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In der Tür der Taxushecke wartete der Haushofmeister aus der Privatvilla auf Sprauhn. Er war der Typus des französischen Majordomus: weißer Backenbart, seidene Eskarpins – ganz ancien régime. Er nahm den Gast mit tiefem Bückling in Empfang und führte ihn durch einen kleinen, mit erlesenen Gewächsen bepflanzten Garten, über die Terrasse in das Arbeitszimmer, wo de Reux hinter seinem Schreibtisch saß, elegant, ein spöttisches Lächeln im Gesicht.

Es war nicht Sprauhns Sache, mit haardünnen Rapieren zu fechten. Er ließ sich auf kein geistreiches Wortgefecht ein, sondern fuhr mit der Faust los.

Rücksichtnahme, Versteckspielen?

Es ging ums Ganze zwischen den beiden Männern.

»Hören Sie an!« begann er, ohne lange Einleitung, die Unterredung.

»Die Präfektur in Mentone weiß, daß Mrs. Blythe im Keller des anderen Hauses verborgen gehalten wird. Vielleicht haben Sie dort eine Sammlung von Skeletten?«

»Ich bin nicht so geschmacklos, Herr von Sprauhn! Ich nehme an, daß die Polizei ihre Kenntnis Ihren Bemühungen verdankt?«

»Ganz recht! Die Polizei war anfangs nicht entzückt davon, daß ich sie auf Ihre Spur hetzte, aber schließlich ist sie ja dazu da, um solchen Herrschaften, wie Sie es sind, das Handwerk zu legen ….«

»Etwas harte Worte, Herr von Sprauhn!«

»Lassen Sie das! Für mich sind Sie nicht mehr Herr de Reux, sondern der Kerl, der zwanzig Jahre lange meine Schwägerin erpreßte, der sie körperlich und materiell ruinierte. Ich weiß alles! Sie haben einen schweren Fehler begangen: Sie hätten mich vorher umbringen müssen, ehe Sie mich nach Kudowa fahren ließen ….«

»Umbringen? Liegt nicht in meiner Linie, Herr von Sprauhn! Eher in der Ihrer Familie!«

Sprauhn schnellte mit einem jähen Sprung vorwärts und packte de Reux. Wie Eisenklammern legten sich seine knochigen Finger um dessen Hals. »Sie –! Hüten Sie sich! Ich habe zwanzig Jahre lang darauf gewartet, meine Hand an die Gurgel des Menschen zu bekommen, dem ich diese zwanzig Jahre verdanke! Und zu meiner Rechnung ist noch die meines Bruders und meiner Schwägerin hinzugekommen!«

De Reux machte nicht den geringsten Versuch, sich zu wehren. In seinem Blick funkelten Haß, Hohn, Herausforderung, Verachtung. Sprauhn ließ ihn los.

»Es paßt sich nicht für erwachsene Leute, sich so zu vergessen«, spöttelte de Reux, trat vor den Spiegel, richtete sich Rock, Kragen und Krawatte. »So dramatische Gesten sind lächerlich, mein Herr! Töten werden Sie mich ja doch nicht ….«

Sprauhn ärgerte sich, daß er sich hatte hinreißen lassen.

»Meinen Sie? Das hängt davon ab. Ich habe schon einmal wegen eines Mordes unschuldig gesessen. Es kommt mir also nicht darauf an, auch einmal als wirklicher Mörder vor Gericht zu stehen. Aber – –« Er steckte die Hände in die Hosentaschen und reckte sich in seiner ganzen Länge in die Höhe. »Morgen, um acht, ist die Polizei drüben in der Villa Plunkett! Ich habe Ihnen diesen Aufschub erwirkt. Ich bin bereit, noch mehr zu tun. Sie können fort von hier, können alles mitnehmen, was Sie zusammengeraubt und zusammengestohlen haben, – erstens: wenn Sie Fräulein Valerie freigeben ….« Er machte eine kleine Pause, um seiner Forderung größeres Gewicht zu geben. »Und zweitens: wenn Sie endlich den Mann nennen, der wirklich Anton Slevan erschossen hat!«

»Die erste Frage kann ich Ihnen gleich beantworten, Herr von Sprauhn«, lächelte de Reux und läutete. Der Haushofmeister erschien. »Ich lasse das gnädige Fräulein bitten!«


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