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»Sie müssen auf der Hut sein!«


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28

Der nächste Abend brachte dem »Haus der tausend Laster« eine große Überraschung: Herr de Reux erschien mit seiner Nichte.

»Was soll ich machen, meine Herrschaften?« entschuldigte er sich lächelnd. »Die junge Dame protestiert auf das allerenergischste, daß ich sie allein lasse! Vor die Wahl gestellt zwischen der Rücksicht auf meine Gäste und den Wünschen meiner Nichte, habe ich mich für Sie entschieden, meine Herrschaften! Nehmen Sie also Fräulein de Reux als eine der Ihrigen in Ihrem Kreise auf!«

Valerie nahm am Diner teil, saß dann mit am Spieltisch, tanzte.

Für diesen Abend stand ein Boxkampf auf dem Programm – ohne Handschuhe, ohne Pausen, ohne Ringrichter: Boxkampf nach den Regeln der Höhlenmenschen. Zwei abgetakelte Schwergewichtler, ein Ire und ein Franzose, verklopften sich für 20 000 Frank wie die Wilden. Eine Stunde lang schlugen sie aufeinander los, bis schließlich der Ire besinnungslos auf dem Boden lag und jegliches Interesse an dem weiteren Fortgang der Angelegenheit verlor.

Das Publikum der Villa Plunkett genoß das kulturhistorische Schauspiel in größter Ausregung. Hasse aber stand in einer Ecke und ließ die Augen nicht von Valerie. Warum brachte de Reux das Mädchen herüber? Irgendein Schachzug gegen ihn selbst? Vorsicht schien mehr denn je geboten. Er wagte es nicht, sich Valerie zu nähern; denn er wußte, daß de Reux ihn fortwährend beobachtete. Er wurde unruhig, unsicher.

Er wich Mrs. Blythe nicht von der Seite, versuchte dann sogar später noch ein-, zweimal mit ihr zu tanzen. Valerie? Wenn nur die Möglichkeit – –

Endlich spielte die Musik einen Walzer. Das war seine Chance: Er hastete zu dem jungen Mädchen hin, das sich gerade von einem der Herren ein Glas Champagner reichen ließ; de Reux stand keine drei Schritte von der Gruppe entfernt. »Gnädiges Fräulein, wollen Sie es auch einmal mit mir versuchen?«

Sie lächelte höhnisch. »Warum nicht?«

Dieses Lächeln behielt sie bei, während sie tanzten. »Sie müssen auf der Hut sein!« flüsterte Valerie.

»Das weiß ich selbst …. Warum hat er Sie hierher gebracht?«

Immer ihr Lächeln …. Das war der Schleier, durch den hindurch sie sprach. »Ich weiß es nicht. Bis jetzt hat er sich immer geweigert. Doch gestern mit einmal fing er selber davon an …. Wann reisen Sie ab?«

»Ich warte nur auf das Telegramm.«

Sie brachte es fertig, laut aufzulachen.

Er bewunderte sie: Frauen sind immer bessere Schauspieler als Männer. Und sein Arm legte sich unwillkürlich fester um die schlanke Taille. De Reux hatte seinen Platz nicht verlassen, unterhielt sich mit dem Spanier und rauchte eine Zigarette. Hasse führte Valerie zu ihm zurück. »Ich hoffe, gnädiges Fräulein, die Anstrengung war nicht zu groß?«

Mrs. Blythe präsentierte sich. Dieses junge, frische Fräulein de Reux war eine gar zu gefährliche Konkurrentin. »Ich finde es unerhört, Herr Hasse!« erklärte sie. »Ich muß mich mit Ihnen in Tänzen plagen, von denen Sie keine Ahnung haben! Und die anderen haben das Vergnügen!«

»Sie tun mir unrecht«, redete er in sie hinein, als sie schwer und bedeutsam in seinem Arm lag. »Ich bin Gast, wie Sie, und muß doch der Nichte des Hausherrn – –« »Ich bin schrecklich eifersüchtig!« Er drückte sie an sich und drehte sie geschickt auf die Terrasse hinaus. »Kommen Sie!«

De Reux blickte ihnen nach. »Herr Hasse hat sich rasch bei uns eingelebt!« schmunzelte er zu Valerie hinüber. »Das freut mich für ihn!« gab diese kühl zur Antwort. Sie hatte den Unterton in seiner Bemerkung sehr gut verstanden.


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