Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zwölftes Kapitel

Der Adjunktus geriet immer mehr in Eifer und fuhr fort:

»Weil ich doch, da eben von der Marseillaise gesprochen habe! Wie die eben wieder aufgekommen war, da kamen einmal die Bergleute nach Schinkenburg und gaben ein Konzert auf dem Rathaussaale.« –

Bei uns, sagt' ich, wachsen sie wild auf der Straße.

– »Und in dem Konzert haben sie auch die Marseillaise gespielt, welche die Schinkenburger noch nicht gehört hatten. Wie der Einnehmer hörte, daß es die Marseillaise wäre, hat er vor Alteration Leibschneiden bekommen; der Notar hat angefangen zu tanzen; auf dem dritten Rang wurde Hurra! gerufen, und zwei Bänke brachen entzwei, und da wurde noch einmal Hurra! gerufen, und der Herr von Römfeld und alle Schriftsässigen sind zur Türe hinausgepelzt worden. – Desselbigen Abends sind auf dem Ratskeller 400 Bouteillen Bier getrunken worden!«

Was Sie sagen! rief ich staunend, um den Adjunktus zu ermutigen. Der aber fuhr fort:

»Der Notar Bachmann ist ein dicker jovialer Mann und immer herzlich vergnügt. »Mein Minchen,« sagt' er oft, und dabei schwang er heiter das Bierglas, »soll niemand anderes als ein Liberaler haben.« Der Liberale aber, der die Minchen haben sollte, das ist der Heinrich Lambert. Wenn der Notar ein paar Heller mehr hätte, so wär's ihm zu gönnen. Aber seine Fröhlichkeit verläßt ihn nie, und er wäre nicht seliger, als wenn er, mit einem Glase in der Hand, in einem Luftballon säße. Er spricht viel und singt auch manchmal noch ein Studentenlied. Hat er erst eine Bouteille Bier getrunken, so kann man mit ihm machen, was man will. Er ist ein prächtiger Kerl, der Notar, und ich mag ihn wohl leiden!«

»Der Heinrich Lambert, das ist der Rektor. Der und Notars Minchen sind von klein auf immer zusammen gewesen und haben sich immer recht lieb gehabt. Es war einmal eine Zeit, da hielt sich der Herr Heinrich Lambert noch sehr retiré, weil ihm nämlich der Notar einmal durch die Tulpe zu verstehen gegeben hatte, daß, ehe der Heinrich Rektor wäre, an gar kein Verhältnis zu denken wäre. Das hat das arme Minchen manchmal gegrämt, und sie hat oft zum Heinrich gesagt: »Ach, Heinrich! wenn wir doch erst ein Verhältnis hätten! Aber sei nur um Gottes willen immer recht liberal, sonst wird nie was draus, du weißt's ja!« Bald nachher war's aber richtig, und da haben sie den 1. April als den Hochzeitstag bestimmt

Hier trank der Adjunktus das zweite Glas und fuhr fort:

»Nicht lange nachher, wie der Spektakel mit der Marseillaise gewesen war, da kam einmal der Postmeister zum Gütig und sprach. »Wünsche wohl geruht zu haben, Herr Doktor!« Und da hat der Doktor gesagt: »Gleichfalls!« Und hernach haben sie davon gesprochen, sie wollten ein Kränzchen zusammen halten, ein engeres, als die teutsche Assemblee, die wäre zu gemischt, und die Guten müßten sich jetzo zusammentun. »Aber was trinken wir in dem Kränzchen?« sprach der Paps, und da hat der Gütig gesagt, es müßte fest gemacht werden, daß bloß Bier getrunken würde und nichts anderes. – Und das sind sie auch alle zufrieden gewesen, und der Gütig hat nachher die andern auch hinzu gezogen: den Salbader, den Einnehmer, den Notar, den Rektor, den Zwieback, den Schwindel und den Vierling. Da waren's ihrer neun. »Die Zahl der Musen!« rief der Heinrich Lambert, was sich aber der Einnehmer sehr verbeten hat. – Der Salbader ist eigentlich ein Liberaler. Wenn er spricht, so ist es so, als wenn er gar nichts sagte. Die Schinkenburger halten ihn deswegen sehr hoch, denn er bleibt immer derselbe, und wie sich einer, dem's so heiß ist, nach einem Trunke Wasser sehnt, so sehnen sich die Schinkenburger nach dem Salbader. Man sollte meinen, sie hätten den Salbader längst ausgetrunken. Aber der Salbader ist unerschöpflich und fängt immer wieder von vorn an. Wenn der Paps mit der Faust auf den Tisch schlägt, dann spricht der Salbader: »Nein, das geht nicht, siehst du, ich will dir sagen, das müssen wir so machen.« Und nun kommt etwas, welches vier Ellen breit und zwanzig Ellen lang ist, und was weder Sacklinnen, wie dem Postmeister seines, noch Moussellin, wie dem Doktor seines, noch Bettlinnen, wie dem Einnehmer seines, sondern gar nichts ist. Und wenn dann der Salbader fertig ist, dann sprechen sie alle: »Der Salbader hält sich doch immer auf dem rechten Wege.« Und am andern Tage steht die Salbaderei im Zwieback seinem Volksblatt unter einer allgemeinen Überschrift.

Der Zwieback ist nämlich der Redakteur vom Schinkenburger Volksblatt. Der Schwindel ist der Buchhändler und der Vierling ist der Particulier. Er ist ein stiller Mensch, sitzt am Tische im Kränzchen, auf beide Fäuste gestützt, und denkt sein Teil. Er hat finstere Augen und einen dünnen Schnurrbart und spricht kein Wort, sondern brummt nur manchmal. »Aber dieses Brummen! (hat der Heinrich gesagt) dieses Brummen!« – Nun, was ist denn dieses Brummen? Der Vierling ist freilich ein barbarischer Kerl, und der Notar hat ihn auch einmal einen Malitiosus genannt, aber so gar erschrecklich ist er doch auch nicht. Er hat doch einmal auf einem Dampfschiff gefahren, und da hat er doch, so viel ich weiß, kein Unglück angefangen, und in Schinkenburg hat er auch noch niemanden gebissen. – Der Schwindel und der Vierling sind auch bei der Schinkenburger Stadtmiliz. Die besteht aus 50 Schinkenburgern, jung und alt. Die Schinkenburger suchen eine Ehre darin, wenn jemand bei der Stadtmiliz ist. Wer keine Lust hat, darin zu sein, der wird 'rausgestoßen.«

Hier unterbrach ich den Adjunktus wieder mit einem Glase Wein und sagte: »Verehrtester Herr Adjunktus! bitte, bitte! erzählen Sie mir etwas von Ihrer Stadtmiliz.«


 << zurück weiter >>