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47.

Die Kundschafter.

Der riesige Waldläufer und der schmächtige Detektiv, welche den Zug beschlossen, waren an der dichtesten Stelle des Waldes, wie auf ein gegebenes Zeichen, plötzlich in den Büschen zusammengesunken, hatten einige Minuten stillgelegen, waren dann wie Schlangen durch das Gras geschlüpft und einige hundert Meter zurück wieder zusammengetroffen.

»Nichts bemerkt!« flüsterte Sharp zuerst.

»Auch ich nicht,« gab der Waldläufer ebenso leise zurück. »Sie werden nicht verfolgt. Das ist seltsam, ich habe das Gegenteil erwartet. Sollte man sie wirklich ruhig abziehen lassen? Nimmermehr kann ich das glauben.«

»Wenn in der Ruine Indianer zu einer Versammlung zusammengekommen sind, so werden sie eben andere Sachen im Kopfe haben, als diese paar Leute zu verfolgen. Es steht zu erwarten, daß sie nicht lange in der Ruine bleiben, und dann wird diese wahrscheinlich überhaupt völlig verlassen.«

Deadly Dash schüttelte auf diese Bemerkung hin den Kopf, er war anderer Meinung. Jetzt aber hatte er ein anderes Ziel im Auge, wozu ihm Sharp seinen Beistand zugesagt hatte.

Es galt den Verbleib von Stahlherz auszukundschaften und zugleich sich auch zu orientieren, ob sich wirklich viele Indianer in dem unterirdischen Gange aufhielten, und was sie vorhatten. Schon vorhin hatten beide darüber gesprochen, es sei nicht unmöglich, daß das Klirren der Waffen und die Kriegsrufe nur von einigen wenigen Indianern hervorgebracht worden seien, daß aber durch die Akustik der unterirdischen Gänge Echos erzeugt würden, so daß es klang, als ob tausend Indianer dort unten ständen.

Während beide langsam und vorsichtig, Auge und Ohr anstrengend, der Ruine wieder zuschritten, erzählte Deadly Dash alles, was er von diesem Gemäuer wußte.

Er war schon einmal dort gewesen, ohne irgend ein Zeichen von etwas Lebendigem zu bemerken.

Dann setzte er dem lauschenden Detektiven die unter den Indianern verbreitete Sage auseinander, daß einst ein Häuptling erstehen werde, dem alle anderen Häuptlinge gehorchen und alle indianischen Krieger in den Kampf gegen die verhaßten Bleichgesichter folgen würden. Der junge Krieger, den niemand zu Gesicht bekäme, würde in einer Höhle von Medizinmännern erzogen, und er, Deadly Dash, glaubte fest, der Tempel des Huitzilopochtli sei der Sitz der Verschwörung gegen die Weißen, wo also auch der junge Häuptling für seine einstige Aufgabe herangebildet würde.

»Stahlherz kannte den Indianer, welcher uns vorhin erschrecken wollte und sich für einen Azteken ausgab?« fragte Sharp den Waldläufer.

»Ja, er ist der Mann, den er seit nun fast fünfzehn Jahren ununterbrochen sucht, ebenso wie Schmalhand. Dieser hat im Bunde mit Arahuaskar oder, wie er früher hieß, der schwarzen Zeder, sich eines Verbrechens schuldig gemacht, welchem Stahlherz mit zum Opfer fiel. Die schwarze Zeder war schon damals, obgleich sehr bejahrt, doch noch sehr herrschsüchtig, er träumte immer davon, das Reich der alten Azteken wiederherzustellen.

»Er schloß einst Freundschaft mit einem Gelehrten, wenn ich nicht irre, einem Skandinavier, dem er, die Stellen zeigte, wo die Urbewohner Mexikos gewohnt hatten, wo sich also viele Götzenbilder, Schmuckgegenstände und wohl auch Pergamente vorfanden. Der Gelehrte erzählte der schwarzen Zeder viel von der alten Herrlichkeit der Azteken, und so entstand in dem Kopfe der Rothaut nach und nach der Entschluß, dieses Reich wiederherzustellen. Er selbst war zu alt dazu, deswegen hat er wahrscheinlich, aber dies ist nur eine Vermutung, sich einen Knaben angeeignet, den er in seinen Ansichten erzieht zu dem Zweck, ihn später zum Häuptling aller Indianerstämme zu proklamieren. Vor fünfzehn Jahren verschwand er mit dem Gelehrten, und beide wurden nie wiedergesehen. Jetzt haben wir seine Spur gefunden, er wohnt hier in dem Tempel.«

»Und derjenige, welcher Miß Murray und Miß Petersen kuriert hat und uns mit Medikamenten versah, wird der skandinavische Gelehrte gewesen sein,« ergänzte Nick Sharp.

»So ist es, er besorgte auch das Donnern.«

»Warum soll der Weiße es aber mit der Rothaut halten? Als intelligenter Mann muß er doch wissen, daß dessen Pläne nur Hirngespinste sind.«

»Wer weiß, was für einen Pakt die beiden geschlossen haben. Ich denke mir die Sache so: die schwarze Zeder war seiner Zeit sehr bekannt in den Ruinen, welche noch jetzt von den Azteken erzählt. Er suchte in ihnen nach Gold und Silber, auch nach Pergamenten und so weiter, welche er dann bei Gelegenheit an Liebhaber verkaufte, wie die schwarze Zeder überhaupt einen ganz anderen Charakter als die Indianer sonst hat. Er war ebenso schlau, dabei aber habgierig und vor allen Dingen romantisch angelegt. Weiß der liebe Gott, woher er ihn bekommen hatte, aber jedenfalls muß er auch einen Raben gefangen oder gefunden haben, der viele Worte in der Sprache der Azteken plappern, konnte, vielleicht hat es der Vogel erst wieder von einem anderen Raben gelernt, aber er konnte es jedenfalls. Der Gelehrte suchte die schwarze Zeder und dessen Vogel aus, sah ein, wieviel dieser ihm beim Studium der alten mexikanischen Völker nützen könnte und ging vermutlich, scheinbar auf die Gedanken des Indianers ein, einen Oberhäuptling zu erziehen, um von dem kundigen Indianer möglichst viel Wissenswertes zu erfahren. Ich denke sicher, der Gelehrte bringt dem Jungen allerhand Kniffe bei, durch welche er den Indianern, welche ihm einst gehorchen sollen, als ein übernatürliches Wesen erscheinen muß. Durch ein wenig Chemie und Magie kann man ja bei den unwissenden und abergläubischen Rothäuten leicht etwas erreichen.«

Deadly Dash blieb stehen und lauschte, setzte dann aber seinen Weg fort.

»Sind die Indianerstämme mit diesem Plane der schwarzen Zeder bekannt, oder soll die Erhebung des künftigen Häuptlings ohne alle Vorbereitungen plötzlich geschehen?« fragte Sharp.

»Es werden viele Indianer darum wissen, besonders Häuptlinge, welche unumschränkt über ihre Krieger herrschen, und besonders solche, welche wegen ihres Hasses gegen die Bleichgesichter bekannt sind. Ich kenne Häuptlinge, habe auch mit ihnen über das Thema gesprochen, sie wußten aber nur dunkle Gerüchte davon, eben darum, weil sie freundschaftlich mit mir, einem Weißen, verkehrten. Auch Stahlherz kennt nur eine Sage, daß einst ein Häuptling entstehe, der das Reich der Azteken wiederaufrichten soll. Stahlherz ist schon aufgeklärt, er lacht über den Plan und bezeichnet das Ganze eben als eine Sage. Jetzt aber bin ich der festen Meinung, daß doch etwas Wahres daran ist, daß die schwarze Zeder nicht nur geträumt hat, sondern seine Pläne zu verwirklichen sucht, wobei ihn der Weiße unterstützt, jedenfalls nur scheinbar, um nur recht viel in der Gesellschaft der schwarzen Zeder sein zu können, der ihm viel Auskunft über die Ruine und die alten Azteken geben kann.«

»Und was hat Stahlherz ihm zum Feinde gemacht?« fragte Sharp.

Deadly Dash wollte auch hierauf Antwort geben, über plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen, sah scharf in die Nacht hinaus und sank dann hinter einem Busch zusammen. Gleichzeitig tat der Detektiv dasselbe, auch er hatte einen Zweig knacken hören.

»Es ist ein Mensch,« flüsterte der Waldläufer, den Mund dicht an das Ohr des Gefährten legend.

Sharp nickte nur.

Nachdem sie einige Minuten so stumm nebeneinander gelegen hatten, verständigten sie sich durch Zeichen, diesen Platz zu verlassen und die Ursache des Geräusches zu ergründen. Kein Schatten konnte lautloser über den Boden gleiten, durch die Büsche schlüpfen und über die Wurzeln sich schwingen, als diese beiden. Sie hätten dicht neben einem Menschen vorbeikriechen können, und dieser hätte sie doch nicht bemerkt, wenn nicht sein Auge zufällig auf sie gefallen wäre.

Dann lagen sie wieder still und schmiegten sich dicht an den Boden.

Zwischen den Bäumen tauchten zwei Gestalten auf, die mit unhörbaren Schritten über die Moos- und Rasendecke schritten. Sie gingen ebenfalls auf die Ruine zu, kamen aber mehr von der Seite. Die Dunkelheit der Nacht hinderte die Augen der Beobachter nicht, die beiden Gestalten zu erkennen.

Nick Sharp sah, daß es zwei Indianer im Kriegsschmuck waren, aber er war in den Sitten der Wilden nicht bewandert genug, um an der Kleidung, der Farbenmalerei und dem Federschmuck einen Stamm von dem anderen unterscheiden zu können.

Fragend schaute er den Waldläufer an, der mit großen Augen den sich Entfernenden nachblickte, sein Gesicht zeigte eine seltene Mischung von Ueberraschung und Bestürzung.

»Was für Indianer waren es? Ich hielt sie für Sioux. Hätte nicht geglaubt, daß es hier herum welche gibt.«

»Es ist das erstemal, daß ich diese beiden in Freundschaft zusammensehe,« flüsterte Deadly Dash in erregtem Tone zurück, »ein Sioux und ein Pawnee?

»Daß die beiden jetzt ruhig nebeneinander hergehen, läßt auf schlimmes schließen. Sollte es der schwarzen Zeder durch falsche Vorspiegelungen und allerlei Kniffe gelungen sein, den Haß unter den einzelnen Stämmen zu besiegen?« fragte Deadly Dash sich selbst. Dann fuhr er laut fort:

»Das wäre allerdings eine ans Wunder grenzende Tat, dann glaube ich auch, daß er wirklich Macht hat. Sharp, der Pawnee und der Sioux hassen einander so, daß der eine das verbrennt, was der andere nur berührt hat; nur den Skalp faßt er an, um ihn abzuziehen. Das rote Weib, welches einen Mann des feindlichen Stammes nur gestreift hat, wird unbarmherzig verstoßen, und wenn es die eigene Frau, die eigene Tochter ist. Ein Pawnee tritt nicht in die Fährte des Sioux, badet erst das geraubte Pferd, ehe er sich auf dessen Rücken setzt, und jetzt gehen ein Pawnee und ein Sioux harmlos nebeneinander.«

»Und auf die Ruine zu!« fügte Sharp hinzu.

»Das hat schlimmes zu bedeuten. Der schwarzen Zeder oder Arahuaskar ist es gelungen, den Zwiespalt unter den Stämmen zu beseitigen. Jetzt ist es klar, daß ein allgemeiner Aufstand gegen die Weißen geplant wird. Sharp, und kostet es mein Leben, ich muß diesem Kriegsrat beiwohnen. Selbst an der Rettung von Stahlherz ist mir weniger gelegen als daran.«

»Wie aber wollen wir in die Ruine kommen? Kennt Ihr Eingänge zu den unterirdischen Gräbern?«

»Ja, ich habe eine Fährte gefunden, welche nach einem hohlen Baumstamme führt,« entgegnete der Waldläufer, »dort waren die beiden Damen in's Innere geführt worden, auch zwei indianische, sehr leichte Spuren waren dabei. Hätten die Mädchen nur sprechen wollen, wir würden genug erfahren haben.«

»Eine gefährliche Sache,« meinte selbst der unerschrockene Detektiv nachdenkend. »Werden wir dabei erwischt, so ist unser Leben verwirkt. Wir sitzen dann wie die Maus in der Falle und können durch das Gitter hindurch erschossen oder totgestochen werden.«

»Fürchtet Ihr Euch?«

Diese Frage aus dem Munde des Waldläufers klang nicht spöttisch, sie verlangte nur eine offene Antwort.

»Ich kenne keine Furcht, aber Vorsicht und Ueberlegung sind immer angebracht. Wir dürfen unser Leben nicht unnütz opfern, denn was für einen Zweck hat es, wenn wir den Plan der Indianer erfahren, dabei aber erwischt werden und dann keine Gelegenheit haben, ihm entgegenzuwirken? Unser Leben gehört vorläufig nicht uns, es steht in dem Dienste der Engländer und der Damen. Sind diese geborgen, dann können wir, oder dann kann vielmehr ich tun, was ich will, wenn es mir Vergnügen macht.«

»Wahr gesprochen, Mann! Aber ich stürze mich, auch nicht kopflos in eine Gefahr, wenn ich nicht weiß, ich kann sie bestehen. Ihr kennt mich zwar, Sharp, Ihr wißt, wer ich bin, aber als Deadly Dash kennt Ihr mich doch noch nicht. Vielleicht habe ich Gelegenheit, Euch diesmal zu zeigen, daß ich meinen Namen mit Recht führe. So lange ich noch eine Hand regen kann, fängt man mich nicht, und mag der Mann, der den Donner rollen lassen kann, noch so geschickt in dergleichen Kunststückchen sein, in mir hat er seinen Meister gefunden.«

Sharp lächelte.

»Ich kann es mir denken,« entgegnete er. »Los denn! Und wenn Ihr mich auch in die Hölle führtet, ich bleibe bei Euch. Wir wollen einmal erproben, was zwei Männer mit klarem Kopfe und unbeugsamer Energie erreichen können.«

Sie setzten ihren Weg fort, bis sie eine Gegend erreichten, welche von meterhohen Wurzeln durchzogen war.

»Hier ist der Ort,« flüsterte wieder Deadly Dash, »wo Miß Murray stürzte. Sie wollte zwar das Geheimnis, welches sie zu bewahren versprochen hatte, nicht ausplaudern, aber meine Fragen brachten doch, ohne daß sie es ahnte, so viel aus ihr heraus, daß sie von hier aus durch einen unterirdischen Gang das Innere der Ruine erreicht hatten. Meine Nachforschungen bestätigten dies, ich fand ihre Spur und den hohlen Baumstamm.«

»Ja ja,« lächelte Sharp, »mit Schlauheit vermag man viel. Man sagt immer, dem Tapferen gehört die Welt, ich denke aber, der Kluge kann noch mehr erreichen. Ich habe überhaupt in meiner langjährigen Praxis, die mich mit vielen Verbrechern zusammenführt, bei denen man immer auf der Hut sein muß, stets bestätigt gefunden, daß ein grimmig und furchterregend aussehender Mensch viel weniger zu fürchten ist, als einer mit einem schlauen Gesicht.«

»Das ist so gewiß wahr, als das Gehirn des Menschen eine ungleich gefährlichere Waffe ist, als die Klaue des Löwen, sonst würde es uns schwachen Menschen schlecht genug ergehen,« bestätigte Deadly Dash des Detektiven Ansicht.

»Hier ist es,« sagte er dann und hielt an einem Baumstamm.

Es war derselbe, durch welchen Ellen und Jessy von dem indianischen Geschwisterpaar in das Innere der Höhle geführt worden waren.

Schon wollten die beiden Männer in die Höhlung des Baumes schlüpfen, als sie deutliche Schritte vernahmen, daß sie annehmen mußten, ein großer Trupp von Menschen nähere sich ihnen.

Sofort verschwanden sie wieder im Walde, und bald kamen etwa zehn Indianer über die kleine Lichtung, welche ihren Abzeichen nach zu schließen, drei oder mehr verschiedenen Stämmen angehörten. Alle waren im Kriegsschmucke, die einen trugen Federkronen auf dem Kopf mit den auf den Rücken herabwallenden Federschweifen, andere trugen nur zwei Schwungfedern des Adlers in der Skalplocke, und wieder andere hatten die Haare über den Ohren mit Federn geschmückt. Alle aber waren mit Ketten aus Krallen und Klauen wilder Tiere behängt, trugen Schild, Pfeil, Bogen, Messer und Tomahawk und einige auch die hölzerne Keule mit oder ohne eiserne Stachel. Ihre bemalten Gesichter glänzten in den verschiedensten Farben und zeigten sonderbare Figuren.

Kaum hatten Deadly Dash und Sharp sich wieder verborgen, als schon ein Zug Indianer unmittelbar an ihnen vorüberschritt.

Auch der Indianer, welcher sie führte, trug solche Abzeichen, ebenso war sein nackter Oberkörper stark bemalt.

Natürlich verhielten sie sich völlig schweigsam. Sie gingen hintereinander. Jeder trat in die Spuren des Vorangehenden, bemühte sich aber im übrigen nicht sehr, jedes Geräusch zu vermeiden.

Sie mußten sich also ganz sicher fühlen.

Mit angehaltenem Atem lagen die beiden Spione im Busch und wandten keinen Blick von dem unheimlichen Zug.

Als die Wilden im Schatten der Nacht verschwunden waren, näherte sich Deadly Dash dem Detektiven und flüsterte ihm seine Meinung ins Ohr.

»Es waren Sioux und Apachen, die anderen kenne ich nicht; sie müssen einem kleinen Stamme aus dem Indianer-Territorium angehören, der schon halb vernichtet ist. Schade, daß ich sie nicht habe sprechen hören! Dieser Trupp ist ein Beweis mehr für meine Ansicht, daß in der Ruine wirklich ein Kriegsrat stattfinden soll. Aus nah und fern scheinen die Häuptlinge zusammenzuströmen. Einen der Sioux kenne ich, er ist der unversöhnlichste Feind von allem, was weiße Haut hat. Arahuaskar wird sich schon die Unzufriedensten und Herrschsüchtigsten ausgesucht haben.«

»Wer mag der starkbemalte Indianer wohl gewesen sein, der jene führte? Er trug besondere Abzeichen.«

»Ebenso wie bei Schmalhand. Jedenfalls zählen diese zu den direkten Anhängern der schwarzen Zeder. Ich habe schon mehrmals Indianer ohne Abzeichen, die auf ihren Stamm schließen lassen, sich bei Stämmen herumtreiben sehen, doch sobald ich mich sehen ließ, verschwanden sie. Es sind die, welche Aufruhr, aber zugleich auch Einigkeit unter den Stämmen predigen. Sie sind Botschafter der schwarzen Zeder; wer hätte das gedacht? Früher war ich öfters der Meinung, eine europäische Nation, etwa die Franzosen, wollten die Indianer gegen die Engländer aufhetzen, um aus einem Kampfe Vorteil zu ziehen, aber sie konspirieren unter sich selber.«

»Wohin, mögen sie gehen?« meinte Nick Sharp. »Wenn hier ein Eingang zum Innern der Ruine ist, so können sie ja diesen benützen. Aber sie taten es nicht Was soll das bedeuten?«

»Dieser Eingang würde ihnen zu offen liegen, man würde ihre Spuren leicht darin verschwinden sehen. Doch es könnte auch ein anderer Grund zu dem Verhalten der Wilden vorliegen, und wenn meine Befürchtung wahr ist, so sind wir schlimm daran. Nun, wir werden gleich sehen.«

Beide krochen dem Baumstamme zu.

Deadly Dash ließ sich in die Höhlung hinuntergleiten, indem er sich an den Wurzeln festhielt. Unten aber fand er zwar festen Boden, doch keinen Ausweg. Der Gang war verschüttet worden. Es machte den Eindruck, als wäre überhaupt gar keiner hier vorhanden gewesen, sondern als setzte sich die Höhlung nur in Gestalt eines Erdloches noch etwas unter den Wurzeln des Baumes fort.

Er teilte seine Bemerkung dem oben wartenden Detektiven mit.

»Ich konnte es mir fast denken,« sagte dieser, »sie haben den Eingang verschüttet, welchen die beiden Damen benutzt haben. Sollten diese doch das Geheimnis der Passage verraten, dachten sie, und Unbefugte danach suchen, so sollen diese nichts finden. Es wäre möglich, daß mit dieser Verschüttung der Donner zusammenhing, den wir heute abend hörten.«

»Leicht möglich, und ich bin der Ueberzeugung, auch die anderen Zugänge sind verschüttet worden, nur ein ganz geheimer ist offen geblieben, den die ankommenden Indianer benutzen.«

»Aber den finden und ihn benutzen, ohne erkannt zu werden, ist eine schwierige Sache,« meinte der Detektiv nachdenklich. »Ich bin ziemlich erfahren in dergleichen Sachen, aber hier muß ich gestehen, daß ich unfähig bin, irgend einen Rat zu geben.«

Deadly Dash blieb lange regungslos neben seinem Kameraden liegen, den Kopf in die Hände gestützt. Er schien angestrengt nachzusinnen, und auch der Detektiv tat so.

»Wir wollen versuchen, den Spuren der Indianer zu folgen,« sagte ersterer. »Ich muß auf jeden Fall das Geheimnis erkunden, und finde ich doch keinen Eingang, oder kann ich in den gefundenen nicht hinein, so werde ich mir selbst einen schaffen.«

Verwundert schaute Sharp den Sprecher an, den er nicht verstand.

Beide verfolgten eine Zeitlang die Spuren, welche die Indianer zurückgelassen hatten. Nach kurzer Zeit bereits schienen diese immer vorsichtiger aufgetreten zu sein; es war äußerst schwer, den Merkmalen zu folgen, noch dazu in der Nacht, aber schließlich hörten sie plötzlich ganz auf.

Die Männer befanden sich gerade an einem Felsen.

»Sie können doch nicht in denselben gekrochen sein,« meinte Sharp verwundert.

Deadly Dash deutete nach oben.

Auf dem Felsen stand ein Strauch oder ein kleiner Baum, dessen Zweige so herunterhingen, daß ein aufrecht stehender Mann sie mit ausgestrecktem Arme erfassen konnte.

Wieder neigte der Waldläufer seinen Mund dicht an des Detektiven Ohr.

»Hier haben sie sich hochgeschwungen. Wir können die Zweige allerdings nicht darauf untersuchen, es ist zu dunkel und auch zu gefährlich, denn ist hier ein geheimer Eingang, so ist auch anzunehmen, daß er von einem indianischen Posten bewacht wird.«

Damit bückte sich Deadly Dash schon wieder und huschte, von Sharp gefolgt, in den Schutz des Dickichts zurück. Der Gefahr, gesehen zu werden, durften sie sich auf keinen Fall aussetzen, sonst hatten sie gar keine Hoffnung mehr, das Innere der Ruine zu erreichen.

»Zu dem hohlen Baumstamm zurück!« flüsterte der Waldläufer. »Aber merkt Euch genau, wo der Felsen liegt. Vielleicht können wir diesen Eingang noch einmal als Ausgang gebrauchen.«

Der Baumstamm war erreicht. Beide Männer lagen wieder dicht nebeneinander am Boden.

Deadly Dash öffnete eine der Ledertaschen, von denen er, wie schon früher erwähnt, mehrere am Gürtel hängen hatte, und brachte daraus einen langen, grünen Draht zum Vorschein, welcher an einem Ende einen weißen Knopf trug. Das andere Ende des Drahtes blieb in der Tasche verborgen.

»Könnt Ihr telegraphieren?« fragte er den Detektiven.

Dieser wunderte sich durchaus nicht über eine solche Frage aus dem Munde eines Waldläufers. Er bejahte.

»So nehmt diesen Knopf,« fuhr Deadly Dash fort und gab ihm das Ende des Drahtes. »Jetzt steige ich in die Höhle hinab und versuche, ob ich mir zwischen dem Schutt einen Eingang bahnen kann. Ihr legt Euch dort in ein Gebüsch, bei dem Geringsten, was Euch auffällt, drückt Ihr auf den Knopf, was ich wahrnehmen werde. Ihr sagt mir, was Euch auffällt, und ich werde den Kopf aus der Oeffnung heben und sprechen. Gesehen kann ich nicht werden. Ihr haltet den Finger immer leise an den Knopf; will ich Euch Nachricht zukommen lassen, wenn ich Euch zum Beispiel brauche, so werdet Ihr ein leises Zeichen wahrnehmen. Ein kurzes Zucken bedeutet einen Punkt, ein langes einen Strich. Seid Ihr so geübt im Telegraphieren, daß Ihr dies verstehen könnt?«

»Ich kann es.«

»So verhaltet Euch ruhig.«

Nick Sharp legte den Finger an den Porzellanknopf, murmelte etwas vor sich hin und kroch in den bezeichneten Busch hinein, während Deadly Dash die kurze Büchse von der Schulter nahm und in die Höhlung des Baumes hinabstieg.

Der Detektiv lag regungslos im Grase, von den Zweigen versteckt, und betrachtete, so gut es die Dunkelheit gestattete, aufmerksam den Draht in seiner Hand. Es war jedenfalls ein Kupferdraht, mit grüner Seide umsponnen, einer von jener Art, wie man ihn bei allen elektrischen Anlagen verwendet. Der Knopf war aus Porzellan gefertigt und lag in einem Gehäuse, in welches er leicht hineingedrückt werden konnte.

Auf die Gefahr hin, den Mann in der Höhle zu rufen, drückte Sharp einmal; ein leiser Schlag rieselte durch seine Glieder und da, wo der Knopf das Gehäuse berührte, sprang ein kleiner, weißer Funke über.

»Hagel und Gewitter,« murmelte Sharp verblüffe »das hätte ich doch nicht gedacht, daß er eine Batterie bei sich trägt. Ich habe schon manches Seltsame erlebt, aber mitten im Urwald einen elektrischen Telegraphenapparat mit sich herumzutragen, ist mir neu.«

Er teilte darauf seine Aufmerksamkeit zwischen der Umgegend und der Höhle, in welcher Deadly Dash sich befand.

Was er darin machte, wußte Sharp nicht, er hörte kein Geräusch und sah auch nichts, der Waldläufer mußte sich ganz still verhalten. Dann aber war es ihm, als ob der Boden unter ihm leise zu zittern begänne, ferner, als ob ab und zu die Wände des hohlen Baumstammes etwas erleuchtet würden, ganz wenig, blitzähnlich, und dann schlugen sogar einige Male grelle Strahlen heraus.

Sharp erschrak, das war zu auffällig.

Das schwache Leuchten konnte man für das phosphorische Glühen des faulen Holzes annehmen, aber die weißen Blitze waren unnatürlich. Er zögerte nicht, dem Manne da unten darüber Nachricht zu geben.

Der Finger druckte am Knopf, und Deadly Dash erfuhr, daß man oben die Strahlen sehen konnte.

Kaum hatte Sharp aber zu drücken aufgehört, so durchrieselte seinen Körper ein kürzeres und längeres Zucken, sein Körper war also der Apparat, auf welchen die Zeichen übertragen wurden.

Deadly Dash antwortete durch ein Verstandenzeichen, und sofort hörten die Strahlen auf; nicht einmal mehr das schwache Leuchten in der Höhlung ward sichtbar.

Sharp wunderte sich nicht so leicht über etwas, jetzt aber war er außer sich vor Staunen.

Die leise Erdbewegung hörte nicht auf, es war fast, als ob da unten eine Maschine arbeitete, oder als ob unterirdische Kräfte an der Erddecke rüttelten.

Wohl über eine Stunde lang lag Sharp so da. So sehr er sich sonst beherrschen konnte, diesmal verging er fast vor Neugierde, was Deadly Dash da unten machte, wie er es fertig bringen wollte, sich einen Weg durch den Schutt zu bahnen, und noch dazu ohne herausgearbeitete Steine aus der Höhle zu beseitigen.

Doch er erfuhr nichts, der Waldläufer ließ sich nicht erblicken, und die leichte Erschütterung währte fort, ein Zeichen, daß Deadly Dash unter der Erde emsig wie ein Maulwurf arbeitete.

Dann wurde des Detektiven Aufmerksamkeit von etwas anderem in Anspruch genommen.

Es war ihm, als hörte er gar nicht weit von sich entfernt ein Geräusch. Er strengte alle seine Sinne bis zum äußersten an, ohne etwas Genaues wahrnehmen zu können. Schon wollte er sich einreden, er habe sich getäuscht, als plötzlich zwischen den Bäumen mit geräuschlosem Schritt eine Gestalt ganz dicht neben dem Detektiven auftauchte. Der weiche Moosteppich machte ihren Schritt unhörbar, das Laub war vom Tau naß; es raschelte nicht.

Sharp zuckte zusammen, als hätte ihn die Tarantel gestochen.

Die Gestalt trug ein enganschließendes, kurzgeschürztes, graues Kleid, es war ein Weib und niemand anderes, als Miß Sarah Morgan.

In demselben Augenblick, da Sharp zu dieser Erkenntnis kam, berührte sein Finger mehrmals den Knopf, und wenn Deadly Dash auf das Zeichen achtete und sofort den Kopf zur Höhlung hinausstrecken konnte, so mußte er das Weib noch sehen, ehe es wieder im Walde verschwand.

Doch Sharp beobachtete nicht, ob dies der Fall war, seine Augen hingen nur an Miß Morgan.

Er hatte Gelegenheit, sie länger zu betrachten.

Auf der kleinen Lichtung, auf welcher der Baum stand, blieb sie plötzlich stehen, sah sich um und ging dann – dem Detektiven stockte der Atem – gerade auf den Baumstamm zu und sah in die Oeffnung hinein.

Geräuschlos zog Sharp den Revolver hervor. Wurde sein Freund entdeckt, so mußte das Weib sterben, wenn es dem aufmerksam gemachten Waldläufer nicht selbst rechtzeitig gelang, es unschädlich zu machen. Das Zittern des Bodens hatte aufgehört, also mußte jener die Warnung vernommen haben.

Miß Morgan trat zurück, besah die Gegend, ging um den Baum herum, schüttelte den Kopf und blieb wieder stehen.

Ihr Benehmen war rätselhaft. Hatte sie Argwohn geschöpft, wußte sie, daß hier ein geheimer Eingang war, oder hatte sie sich verlaufen? Was hatte sie hier zu suchen? Wie kam sie überhaupt hierher?

Teufel, schoß es dem Detektiven plötzlich durch den Kopf, sie steht mit den aufrührerischen Indianern im Bunde.

Seine Vermutung sollte sofort bestätigt werden.

Miß Morgan legte die Hände trichterförmig an den Mund und stieß das klagende Krächzen des Käuzchens mehrmals hintereinander so täuschend aus, wie es Sharp diesem Weibe nimmer zugetraut hätte. Besser hätte es kein Indianer nachahmen können. Miß Morgan mußte also recht gut mit dem Leben in der Wildnis vertraut sein.

Dann ging sie wieder nach dem hohlen Baumstamm und spähte in die Tiefe, als erwarte sie, daß dorther eine Antwort kommen würde.

Aber dieselbe erfolgte von einer anderen Seite.

In der Richtung, wo der vorhin erwähnte Felsen lag, wurden die Zweige zurückgebogen, und aus dem Busche trat ein Indianer hervor, der keinerlei Schmuck und auch keine Malerei zeigte.

Das Weib sprach mit der Rothaut in einem indianischen Dialekte, den der Detektiv leider nicht verstand. Der Indianer schüttelte lächelnd den Kopf, indem er auf den Baum deutete, der früher einen Eingang bildete, zeigte dann in der Richtung des Felsens, und beide verließen darauf die Lichtung. Der Indianer führte, Miß Morgan folgte.

Als Sharp sie nicht mehr sehen konnte, wollte er dem in der Höhlung verborgenen Waldläufer diese Nachricht zutelegraphieren, aber schon wurde sein Arm berührt, und zu seinem Erstaunen sah er Deadly Dash neben sich liegen, der unterdes herausgekrochen war und sich ihm genähert hatte, ohne daß Sharp mit seinen feinen Sinnen das Geringste davon gemerkt hatte.

Der Waldläufer war ganz mit gelbem Lehm bedeckt; nicht nur sein Anzug, sondern auch Gesicht und Hände trugen Spuren seiner unterirdischen Arbeit.

»Miß Morgan!« flüsterte Sharp. »Was in aller Welt will sie hier? Weiß sie von dem Komplott der Indianer?«

»Es scheint mir, als wäre sie sogar mit daran beteiligt,« gab der Waldläufer zurück. »Sie kann sich mit dem Indianer gut verständigen. Auf ihre Veranlassung hin sollte Miß Petersen von letzteren geraubt werden, also muß sie mit diesen Umgang pflegen.«

»Konntet Ihr verstehen, was sie zusammen sprachen?« fragte Sharp.

»Sie glaubte, dieser Baum bilde den Eingang zur Ruine. Dann aber fiel ihr ein, er gehöre zu denen, die verschüttet worden sind, und ehe sie ihr Kleid schmutzig machte rief sie einen Indianer herbei. Sie muß jedenfalls irgend eine wichtige Rolle spielen. Der Wilde war ihr gegenüber demütig.«

Der Waldläufer wickelte den grünen Draht zusammen und steckte ihn in die Tasche.

»Der Weg zum Innern der Ruine ist frei,« sagte er dann mit tiefer Stimme. »Er ist zwar nur schmal, aber er läßt mich hindurch, und so ist er auch breit genug für Euch. Seid Ihr bereit, mir zu folgen? Es kann ein gefährliches Wagestück werden.«

»Ich bleibe bei Euch, mag kommen was da will! Wie habt Ihr Euch denn aber hindurchgearbeitet? Ihr müßt ja wie ein Maulwurf mit den Händen geschaufelt haben.«

Deadly Dash war schon von Sharps Seite verschwunden, kehrte aber gleich aus einem nicht weit entfernten Dickicht zurück. Er trug einen Beutel in der Hand.

»Er enthält Pemmikan, getrocknetes Fleisch,« sagte er. »Wir müssen uns daraus gefaßt machen, einige Tage unter der Erde zu verbringen. Könnt Ihr Hunger ertragen?«

»Ich glaube ja,« lachte der Detektiv leise. »Es dauert etwas lange, ehe Nick Sharp vor Hunger umfällt.«

Er machte sich bereit, dem Waldläufer zu folgen, schnallte sich den Gürtel enger, versicherte sich, daß ihm das Messer zur Hand war, und folgte dann dem Waldläufer, der schon in der Höhlung des Baumes verschwunden war.

Der Detektiv ließ sich an den Wurzeln des Baumes hinuntergleiten, bis er festen Boden unter den Füßen fühlte.

Unten herrschte natürlich vollkommene Dunkelheit, welche der Waldläufer auch nicht, wie vorhin, erhellte.

»Jetzt haltet Euch immer dicht auf meinen Fersen!« flüsterte dieser. »Fühlt meinen Stiefel, der Weg ist krumm!«

Nick Sharp hörte ein schlürfendes Geräusch, als ob Kleider sich an Steinen rieben, dann war der Waldläufer verschwunden, doch konnte er noch dessen Stiefel fühlen. Also war er in ein Loch gekrochen. Nick Sharp bückte sich und folgte.

Das war ein mühsamer Weg. Man konnte sich nur dadurch fortbewegen, daß man sich mit den Händen an die Seite der Höhlung stemmte und sich so fortschob; an ein Aufrichten war gar nicht zu denken; man mußte glatt auf dem Bauche liegen bleiben.

Dem Detektiven war es unerklärlich, wie sich der Waldläufer hier hatte einwühlen können, dieser Tunnel mußte schon teilweise beim Verschütten der Höhle entstanden sein. Deadly Dash hatte nur etwas nachgeholfen und die Haupthindernisse aus dem Wege und zur Seite geräumt.

Der Weg führte bergauf, was noch hinderlicher war. Sharp wußte nicht, wie weit er so kroch, aber zwanzig Meter schätzte er die Strecke doch. Dann fühlte er den Stiefel nicht mehr, und gleich darauf nahm er wahr, daß sich vor ihm jäh eine Tiefe öffnete.

»Faßt meine Hände!« rief ihm der Waldläufer zu. »So! Nun laßt Euch fallen!«

Sharp schwang sich, von Deadly Dash gestützt, leicht herab und stand auf ebener Erde.

Undurchdringliche Nacht umgab sie, in welcher auch Sharps sonst so scharfe, in der Finsternis sehenden Augen versagten. In einem Raume, in welchen nie die Sonne scheint, kann auch der Mensch oder das Tier, welches sonst während der Nacht im Freien alles sieht, nicht einen Fuß weit sehen. Das Sehvermögen in der Nacht kommt nur daher, daß das Auge empfänglich für Lichtstrahlen ist; bekanntlich saugt jeder Gegenstand das Licht der Sonne am Tage ein und strahlt es in der Nacht wieder aus. Einige Steine tun dies in ganz besonderem Grade, ebenso die Augen einiger Geschöpfe, besonders die der Nachtraubtiere, und diese besitzen dann die erwähnte Eigenschaft.

Hier aber umgab die Männer undurchdringliche Finsternis. Sie konnten die Hand nicht vor den Augen erkennen.

Der Waldläufer hatte sich niedergelegt und das Ohr auf den Boden gedrückt.

»Ich muß es wagen, einmal den Gang zu beleuchten,« sagte er dann, sich aufrichtend, »wir können sonst nicht weiter vordringen, wir verirren uns.«

Noch hatte er den Satz nicht beendet, als plötzlich ein langer, weißer Lichtstrahl von seiner Brust zuckte und den ganzen Gang für einen Moment grell erleuchtete blitzähnlich, aber doch genügend, um alles deutlich erkennen zu lassen.

Sie befanden sich in einem hohen und breiten Gange, dessen Decke hier und da von steinernen Säulen gestützt wurde. Er war schön gebaut, und die Wölbung der Säulen verriet einen kunstsinnigen Baumeister!

Gleichzeitig hatten sie auch gemerkt, daß sich an der Seite des Ganges nicht nur eine Menge von Türen befand, sondern auch eine große Anzahl von ausgemauerten Löchern, wahrscheinlich Eingänge zu anderen Tunneln, aber schmal und niedrig.

»Es gibt Verstecke genug,« flüsterte der Waldläufer, »um uns verbergen zu können. Sind wir in solch einem Gange, so können wir nötigenfalls uns alle Indianer vom Leibe halten, und seien es Tausende. Merkt Euch die Richtung, daß Ihr Euch auch ohne mich nach dem Ausgang zurückfinden könnt. Nun wollen wir die Wanderung beginnen!«

Jetzt brauchten die beiden Männer kein Licht mehr. Schnell, aber vorsichtig schritten sie geradeaus, ohne sich auch nur an die Säulen zu stoßen oder sich einmal in der Richtung zu irren.

Sie wußten, daß sie wenigstens dreihundert Meter gehen mußten, ehe sie dorthin kamen, wo der Gang durch eine Mauer versperrt zu sein schien, und so konnten sie jetzt ohne Zögern geradeaus gehen.

Nick Sharp hörte, wie der Waldläufer leise die Schritte zählte. So war ein Irrtum nicht möglich.

Sie hatten wohl schon zweihundert Meter zurückgelegt, als Deadly Dash plötzlich stehen blieb und den Detektiven am Arme packte. An beider Ohren schlug das Summen von Stimmen, fast wie das Murmeln anzuhören, das von einer aufgeregten Volksmasse erzeugt wird.


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