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38.

Richter Lynch.

Der erste, der sich von diesem verschiedenartig gesteigerten Erstaunen erholte, war Deadly Dash.

»Ich vermute, Fremder, daß Ihr mich nicht betrogen habt,« sagte er zu Chalmers, »sonst wäret Ihr und die Fischer über die leere Höhle nicht so erschrocken. Wißt Ihr, wo die Frauen geblieben sind? Sprecht schnell!«

»Ich weiß nicht,« stammelte Chalmers. »Ihr Verschwinden ist mir rätselhaft.«

Das Gewölbe wurde vom Tageslicht vollkommen erleuchtet, aber man sah keinen zweiten Ausgang. Ringsum wurde es von Steinmauern eingeschlossen.

Deadly Dash und Charly stiegen in das Grab und untersuchten die Mauern, während Stahlherz und Lizzard die Fischer bewachten, welche jetzt als Gefangene betrachtet wurden. Auch Chalmers' stand schußbereit da, aber die angsterfüllten Verbrecher dachten an keinen Fluchtversuch.

Es war merkwürdig, auf wie verschiedene Weise die beiden scharfsichtigen Waldläufer die Wände untersuchten.

Charly stemmte sich hier und da mit seinen riesigen Schultern dagegen, als wolle er sie zur Seite drücken, klopfte mit dem Messergriff an die Steine und betrachtete jede kleine Stelle aufmerksam, um eine Fuge zu entdecken.

Ganz anders ging Deadly Dash vor.

Er schob weder noch klopfte er. Er begnügte sich allein damit, die Hand langsam tastend über die Steinquadern gleiten zu lassen. Zoll für Zoll untersuchte er auf diese Weise. Die Finger glitten prüfend an den rauhen Wänden herum und kehrten oft auf ein und denselben Block zurück. Plötzlich leuchtete sein Auge auf. Die Hand blieb lange auf einer Stelle liegen, und die Fingerspitzen fühlten prüfend an einem kleinen Gegenstand herum.

Er wandte den Kopf nach Charly und sah, wie dieser in einer Ecke abermals die Schultern gegen die Wand stemmte.

»Laßt es gut sein, Charly!« sagte er jetzt gelassen. »Geht hinaus und laßt den Ruf erschallen. Die Unsrigen werden sich wundern, daß wir sie so lange warten lassen.«

Charly hatte in den wenigen Tagen, während welcher er mit Deadly Dash durch den Wald marschiert und von den Apachen bald dahin, bald dorthin gejagt worden war einen gewaltigen Respekt vor demselben bekommen. Anfangs wurde er unwillig, als Deadly Dash sofort die Führung des Zuges ergriff, dann aber mußte er zugeben, daß der Waldläufer ihm in jeder Weise überlegen war. Hatte doch schon der Pferderaub genügend gezeigt, daß derselbe es an Schlauheit und Behendigkeit mit jedem Indianer aufnahm.

Während der zweitägigen Verfolgung durch die Apachen hatte Deadly Dash Erstaunliches geleistet. Alle Trapper und Waldläufer, die sonst niemandem gehorchten, folgten ihm jetzt aufs Wort.

So ließ auch Charly sofort in seinen anstrengenden Bemühungen nach und begab sich aus dem Gewölbe ins Freie, Deadly Dash allein zurücklassend.

Draußen wurden die Fischer noch immer von Stahlherz und Chalmers scharf bewacht. Jede Bewegung war ihnen bei Todesstrafe verboten, und auch Lizzard ließ bei dem geringsten Zucken einer Hand ein drohendes Knurren vernehmen.

Die Fischer fügten sich vorläufig in ihr Schicksal. Eine Flucht war jetzt noch nicht möglich.

Der heraustretende Charly legte die Hände trichterförmig an den Mund und stieß den scharfen, mißtönenden Ruf des Geiers aus, wenn er Beute wittert, dreimal hintereinander, und gleich darauf ertönte in weiter Entfernung dasselbe Signal.

»Also ihr seid es, welche die Apachen auf die Mädchen gehetzt haben,« sagte Charly zu den Fischern. Er wußte aus den Erzählungen ihrer Schützlinge genug davon. »Der Spaß soll euch teuer zu stehen kommen. Das Blut, welches unschuldig geflossen ist, will ich doppelt und dreifach aus euch herauszapfen. Ihr seid nichts anderes wert.«

Der Waldläufer schien im Ernst zu sprechen. Auch in der Wildnis gibt es Gerechtigkeit. Da heißt es noch: Blut um Blut, Auge um Auge, Zahn um Zahn, und zwar nicht nur bildlich, sondern die Vergeltung wird in Wirklichkeit und auf der Stelle ausgeführt. Mag der Mann der Wildnis auch nicht grausam sein; mit dem Gerechtigkeitsgefühl erstickt er jede milde Regung. Seiner eigenen Sicherheit wegen muß er ein strenger Richter sein.

Durch einen der Hohlwege bewegte sich ein langer Zug von Menschen. Zwischen ihnen wurden einige Bahren getragen, auf denen Gestalten lagen, und wieder erfaßte die Fischer namenloses Entsetzen, als sie unter den Herankommenden eben die Mädchen erkannten, welche sie vorher eingeschlossen hatten.

Doch nein. Bald erkannten sie ihren Irrtum. Es waren andere Mädchen in Männerkleidung, der Rest der ›Vesta‹-Besatzung. So hatte der weiße Wolf also auch keinen besseren Erfolg gehabt als sie, seine Opfer waren ihm entgangen.

Aber es war ihnen doch übel mitgespielt worden.

Die Apachen hatten ihre Büchsen und Pfeile nicht immer vergeblich abgeschossen. Drei von den Mädchen mußten getragen werden, so schlimm waren sie verwundet worden, und Verbände trugen auch alle anderen. Auch zwei Männer lagen auf Bahren, und der eine, ein Fallensteller, war so zugerichtet, daß er nie wieder den Gebrauch seines Beines erlangen konnte – der Schenkelknochen war zerschmettert. Das Bein mußte abgenommen werden, hatte Deadly Dash erklärt, sonst wäre der Tod unvermeidlich. Aber der Mann, wie auch seine Genossen waren dagegen, er wollte lieber sterben, als mit einem Beine untätig in der Hütte liegen müssen.

Was war ihm das Leben noch, wenn er nicht mehr durch den grünen Wald schweifen konnte!

Der Zug näherte sich der Stelle, wo die Fischer gefangen gehalten wurden. Charly lief ihm entgegen und erzählte schnell, was sich hier unterdes zugetragen hatte, daß ihre Freundinnen gefunden seien, hier sein müßten, aber einen geheimen Ausgang aus der Höhle benutzt hätten. Jedenfalls seien sie in Sicherheit, und Deadly Dash suche bereits nach dem Schlüssel zu dem Geheimnis, er, Charly, kalkuliere, er würde ihn bald gefunden haben.

Dann schloß Charly mit einigen zornigen Flüchen auf die Fischer, sie sollten ihren Lohn sofort bekommen.

»Wer ist der Mann dort? Es ist kein Fischer,« sagte ein auf einer Bahre liegendes, bleiches Mädchen. Es war Miß Thomson, welche einen Schuß durch die Schulter bekommen hatte, und von Blutverlust so erschöpft war, daß sie nicht mehr gehen konnte.

Betty deutete dabei auf Chalmers, der die Fischer ganz vergessen und nur Augen für die Ankommenden hatte, während Stahlherz unverwandt die Gefangenen beobachtete.

»Das ist der Mann, dem wir es zu danken haben, daß wir von der Anwesenheit der Mädchen hier erfuhren,« entgegnete Charly. »Er hat die Fischer bei ihrer verbrecherischen Handlung wahrscheinlich beobachtet und sie an uns verraten, so daß wir Eure Freundinnen befreien wollten. Wie ich Euch erzählte, waren sie aber schon weg. Nun, wir werden sie wohl noch wiederfinden, aus der Welt können sie nicht sein. Er ist ein braver Kerl, der gibt es den Fischern ordentlich, wenn sie nur mucksen.«

Betty betrachtete den Gelobten aufmerksam, die Entfernung war noch zu groß, um ihn ordentlich erkennen zu können, kaum aber war sie nahe genug herangekommen, als sie laut aufschrie:

»Chalmers, der Straßenprediger! Fangt ihn Leute, er ist einer von denen, denen wir alles Unglück verdanken. Er spielt eine doppelte Rolle, laßt ihn nicht entkommen.«

Die Trapper brauchten keine lange Erklärung, sie hatten den Sinn dieser Worte sofort erfaßt; es war oft genug über den Schurken gesprochen worden. Auch die anderen Mädchen hatten ihn erkannt, sie stürzten auf Chalmers zu, welcher wirklich eine Bewegung machte, als wolle er entfliehen. Er drehte sich aber nur um, um seine Bestürzung zu verbergen; doch noch vor den Mädchen erreichten ihn die schnellfüßigen Männer.

Im Nu war er umringt, und Joker, der Cowboy, schnürte ihm mit einem Lasso die Arme zusammen.

Diesen Augenblick der Verwirrung hatte Frankos zur Flucht benutzen wollen; aber wenn auch Stahlherz nicht aufgepaßt hätte, Lizzard war doch gleich hinter ihm her, sprang ihn an und warf ihn zu Boden.

Ohne ein Wort zu sprechen, löste Stahlherz einige Lederschnuren von dem Gürtel ab und band Frankos an Händen und Füßen. Die Fischer wußten jetzt, was ihr Schicksal war, wenn auch sie Neigung zur Flucht zeigten.

Stahlherz hob den Gebundenen auf und trug ihn zu der Gruppe der Fischer zurück.

Charly war an Chalmers herangetreten.

»So bist du also auch ein Spitzbube?« sagte er in drohendem Tone. »Sprich, kannst du dich gegen die Anklage verteidigen, welche diese Damen gegen dich erheben?«

Mit glanzlosen Augen schaute Chalmers die Verwundete an. Er fand nicht gleich eine Antwort. Er sah sich erkannt, verraten. Diese Mädchen wußten, daß er in New York Straßenprediger gewesen war, und auch, daß er zu denen gehörte, welche in den Besitz der Reichtümer der Vestalinnen zu kommen suchten und selbst den Mord nicht gescheut hatten.

»Bin ich es nicht gewesen, der Euch gesagt hat, daß die Gefangenen hier sind?« sagte er leise.

»Nichts da,« rief aber Frankos, der jetzt alle Hoffnung auf die eigene Rettung schwinden ließ, aber wenigstens den Verräter nicht entkommen lassen wollte. »Gerade er hat uns vorgeschlagen, die Mädchen einzumauern. Er hauptsächlich wollte, daß die Mädchen sobald wie möglich sterben sollten; er wollte sie schon immer unterwegs erschießen, und nur aus Angst, daß unsere Tat doch von den beiden Waldläufern entdeckt werden könne, hat er uns verraten. Er will sich weißwaschen, aber traut ihm nicht, er ist ein größerer Spitzbube als wir alle zusammen, und seine Freunde, die er Kirkholm und Spurgeon nennt, gleichen ihm.«

Die Trapper glaubten diese teils wahren, teils erlogenen Worte um so mehr, als die Damen ihnen bestätigten, daß Chalmers mit zu einer Bande von Verbrechern gehörte. Miß Thomson hatte es ja aus Spurgeons und Kirkholms Munde mit eigenen Ohren gehört, daß Chalmers mit ihnen zusammen operierte.

Aber derselbe war von jeher ein raffinierter schauspielerhafter Schwindler gewesen. Wer jahrelang ganz New York durch seine Predigten in Aufregung setzen konnte, wer von seinen Anhängern fast für einen Heiligen gehalten wurde und doch dabei das unmoralischste, gottloseste Leben führte, ohne daß es ihm anzusehen oder anzumerken war, wer also so ungeheuer lügen konnte, wie leicht war es einem solchen Menschen, sich im letzten Augenblick unschuldig zu stellen und sich als Retter in der Not aufzuspielen, wenn es sein eigenes Leben zu schützen galt!

»Hängt ihn!« rief Joker. »Hängt alle zusammen auf, aber gleich!« ertönte es im Chor der Trapper nach.

»Wo ist Deadly Dash?«

Er war nicht unter dem Trupp, aber auch nicht im Gewölbe zu sehen.

»Er ist weitergegangen, um von einer anderen Seite den Ausgang des Grabes zu suchen,« meinte Charly.

» Never mind,« rief Joker, »wir brauchen ihn nicht beim Hängen. Dieser Waldläufer hat überhaupt mancherlei seltsame Ansichten, die nicht für Leute unseres Schlags passen. Hängt sie auf, sage ich, möglichst hoch und an dicken Stricken!«

»Zieht auf!« rief Charly.

Die Trapper brauchten nicht einmal dazu aufgefordert zu werden, ihr Entschluß stand schon fest. Die letzten Kämpfe mit den Indianern hatten ihr Blut heiß gemacht. Sie haßten alles, was ihnen feindlich war, und jemanden aufzuhängen, war ihnen jetzt ein Vergnügen.

»Kennst du den Richter Lynch, heh?« schrie Joker Chalmers an. »Komm, mein Püppchen, sollst ihn kennen lernen; er hat schon lange auf dich gewartet.«

Das Lynchen ist eine Art von Volksjustiz, welche in Nordamerika da angewendet wird, wo wegen ungenügender, zu langsamer oder bestechlicher Polizei Verbrechen nicht geahndet werden. Die eigenmächtigen Richter verhängen über den auf frischer Tat Ertappten körperliche Züchtigungen oder selbst den Tod, aber auch grausame Ausschreitungen kommen vor, so zum Beispiel das »Federn«. Der Delinquent wird auf dem bloßen Leib mit Teer beschmiert, in Federn gewälzt und dann laufen gelassen; im schlimmsten Falle jagt man ihn dann noch wie ein Wild mit Hunden. Die Lynchjustiz ist in einigen, wenig zivilisierten Gegenden Amerikas sehr angebracht, denn der Arm der Gerechtigkeit reicht nicht bis dorthin, und Pferdediebe, Straßenräuber, Mädchenschänder und so weiter würden sich bald ins Ungeheuerliche vermehren, wenn das Volk nicht selbst sofortige Gerechtigkeit ausübte. Der Name kommt von John Lynch, der gegen Ende des 17. Jahrhunderts zum ersten Male auf solche Weise Leute bestrafte, welche entlaufene Sklaven versteckten.

Joker warf den schmächtigen Mann über seine breite Schulter und eilte dorthin, wo einige Bäume standen, ein Zeichen, vor welch langer Zeit dieser Tempel schon zerstört worden sein mußte.

Die übrigen machten es ebenso mit den Fischern und fanden nur wenig Widerstand. Im Nu waren die Männer gebunden und wurden dem vorausgeeilten Joker nachgetrieben oder, wenn sie nicht gehen wollten, einfach hingetragen. Mit Schlagen hielt man sich nicht auf.

Nur Stahlherz blieb nach wie vor ruhig neben der Graböffnung hocken und blickte gedankenvoll vor sich hin.

Ehe die Mädchen den Männern folgten, um der Exekution beizuwohnen, traten sie auf Stahlherz zu und fragten ihn, ob er wüßte, wo die Mädchen geblieben seien.

»Deadly Dash sucht sie,« war die kurze Antwort.

»Wo ist Dein Freund?«

»Stahlherz weiß es nicht.«

»Hat er das Gewölbe verlassen?«

»Nein, niemand ist herausgekommen. Wenn er nicht mehr in der Höhle ist, so ist er eben da, wo auch die weißen Mädchen sind. Er wird wiederkommen und sie bringen.«

Stahlherz sprach diese Worte mit einer solchen Ueberzeugung aus, daß die Mädchen nicht zweifelten. Sie untersuchten selbst einmal flüchtig das Gewölbe, ohne aber die Spur eines zweiten Ausganges entdecken zu können.

Eine unaussprechliche Freude erfüllte ihr Herz, daß sie hier die Freundinnen wiedertreffen sollten, nur das beunruhigte sie, daß sie nur von neun Mädchen hatten sprechen hören, die eingeschlossen worden waren.

Wo waren die anderen zwei, wer waren diese? Nun, sie würden dies schon erfahren. Aber ja, Chalmers oder die Fischer konnten ihnen darüber Auskunft geben, ehe die Exekution ausgeführt ward.

Sie eilten nach den Bäumen, an denen die Trapper elf Schlingen befestigt hatten. Zwei Lassos waren vorhanden, und da diese nicht ausreichten, wurden Stricke und Schnüre herangeholt, auch die Gürtel müßten herhalten, sie wurden zusammengebunden, und die elf Schlingen waren hergestellt. Nur kurzen Prozeß mit solchen Halunken gemacht, dachten die Trapper, auf frischer Tat ertappen und bestrafen, war bei ihnen eins.

»Halt,« rief Miß Sargent, welche am wenigsten verletzt war, »wir müssen diese Leute erst verhören!«

»Verhören? Wozu?«

Chalmers und Frankos waren nicht zum Sprechen zu bringen, aber die anderen Fischer legten gern ein offenes Geständnis ab. Mit Schrecken erfuhren die Mädchen, daß Jessy bestimmt, Ellen wahrscheinlich ihren Tod gefunden habe.

»Jetzt ist es genug,« sagte Charly, »Richter Lynch kann nicht länger warten. Auf, Burschen, legt ihnen die Schlingen um den Hals und dann hoch mit ihnen!«

Mit zusammengekniffenen Lippen ließ sich Chalmers ruhig die Schlinge umlegen. Er wehrte sich nicht, sein Gesicht zeigte keine Spur von Angst, und keine Muskel zuckte.

Miß Nikkerson war mit einigen Mädchen auf ihn zugetreten. Ein augenblickliches Mitleid stieg in ihren Herzen auf, als sie den Mann, der ein naher Verwandter einer ihrer Freundinnen war, der eine gute Erziehung genossen hatte, und den sie einst in anderen Verhältnissen gesehen, mit dem Strick um den Hals stehen sahen.

Wer hätte geahnt, daß der Straßenprediger von New York einst am Galgen enden sollte, eines schauderhaften Verbrechens überführt, von eigenmächtigen Richtern ohne Verhör gehenkt.

»Mister Chalmers,« fügte Miß Nikkerson leise zu ihm, »fühlen Sie keine Reue, daß Sie uns und alle Welt so schmählich hintergangen haben? Fürchten Sie sich nicht, in wenigen Minuten vor den da oben zu treten, den Sie ihr ganzes Leben verhöhnt und verspottet haben, so entsetzlich, daß mich schaudert, wenn ich daran denke?«

Zum ersten Male ging ein Zucken über das bleiche Gesicht, langsam wendete Chalmers seinen Kopf nach der Sprecherin.

»Warum erinnern Sie mich noch im Sterben an meine Schandtaten?« entgegnete er dumpf. »Bin ich noch nicht genug bestraft, daß ich dafür gehenkt werde?«

Die Mädchen wunderten sich über diese Sprechweise.

»So bereuen Sie Ihr früheres Leben?«

»Ja, ich bereue es und sühne es mit meinem Tode. Ich sterbe ruhig, ich jammere und klage nicht, wie diese dort, weil ich weiß, daß mich dort, wohin ich komme, nicht solche Qualen erwarten können, wie ich sie hier auf der Erde ertragen hatte.«

Immer erstaunter wurden die Mädchen. Jetzt, seitdem sie Chalmers in seiner wahren Gestalt kannten, hätten sie nicht solche Worte aus seinem Munde zu vernehmen erwartet. Oder spielte er noch im Sterben seine angenommene Rolle weiter? Das wäre mehr als Mut und Festigkeit, das wäre Wahnsinn gewesen.

Die übrigen hingen schon an den Bäumen hoch in der Luft, ein wenig Zappeln, noch ein Greifen mit den Händen, und es war vorbei. Die zwei Männer, welche Chalmers hängen wollten, zögerten noch, weil sich die Damen mit ihm unterhielten.

»Zieht auf.« rief Charly ihnen zu, »was zögert ihr noch?«

Die Männer machten sich bereit, der Aufforderung nachzukommen, sie ergriffen den über den Ast geworfenen Strick.

Noch einmal, ehe die Schlinge ihm die Luft wegnahm, öffnete Chalmers den Mund, und auf eine energische Handbewegung von Miß Sargent ließen die Männer den Strick wieder nach.

»Noch eins möchte ich sagen, ehe ich sterbe,« begann Chalmers mit tonloser Stimme, »Wenn es nicht frevelhaft und lächerlich von mir wäre, wenn ich bei Gott schwöre, so möchte ich meinem Worte durch einen Schwur Nachdruck geben. Aber es glaubt mir doch niemand, wenn ich auch schwöre, nachdem ich erkannt worden bin.«

»Fassen Sie sich kurz!«

»Es war meine Absicht, die elf Mädchen zu retten, und als dann zwei entflohen waren, die übrigen neun,« sagte Chalmers mit erhobener, fester Stimme, »ich wollte sie in dem Grabe von den Fischern verschütten lassen, mit den Leuten fortgehen, dann aber wieder umkehren und sie befreien.«

Charly, welcher dieser letzten Rede beigewohnt hatte, brach in ein lautes Gelächter aus, und auch die Damen zweifelten alle an der Wahrheit dieser Beteuerung. Chalmers war zu tief gesunken. Er versuchte noch in der letzten Minute, sich vom Stricke zu retten. Wodurch wäre bei ihm dann diese plötzliche Sinnesänderung bewirkt worden?

»Das sind Ausreden,« lachte Charly aus vollem Halse, »zieht an, Jungens!«

»Ich wußte es,« sagte Chalmers noch, dann legte sich die Schlinge wieder fest um die Kehle, die Worte erstickend. Die Männer ergriffen das Tau und begannen langsam zu ziehen, damit der schwache Strick nicht reiße.

Chalmers verlor den Boden unter den Füßen.

»Los den Strick!« donnerte da eine Stimme, das Seil wurde den Männern aus der Hand gerissen, und der Gehängte, noch bei Bewußtsein, fiel in die Arme von Deadly Dash.

»Hallo, was soll das heißen?« rief Charly verblüfft. »Soll der Spitzbube nicht hängen?«

»Nein, Ihr habt voreilig gehandelt. Ist er auch nicht unschuldig, seine letzte Aussage, die ich hörte, beruht auf Wahrheit.«

»Wer kann das beweisen?«

»Diese da,« sagte Deadly Dash, mit der Hand zurückweisend.

Alle Mädchen wandten sich der Richtung zu und lagen im nächsten Augenblick in den Armen der Freundinnen, unter Tränen Küsse mit ihnen tauschend.

»Ellen, Sie leben noch!« riefen die Mädchen und umringten die Totgeglaubte.

Doch jetzt war keine Zeit zum Erzählen, das konnte später geschehen. Nur so viel erfuhr man, daß auch Jessy am Leben sei. Man trat zu der Gruppe, die sich um Chalmers gebildet hatte.

»Ihr habt nicht recht gehandelt, Charly,« meinte Deadly Dash mißbilligend, »daß Ihr alle habt hängen lassen, ohne vorher ein Verhör anzustellen.«

»Ihr scheint Richter Lynch nicht zu kennen,« war die etwas scharfe Antwort, »er fragt nicht lange, sondern handelt, und das aus gutem Grunde.«

»Ich bin kein Freund des Lynchverfahrens; zu oft kommen Ungerechtigkeiten dabei vor.«

»Bester, unter zehn wird ein Unschuldiger gehängt, als daß einer von den Schuldigen entkommt und weiteres Unheil anstiftet.«

Deadly Dash behielt bei diesem kleinen Wortwechsel seine Ruhe, Charly dagegen wurde immer ausfälliger, sein Ton nahm eine beleidigende Schärfe an.

»Dann wünsche ich Euch, daß nicht Ihr einmal vom Richter Lynch unschuldig verurteilt werdet, aber klagen dürft Ihr dann nicht, wenn Ihr in der Luft baumelt,« lächelte jetzt Deadly Dash.

Charly ging sofort auf diese humoristische Wendung des ernst zu verlaufen drohenden Gespräches ein.

»So ist es recht, gebt es mir ordentlich'«lachte er und streckte Deadly Dash die Hand entgegen, der sie ergriff und schüttelte. »Nichts für ungut, wir wollen uns wegen dieser Schufte nicht streiten. Mag sein, ich oder wir alle haben etwas vorschnell gehandelt, aber ein schnelles Hängen ist, weiß Gott, manchmal nötig, die Schurken schlüpfen einem oft wie Aale durch die Finger, wenn man sie nicht sofort aufknüpft.«

Der Streit war beigelegt.

»Also dieser Gentleman ist wirklich unschuldig?« fuhr Charly fort. »Dann hätte ich allerdings einen dummen Streich gemacht, der mir schwer auf dem Gewissen gelegen hätte.«

»Ich sagte schon vorhin, daß er nicht unschuldig ist,« entgegnete Deadly Dash, »aber wahr ist, daß er die Absicht gehabt hat, die Gefangenen zu befreien. Miß Chalmers,« wandte er sich an das betreffende Mädchen. »Nicht wahr, so ist Ihr Name? Bitte, wiederholen Sie das, was Sie und Ihre Gefährtinnen mir vorhin mitgeteilt haben.«

Mit Freuden übernahm das junge Mädchen die Aufgabe, das Leben des Verwandten durch ihre Aussage zu retten. Sie erzählte, wodurch sie zu der festen Ueberzeugung gekommen sei, daß Chalmers ihnen beistehen wollte, wie er Frankos zu töten versucht habe, aber wegen der zurückkehrenden Fischer seinen Vorsatz nicht ausführen konnte, wie er ihr, als er das flehende Mädchen hart zur Seite schleuderte, durch einen leisen Händedruck ein verständliches Zeichen gegeben habe, und so weiter, und die übrigen Mädchen, auch Ellen, bestätigten diese Aussagen. Alle waren der Meinung, daß Chalmers die Absicht gehabt hätte, die Mädchen erst einschließen zu lassen, dann aber zu befreien.

Sein Leben war gerettet.

»Nun zu Ihnen,« sagte hierauf Deadly Dash und trat zu dem Befreiten. »Geben Sie offene Antwort, es soll Ihnen nicht ein Haar gekrümmt werden, wenn wir sehen, daß Sie auch noch fernerhin für die Rettung dieser Damen tätig sein wollen. Gehören Sie mit zu jener Bande von Verbrechern, welche es sich zur Aufgabe gemacht haben, durch Tötung oder Beseitigung der Vestalinnen in den Besitz von deren Vermögen zu kommen?«

Lange blieb Chalmers die Antwort schuldig. Er blickte starr in das edle, schöne Gesicht des Waldläufers, in die treuen, blauen Augen; er hörte die eben gesprochenen Worte noch in seinem Ohre klingen und wußte, daß er hier keinen gewöhnlichen Menschen vor sich hatte. Mochte sich dieser Mann auch als Waldläufer ausgeben, Chalmers hielt ihn für etwas ganz anderes, oder aber, er hatte eine gute Erziehung genossen und war aus Lust zu einem freien Leben ein Bewohner des Waldes geworden. Diesem Manne wollte er Rede stehen, mochte es kommen, wie es wollte.

»Ja, ich gehörte zu jenen, ich nannte sie meine Freunde,« entgegnete er mit fester Stimme.

Ein unwilliges Gemurmel erhob sich. Schon machte jemand wieder den Vorschlag, ihn zu hängen, aber Deadly Dash gebot Ruhe.

»Sie sprechen, als wären jene nicht mehr Ihre Freunde,« fuhr er fort. »Seit wann haben Sie Ihren Entschluß, die Damen aus der Welt zu schaffen, geändert und stehen auf deren Seite?«

»Seit vorgestern abend,« war die Antwort.

»Ich verstehe Sie nicht.«

Doch Chalmers erklärte sich auch nicht näher.

»Wodurch kam es, daß Ihre Gesinnung plötzlich eine Aenderung erfuhr?« fragte Deadly Dash. »Waren Sie mit Ihren Freunden in Streit geraten? Glaubten Sie, Sie würden von ihnen um den Gewinn betrogen werden, oder was sonst?«

Chalmers schien nicht gewillt zu sein, aus diese Fragen einzugehen; wie träumend blickte er vor sich hin.

»Ich muß diese Frage beantwortet haben.«

»Es war etwas ganz anderes,« sagte Chalmers endlich. »Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen werden, wenn ich Ihnen nur andeute, daß es Augenblicke gibt, in welchen ein schlechter Mensch aus einem langen Traume zu erwachen glaubt und sein vergangenes Leben in erschreckender Nacktheit erblickt. Dann kommt er sich mit einem Male so erbärmlich vor, er ekelt sich vor sich selber, daß er sagt: entweder es wird anders, oder du greifst zum Selbstmord, Es ist hier nicht der Platz, darüber zu sprechen, man versteht mich nicht.«

Hatten ihn die übrigen Trapper vielleicht auch nicht verstanden, so doch Deadly Dash und die Mädchen.

»O doch, ich habe Sie verstanden,« rief der Waldläufer schnell. »Ich will diesen Punkt nicht weiter berühren. Nun aber sprechen Sie: Wollen Sie fernerhin noch für die Rettung dieser Damen, welche noch lange nicht allen Gefahren entgangen sind, tätig sein? Nur dadurch können Sie das wieder gutmachen, was Sie früher an ihnen gesündigt haben.«

»Ich will!« rief Chalmers feierlich und legte die Hand aufs Herz. »Was man auch von mir fordert, ich werde es tun. Ich will gern mein Herzblut hingeben, wenn ich den Damen, welche ich früher gehaßt habe, damit nützlich sein kann, und ihre Feinde sollen von jetzt ab auch meine Feinde sein. Kann ich auch meinen ehrlichen Namen nimmermehr wiedererhalten, was frage ich darnach? Die Qualen, welche mich bis jetzt im Innersten verzehrt haben, verlassen mich wenigstens, schon fühle ich es, und darnach nur geht mein Streben.«

»Es ist gut,« sagte Deadly Dash, »Sie sind einer der Unsrigen, ich traue Ihnen. Wir werden nachher noch darüber sprechen, inwiefern Sie den Damen nützlich sein können.«

Chalmers verließ sofort die Gesellschaft und trat abseits zwischen den Steinhaufen. Anfangs wurde er von einigen Trappern, die an seiner Redlichkeit noch zweifelten, mißtrauisch beobachtet; als sie den bleichen Mann aber immer regungslos auf einem Steinblock sitzen sahen, den Kopf in beide Hände gestützt und in Gedanken versunken vor sich hinstarrend, überließen sie ihn seinem Grübeln.

Die Mädchen erzählten sich gegenseitig ihr Schicksal, und das interessanteste war das Ellens.

Doch das Mädchen verschwieg viel. Sie sagte, in diesen Mauern hausten Indianer. Eine Indianerin habe sie und Jessy im Walde gefunden, die Kranke nach den Ruinen bringen lassen, und Jessy befände sich jetzt hier in Pflege.

Durch eine Oeffnung, welche sich oben in der Terrasse befand, von unten aber viel kleiner aussah, hätten sie die Einmauerung der Freundinnen mit angesehen, und die Indianer zeigten ihnen dann einen geheimen Gang, welcher in das Grabgewölbe führte.

Auf diese Weise seien die neun Mädchen und Pueblo aus dem Grabgewölbe verschwunden, was den Fischern solchen Schreck eingejagt hatte und Chalmers zum Verrat brachte.

Deadly Dash hatte den verschiebbaren Stein gefunden. Ein einfacher, aber doch sinnreicher Mechanismus rückte ihn aus den Fugen, und in dem geräumigen Gange erblickte er die Befreiten, sowie Ellen, aber nicht die Indianer, welche sich auch den anderen Mädchen nicht gezeigt hatten.

Ellen wurde von ihren Freundinnen gefragt, wer diese Indianer seien, die hier wohnten, ob sie das braune Mädchen nicht sehen könnten, welche wie ein Schutzengel über ihr gewacht habe, aber zu ihrer Betrübnis befriedigte Ellen ihre Neugier nicht.

»Ich habe der Indianerin fest versprechen müssen,« entgegnete Ellen, »nichts über sie, noch über die anderen, welche hier wohnen, zu verraten, mich nicht die Zugänge zu ihrer Behausung, durch welchen ich zu ihnen gelangt bin. Von dem Gange, welche vorhin die Eingemauerten als Versteck benützten, führen mehrere Kammern ab, ehemalige Begräbnisplätze, und in denen können wir uns häuslich einrichten, bis unsere Freundinnen so weit hergestellt sind, daß sie die Reise nach der Küste aushalten können. Jetzt ist nicht daran zu denken, diese Reise könnte den Tod für sie bedeuten. Jessy ist vollkommen transportunfähig, und Ruhe tut uns allen gut.«

»Gibt es noch einen anderen Zugang zu diesem Gewölbe?« fragte Deadly Dash. »Der Weg durch die Steine ist sehr beschwerlich, die Tragen können gar nicht hindurchgebracht werden.«

»Allerdings gibt es noch einen anderen, bequemeren, die Indianerin hat ihn mir bereits gezeigt, und wir werden ihn benützen. Die Trapper können durch Erlegung von Wild für unseren Unterhalt sorgen, wenn sie dazu geneigt sind. Sonst hat auch Waldblüte, das ist der Name meiner neuen, roten Freundin, uns ihre Hilfe zugesagt. Aber noch einmal, Fragen über die Bewohner dieser Ruinen dürfen weder ich noch Jessy beantworten. Wir finden diese in einem der Gewölbe, schon auf uns wartend.«

Die Trapper waren einverstanden, bei den Mädchen zu bleiben, bis die Kranken genesen waren. Auch ihre Gefährten und die eigenen Wunden bedurften der Ruhe und Pflege.

Die Tragen wurden wieder aufgenommen, und der Zug setzte sich unter Ellens Führung in Bewegung.

Der Weg führte zwischen verschütteten Steinmauern, Häusertrümmern und durch Tunnel hindurch, bis sich ein geräumiger Gang auftat, welcher wieder nach dem ersten Grabgewölbe hin zurücklief. Von diesem Gange zweigten sich andere Räume ab, einstige Gräber der Azteken, alle weit, hoch und luftig, in denen es sich wohl aushalten ließ.

Der ganze Bau war in Terrassenform aufgeführt, wodurch er Aehnlichkeit mit einer Pyramide bekam, denn bekanntlich wurden in solchen auch die einbalsamierten Leichname der Pharaonen, der Beherrscher Aegyptens, beigesetzt.

Wie glücklich waren die Mädchen, als sie in einem der Gewölbe ihre liebe Jessy, auf einem Bett aus Binsenmatten liegend, fanden! Des Händeschüttelns, des Freuens war kein Ende.

Endlich hatten sie sich alle wieder zusammengefunden. Die wenigen Tage der Trennung waren ihnen wie eine Ewigkeit vorgekommen. Was aber hatten sie in dieser kurzen Zeit alles durchgemacht!

Sie trugen auch die Spuren davon an ihren Körpern, und manches Andenken, manche Narbe würden wohl davon für das ganze Leben zurückbleiben. Aber was schadete das, hatten sie doch dieses selber gerettet, und sahen sie doch nun unter dem Schutze wackerer Männer einer heiteren Zukunft entgegen.

Niemand sprach jetzt davon, aber alle hatten sie in diesem Augenblicke denselben Gedanken: Wo waren die Engländer? War es nicht möglich, daß dieselben auch hierherkamen? Nur dies fehlte zu ihrem völligen Glück, dann wünschten sie nichts mehr, nicht einmal die Rückkehr in die Heimat.

In dem alten Gemäuer fühlten sie sich wirklich heimisch.

Draußen war es, trotzdem es schon Abend wurde, drückend heiß, hier dagegen wunderschön kühl. Die Gewölbe waren reinlich, und fürsorgende Hände hatten eine Menge von Binsenmatten und Decken aufgestapelt, aber auch steinerne Teller, Schüsseln und anderes mehr waren vorhanden. Es war für alles gesorgt, und die an Entbehrungen gewöhnten Trapper und Mädchen brauchten nicht viel.

Zuerst wurden die Verwundeten sorgsam gebettet. Dann wurden die Kammern verteilt und den Kranken Pflegerinnen beigegeben. Die Mädchen ließen es sich nicht nehmen, auch für die Pflege der verwundeten Trapper zu sorgen, hatten doch diese für sie ihr Blut vergossen.

Wie lange aber würden sie wohl hier bleiben? Jedenfalls nur so lange, wie die Wunden Zeit zur Heilung brauchten, aber das alte Sprichwort: »Der Mensch denkt, und Gott lenkt,« hatte sich an den Mädchen schon zu oft bewahrheitet, als daß sie jetzt schon mit der Zukunft rechneten.

Ellen traf zufällig zwei Trapper, die Decken ausbreiteten, bei einem Gespräche über die Indianer, welche hier wohnen sollten. Sie ergingen sich in allerhand Vermutungen.

Daraufhin ließ sie durch Deadly Dash noch einmal alle Männer zusammenkommen und bat sie, niemals einen Versuch zu machen, die Geheimnisse dieses Gemäuers ergründen zu wollen, denn dann könnten diejenigen, welche jetzt ihre Freunde waren, sich leicht in Feinde verwandeln, und Vorteile hätten sie dann keinesfalls davon.

Die Trapper versprachen fest, keinen solchen Versuch zu machen, sondern so zu tun, als wären sie die einzigen Bewohner, und sollten sie doch zufällig einmal jemandem begegnen, ihn gar nicht zu beachten.

Deadly Dash sprach lange Zeit in einem abgelegenen Räume mit Chalmers. Als er denselben wieder verließ, wurde er von Pueblo angehalten, der ihm mit betrübter Miene sein Herzeleid erzählte, daß sich nämlich Inez und sein Kind jedenfalls in den Händen der zurückgebliebenen Fischer befänden.

Es war schon finster in den Gewölben, als endlich alles zum Schlafen hergerichtet war, und die Mädchen wollten auch sofort ihre Lager aufsuchen, um sich dem langentbehrten Schlummer hinzugeben.

Vorher kam Deadly Dash noch einmal zu ihnen.

»Ich gehe morgen früh mit Mister Chalmers nach der Küste,« sagte er. »Er bleibt wahrscheinlich dort, ich aber komme wieder zurück, und ist es mir möglich, so bringe ich Inez, Pueblos Weib, und dessen Kind mit. Außerdem werde ich noch Erkundigungen einziehen über das Schicksal Ihres gestrandeten Schiffes, und über den Verbleib des ›Amor‹, von dem Sie mir erzählt haben. Gute Nacht, meine Damen, Sie schlafen unter dem Schutze wachsamer Augen!«

Der Waldläufer, dessen bescheidenes, höfliches und doch wieder energisches Auftreten alle Mädchen für sich einnahm, verließ seine Schützlinge, welche bald im tiefsten Schlafe lagen.

Deadly Dash führte aber noch mitten in der Nacht die unermüdlichen Trapper nach den Bäumen, an welchen die von Richter Lynch verurteilten Fischer hingen, ließ sie abschneiden und verscharren.


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