Heinz Kükelhaus
Thomas der Perlenfischer
Heinz Kükelhaus

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5

Der erste Tag auf meinem Segler.

Ich lag noch in der Bucht, und es gab viel zu tun und zu überlegen. Ich studierte den Seeweg nach Port Ond. Ich mußte ein Kap umsegeln, der Seeweg unter Land ging durch Schären und Riffe, es waren mehr als hundert Seemeilen. Ich war allein und es entstand die Frage, wie will ich die Segel brassen und das Steuer bedienen. Ich überlegte es und traf meine Vorbereitungen. Doch waren es keine Gründe, die mich in der Bucht festhielten.

Die Trennung von der stillen Bucht fiel mir schwer. Wo ich hinblickte, packte mich eine Neuigkeit. Es waren die dunklen Waldgürtel des Landes, die mich lockten, das Haus auf dem Berge, Bacons Haus, rief mich an. Es grüßte die gewaltige Stille der Bucht. – Ich lag auf Deck, die Sonne glühte in meinem Rücken und zog um die südliche Ferne. Es waren keine Wolken am Himmel, und doch ging ein schöner Wind, eine frische Brise kam von Osten her. Ich hatte eine glühende Liebe zu dieser Bucht gefaßt. Ich starrte das Haus auf dem Berge an, über den langen Tag. Die Luft war erfüllt von einem feinen Brausen, erfüllt von der Sonne, die schon in der Nacht ihren goldenen Lauf begann.

Bacons Bucht, flüsterte ich am Tage.

61 Ich nahm mich des Decks an und begann Eimer um Eimer über die Planken zu gießen. Das Holz leckte das Wasser auf, der Wind ging darüber hin und alles war wie vorher.

Ich holte meinen Taucherhelm, und im Angesicht des Berges und des Hause zerlegte ich den Helm in alle Einzelheiten, ölte Schrauben und Bänder. Ich setzte alles wieder zusammen und hing den Helm hoch an den Mast in die Lüfte. Er taumelte im Winde, es sah aus, als habe sich ein Mensch erhängt. Vom Hause aus konnte man den baumelnden Menschen sehen. Damit wollte ich Georges eine Freude bereiten.

Ich machte in der Kajüte klar Schiff. Ich räumte die Schränke auf, Georges Sachen warf ich auf einen Haufen, legte alles auf ein Segeltuch, schlug die Enden zusammen, machte einen Knoten und trug den Sack an Deck.

Bei dieser Arbeit hatte ich viel Staub geschluckt. Um mich zu reinigen, warf ich die Kleider ab und sprang ins Wasser. Ich schwamm um meinen schönen Segler herum, darauf tauchte ich. Das Wasser hatte einen starken Auftrieb und warf mich zurück. Ich versuchte abermals zu tauchen, wie eine Feder schnellte mich das Wasser zurück.

Ich tat etwas Unsinniges. Ohne mir einen Gedanken über den unerklärlichen Auftrieb im Wasser zu machen, nahm ich ein starkes Tauchergewicht und band es an meinen Fuß. Ich sprang mit dem Gewicht in das Wasser, jetzt rollten die Faden vor meinen Augen ab.

Die Bucht ist tief, überlegte ich klar und dachte daran, das Tauchergewicht vom Fuß zu streifen, um 62 den Fall aufzuhalten. Es gelang mir aber nicht, das Bein anzuheben, das Gewicht riß mich in die Tiefe. Die Gedanken schossen durch meinen Kopf. Verschiedenes dachte ich; warum hatte ich die Tiefe des Wassers nicht gemessen, warum tauchte ich? Es war keine Bank in der Bucht. Ich fühlte einen Strom, jetzt in der Tiefe trieb mich eine Strömung. Das Gewicht riß an mir und ein Teil des Atems preßte sich aus meinen Lungen. Das Licht wurde plötzlich geringer, ich schoß durch eine Sohle dunklen Wassers. Die Strömung im Wasser wurde sehr stark, ich flog in die Seitenlage und eine Macht dreht mich blitzschnell im Kreise; mit einem dumpfen Schrecken erkannte ich, daß über mir ein Strudel lag. Ich fiel auf weichen Grund, und wieder entfuhr mir ein Teil des Atems, in den Augenhöhlen bohrte ein tiefer Schmerz. Der Strudel preßte mich an den Boden. Ich suchte meine Hand an die Schlinge zu bringen, es gelang mir nicht, noch immer lag ich unter dem Druck des Strudels. Die von den Seiten andrängenden Wassersäulen warfen mich auf und nieder, aber das Gewicht hielt mich dicht am Boden. Mit einem Schlage flatterte mein Bewußtsein, die Gedanken setzten aus, ein Schwindel faßte mich an. In dieser Sekunde stieß mich der Strudel von sich, ich wurde über den Boden geschleudert, die Strömung faßte mich, ich löste die Fußschlinge und bekam schnellen Auftrieb.

Ich begann mechanisch zu schwimmen. Die Strömung jagte jetzt mit mir aufwärts; plötzlich fiel das Licht in meine Augen, und ich stieg steil in die Höhe. Mit dem letzten Atem schwamm ich, die Augen weit 63 aufgerissen. Ich durchstieß die Oberfläche, keuchend lag ich auf dem Wasser. Ich war weit hinter dem Segler aufgetaucht.

Ich erreichte den Segler, mit vollem Bewußtsein kam ich an Deck und kroch noch zum Luck, ein besinnungsloser Schlaf warf mich nieder. Als ich erwachte, war es Nacht; ich fror bis ins Mark.

 

Der zweite Tag auf meinem Segler.

Ich lag an Deck und war krank. Das Blut in meinen Gliedern war abgeschnürt. Ich erkannte es an den Wunden, die nicht bluten wollten. Ich verband die Wunden und erwartete lange Zeit das Blut. Der Verband färbte sich nicht.

Mein Rücken war gebeugt, auch er konnte den Druck nicht vergessen. Später habe ich die Stelle ausgelotet. Sie war zweiundzwanzig Meter tief. Herr, mein Gott! ohne Schutz und mit dem nackten Atem hast Du mich errettet!

Die Sonne kam. Meine Augen schmerzten, ich blinzelte die Sonne an. Die Augen begannen zu brennen, ich verbarg meine Augen. Danach wurden die Augen trübe, inwendig brannte das Licht der Sonne weiter, ich hätte meine Augen vor der Sonne verstecken müssen. Vom Luck bis zum Mast waren es drei Schritte. Und nun sah ich den Mast nicht. In der nächsten Stunde sah ich auch das Tageslicht nicht mehr.

Ich will warten, sagte ich mir, und kroch in die warme Sonne. – Bluten meine Wunden? – Ich sah es nicht. Ich legte eine Binde vor die Augen. Ein Feuer saß hinter meinen Augen, und ich wünschte mir kaltes 64 Wasser vom Berge, meine Augen zu kühlen. Ich feuchtete das Tuch mit den Lippen an, schwenkte es im Winde und legte die kalten Stellen auf die Augen.

Nun war alles getan, zitternd legte ich mich hin. Ich wollte schlafen. Ich erwartete vergebens den Schlaf. Ich hörte den feinen Wind singen, ich horchte auf das Schlagen der Fische im Wasser. Ich schauerte vor Kälte, obgleich die Sonne meine Haut verletzte. Ich tastete mich zur Kajüte und kleidete mich warm an. Ich schlug eine Decke um und ging wieder an Deck. In der Sonne legte ich mich nieder, der Durst brannte in meiner Kehle und wieder tastete ich mich zur Kajüte und nahm einen Löffel Öl ein. An Deck streckte ich mich hin. Nach einer Zeit löste ich die Binde von den Augen. Ich sah kein Licht, und hastig nahm ich die Binde wieder vor die Augen.

Wie lange. – Und ich lauschte wieder dem Schlagen der Fische. Der Wind hob sich und kam in Stößen über die Bucht gerollt. Der Segler neigte sich, er tanzte, und ich schlief eine Zeit. Als ich erwachte, glaubte ich einen Schimmer wahrzunehmen. Ich riß die Binde von den Augen, doch war es eine Täuschung. Ich fror im Winde, die Sonne war gewichen. – Abend! es mußte Abend sein. Ich nahm die Binde ab, der Wind sollte die Augen kühlen. Die Augen in den Wind, flüsterte ich mir zu. Wo aber war der Wind? In diesem Augenblick war er eingeschlafen.

Und ich lachte laut! In meiner Kehle stieg es heiß hoch, die abgeschnürten Glieder zitterten. Ich kroch in die Kajüte, nahm ein Stück Hartbrot und aß. Und während ich aß, schüttelte mich der Hunger. Ich 65 öffnete eine Büchse Fleisch und aß die Büchse leer. Bei dem letzten Bissen dachte ich an weiteres Essen. Ich öffnete eine andere Büchse und aß weiter. Nun aß ich mit der Angst im Herzen und mit aller Hast. Ich biß mich in den Finger, warf das Essen zu Boden, stand auf und weinte.

An Deck bereitete ich mir ein Lager. Ich schleppte Kissen und Taue an einen Fleck. Und mit der Absicht, gut zu schlafen, legte ich mich nieder. Als ich lag, überfiel mich das Fieber. In den Beinen zuckte die Angst, ich sprang auf und holte mir Hartbrot an Deck. Ich stellte mich an den Mast. Das Hartbrot habe ich nicht mehr gegessen, stehend erwartete ich den Morgen.

 

Ich hörte meinen Namen rufen. Der Ruf kam vom Ufer, es konnte nur Georges sein. Beim zweiten Ruf erkannte ich seine Stimme, ich hielt mir die Ohren zu, seine Stimme erklang gemein und alltäglich.

In dieser Stunde seine verhaßte Stimme! Es verletzte mich tief. Ich gedachte andere Stimmen zu hören, in der Nacht hatte ich auf den Wind gelauscht. Ich war blind, und ich wollte Georges Stimme nicht mehr hören. Ist die Welt so arm, daß sie mir nichts anderes zu geben hat.

Er rief wieder.

Es kam mir ein natürlicher Gedanke, ich wünschte Georges weit fort. Und als er zum dritten Male rief, wünschte ich ihm den Tod.

Er rief meinen Namen ohne Unterlaß. Und ich begann zu überlegen, wie ich ihn an Bord locken könnte, um etwas gegen seine Stimme zu tun.

66 Es kam ein Ruf über das Wasser:

Ich komme mit dem Kahn. Henriette steht neben mir. Sie will einen Schlag mit Dir segeln.

Henriette, dachte ich. Henriette an seiner Seite.

Ich streifte die Binde von den Augen, ich sah nichts und ging mechanisch einige Schritte. Sie mußten mich sehen. Ich riß meine Augen weit auf und nahm einen Nebel wahr, doch sah ich nichts.

Ich schrie, so laut ich konnte: Ich kann Euch sehen, kommt an Bord, ich will mit Euch einen Schlag segeln.

Bald darauf hörte ich Stimmen.

Nun werde ich ihre Stimmen an Bord haben. Gott gebe, daß ich keinen Fehltritt tue. Es ist nur gut, daß ich ihre verführerische Gestalt nicht sehe.

Mit matten Knien ging ich über Deck und horchte in die Luft hinein.

Ich vernahm keinen Ruderschlag. – Auf welcher Seite des Schiffes stehe ich? Vielleicht stehe ich so, daß mich ein Schritt voran ins Wasser bringt. Ich ließ mich an dieser Stelle nieder und deckte mit der Hand meine Augen zu. – Georges hat ihr das neue Kleid geschenkt, überlegte ich. Dazu die silberne Gürtelschnalle; es konnte nur von Georges kommen. Heimlich hatte er es aus Port Ond kommen lassen. Auf diese Art ist Henriette zu einem neuen Kleide gekommen.

Ich lachte in mich hinein. Mit einem Kleide hat er sich Henriette eingefangen. Dann hat er alles andere leicht gehabt. Ein leichtes Spiel mit einem Mädchen, das vor einem Kleide in die Knie sinkt. Ich hatte Stoff und Schmuck aus Zartheit so lange in einem Schrank vergraben. –

67 Ich brannte darauf, mit Georges ein Wort zu sprechen. Ein Faustschlag für Georges, die Welt sollte wieder zurechtgerückt werden. Ich wollte ihn an mich herankommen lassen, er sollte mir die Hand nur reichen! –

Die bekannten Stimmen ertönten, sie kamen an Bord. Zuerst hörte ich Georges' Stimme. Er sagte: Das ist unser Schiff, durch Luck geht es zur Kajüte, Du mußt durch dieses Luck sehen, das ist der Niedergang . . .

Darauf sie:

Ich sehe, ich sehe. Die Bretter sind sauber, ein weißes Schiff . . .

Ich überlegte jedes Wort, das sie sprach. Ihre Stimme war ganz nah. Und mir war es, als hätte er sie mit Du angesprochen. Ich hatte nicht darauf geachtet, er sprach in seiner Art schnell. Aber dieses Du habe ich doch gehört und ich möchte wohl wissen, wie weit sie miteinander sind.

Plötzlich rief Georges: Hinter dem Tauwerk liegt er! Er tut so, als schliefe er!

Hinter dem Tauwerk lag ich. Ich erfaßte meine Lage und wußte nun, wo ich lag. Ich sprang auf, aber gleich beim ersten Schritt stieß ich gegen das Tauwerk. Ich ging einen Schritt weiter, mit einem Schlage hatte ich die Orientierung verloren. In meinem Kopf sauste das Blut.

Ich fürchtete plötzlich, daß sie mir die Hand reichen könnte. Also verschränkte ich meine Arme, schloß die Augen und senkte meinen Blick zu Boden.

68 Du stehst ja so krumm! sagte Georges in meinem Rücken.

Er steht in meinem Rücken, überlegte ich schnell, so weit war es mit mir, ich wußte nicht, wo ich stand.

Sind Sie krank? fragte Henriette.

Ich stöhnte, man sah mich an. Ich fühlte ihre Blicke und wankte. Ich sagte: Krank? – Sehe ich so aus? – Sie irren sich! Ich bin nicht krank, ich habe etwas Schmutz in den Augen, Henriette. Ich habe Georges' Sachen gepackt, etwas Staub flog mir in die Augen. Nach dem Packen habe ich gebadet. Ich kann es ja sagen, Georges ist nicht der sauberste. . . . Gefällt Ihnen mein Schiff?

Sie antwortete nicht.

Sehen Sie sich nur um, fuhr ich schnell fort. Auf meine Führung müssen Sie verzichten. Sie können mit Georges in die Kajüte gehen, steigen Sie auch in den Kiel hinab, dort ist es dunkler. Hahaha! Ihr könnt lange bleiben, ich vermisse Euch nicht!

Ich hörte Georges lachen, er mußte noch immer in meinem Rücken stehen.

Geh' aus meinem Rücken! schrie ich.

Ich stehe nicht in Deinem Rücken, sagte er ruhig. Ich stehe am Luck, kannst Du nicht sehen? Er starrt nur Dich an, Henriette.

Ich hatte den klaren Beweis, er sprach sie an, als sei sie seine Geliebte. Ich nahm eine Haltung der Gleichgültigkeit an und sagte: Geht jetzt, seht Euch noch einmal das Schiff an, ehe es abfährt. Ihr habt mir übel mitgespielt. Ich gedenke in einer Stunde zu segeln. 69 Deine Sachen kannst Du gefälligst mitnehmen. Geht! Ich segle keinen Schlag mit Euch.

Ich hörte Schritte und zugleich Georges' Worte: Unsere Wege haben sich geschieden. Segle! segle! wohin Du willst. Ich habe Dich lange genug ertragen . . .

Seine Worte wirbelten durch meinen Kopf. Was hatte ich alles zu sagen, tausend Dinge hatte ich ihm zu sagen. Aber kein Wort löste sich von meinen Lippen. Alles preßte sich in den einen Gedanken: Den Tod wünsche ich Dir . . .

Unverhofft legte sich eine Hand auf meinen Arm. Sie flüsterte: Bleiben Sie, Nyhoff. Sie wollten doch unser Haus stützen.

So. Wollte ich das? – Georges soll Ihr Haus stützen. Er ist die rechte Stütze für Sie, Henriette! Es hätte Ihnen eher einfallen können, mich besser zu behandeln. Nun soll ich das Haus stützen! – Und ich murmelte: Ja, ich will Ihnen das Haus stützen. Ho! ein Haus stützen, das kann Georges nicht.

Ich kann es, ich stütze das Haus, rief er aus einer anderen Ecke.

Das können Sie nicht! sagte sie leise.

Das will ich sehen, jauchzte es in mir. Das will ich sehen, wie er ein Haus stützen will. Er hat ja keinen klaren Gedanken im Kopf. Ich bleibe in der Bucht und warte, bis er das Haus gestützt hat.

Und ich sagte mir, daß sie sich seiner schämt. Sie gibt ihm in meiner Gegenwart kein gutes Wort. Wie jetzt wohl seine braunen Augen meinen Rücken durchstechen. Ach, daß ich es sehen könnte!

Sie fragte mich: Wann kommen Sie?

70 Ich malte es mir aus, wie sie vor mir stand. Ihren Kopf wartend auf mich gerichtet, ihre ganze Gestalt gespannt auf ein Wort aus meinem Mund. An mir war es, sie bat mich. Kein anderer konnte das baufällige Haus stützen.

Ich komme, ich komme, flüsterte ich gegen meinen Willen. – Ich komme jeden Tag und sehe es mir an, wie Georges das Dach anhebt. Er kann es ja nicht . . .

Ihre Hand streifte meinen Ärmel, und ich hörte, wie sich ihre Schritte entfernten. Mein Herz zog sich zusammen, sie ging ohne ein Wort. Ich hörte, daß Georges seine Sachen in den Kahn warf. Darauf fiel der erste Ruderschlag. Ich war wieder allein.

Plötzlich hörte ich einen Schrei.

 

Ich sitze auf meinem Segler und kühle meine Augen. Ich überlege, was mir der Schrei zu sagen hat.

Die Sonne ist verschwunden. Ich habe mich in Decken gehüllt und horche seit Stunden über das Wasser hin. Ich denke unausgesetzt, wie es Georges wohl fertig bringen will, das Dach zu heben.

Ich habe meinen Plan fertig. Stück um Stück habe ich das Dach gehoben, mit Pfeilern gestützt und neue Unterzüge gemacht, die in der Mitte gelascht sind. Ich habe auch eine Veranda erbaut, die aber nicht auf der Erde ihre Stützen hat. Eine frei schwebende Veranda will ich erbauen, sie soll an Stricken hängen, damit der alte Bacon, dieser faule Teufel, sich in den Schlaf wiegen läßt. –

Es sind die Gedanken, die meine Angst einschläfern. Ich bin eifrig bedacht, sie in den Schlaf zu wiegen. Und 71 doch überfällt mich die Angst immer wieder wie ein wütender Hund. Ich reiße meine Augen auf und zittere vor Schreck. Wenn sich Tränen in meinen Augen sammeln, freue ich mich. Und nun glaube ich, daß hinter meiner Stirne ein Bluterguß sitzt. Ich überlege, daß es nicht anders sein kann, meine Stirne brennt wie Feuer. Es zieht sich ein starkes Fieber in meinem Kopf zusammen und in meinen Ohren höre ich viele Geräusche, doch unterscheide ich sie nicht mehr. Das Fieber dröhnt in meinem Kopf.

Ich lausche weiter über das Wasser hin. Ihr Schrei will mir nicht aus den Ohren. Eine Einbildung flüstert mir zu, daß sie unentwegt am Ufer steht. Sie ist damit beschäftigt, zu mir hinüberzustarren.

Ich erhebe mich, um ihr sichtbar zu sein. Es ist Nacht, wie spät mag es in der Nacht sein? –

Erst gegen Morgen lege ich mich nieder. Jetzt denke ich nur noch an meinen Schlaf. Mein Herz ist aufgewühlt, der Segler taumelt leicht im Wellengang. Dumpf fällt eine Schildkröte ins Wasser, ich schrecke zusammen. Vor meinen Augen bleibt es Nacht.

Morgen noch, und noch ein Tag, dann wird die Angst mir den Verstand abpressen. Ich werde zum Ufer schreien, daß ich blind bin, und Georges wird triumphieren. Dann ist der Segler sein Eigentum, er wird mich treten, von einer Ecke zur anderen. Keinen Finger kann ich gegen ihn heben. Ein Fußtritt von ihm und ich liege im Wasser; eine tückische Anwandlung, und er bemächtigt sich meiner Perlen. Nie im Leben werde ich ihn verklagen können, denn ich bin blind und sein Schuhknecht geworden.

72 Ich habe eine endlose Nacht mit Klagen verbracht. Mitten in den wildesten Anklagen und Verwünschungen schlief ich ein. Der Schlaf kam, als ich nicht an ihn dachte, er hatte mich überfallen. Alle Wut und Angst hatten ein Ende.

Jetzt bin ich froh und glücklich.

Ich sehe wieder, ich kann die Finger an meiner Hand bewundern, und ich sehe drei Schritt voraus den Mast. Ich habe mich im Spiegel betrachtet, meine Augen sind feuerrot. Ich legte schnell die Binde vor die Augen, ich fürchtete, daß es eine Täuschung war. Vorsichtig löste ich wieder die Binde, ich sah meine Hand, erhob meine Blicke und sah über das Wasser, voller Furcht schloß ich meine Augen und kroch unter Deck.

In den Packraum hinab! Ich setzte mich auf die Muschelberge.

Ich sitze auf einem kostbaren Muschelberg, sagte ich mir. Ich will ein Ende machen mit der Perlenfischerei. Ich fahre nur noch zu meinem Vergnügen durch die Meere, ein freier Mann bin ich geworden. Ich will ein Faulenzer werden.

Einen Augenblick nur konnte ich so denken! – Ich werde wieder tauchen und weiter durch die Südsee fahren. Ich bin der Welt mein Leben schuldig, ich will ihr weiter die Perlen aus dem Meere holen. – Ein Undank wäre besser, denke ich dann wieder. Die Welt hat mich nicht aus der Tiefe errettet. Ich allein und mein Atem, wir zusammen haben uns errettet. Kein Mensch hat mir den Finger gereicht.

Auch so war es nicht! Eine glückliche Strömung hat mich gerettet. Doch hätte der Strom auch einen 73 Leichnam nach oben gespült. – Nein, ich weiß es jetzt gewiß! Die Sonne hat mich errettet. Ihr Licht hat mir den Weg gezeigt, und ewig will ich der Sonne dankbar sein.

Ich fühlte ein Sickern an meinen Beinen. Ich betrachtete den Verband, er rötete sich. Das Blut trieb wieder in mächtigen Schlägen durch meine Adern.

 


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