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Neuntes Capitel.
Das Zimmer eines Ministers.


Seit diesem musikalischen Abende war Hermann ein wenig aus der Harmonie mit seiner Arbeit gekommen. Das Platon'sche »Gastmahl« hatte zwar nichts von seinem Reize für ihn selbst verloren, aber die Bestimmung desselben in der Uebersetzung war zweifelhafter geworden. Ob die Arbeit in streng gelehrter Ausrüstung zu seiner Bewerbung um eine Professur, oder ob sie in freier Haltung dem gebildeten Publicum zu anziehender Belehrung über das Wesen der Liebe und des Schönen dienen sollte, hing davon ab, ob er selbst statt eines Lehramtes sich lieber um eine Stelle in der Staatsverwaltung bemühen sollte. Die Wahl indeß zwischen beiden dahingestellt, mußte er jedenfalls Herrn Provençal besuchen und der Frau von Bülow seine Aufwartung machen, zumal er sich noch am Schlusse jenes Abends ihre Erlaubniß dazu erbeten hatte.

Provençal empfing ihn mit jener eigenthümlichen Artigkeit, die seinem gesellschaftlichen Benehmen nicht nur eine schweizerische Färbung, sondern auch jetzt noch einen geistlichen oder pastoralen Strich gab. Er führte seinen Besuch ins Zimmer des Ministers. Dies heitere und geräumige Gemach stand, wenngleich außer unmittelbarer Berührung, doch im Zusammenhange mit den Bureaux, und war ebenso behaglich zum Arbeiten, als geschmackvoll zum Empfang auch ganz vornehmer Personen eingerichtet. Die Seitenthür zu einem Cabinet und zu den Schreibstuben des Hinterbaues trennte den breiten Arbeitstisch von Mahagoni links nach dem Fenster hin von einem entsprechenden Bücherschranke rechts an der Seite des Eingangs. Gegenüber, in der Vertiefung einer Wandnische, stand ein zweisitziges Sofa – was man heut eine Causeuse nennen würde –, bequem für einen nachdenkenden wie für einen ausruhenden Staatsmann. Ueber dem Schreibtische hing ein Brustbild des Königs Jerôme in einem Goldrahmen, mit einem leichten Vorhang versehen. Einige gute Landschaften schmückten die Wände mit Bildern von Waldeinsamkeit, mit Fernsichten auf Seen und Burgen, auf Hügel und Wiesen. So war der sorgenvolle Aufenthalt eines belasteten Geschäftsmannes zur ausarbeitenden Erquickung in die Beschaulichkeit des Stilllebens der Natur gefaßt.

Der Minister schließt sich mit seinem häuslichen Leben fast ganz auf dies Zimmer ab, bemerkte Provençal. Er hat es sich für seine amtliche wie für seine private Existenz eingerichtet, und sich gewöhnt, in keiner von beiden durch Erinnerung an die andere, thätig oder genießend, gestört zu werden. So enthalten auch auf beiden Seiten des Schreibtisches die verschließbaren Schubkasten rechts die geheimen Dienstpapiere, links seine vertraute Privatcorrespondenz. Die Mittelthür geht durch ein Cabinet nach den Schreibstuben, jene versteckte Tapetenthür nach den Wohnzimmern der Baronin, die schon weiß, wann sie selbst hereinschlüpfen und sich ihren Mann aus dem Minister herausschälen darf.

Ein in sich selbst beruhigtes Lächeln begleitete diese Erwähnung der Dame des Hauses. Provençal konnte nicht Worte genug finden, die vielfache Liebenswürdigkeit der Baronin zu preisen. Er schien für ihre Vorzüge wahrhaft zu schwärmen, wobei ein flüchtiges Erröthen des blassen, dunkeln Gesichts einen heimlichen Antheil des Herzens verrieth, – einen Drang der Empfindungen, der nicht ohne innern Kampf und Widerspruch bleiben mochte. Wenigstens lag etwas Jähes, ein gewaltsames Losreißen, eine Flucht der Gedanken in der Art, wie er, eben noch so erregt, plötzlich abbrach und den jungen Freund auffoderte, die Bureaux mit ihm zu besehen. Im Vorzimmer trug er einem Diener auf, sie bei der gnädigen Frau anzumelden.

Wir haben eine ähnliche Geschäftseintheilung wie die Ihnen letzthin von Herrn Heister erklärte, sagte er im Durchwandeln der Zimmer. Doch sind bei uns drei Divisionen: für directe und indirecte Abgaben und für das Rechnungswesen über die Fonds des Ministeriums. Aber verschiedene, zu untergeordneter Verwaltung abgezweigte Geschäfte hängen unter besondern Directionen vom Ministerium ab, wie das Administrationsdetail der genannten Abgaben, das Postwesen, die Verwaltung der Forste und Gewässer, der Domänen, der Minen, der Brücken und Straßen, der Schuldenliquidation und der sogenannten Economats, das heißt, der Administration der geistlichen Güter und Gefälle in den katholischen Landestheilen.

 

Ehe noch Provençal seinen Besuch von dem unternommenen und von dem erklärten Geschäftsgang zurückbrachte, öffnete sich die Tapetenthür, und die Baronin von Bülow kam herein. Ihr Eintreten sah beinahe wie eine Zuflucht aus, obgleich ihr nur der Arzt Harnisch folgte, – allerdings sehr aufgeregt in seinen Blicken und Bewegungen.

Nun? rief die Baronin, sich lebhaft umschauend, wo sind denn die Herren? Aha! Hier steht ein Hut! Sie haben nur das Zimmer verlassen, und werden gleich wiederkommen. Der gute Provençal wird wol den jungen Mann vorläufig ein wenig in die Geschäfte blicken lassen.

Für die ihm selbst noch der rechte Blick fehlt, glaub' ich, lachte der Arzt.

Sie sind doch ein unablässiger Spötter, Doctor! versetzte sie, indem sie ihm auszuweichen suchte.

Die Baronin war von so ausgesprochen freundlichem Gemüthe, daß es sich selbst in ihren Zügen ausgeprägt hatte. Diesem angeborenen Liebreize, der Schüchternen Muth einflößte, fehlte es dagegen leicht am Ausdruck der Strenge, wenn es galt, etwas ihr nicht Genehmes entschieden zurückzuweisen. Ein Lächeln begleitete selbst ihre Abwehr oder Misbilligung, und ließ leicht einen Zweifel darüber, wie ernst es damit gemeint sei. Dies war auch jetzt bei der Artigkeit des Arztes der Fall. Harnisch war ein Mann, der lieber ohne Patienten, als ohne zarte Herzensbeziehungen hätte leben mögen. Er gefiel sich darin, hauptsächlich ein Damenarzt zu sein. Und da er die vielfältigen Uebel dieses Geschlechts aus dem liebebedürftigen Herzen herleitete, so schien er, so lange es seine Jahre zulassen würden, das Studium dieser Leidensquelle und seine Bemühung für Abhülfe nicht aufgeben zu wollen.

Aber, bitte, setzen Sie sich doch! sagte die Baronin.

Nach Ihnen, – zu Ihnen, wenn Sie mich so glücklich machen wollen! erwiderte er, indem er die Bewegung machte, sie zum Sofa zu führen.

Oh! Verzeihung! lächelte sie. Ich bin hier zu Hause und kenne das Plätzchen schon, wo ich bei meinem Manne zu sitzen pflege. Lassen Sie sich nieder, und ich will Sie dann unter die Augen Ihres Königs stellen, damit Sie mehr Ernst annehmen.

Sie zog die Schnur unter dem Bild über dem Schreibtische, sodaß der leichte Vorhang sich nach beiden Seiten auseinanderfaltete.

Ah! rief der Arzt mit ironischen Verneigungen gegen das Bild, – Eurer Majestät ersterbe in tiefster Einschüchterung –! Unter diese Aufsicht stellen Sie mich, liebenswürdige Freundin? Wissen Sie denn nicht, daß dieser Jerôme ein Lockvogel der Liebe ist? Ein Flügelmann der Liebe, der mit seinen drastischen Bewegungen allen Liebhabern im Königreich Westfalen den Tact und die Handgriffe vormacht?

Ich denke nicht, mein geschätzter Doctor, daß Sie in Reihe und Glied für solche Manoeuvres stehen, sagte sie. Ja, ja, Sie und ich haben schon unsere anderweitigen Uebungen zu machen. Ich bin z. B. sehr froh, daß ich Sie habe, wenn mir die Gesundheit der Meinigen Sorge macht; für mich behalte ich dann die Sorge übrig, liebenswürdig zu sein für meinen Mann, der für sein Theil wieder soviel westfälische Finanzsorgen hat.

Sehen Sie da! rief der Arzt lachend. Daß Ihnen Ihre Liebenswürdigkeit Sorge macht, ist schon krankhaft, und Sie fallen damit unter meine Behandlung. Ich verordne Ihnen ein heilsames Vertrauen, indem ich Ihren Liebreiz anerkenne, bewundere, über mein Herz walten lasse. O machen Sie einen Versuch mit diesem Herzen, das insgeheim unter derselben Macht leidet, die Ihnen Zweifel läßt, insgeheim genesen möchte durch dieselbe Liebenswürdigkeit, die Ihnen Sorge macht!

Wie gut Sie sind, Doctor! versetzte sie mit schalkhaftem Ernst, der um ihre Backengrübchen spielte. Ihr Mittel wird gewiß auch wirken, wenn Sie es für meinen Geschmack einrichten; wenn Sie mich nämlich überzeugen, daß meine Liebenswürdigkeit stark genug ist, Ihre Bewunderung in Respect zu erhalten.

O Sie sind eine himmlische Frau! rief er aus, mit der Bewegung, sie zu umarmen. Sie hielt ihm aber den Arm entgegen, indem sie, zurücktretend, mit allem Ernst, den sie in Ton und Blick legen konnte, sprach:

Doctor Harnisch, seien Sie nicht unklug!

Verzeihung! erwiderte er, ihren Arm fassend, um die Hand zu küssen.

Lassen Sie das! fuhr sie freundlicher fort. Ein Arzt sollte nie einer Frau die Hand aus Artigkeit küssen, weil er unter allen Umständen das Recht hat, ihren Puls zu fühlen. Eine Kranke ist oft genug dem Recht und der Pflicht des Arztes so preisgegeben, daß er sich gegen die Gesunde nicht hoch genug in Achtung und Vertrauen erhalten kann. Gehen Sie lieber, mein Freund, und ziehen Sie das Bild wieder zu! Sie sind doch ein Republikaner und haben keine Ehrfurcht vor der Monarchie.

Seine Empfindlichkeit zu verbergen, erwiderte der Arzt mit bitterm Lächeln:

Lassen wir's noch einen Augenblick, gnädige Frau! Wir haben es noch gar keiner Betrachtung gewürdigt, und man sieht es nicht immer so unverhüllt. Das Vorhängchen ist ein allerliebster Gedanke. Vermuthlich von Ihnen. Die Frauen verstehen sich vortrefflich auf Vorhängchen. Das Mäntelchen gibt nämlich den Schein, als sollte das Bild geschont werden – vor den Mücken, die es beschmeißen und das Gemälde verderben, indem sie dem Gemalten freiwillig ihre Huldigung darbringen; die eigentliche Absicht mit dem Schleier ist aber, die dargestellte Person den Blicken zu entziehen, so lange ihre officielle Gegenwart überflüssig ist. Nicht wahr? Aber sehr mit Unrecht, sehr! Hängt der ehemalige Tuchhändler aus Baltimore nicht ebenso anständig über dem Schreibtisch eines Ministers, als jeder Andere aus einem alten Fürstenhause? Jerôme hat sich nicht vermessen, als er die Elle gegen ein Scepter vertauschte. Bei Gott! Die deutschen Völker bekommen derbe Lectionen über Das, was Majestät ist, Hoheit, angestammter Landesvater und dergleichen in tiefster Ehrfurcht ersterbende Begriffe! Ja, wahrlich ersterbende!

Lieber Freund, lächelte die Baronin, Ihre Scherze sind mehr bitter als wahr. Jerôme ist nie Tuchhändler gewesen. Patterson in Baltimore war Kaufmann, der Schiffe zur See hatte, und Jerôme gewann dessen Tochter Elisabeth mit dem Degen des Offiziers an der Seite – als Seeheld! – Aber still! Da kommen unsere erwarteten Herren!

Mein Gott, gnädige Frau, sind Sie unwohl? rief Provençal ängstlich, mit einem etwas unfreundlichen Seitenblicke nach dem Arzte.

Nicht ich, Herr Provençal, sondern das Kind war die Nacht etwas unbaß, antwortete sie, wobei sich ihr etwas blaß gewordenes Gesicht belebte. Seien Sie mir willkommen, Herr Doctor Teutleben! Ich empfange Sie hier, um Ihnen den Weg zu meinem Manne zu zeigen. Ich hoffe, Sie werden sich ihm recht bald bekannt machen! Bitte, nehmen die Herren Platz!

Der Arzt fragte, ob Se. Excellenz bald zurückkehren würden.

Ich erwarte ihn täglich, lieber Doctor! antwortete sie. Der Reichstag rückt heran, und ein Haufen von Briefen wartet auf ihn.

Sie haben wol auch Nachrichten aus Berlin, gnädige Frau? fragte Harnisch weiter, und sie versetzte: Von Haus recht gute, sonst aber geht Alles sehr betrübend. Das Erfreulichste, schreibt mir eine liebe Freundin, sei der Geistesmuth vortrefflicher Männer, die das allgemeine Vertrauen beleben, die Hoffnung auf die Zukunft aufrechthalten. Sie nennt Fichte und Schleiermacher. Aber auch Krieger und Staatsmänner sollen im Bunde sein, hoffentlich zu den Thaten berufen, die durch die muthigen Worte vorbereitet werden.

Und diese Thaten werden dann weiter greifen, als jene Worte, die nur im Bereiche des Katheders und der Kanzel wirken können, sagte Harnisch. Sie werden die deutsche Welt vorbereitet finden. O es ist merkwürdig, wie doch alle deutschen Hoffnungen sich an die preußischen knüpfen; wie gerade von diesem gedemüthigten, gedrückten, erschöpften Preußen das Heil und die Herstellung der deutschen Zukunft erwartet wird. Denn in diesem kaum noch geretteten Rumpfe der Monarchie lebt doch noch eine Geisteskraft und Kriegsfähigkeit, wie in keinem andern deutschen, wenn auch von Napoleon noch so begünstigten Staate. Dies Preußen kann mit Schiller's Wallenstein sagen:

Hier steh' ich, ein entlaubter Baum, doch innen
Im Marke lebt die schaffende Gewalt.

Ja, fiel Provençal mit seinem etwas schweren deutschen Accent ein, es gibt Einen Punkt, worin ganz Deutschland, glaub' ich, preußisch ist: wer an der Donau, am Rhein, an der Weser und Elbe von dem Gedanken und der Gesinnung belebt ist, gegen die Fremdherrschaft aufzustehen und sich dem Werke der Befreiung zu weihen, der ist eben preußisch.

Die schwärmerischen Blicke Provençal's, auf die Baronin gerichtet, als ob die begeisterten Worte ihr zu Gefallen gesprochen wären, setzten die freundliche Frau in einige Verlegenheit. Mit lächelnder Zurechtweisung entgegnete sie:

Ich muß Ihnen doch ein wenig Vorsicht anempfehlen, Herr Provençal. Hier freilich, unter gleichgesinnten Freunden, können Sie so reden. Aber, vergessen Sie sich ja nicht einmal unter Unbekannten. Sie stehen im Geschäft meinem Manne so nahe, daß Sie in den Augen seiner lauernden Widersacher gar leicht den Verdacht ähnlicher Denkart – oder, richtiger gesagt, den Ursprung der ihrigen – auf ihn wälzen können. Bülow ist Preuße – genug, um –

Sie schwieg. Provençal erröthete verlegen. Hermann fiel ein:

Auch andere Völker sind schon, wie uns die Geschichte lehrt, so schwer heimgesucht worden. Wenn sie dann aus der Erkenntniß Lehren zogen, so diente es ihnen zur Erhebung; überließen sie sich ihrem Unglück, so gingen sie unter.

Bei diesen Worten sprang der Arzt auf und faßte Hermann an beiden Händen, indem er ausrief:

Das war ein Wort! Dabei halte ich Sie fest, – heißt das: Lassen Sie es sich selbst gesagt sein! Wir Deutschen haben außerordentlich viel und tiefe Einsicht, so tief, daß wir gewöhnlich darin stecken bleiben und es uns gar nicht einfallen lassen, sie in Anwendung zu bringen. Aber Sie – werden dabei an Preußen denken!

Hermann, betroffen von der Empfindung, in seinen eigenen, historisch gestellten Worten wie gefangen zu sein, versetzte:

Unter Erhebung verstehe ich nicht gerade Aufstand, Empörung; ich habe vielmehr eine sittliche Ausrichtung im Sinn. Nur eine Wiedergeburt Aller führt nach verschuldeter Erniedrigung zur Herstellung und macht einer neuen Glorie würdig.

Würdig, ja! entgegnete Harnisch. Aber – wo soll dann die Glorie herkommen, und die Würde zu ihrem Recht? Nein, lieber Mann, gehen Sie nur mit Ihren Gedanken bis ans Ziel, und da werden Sie am häuslichen Pfosten nichts Anderes finden, als einen Tornister, eine gefüllte Patrontasche nebst Ober- und Untergewehr.

Wiedergeburt muß allerdings vorausgehen, versetzte Provençal, und fuhr nach des Arztes Zwischenruf: Kampf ist Wiedergeburt, Erhebung sind die Geburtswehen! ruhig fort:

Denn Preußen war sehr gesunken. Es rächte sich in 1806 furchtbar, daß man die alten, zu eng gewordenen Verwaltungsformen beibehalten hatte, ohne den alten Geist der Sparsamkeit, der Sorgfalt und Uneigennützigkeit.

Der große Fritz, der Alles dictirte, setzte der Arzt hinzu, hatte eine Verfassung versäumt, mit der sich die Beamtenschaft auf der Höhe hätte erhalten können, auf die er den Staat gehoben hatte. Er wußte doch, daß sein Nachfolger ein Mann war, der nicht, wie er, dictiren, sondern nur – dickthun konnte. Als daher die schwere Zeit kam, fand sie die Behörden schwerfällig, rathlos, unbrauchbar, ohne Selbstgefühl, ohne Energie, ohne – was man eben bürgerlichen Muth nennen kann.

Noch Eines nicht zu vergessen, bemerkte Frau von Bülow. Der große König hat noch durch ein Zweites die preußische Zukunft untergraben. Die leichten Ehescheidungen, die er begünstigte, begründeten eine tiefe Demoralisation. Mit der Familie festigt oder lockert sich der Staat. Er selbst hielt die Gesellschaft durch seine strenge Etiquette wenigstens noch äußerlich zusammen; unter seinem Nachfolger löste sich auch diese, und die Entsittlichung nahm überhand.

Ja wohl! versetzte beifällig Provençal, – so sehr überhand, daß der wackere Minister Stein die Stimmung des Landes mit der Bezeichnung »Frechheit und Verwilderung« brandmarkt.

Von den vornehmen Frauen in Berlin läßt sich gar nicht reden! äußerte die Baronin. Und ihrer Selbstentehrung im Hause entsprach dann die Entehrung der Offiziere im Felde.

Nun ja, lachte der Arzt. Beide hatten ja auch in andern Stücken – Moitié gemacht.

Lachend und mit tiefen Verneigungen empfahl er sich. Die Baronin rief ihm nach:

Auf Wiedersehen, lieber Doctor! Sie vergessen wol unsern kleinen Patienten nicht!



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