Heinz Kükelhaus
Thomas der Perlenfischer
Heinz Kükelhaus

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4

An diesem Abend zog ich es vor, auf meinem Segler zu sitzen. Ich ließ Georges allein gehen, zuvor war er ins Wasser gesprungen und hatte sich gesäubert. Ich sah ihn schnell an dem Berge hinaufklettern. Als es Nacht wurde, wartete ich auf seine Rückkehr. Gott weiß, seine Abwesenheit störte mich nicht. Nur daß meine Jolle an Land war, ärgerte mich; ich war ein Gefangener auf dem Segler. Ich arbeitete etwas an dem Segelwerk, nahm einige Stück Holz und rundete sie mit dem Schneidemesser; es waren Hölzer für die Sprossen im Steuerrad, eine Arbeit, bei der ich selber Zuschauer war. Es wurde eine helle Nacht, von Zeit zu Zeit blickte ich zum Berge hoch. Als ich müde wurde, legte ich mich nieder. Aber ich schlief nicht, im Bergwald murmelten die Vögel, ich hörte es deutlich, und von der See rollte die Brandung herüber.

In der Dämmerung erst hörte ich den Ruderschlag der Jolle, Georges kam an Bord. Er taumelte und mußte getrunken haben, denn er sprach vor sich hin. Ich stellte mich schlafend, ich hörte, wie er mit den Lippen schmatzte, einmal sang er laut auf. Ich lag im Windschutz an der Back, er kroch zu mir hin, seine Matte schleifte er über Deck. Einen Augenblick stieg 48 der Haß in mir hoch, und ich rätselte, warum ich ihn haßte.

 

Regen und Wind am Tage. Wir verbrachten ihn in Bacons Haus. Aus diesem einen Tag wurden mehrere Tage, ich erhielt eine Kammer im Obergeschoß und ein Bett. Wie ich mich bei ihr bedankte für diese Gnade. Georges schlief unten in einem Zimmer neben Herrn Bacon, wir hatten gute Nächte. Dafür schickten wir einen Eingeborenen mit dem Karren nach Port Ond, er brachte viel Rum und Whisky mit. Ich hatte auch einige geheime Aufträge mitzugeben.

Henriette zeigte ein munteres Wesen, sie hatte ihr Zimmer auch im Obergeschoß; ich vergaß es zu sagen. Ich traf sie oft im Flur des Obergeschosses, einmal in der Großstube, einem Raum neben ihrem Zimmer. Doch es kam nicht zu einem längeren Gespräch; sie blickte mich nach Mädchenart scheu an und hörte mir stumm zu. Ich lobte die schönen Tage an Land und fragte sie versteckt nach Port Ond aus, ob sie den Hafen kenne. Sie kenne den Hafen, sagte sie, sie habe einige Freunde in Port Ond. Kurz und gut, sie kenne einige Familien in Port Ond, vor einem Jahre sei sie längere Zeit dort gewesen. – Aha! Ob sie Herrenbekanntschaften in Port Ond habe, fragte ich. Sie blickte mich gerade an. Ich sah in ihrem weißen Gesicht einen scharfen Zug, der sie klug machte. Sie beantwortete aber meine Frage nicht, sie sagte still: Mein Vater ruft mich. Sie verließ das Zimmer. – Ich hatte Herrn Bacon nicht rufen hören, möglich aber, daß ich es nicht gehört hatte, ich glaubte es aber nicht. 49 Mit Georges sprach sie oft und lange, sie lachte auch in seiner Gegenwart.

Ich hatte mir einen Spind aus rohen Brettern gezimmert und ein Schloß davor gehängt. Ich traute Georges nicht, ich hatte wohl meine Gründe, ihm nicht zu trauen. Er durchsuchte alles, das war eine seiner bösen Eigenschaften. In dem Spind verschloß ich Sachen, die mir der Eingeborene aus Port Ond mitgebracht hatte. Es mangelte in Bacons Haus an Hausrat; die schönen Porzellantassen kamen nicht mehr auf den Tisch. Darum hatte ich Hausrat und einige Stoffe mitbringen lassen. Ich hielt aber mit den Sachen zurück, einen fremden Menschen konnte ich nicht gleich mit Geschenken überfallen. Ich verschloß diese Sachen in meinem Spind und wußte, warum ich die Geschenke einschloß.

Ich durchzog am Tage die Farm; wie war doch alles auf dieser Farm verkommen! Die Rodungswerkzeuge, Stangen, Äxte, Eisenkeile, Kisten mit Sprengstoffen lagen verrostet und zerfallen umher. Bacon war Kanadier. Er war vor zehn Jahren mit Henriette nach Ceram gekommen. Einst hatte er gearbeitet, heute aber lag die Farm im Unkraut; die Öl- und Gummipflanzen waren erstickt, es wurde nicht mehr gearbeitet. Die paar Eingeborenen waren der Rest der Arbeiter, und auch sie erhielten keinen Lohn mehr. Auf einigen nassen Feldern bauten sie Reis für sich, und sie waren nur schwer zu Diensten für die Bacons bereit. Herr Bacon war ein alter kranker Mann, er trank stark, am Abend zitterte er und schüttelte sich. Sein Blut hatte eine gefährliche Untertemperatur.

50 Ich streifte viel umher und brachte Fische und Schildkröten auf den Tisch; war der Abend da, lag ich in meinem Fenster und schaute über die Bucht.

Stunden konnten vergehen; ich lag im Fenster und horchte nach unten, wo Georges schwatzte. Ein Glanz zog über die Bucht, die Luft nahm Tau auf und begann zu schimmern. Flog ein Vogel vorüber, dann rauschte die schwere Luft. Gott weiß, dachte ich bei mir, die Luft ist wie das Meer, so satt, ich möchte in ihr segeln. Der Himmel war hell, ein blasser Stern allein stand am Horizont, wo die Weite eine dünne Dunkelheit zauberte. Ich hielt den Stern fest im Auge, aber er zerfloß im Dunst. Nacht, Nacht! Herzinnig dachte ich an die Nacht. Es Iöste sich ein kupferner Stern aus halbem Himmel; ehe ich ihn sah, war er versunken. Nacht, Nacht! Ich schloß die Augen, der kupferne Stern sauste durch mein Gesicht, ich erlebte das Fallen des Sternes in meiner Brust und ein süßes Gefühl zog mich zu Boden. –

Ich erhob mich und ging dem Sprechen der Stimmen nach, man saß auf der Veranda. Als ich kam, stand Bacon frierend auf und ging in die Stube, Henriette und Georges folgten ihm. Ich stand wieder alleine und wartete eine Zeit, ehe ich in die Stube folgte. In diesem Raum saßen wir gewöhnlich und aßen, es stand ein großer ovaler Tisch in der Stube, ein nobler alter Schrank, an den Wänden hingen Matten. Ich lehnte mich gegen den Schrank und horchte auf die Gespräche. Henriette legte Bacon eine Decke über die Knie und Georges reichte Herrn Bacon Whisky, oft war es auch Rum. Auch ich trank, um meine Seele zu 51 erwärmen. Es wurde spät, ich hatte kein Wort gesprochen. Georges erzählte von unseren Reisen, er vermied es, vom Tauchen zu sprechen. Aber er zeigte die Perlen, die ich ihm überlassen hatte. Er machte lange Geschichten darum. Oder er sprach von einem Herrn Estramarcha, einem reichen Herrn in Buenos Aires, dessen Sekretär er eine Zeit gewesen sein wollte. Ich horchte auf, diesen Abschnitt seines Lebens kannte ich nicht. Aber er sprach von der Fürstlichkeit der Gattin des Herrn Estramarcha. Sie wohnte in Zimmern aus Rosenholz, der Herr aber liebte seine Frau unglücklich. Die Dame überschüttete einen anderen mit Liebesbezeugungen, stellte ihm nach, gab viel Geld darum aus, begoß die Blumen im Zimmer des anderen und hauchte die Spiegelscheiben an, vor denen sich dieser Herr zu spiegeln pflegte. Sehen Sie, sagte Georges, ich weiß es so genau, weil ich Gelegenheit hatte, die Dame sehr gut zu kennen. Ich selber sah, wie sie die Spiegelscheiben anhauchte – bedenken Sie, Henriette, ich sah es, denn es geschah in meinem Zimmer.

Herr Bacon schnarchte, er war eingeschlafen. Ich sah Georges höchst erstaunt an und Henriette lächelte still.

Haha! sagte ich, Georges, sage schnell, daß Du ein Märchen erzählt hast von der Dame Estramarcha. Vielleicht war es die Zofe der Dame, dann will ich es glauben.

Nein, es war die Dame! sagte Georges leise.

Und daß er es leise sagte, gab der Sache einige Wahrscheinlichkeit. Herr Bacon wachte auf und erkundigte sich nach dem Fortgang der Geschichte von der Dame Estramarcha. Georges war nicht zu 52 faul, die Geschichte noch einmal zu erzählen. Aber Henriette erhob sich vor Schluß der Erzählung und verließ die Stube. Ich ging ihr nach und traf sie auf der Veranda. Sie lehnte an der Brüstung und blickte in den Himmel. Ich hörte das Lachen Bacons aus der Stube und ein lautes Anstoßen der Gläser.

Die Nacht war so hell; es gab keine Dunkelheit mehr, nur an den grauen Schatten erkannte ich die Nacht. Henriette drehte sich um und sah auf mich; ich stand an der Türe. Ich sagte ihr: Ich werde das Dach am Giebel stützen, Henriette, es hängt sehr und bei einem Sturm bricht der ganze Dachfirst zusammen.

Wollen Sie das tun?

Ja, ich werde mich nach Holz umsehen.

Ich sah, daß ihre Augen dunkel und dankbar waren. Sieh! dachte ich, sie ist mir dankbar, wenn ich das Dach stütze und ich schwor mir, es zu tun. Sie winkte mir mit den Fingern, es konnte auch eine Täuschung sein. Ich stellte mich an ihre Seite, mit der Hand berührte ich das Kleid, ich besah ihr dunkles Haar und den weißen Hals. Als ich tief atmete, schreckte sie zusammen.

Ich fragte sie: Glauben Sie die Geschichte von der Dame Estramarcha?

Sie lachte hell und spöttisch auf. Ich ergriff ihre Hand, eine kleine Weile zuckte ihre warme Hand, sie riß sich los.

Es war nach Mitternacht; ich ging in meine Kammer, still und selig. Ich stellte mich ans Fenster und wartete auf einen kupfernen Stern. Ich harrte lange, dann sauste ein weißer Stern durch den Äther.

53 In der Frühe erhob ich mich und nahm den Hausrat aus dem Spind. Nun ja. Ich rollte alles zusammen und legte es unten im Zimmer auf den Schrank. Ich verließ die Farm, um in der Bucht ein Schildkrötenpaar zu belauschen, das ich am Vortage entdeckt hatte.

Ein schwerer Nebel lag über dem Berg, kein Windhauch kam und stieß an den Nebel, feucht und dick staute er sich über den Bäumen. Ich trottete durch den Bergwald, die Bahn wurde abschüssig, ein Affe bellte, er hatte mich flüstern gehört. Das Bellen setzte sich fort bis zur Bucht, die Schildkröten mußten es hören und waren gewarnt, bevor ich an dem Nest war. Ich verirrte mich etwas in dem Nebel; ich stand lange und suchte die Richtung, eine Kokosnuß fiel vor meine Füße und ich war im Zweifel, ob die Nuß sich gelöst hatte; ich nahm an, daß ein wütender Affe sie geworfen hatte. Aber ich sah ihn nicht, er ließ sich auch nicht hören. Ich ging weiter und kam an die Bucht, und jetzt sah ich, daß ich nicht weit von der Stelle war, die ich suchte. Ich besann mich genau dreier Bäume in der Nähe des Nestes, ich erkannte den Pfad und schlich mich an. Ich horchte auf jedes Geräusch, der Nebel hob sich etwas, und ich hörte das Fauchen einer Wildkatze über mir; eine gehörnte Eidechse stieß zu meinen Füßen einen Angstpfiff aus und floh. Das waren alles Warnungen für meine Schildkröten, die so scheu sind, daß ein falscher Wind in der Luft sie erschreckt. Ich gab fast die Hoffnung auf, die Tiere belauschen zu können, als ich mich des starken Nebels entsann, der die Geräusche aufhält. Ein leiser Wind stieß an den Nebel, er hob und senkte sich, und ich 54 sah das Nest der Schildkröten einige Schritte vor mir. Zwei sehr große Tiere lagen lauschend an der Erde, die langen Hälse gestreckt und die Gurgel auf die Erde gepreßt. Ich stand hinter einem Baum und atmete still in mich hinein. Die Köpfe der Kröten zuckten; ein Tier lief, es mußte das Weibchen sein; ich fühlte ein leises Zittern auf der harten Erde. Das Männchen lief, es machte einen Sprung, und ich hörte ein leises Pfeifen von der Stelle, wo das Weibchen lockte. An den schweren Panzern und den Ringen sah ich, daß die Tiere siebzig und achtzig Jahre alt waren. Auf den Knien liegend schlich ich mich an, die Bäume und niedriges Buschwerk deckten mich. Ein lautes Klappern zeigte mir an, daß die Verliebten die Umwelt vergaßen.

Ich schloß die Augen, es rauschte mächtig im Walde, der Morgenwind kam, die süße Ruhe im Walde verging, plötzlich hörte ich das Brausen des Meeres; ich schlug die Augen auf und sah über die Bucht hin, der Nebel zog in Fahnen und Strudeln daher.

Meine Kleider waren feucht und schwer, ich ging langsam zurück, die Augen auf die Bucht und meinen Segler gerichtet, die mich beide lockten. Dann hörte ich das Meer in seinem Gang rauschen, ich sah die Jolle am Ufer tanzen, ich schlug mich schnell in den Wald hinein und nahm eine andere Richtung auf. Ich entfernte mich von der Farm. – –

Es war Mittag, als ich Bacons Haus wiederfand. Auf dem Hofe stand ein bepackter Maulesel, es war der dritte oder vierte, der in diesen Tagen aus Port Ond mit Getränken und Lebensmitteln zurückkam. 55 Georges bezahlte die Zeche, ich hatte meinen größeren Teil daran.

Ich schlich ins Haus, Georges begegnete mir; er trug seinen Kopf hoch, wir gingen aneinander vorbei.

Was ist los? fragte er hinter mir her.

Die Dame Estramarcha begegnete mir! sagte ich lachend und ging in die Stube. Ich hörte, daß er einen Fluch ausstieß und zu dem Maulesel lief. Auf dem Schrank lagen noch die Sachen, sie schienen unberührt. Ich blickte mich um, mit einem Griff hatte ich alles im Arm und wollte es forttragen. Vom Flur her hörte ich Schritte, ich legte den Hausrat zurück. Gleich darauf betrat Henriette die Stube. Es wurde heiß unter meiner Haut, ich murmelte einen Gruß. Sie sah mich und erwiderte meinen Gruß nicht; mit lebhaften Schritten ging sie zum Schrank, legte die Hand auf die Sachen und sagte: Ich wollte es schon unseren Eingeborenen bringen, ich vergaß es bisher, Herr Nyhoff. Man wird Ihnen dankbar sein, es sind doch Ihre Sachen.

Es sind meine Geschenke, stammelte ich.

Denken Sie sich, ich glaubte, Georges habe sich diesen Scherz erlaubt, sagte sie kalt; ihr Mund bebte und ihre Augen funkelten im Spott.

Ah! sagte ich nur und verließ die Stube.

Zweierlei tat ich. Vor der Veranda faßte ich Georges ab und sagte ihm: Ich werde weitersegeln, das Landleben habe ich satt. Und als ich es sagte, überkam es mich mit Macht, wieder zu segeln. Hörst Du, ich will weiter, Georges! Wir mästen hier nur den alten Bacon mit unserem Geld. Ich will nach Malaiti, ich kenne dort gute Perlenbänke.

56 Georges blickte mich mit zusammengekniffenen Augen an. So! sagte er. Fahre ruhig, ich bleibe hier. Mir gefällt das Landleben gut. Deinen Segler kannst Du in Zukunft selber weiß halten.

Er ging ins Haus.

Darauf entsann ich mich, daß ich das Dach stützen wollte. Ich nahm eine Axt vom Hof und lief in den Wald. Aber ich schlug kein Holz, ich ging stumpf und in ohnmächtiger Wut dahin; ich beschloß, das Dach nicht zu stützen. Ich lachte schließlich über alles, was geschehen war. Es gab Gründe genug, die Bacons auszulachen. Was kümmerten sie mich noch, ich wollte segeln, segeln! Und ich lief durch den Busch, warf mich in das hohe Gras, stand auf und ging weiter. Den ganzen Tag verbrachte ich auf abgelegenen Plätzen. Als ich heimkam, war es dunkel, in Bacons Stuben brannte Licht. Ich ging glatt am Hause vorüber, stieg den Berg hinab und ruderte mit der Jolle zum Segler. Ich bereitete mir ein Essen und speiste alleine. Im Abendlicht betrachtete ich einige meiner schönsten Perlen. Zur Nacht aber schlief ich in meinem Bett, oben in Bacons Haus.

 

Dann kam der Morgen und ich begann meine Sachen zu packen. Ich schnürte alles zu einem Bündel und warf es zum Fenster hinaus. Das Schloß nahm ich vom Spind und ließ die Türe offen stehen, mit einem Tuch entfernte ich allen Schmutz aus dem Zimmer. Ich blickte durch das Fenster, kein Ruf scholl mir entgegen. Ruhig lag die Bucht, nur des Meeres lange 57 Wellen hörte ich rauschen. Die Sonnenstrahlen gingen durch die Schatten der Bäume.

Ich schritt laut durch das Haus, die Treppen knarrten unter meinem Gang. Unten stand die Stubentüre auf, ich ging daran vorüber und sah mit einem kurzen Blick Henriette im Zimmer. Sie stand hinter dem Tisch und zog ein Moskitonetz über den Rahmen. Niemand außer ihr war anwesend. Ich betrat schnell die Stube, von der Veranda her hörte ich Bacon sprechen.

Ich grüßte Henriette laut, sie blickte nicht auf, ihre Lippen bewegten sich, doch hörte ich ihren Gruß nicht.

Ich trat an das Fenster, schweigsam, aber ich behielt sie im Auge. Sie trug ein neues Kleid, hellgrau und weiß mit einem Gürtel, daran war eine große silberne Schnalle. In ihrem Gesicht zuckte es, einige der dunklen Haare fielen über ihre Augen, an den Schläfen schimmerte es bläulich, die Nasenflügel bebten. Ihre Lippen waren schmal und rot und eine senkrechte Falte grub sich durch die weiße Stirn. Ihre Füße standen ein wenig nach innen, ihre ganze Gestalt bezwang mich. Ich stand da und bewunderte sie.

Mit einem Male ging sie aufgeregt durch die Stube, durchsuchte den Schrank, kam zurück und blieb wieder vor ihrer Arbeit stehen; sie hatte dem Schrank nichts entnommen.

Ich sagte: Jetzt werde ich die Bucht verlassen, mein Segler ist fertig. Ich will Abschied nehmen, Henriette . . .

Bitte sehr!

Sie drehte mir den Rücken zu und beugte sich über das Netz. Plötzlich wandte sie sich um, sie legte sich 58 etwas zurück über den Tisch und fragte: Warum werden Sie denn fahren? Wir haben gern Gäste im Hause, wir sind einsam . . .

Ohne jede Absicht sagte ich: Wenn man die Farm verkommen läßt, kann kein Leben im Hause sein.

Ihre Augen blitzten mich an und ich bereute sogleich meine Worte. Sie legte sich weiter zurück, ihre Augen schlossen sich, in ihrer Brust arbeitete es stark, die Lippen standen rätselhaft in ihrem Gesicht, sie lächelte.

Kurz danach kamen Herr Bacon und Georges. Als sie mich sahen, unterbrachen sie ihr Gespräch. Und da ich ahnte, daß sie über mich gesprochen hatten und nur ihr Gespräch abbrachen, nahm ich die Gelegenheit wahr und verkündete meinen Entschluß abzusegeln. Das Landleben drückt mich, sagte ich. Es war schön bei Ihnen, Herr Bacon, schön war es in Ihrem Hause, Henriette . . . Ich zitterte und setzte die Worte hinzu: Ich werde gerne wiederkommen, sollte mich der Weg noch einmal an dieser Bucht vorbeiführen.

Henriette blickte mich an. Ihr Gesicht ist nicht zu beschreiben, sie mußte jünger sein, als ich angenommen hatte, und die Blässe in ihrem Gesicht war nur das Zeichen ihrer großen Jugend. Eine tiefe Wehmut durchzog mich. Ich verbeugte mich unwillkürlich zu ihr hin, sie nahm hastig ihre Arbeit auf. Herr Bacon blickte triumphierend auf seine Tochter, er hatte wieder heimlich in der Frühe getrunken, sein Gesicht war gedunsen. Er lachte mich breit an und faßte meine Hand. Es ist doch nicht Ihr Ernst, warum wollen Sie fort? Sie können auch in unseren Gewässern tauchen, 59 es gibt hier Bänke an der Küste, die zu den besten in der Südsee zählen.

Ich habe keinen Strohmann, sagte ich. Es mag sein, daß es hier gute Bänke gibt, aber ich gehe nicht zu den Regierungsstellen und kaufe mir eine Lizenz. Ich nehme mir in Port Ond einen Strohmann, der mit mir nach Malaiti fährt.

Sie sind ja ganz versessen und eigensinnig, lachte Bacon.

Ich sprach dagegen, Georges reizte mich durch seinen Widerspruch. Ich war vertieft in dieses Spiel von Worten und Reden. Ich ließ meine Augen nicht von Henriette, die mir den Rücken kehrte. Sie arbeitete nicht, die Arme hingen an ihren Hüften herunter. Ich sah ihre schmale Gestalt, und diese redete eine laute Sprache in mir, ich bebte.

Bleibe! sagte Georges. Ich hole aus Port Ond den Strohmann oder die Lizenz.

Nein! – Ich zog mich langsam zurück, immer Henriettens Gestalt im Auge. Sie blickte mich noch einmal an, ich verbeugte mich. Herr Bacon spie auf den Boden und warf sich krachend in einen Stuhl. –

Ich lief hinter das Haus, holte mein Bündel und ging schnell den Berg hinab. Hier drehte ich mich um, auf dem Berge lag Bacons Haus, ein Sturm und es fällt zusammen! Ich konnte lachen, daß ich das baufällige Haus vor dem Sturm verließ. Fort von hier! Ich werde nach Port Ond segeln und in Zukunft nur noch Eingeborene an Bord nehmen. Einen der ruhigen Eingeborenen, die auf dem Meere zu Hause sind, sie halten das Schiff ohne Widerworte weiß.

60 Wie lange hatte ich Georges Widerworte ertragen! Gesegnet sei der Entschluß, Bacons Haus zu verlassen.

 


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