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Dreizehntes Kapitel

Und der Adjunktus des Mädchenschullehrers aus Schinkenburg fuhr fort:

»Neulich abends, als die Jungen auf der Gasse spielten und die Leute vor der Türe saßen, da hat's auf einmal einen fürchterlichen Lärm gegeben. Alles lief durcheinander, weil nämlich auf dem Markte der Schmied Kesselmann stand und in ein unbändiges Horn blies, und die Jungen versammelten sich um ihn und riefen: Hurra! denn das Horn war ein Zeichen, daß morgen die Stadtmiliz exerzieren sollte. – Und desselbigen Abends sind auf dem Ratskeller 200 Bouteillen Bier getrunken worden. – Und als nun der andere Tag kam, da hatten die Jungen keine Schule, weil nämlich die Stadtmiliz auszog zum Exerzieren. Und der Schmied Kesselmann stellte sich wieder auf den Markt und blies sehr stark und ging darauf nach Hause und zog sich an. – Nicht lange nachher kam einer angejagt, hast du nicht gesehen, so wirst du noch sehen! in Carriere. Das war der Major Gütig. Was machte der für ein Vaterlandsgesicht! Auf dem Markte hielt er still. Aber die Stadtmiliz war noch nicht da, weil der Kesselmann eine halbe Stunde zu früh geblasen hatte. Es dauerte nicht lange, so tat sich ein paar Häuser vom Major eine Haustür auf und es kam ein Mann heraus, der so aussah, als wenn er zum Major gehen und sich auch versammeln wollte. Da rief der Major: »Gardist Krautenfeld!« (denn es war ja, weiß Gott, der leibhaftige Einnehmer!) »Gardist Krautenfeld (rief der Major), es freut mich, daß Sie so präzis sind! Stellen Sie sich hierher!« – »Sehr wohl!« sagte kurz und geschwind der Einnehmer und machte ein todverachtendes Gesicht. Wer's nicht wüßte, würde den Einnehmer in seiner Uniform gar nicht kennen. Sein Tschako sitzt ihm so hoch aus dem Kopfe, als wenn einem der Kamm gestiegen ist, oder als wenn er etwas unter dem Tschako hätte.«

Ich wette, sagte ich, es ist ein Wurstenbrot. »Man muß,« fuhr der Adjunktus fort, »im Dienste nicht alles bemerken. Auf dem Tschako sitzt der Haarbusch. Der Einnehmer macht sich nichts draus, daß der Haarbusch so mutzig aussieht und daß er oben abgebrannt ist. Denn das war im Dienste geschehen, wie der Einnehmer mit dem Tschako über das Licht kam. Aber es war unrecht, daß seine Frau mit dem Haarbusche die Bouteillen rein gemacht hatte, und der Einnehmer hat auch damals sehr gescholten. Schade, daß dem Einnehmer die Ärmel zu lang sind. Aber er schneidet sie nicht ab wegen der Kälte. Die kurzen manchesternen Hosen trägt er auch bei der Uniform. Es ist auch gut, wenn man den Gardist Krautenfeld nicht von hinten besieht, wegen der Taschen. – Mittlerweile kamen nun auch die andern, ungefähr 30 an der Zahl. Da ließ sie der Gütig einen Kreis schließen und sprach ungefähr so: »Kameraden! es freut mich, daß ihr gekommen seid! Ihr kennt unsern großen Zweck. Zwar ist es zunächst der, Ordnung in Schinkenburg zu halten, und daß die Jungen keine Kanonenschläge mehr legen.« (Hurra!! riefen die Jungen hinterm zweiten Gliede.) »Aber nicht minder groß ist der Zweck, Schinkenburg gegen äußere Feinde zu verteidigen, und sogar gegen die Türken. Ohne Zweifel ist euch die Absicht bekannt, in welcher ich euch hier habe zusammenblasen lassen!« (»Jungens, wollt ihr still sein?« rief der Einnehmer mit einem barbarischen Gesichte hinter sich.) »Das Gesetz hat uns Waffen gegeben und uns zu Waffenbrüdern gemacht. Wir sind alle Waffenbrüder, liebe Mitbürger, alle, wie wir hier sind, sowohl Schriftsässige als auch Amtssässige!« (Hier kamen dem Notar die Tränen in die Augen, aber der Einnehmer machte ein Schafsgesicht.) »Übung jedoch ist die Mutter der Künste, und wenn wir Schinkenburger nicht exerzieren, so werden wir in Zeiten der Gefahr, die Gott verhüten wolle, leicht besiegt, in die Flucht geschlagen oder gar getötet werden! Darum wollen wir heute hinausziehen – der Schwanwirt ist ohnehin schon mit frischen Wecken draußen – und wollen uns für den Zweck unseres Daseins vorbereiten. Kameraden!!! es wird diesmal nicht geschossen werden (der Einnehmer atmete tief auf), sondern es werden bloß einige Handgriffe mit den Gewehren und einige Schwenkungen gemacht werden, welche das letzte Mal mit so sehr gutem Erfolge exekutiert wurden. – Öffnet den Kreis! Linksum kehrt! Vorwärts marsch!!!« – Und da drehte sich jeder Schinkenburger auf dem Absatze herum und ging geradeaus, und es gab keine Weltgegend, wo nicht ein Schinkenburger darauflosmarschierte. Aber da hätte einer den Gütig sehen sollen! Er hat sich so alteriert, daß er nicht gewußt hat, was er nun kommandieren sollte, weil alles aus den Fenstern guckte. Selbst der Notar marschierte lustig weiter, nach Südwest, und wollte sich tot lachen. Da rief der Major endlich: Halt!!! Da standen die Schinkenburger. Sie sagten damals alle, der Gütig hätte sich verkommandiert gehabt. Und als sie nun wieder zusammen waren, da hat der Gütig noch einmal die Namen verlesen, ob sie auch alle wiedergekommen waren, denn die Stadtmiliz wäre richtig nach Hause gegangen. – Und nun sind sie hinausmarschiert auf die Kuhhute, der Schmied Kesselmann voran. Auf dem Wege kam der Notar neben den Einnehmer zu gehen. »Wenn's nur keine Unruhen gibt«, sagte dieser, »meinen Sie nicht? Herr Notar? ich habe so Leibschneiden.« – »Da trinken Sie einmal (sagte der Notar und holte Doppelten heraus), aber treten Sie Ihren Vordermann nicht auf die Waden, der hinkt, wie Sie sehen.« – »Herr Major! (schrie der Hintermann) ich kann's hier vor dem Einnehmer seinen Taschen nicht aushalten, ich habe schon ganz blaue Flecke vor den Schienbeinen, ich glaube, er hat Äpfel drin!« – »Still unterm Gewehr!!« rief der Major, und da waren sie alle still. Nur der Notar hat dem Krautenfeld doch noch eine Schnurre ins Ohr erzählt, wofür aber dieser keinen Sinn hatte. – »Halt! (schrie der Gütig auf der Kuhhute) Gewehr ab! Ruht euch!« – Und wie sie sich nun alle geruht hatten, rief der Gütig wieder: »Peter! bring die Seile her!« Der Peter war nämlich ein Unteroffizier, und an den Seilen haben die Schinkenburger exerziert, links schwenkt! und rechts schwenkt! Wenn ich den Einnehmer gesehen hätte, ich hätte geweint. Er ging ziemlich am Ende und hat entsetzlich laufen müssen. Das Wurstenbrot ist dem Einnehmer beim Laufen verloren gegangen. – Desselbigen Abends, wie alles wieder zu Hause war, sind auf dem Ratskeller 300 Bouteillen Bier getrunken worden. –

Wie sich die Schinkenburger Stadtmiliz eben gebildet hatte, und (wie der Salbader gern sagt) noch nicht ins Leben getreten war, da hat einmal des Morgens ein Junge angeklopft, und wie der Einnehmer, was er gern tut, barsch herein! gerufen hat, da hat der Junge ein Kompliment vom Herrn Doktor Gütig bestellt, und der Herr Einnehmer möchte ihm doch die Ehre schenken und heute mittag präzis um 1 Uhr zum Essen kommen. – Werde nicht ermangeln, hat da der Einnehmer gesagt. Kommt noch jemand hin? – O ja, noch mehr als 20! – Da hat der Einnehmer den Kopf geschüttelt und gedacht: Na! wenn das gut geht mit dem Gütig? Aber wir wollen uns nach ein paar Jährchen 'mal wieder sprechen. Und nun hat seine Frau reine Wäsche zusammengesucht und dem Einnehmer ein weißes Halstuch und eine reine Weste auf den Stuhl gehängt. Schlag 1 Uhr ist der Einnehmer mit glatt gekämmten Haaren in des Gütigs Stube getreten. »Ei, Herr Einnehmer!« hat da der Gütig gerufen, »warum denn so geputzt?« Und darauf hat ihn der Gütig am Hals gekriegt, als wollt' er ihn tot dämpfen, und ihn an die Wand gestellt und ihm einen Strich mit Kreide über dem Kopf hergezogen. Weiter war auch niemand da und der Gütig stocherte sich die Zähne. Da ist der Einnehmer wieder sachte nach Hause gegangen und hat sich geschämt, weil er nämlich nicht zum Essen bestellt worden war, sondern zum Messen. Der Notar ist bald geplatzt vor Lachen und hat den Einnehmer beinahe ein ganzes Jahr damit geärgert.«

Hierauf trank der Erzähler ein Glas Wein und wurde feuriger. Fahren Sie gefälligst fort, fortzufahren, verehrtester Herr Adjunktus, sagt' ich.


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