Heinz Kükelhaus
Thomas der Perlenfischer
Heinz Kükelhaus

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3

Des anderen Tages begaben wir uns zur Farm auf dem Berge. Georges hatte sich glatte Wangen gemacht und sein weißes Hemd angezogen. Ich ging in meiner gewöhnlichen Segelkleidung auf den Berg. Die kleine Segeljolle am Ufer war halbverfault im Holz, auf ihr konnte kein Mensch mehr segeln. Es war für mich ein trauriger Anblick. Es kann eine alte Jolle schlecht aussehen, das Holz kann grün und grau sein, aber wenn das Mehl nicht einmal mehr aus dem Holz fällt und nur ein schwarzer Schwamm das Holz durchzieht, dann jammert mich der Kahn, ich möchte ihn vernichten. –

Auf dem Berge wurde das Land eben, wir gingen über eine Koppel, auf der sieben Maulesel grasten. Unter Kokospalmen standen zwei rohe Baracken, einige Eingeborene saßen vor den Hütten. Ich sah, daß sie schlecht ernährt waren, auch fehlte den Kindern das Öl auf den Bäuchen. Es schien eine gemütvolle Rasse zu sein, sie lachten freundlich.

Mit einem Blick sah ich, daß das Farmerhaus ungepflegt war. Das Dach hing auf der nördlichen Seite schief, die Stützen schienen gebrochen zu sein. Die Holzschindeln auf dem Dache waren schlecht gelegt, überdies hatte sich der ganze Dachfirst gesenkt. Die Veranda war auf schrägen Hölzern gestützt; ungehobelte Bohlen bildeten die Treppe, die zu ihr hinaufführte. Auf der Veranda stand ein dicker Herr mit weißen Haaren, er trug eine geblümte Weste. Als er 43 uns erkannte, blickte er uns verlegen entgegen. Er drehte sich um und stieß einige Worte aus, die ich nicht verstand. Eine Schwarze erschien in der Haustüre, und ich sah, wie sie sich schnell bückte und vom Boden ein gerupftes Federvieh aufnahm; sie verschwand dann im Hause. Als wir uns der Veranda näherten, ging der Herr auf und ab. Seine Weste war nur mit einem Knopf zugeknöpft und verschoben, sie bauchte sich über seinem starken Leib.

Ah, Fremde! rief er. Treten Sie näher, wenn Sie meine Farm besichtigen wollen. Es ist alles im Fang erstickt . . . Er lachte und schob seine Weste zurecht. Er ging in Sandalen, die nicht geschnürt waren, die Riemen hingen um seine Füße.

Georges sprang über die Stufen auf die Veranda, er bückte sich plötzlich und band die Riemen an den Sandalen zu. Auch ich hätte es tun können, doch kam mir nicht der Gedanke. Der Herr ließ es ruhig geschehen, daß Georges ihm die Sandalen schnürte. Dann begrüßten wir uns. Er zog seine Hand aus der Hosentasche, und als ich sie drückte, wunderte ich mich über die Weiche seiner Haut.

Sie kommen von See? fragte er. Von See, ich wollte gerade zur Bucht, um einige Vögel zu schießen. Ich sah Ihren Segler schon am Abend.

Dann waren Sie es, der den Schuß löste? fragte ich.

Jaja! ich war es, hat es Sie erschreckt?

Nein! – Georges sagte, daß uns keine Schüsse erschrecken könnten; wir hätten es uns aber gedacht, daß es der Herr der Farm sei, der den Schuß gelöst habe . . .

44 Das war nicht nach der Wahrheit, ich hatte nicht mit Georges über den Schuß gesprochen. Aber ich verlor keinen weiteren Gedanken darüber. In der Haustüre erschien ein junges Mädchen. Ich betrachtete sie kurz; sie trug ein graues, loses Kleid, die Augen waren groß auf uns gerichtet, danach blickte sie auf die Sandalen des Herrn; sie schien verwundert, daß die Riemen schon festgebunden waren.

Der Herr sagte, daß man ihm die Sandalen geschnürt habe. Dieser da! sagte er und zeigte auf Georges, er hat mir freundlicherweise die Riemen geschnürt.

Ich sah, wie Georges Augen an dem Mädchen hingen, und ehe ich mich darauf besann, daß sie jung und schön sei, stürzte Georges vor dem Mädchen in die Knie, ergriff ihre Hand und beugte sich darüber.

Ich wurde kalt vor Zorn und drehte mich um; ich hörte den Herrn lachen, er sagte: Grandezza, Grandezza . . . Ich blickte mich um und verneigte mich vor dem Mädchen.

Es war Henriette Bacon. Der Herr war ihr Vater, Eugen Bacon, wie er sich vorstellte, der Grundherr dieser Farm. Er lachte freundlich zu seinen Worten. Henriette ging langsam ins Haus zurück. Als sie wieder erschien, trug sie eine weiße Jacke über dem grauen Kleid. Hinterher kam die alte Schwarze mit einem Teebrett und Tassen. Ich starrte auf das Geschirr; es war durchsichtiges Porzellan, an einer Tasse fehlte der Henkel, die Zuckerlöffel waren aus schwerem Silber.

45 Wir tranken auf der Veranda Tee mit Rum, Henriette stand zur Seite und blickte zu den Hütten der Eingeborenen hinüber. Ihre Lippen bewegten sich, es sah aus, als spreche sie in sich hinein. Nach einer Zeit hörte ich, daß sie ganz leise sang. Sie hatte schlanke nackte Beine, die Haut war sehr weiß.

Herr Bacon fragte uns nach der Seereise aus, nach dem Woher und Wohin, und Georges erzählte von Neira, das wir vor einigen Tagen verlassen hatten. Wir kreuzten den Monsun, sagte Georges; es waren harte Winde, es war kein Spiel, quer dem Wind, hören Sie, Herr, quer und oft wie ein Jagdhund auf dem Bauch, das Zeug spliß und im Sturm dann die Segel flicken, jaja, wir kommen über das Meer, wir segeln weiter, heute auf Ceram, heute noch . . . haha! . . . Prosit, Herr!

Als er so sprach, schaute Henriette zu ihm herüber; und als er sie anblickte, sah sie wieder über den Hof, als gäbe es dort etwas zu sehen. Ich blickte auch über den Hof; es waren aber nur einige Eingeborene, die sich an den Zaun gestellt hatten, um uns neugierig zu betrachten.

Über das Meer kommen Sie! sagte Herr Bacon gedankenreich. Und nach Port Ond wollen Sie, in diesen giftigen Hafen! Wir sind nur fünfzig Meilen zu Land von Port Ond entfernt. Der Seeweg beträgt hundertfünfzig Meilen. Hüten Sie sich, unter Land gibt es viele Riffe.

Wir fahren nach der Seekarte, sagte Georges und warf mir einen Blick zu. – Ich erhob mich, und Herr Bacon bat, doch Platz zu behalten. Henriette, die 46 bisher kein Wort gesagt hatte, wandte sich an ihren Vater und sagte: Laß die Herren bleiben. Einen Tag zur Ruhe, wandte sie sich an Georges und lächelte. Sie zog ihre Jacke fest in die Schulter, sang einige Laute und schritt rückwärts ins Haus.

Mit einem Ausdruck des Wohlwollens und der Freundschaft sagte Herr Bacon zu mir: Bleiben Sie als Gäste einige Zeit, es freut meine Tochter, Gäste zu haben.

Wir bleiben! sagte Georges prompt. Wir bleiben gern, wir sind des Segelns müde. Wie, Nyhoff!

Sein Ton war herrisch, ich sah ihn neugierig an. Und wieder versicherte er Herrn Bacon schnell, daß wir bleiben würden.

Ich zuckte mit der Schulter, fast kam mir das Lachen. Herr Bacon blickte mich erstaunt an; ich wurde unsicher, lachte und gab zu, daß es mich freue, eine Zeit an Land zu sein. Doch jetzt müsse ich nach meinem Segler schauen. Mit Absicht betonte ich die Worte, nach meinem Segler.

Georges bemühte sich, den Eindruck meiner Worte zu verwischen, er sagte schnell: wir müssen nach unserem Segler sehen, Herr Bacon. Klarschiff machen für Port Ond, das ist des Seemanns Pflicht . . . Er lachte und verabschiedete sich bis zum Abend. Als wir gingen, betrat Henriette die Veranda, ein kleiner grauer Hund lief vor ihren Füßen und kläffte. Sie gab uns keinen Blick, sie bückte sich und spielte mit dem Hund.

Wir schlenderten den Berg hinab. Ich war mit meinen Gedanken bei dieser Begegnung. Georges 47 schwatzte an meiner Seite und wenn ich hinhörte, zog sich meine Stirne kraus. Ich haßte seine Stimme; er lachte und ich war in Gedanken bei diesem schlanken Mädchen, ihre grauen Augen beschäftigten mich. Das war alles, nach einer Stunde hatte ich sie vergessen.

 


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