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Achtes Kapitel

Ich wandle mit meinem Notizenbuche durch einen schönen sanften Abend und schreibe gehend. Aber ich bin nicht froh. – Über der Erde, welche von den Strahlen der untergehenden Sonne geküßt wird, liegt ein golddurchbrochener matter Glanz bis an die fernsten Berge, wie ein großer wehmütiger Gedanke. Es ist, als wenn die Erde von jemand Abschied nähme oder sich nach dem Himmel sehnte, der mit leuchtendem Antlitz auf sie herabsieht. Unten am Berge wird eine Flöte geblasen, und diese Metalltöne schneiden mir scharf durchs Herz.

Es ist jemand krank, lieber Leser, weit, weit von hier. Laß mich deine Hand fassen und dir ins Auge sehen. Nicht wahr, du verstehst mich und schiltst den warmen Tropfen nicht, mit dem mein Auge ringt? Auf jenen, letzten Strahlen der Sonne steigen spielende Engel herab und rufen, wie mit fernen Harmonikatönen: Gute Nacht, ihr glücklichen Erdenkinder! Bitte diese Engel mit mir, daß sie, wenn die glücklichen Erdenkinder schlafen, hingehen, weit, weil von hier an das Krankenlager und dort mit meiner Liebe beten und schützend über geliebten, matten Augen schweben.

Siehst du, wo im Abendgolde
Feurig dort die Berge glühn,
Wo im stillen Äther holde
Leuchtende Gewölke ziehn,
Dort liegt der ersehnte Strand,
Meiner Liebe Vaterland.

Und wo auf den fernen Hügeln
Dort ein Traum der Wehmut liegt,
Wo die Taub' aus weißen Flügeln
Schwebend sich im Azur wiegt, –
Hinter dem Gebirge weit
Meiner Sehnsucht schmerzlich Leid.


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