aufgeknöpft, sie wurde bleich dabei und ihre Augen glänzten wie Emaille, mit einem Schein darin . . . sie hatte graue Augen, die auch blau wurden. –

40 Er setzte die Worte, daß mir schwindlig wurde. Ich hörte ihn gern sprechen.

Den Abend darauf konnte ich ihn nicht mehr anhören, er erzählte mir wieder von seinen Kochkünsten.

 

Am Morgen kam Land in Sicht. Um Mittag machte ich eine Berechnung, wir segelten 150 Seemeilen vor Port Ond auf Ceram. Wir fuhren unter heißem Wind, der stürmisch in der Takelage sauste. Es lagen zwei Strömungen in der Luft. Ich segelte über Steuerbordbug dem Lande zu, um den Dollwinden zu entgehen. Unter Land wurde der Wind noch heißer, es standen weiße Wolken über den felsigen Steilufern. Der Landrücken dehnte sich wie ein Riesenwurm durch die See, die Brandung schob weißen Schaum an den Strand. Nach Osten fiel das Land ab. Es war das Vorland von Port Ond und ich sah mit dem Glas Teegärten und Pflanzungen, die bis an die hohen Ufer stießen. Der Ölbaum stand auf den Klippfelsen, Mango und Bambus leuchteten an den bergigen Hängen. Es war das fruchtbare Ceram, dessen Erde Löß ist. Seine Ackerkrume duftet weit über See.

Am schaumigen Himmel glühte die Abendsonne. Ein Dampfer zog mit schwarzer Rauchfahne zwei Strich nördlich vorbei. Ich segelte dicht unter Land, die See wogte blaßgrün, der Landwind klagte vor dem Bug. Eine Landzunge schob sich in See, ich wechselte den Kurs, danach bekamen wir Segler in Sicht; sie zogen ostwärts, es waren kleine Frachtsegler, die mit Kurs auf Port Ond steuerten.

41 Eine weite bergige Bucht öffnete sich vor uns. Der Wind schlief ein. Ich sah in den Himmel, es wurde Abend. Die Sonne sank hernieder. Ich ließ den Segler auslaufen, die Bucht nahm uns auf. Das vorgeschobene Land ließ die Brandung abebben, in der Bucht wurde das Wasser still. Das bergige Land schoß vor mir hoch, der Wind ging ganz aus den Segeln.

Ein Schotenblock fiel auf die Planken, es hallte laut am Berge wider. Auf dem Berge stand ein weißes Farmerhaus. Am Strande sah ich eine kleine Segeljolle liegen. Der Teakbaum wuchs am Berge, an den Ufern standen Öl- und Gummigewächse, das Wasser wurde ganz ruhig. Einige hundert Schritt vom Lande warf ich Anker, ich horchte auf den Widerhall der knackenden Kette, es rollte am Berge.

Eine Stunde später war es Nacht. Ein Schuß fiel, durch die Bucht hämmerte der Widerhall. Dann war es still. Aus der Kajüte stieg ein blauer Dunst. Georges kochte, nach einer Zeit speisten wir. Die Nacht war ganz hell, fern keuchte die See.

Was willst Du in der Bucht? fragte Georges.

Klar Schiff machen, erwiderte ich. In Port Ond nehmen wir einen Eingeborenen, der uns die Arbeit verrichtet.

Wir hätten den Eingeborenen schon auf Neira haben können, sagte Georges, und zeigte mir seine rissigen Hände.

Ich verbiß mir eine Antwort und legte mich auf der Back zum Schlafen nieder. 42

 


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